Spanischer Bürgerkrieg:
Mit Gewehr und Feder

von Fritz Raddatz (DIE ZEIT 29/1996)

mit Links von Nikolas Dikigoros

Vor 60 Jahren begann der spanische Bürgerkrieg. Schriftsteller aus aller Welt griffen zu den Waffen, um die junge Republik gegen General Franco zu verteidigen. Doch die Feinde standen in den eigenen Reihen. Viele Autoren verarbeiteten ihre Ernüchterung in Romanen, Memoiren und Reportagen

Am 17. Juli 1936 war die Welt noch in Ordnung - soweit sie in Ordnung war: Die Londoner Times wird beherrscht von der Nachricht eines versuchten Attentats auf König Eduard VIII. Ansonsten gibt es geruhsame Nachrichten aus dem Parlament und von der Börse, Angebote behaglicher Häuser in Hampstead Heath; der Pariser Figaro feiert die Nationalisierung der französischen Rüstungsindustrie und bescheinigt dem in sein Abessinien-Abenteuer verstrickten Mussolini, daß er eine besonders wichtige Rolle in Europa spiele; das Berliner Tageblatt druckt auf Seite 1 dieses Telegramm: "Soeben erhalte ich die Nachricht von dem gegen Euro Majestät versuchten fluchwürdigen Anschlage und spreche Eurer Majestät zur Errettung aus dieser Gefahr meine herzlichsten Glückwünsche aus. Adolf Hitler, Deutscher Reichskanzler" - und weiß ansonsten von dem Verbot motorisierter Gondeln in Venedig. Lediglich im Inneren des Blattes findet sich ein Anzeichen des bevorstehenden Bebens in einer kurzen United Press-Meldung: "In ganz Spanien werden Vorsichtsmaßregeln aller Art gegen eventuelle Unruhen der Rechten ergriffen." Die Geschichte hält den Atem an, das Gewitter grollt schon - doch die europäische Presse ist taub. An diesem Freitag, dem 17., weiß nur der Völkische Beobachter vom Alarmzustand in Madrid, von der Ermordung des Royalistenführers Calvo Sotelo unter der Schmähzeile "Der spanische Marxismus als Ordnungshüter" zu berichten.

Einen Tag später dringt, trotz vollständiger Nachrichtensperre und unterbrochenen Telephonverkehrs mit Spanien, etwas mehr an die Öffentlichkeit. Das Berliner Tageblatt titelt bereits "Putsch in Barcelona" und erwähnt erstmals einen "Militärputsch in Spanisch-Nordafrika", von dem die Times noch nichts weiß, die nach elf Seiten Polo und Davis-Cup-Berichten im britischen Understatement von "kryptischen Nachrichten" über Unruhen in Spanien berichtet und ihre Leser beruhigt: "Barcelona ist ruhig, nichts Ungewöhnliches hat sich in