Russen raus: Säuberung der Kultur geht weiter

von Georg Etscheit (Die Achse des Guten, 02. März 2022)

Bilder, Anmerkungen und ergänzende Links: Nikolas Dikigoros

Kaum ist der Dirigent Waleri Gergiew als Chef der Münchner Philharmoniker geschasst, erwischt es auch Opernstar Anna Netrebko. Die Säuberung der deutschen Kulturszene von Russen und Russischem ist in vollem Gange.

Tja, es reicht jetzt nicht mehr, mit Putin nicht näher bekannt zu sein. Man muss sich als Russe, der noch etwas auf deutschen Bühnen und Konzertpodien verloren hat, auch "klar genug" gegen Putin positionieren. Auf Twitter schreibt Serge Dorny, Intendant der Bayerischen Staatsoper, die bestehenden Engagements der Operndiva Anna Netrebko seien "aufgrund des schrecklichen Angriffskrieges Russlands auf die Ukraine und einer nicht ausreichenden Distanzierung" der Musikerin abgesagt worden. "Für die Bayerische Staatsoper sind der Respekt voreinander und der Dialog miteinander unabdingbar für ein friedliches und humanitäres Zusammenleben." Das war', liebe Anna.

Anders als der Dirigent Waleri Gergiew, der am Dienstag als Chef der Münchner Philharmoniker geschasst worden war, hatte sich Netrebko schon zu dem Krieg geäußert. In einem Social-Media-Statement schrieb, sie sei "gegen diesen Krieg" und habe "viele Freunde in der Ukraine". Darüber hinaus bat sie jedoch, russische Künstlerinnen und Künstler nicht zu politischen Meinungsäußerungen zu zwingen. Sie selbst wie auch viele ihrer Kolleginnen und Kollegen seien keine politischen Menschen und auch keine Experten in Sachen Politik: "Ich bin ein Künstler, und mein Ziel ist es, Menschen über politische Grenzen hinweg zu vereinen."

Aber nein, so billig darf sich Netrebko nicht herausreden in Zeiten, in denen die Säuberung der deutschen Kulturszene von Russen und Russischem in vollem Gange ist. Vor vier Tagen lancierte der Musikjournalist Brüggemann einen ziemlich verschwörungstheoretisch daherkommenden Angriff auf den künstlerischen Leiter des Dresdner Semperopernballs, den über beste Kontakte nach Osteuropa verfügenden Kulturmanager Hajo Frey, der 2009 auf die aus heutiger Sicht verhängnisvolle Idee gekommen war, Wladimir Putin mit dem alljährlich verliehenen Preis des Opernballs zu ehren.
Anm. Dikigoros: Es war ja alles noch viel "schlimmer". Eigens für Putin wurde der bis dahin verliehene, wenig bis nichts sagende "Sächsische Dankesorden" durch eine hochkarätige Figur des Heiligen Georg als "Kämpfer für das Gute" ersetzt.

Und Putin zeigte sich erkenntlich: Als die Sogsen anno 2021 aus Angst vor der weltweiten Corona-Plandemie den Semperopernball schon absagen wollten, gestattete er ihnen dessen Durchführung im Schloß von Tsarskoje Selo. Heute steht zwar auf einer bekannten Verblödungsseite im Internet zu lesen: "Aufgrund der COVID-19-Pandemie wurden die Bälle 2021 und 2022 abgesagt." Aber das ist gleich zweifach gelogen: 1. gab es keine "COVID-19-Pandemie" - deren angebliche Existenz war bloß ein Vorwand für allerlei Terrormaßnahmen des Beliner Verbrecherregimes gegen seine Untertanen. Und 2. fand der "Dresdner" Opernball sehr wohl statt - eben in "Putins Rußland". Ferner steht auf besagter Internetseite, daß der Ball im März 2022 - in Scholzland herrschte immer noch "Lockdown" - im Scheichtum Dubai statt finden sollte. Was dort freilich unerwähnt bleibt ist, daß die Scheichs - die mit Putin weiterhin gute Beziehungen pflegen wollten - sich weigerten, dem Verein, der Putin soeben den Preis aberkannt hatte, eine Plattform für seine anti-russische Hetze zur Verfügung zu stellen, weshalb die Veranstaltung 2022 tatsächlich ausfiel. Ach, noch etwas: Da die St.-Georgs-Figur durch die Verleihung an Putin - trotz des Widerrufs - für alle Zeiten besudelt war, wurde sie anno 2023 abgeschafft und durch eine neue ersetzt, auf Chorós, den bis dahin selbst Dikigoros unbekannten griechischen Gott des Tanzes. Anm. Ende.

Brüggemann sieht Frey als Spinne in einem "im westlichen Alltag verankerten systemischen Netzwerk", mit dessen Hilfe europäische Orchester und Kunstschaffende in Putins Ferien-Residenz in Sotschi "gelockt" werden sollten - zum Zwecke kultureller Propaganda. Als Reaktion darauf distanzierte sich der Intendant der Semperoper, Peter Theiler, postwendend von Frey: Dessen Geschäftsbeziehungen in Zusammenhang mit der Organisation des Opernballs erwiesen sich als kontraproduktiv und imageschädigend für die Sächsische Staatsoper. "Daher ist es nun Angelegenheit des Semper Opernball e.V., sich ebenfalls klar und deutlich gegenüber seinem künstlerischen Leiter zu positionieren."

Sämtliche russische Kulturschaffende unter Rechtfertigungszwang gestellt

Die Salzburger Festspiele kündigten an, die Mitgliederliste eines russischen Unterstützervereins sowie mäzenatische Donatoren mit der UN-Sanktionsliste abgleichen zu wollen. Was mit russischen Künstlern geschehen soll, ging aus der Mitteilung nicht hervor, aber bis zum Sommer, wenn das Festival beginnt, läuft ja noch viel Wasser die Salzach und die Wolga herunter. So fragt sich zum Beispiel, wie es um das Engagement von Teodor Currentzis steht, dem neuen Zugpferd der Festspiele. Er ist zwar gebürtiger Grieche, verdankt Russland jedoch seine Karriere zum Superstar, seit er in Nowosibirsk und in Perm (Ural) mit seinem Originalklangorchester MusicAeterna Aufsehen erregte. Bislang hat sich Currentzis - er ist auch Chef des SWR-Symphonieorchesters - offenbar noch nicht zum Ukraine-Krieg geäußert, was vielleicht daran liegen könnte, dass er seine russischen Musiker nicht im Stich lassen will. Das wäre zwar verständlich, könnte ihm aber auf die Füße fallen.

Manchen Beobachtern wie dem NZZ-Musikredakteur Christian Wildhagen wird angesichts der Säuberungswelle mulmig zumute, in deren Verlauf längst nicht nur solche Künstler unter Verdacht stehen, die dem Kremlchef einmal die Hand gegeben haben, sondern sämtliche russische Kulturschaffende unter Rechtfertigungszwang gestellt werden: "Wohin soll das führen?"

Dahin! Für kommenden Freitag hat das Augsburger Stadttheater sein Programm geändert. Statt einer geplanten Vorstellung der Operette "Moskau, Tscherjomuschki" von Dimitri Schostakowitsch wird jetzt die Faust-Oper "Margarete" von Charles Gounod gegeben. "Europa hat sich mit Putins völkerrechtswidrigem Überfall auf die Ukraine schlagartig verändert", schreibt Staatsintendant André Bücker. "Auch unsere Wahrnehmung von Vorgängen auf der Bühne ist davon betroffen. An unserer Inszenierung sind Künstlerinnen und Künstler mit ukrainischen Wurzeln beteiligt, die derzeit in tiefer Sorge um ihre Familien in der Heimat sind", erklärt André Bücker. "Diese fühlen sich zurzeit nicht in der Lage, diese heitere Satire, die in der russischen Hauptstadt angesiedelt ist, zu spielen." Der Einfachheit halber wird das Stück nicht ausgesetzt, was vielleicht noch verständlich gewesen wäre, sondern "komplett" vom Spielplan genommen.

Mal schauen, was Freunden der russisch-sowjetischen Musik noch so alles blüht, wenn das Gemetzel in der Ukraine kein Ende findet. Die Oper "Boris Goduno" von Modest Mussorgsky über den gleichnamigen Zaren und Gewaltherrscher wäre einstweilen wohl ebenso unspielbar wie die allzu harmlosen, mit russischer Folklore angereicherten "Bilder einer Ausstellung" oder Peter Tschaikowskys perfides Kinderverführungsstück "Der Nussknacker". Und Schostakowitschs 7. Symphonie "Leningrader" mit ihrem das Heranrücken der deutschen Wehrmacht 1941 lautmalerisch nachahmenden "Invasionsthema" ebenfalls. Obwohl die Symphonie eine dröhnende Anklage war, aber wer will das in den Schützengräben der deutschen Kultur vom März 2022 schon so genau wissen?


LESERPOST
(ausgewählt und z.T. leicht gekürzt von Dikigoros)

Thomas Hechinger (02.03.2022)
Was Herr Etscheit beschreibt, ist ein ungeheuerlicher Zivilisationsbruch [...] Wenn wir uns von Rußland und seinem tyrannischen System unterscheiden wollen, dann doch darin, daß bei uns Recht und Gesetz gelten und ein jeder für all das, was in seinem Verantwortungsbereich liegt, zur Rechenschaft gezogen werden kann, aber doch niemals für die Taten anderer. Wenn das alles nicht mehr gilt, was unterscheidet uns dann noch von Putin und seinem System? [...] (Anm. Dikigoros: Der gute T.H. scheint nicht mitbekommen zu haben, daß in der BRDDR spätestens seit der 'Corona'-Panhysterie "Recht und Gesetz" keine Geltung mehr haben. Und um auf seine dumme Frage eine passende - und durchaus ernst gemeinte - Antwort zu geben: Eine ganze Menge, denn in Putins Rußland werden weder Deutsche noch Ukraïner "gecancelt" - auch nicht zur "Vergeltung". Aber was mit Ukraïnern geschieht, die von Rußland nicht gecancelt werden, kann man beispielhaft hier nachlesen - vor allem Sportfans sollten diesen Link unbedingt anklicken.)

Dr. Volkmar Paetzold (02.03.2022)
Dann bin ich ja gespannt, wann das Erlernen der Russischen Sprache in den Schulen verboten wird? (Anm. Dikigoros: Wozu? Das lernt doch auch so kaum noch jemand!)

Stephan Jankowiak (02.03.2022)
Physische und sprachliche Ausgrenzung allenthalben, seien es Künstler, Sportler, Menschen, Warenboykott etc. durch all die Besseren. Eine mediale Sprache die in der Regel mich an ganz schlimme Entgleisungen von Sudelede Schnitzler im Schwarzen Kanal oder aus dem Neuen Deutschland bis 1989 erinnert. [...] Warum Menschen und Waren aus anderen Ländern ausgrenzen und zu Aussätzigen erklären? Man stelle sich so etwas 'mal für Iran, sog. Palästinenserführer wie Arafat - den unser Steinhäger 2017 mit einem Kranz geehrt hat - (Anm. Dikigoros: wieso "unser"? Not my president!) oder Abbas vor. Geschweige gegen den Terrorfinanziererstaat Katar, gell die Herren Rummenigge, Hoeneß und Infantino und die Herren der Formel1? Die Liste ließe sich ewig über China etc. fortsetzen. Ich verabscheue das, was seit längerem schon in und gegen das ukrainische Volk stattfindet. (Anm.: Das tut Dikigoros auch - er meint damit allerdings in erster Linie das, was das durch einen blutigen Putsch in Kiïw an die Macht gelangte jüdische Verbrecher-Regime seit 2014 mit ihm anstellt.) [...] Ausgrenzung, Nichtkommunikation mit und Isolation von russischen Menschen und Waren? Das ist krasseste Kriegsrhetorik auf oberster Ebene! (Anm. Dikigoros: Nun ja, was will man von einer solchen "obersten Ebene" schon erwarten?)


v.l.n.r.: Lurchi - Schweinchen Dick, Gundel Gaukelei, rote Pappnase, grüne Kröte
PS: Tiberius in Tiberem - Lauterbach in Lauterbachem!

Peter Kloß (02.03.2022)
Russen raus, "Nazis" raus, Impfgegner raus, Ungeimpfte raus, was denn noch Alles? Dies ist kein Vergleich mit 1933-1945, dies ist SCHLIMMER! (Anm. Dikigoros: Ähäm... das war eben doch ein Vergleich, sonst würde ja der Gebrauch des Komparativs keinen Sinn machen :-)


weiter zu Puschkin und Tolstoj müssen weichen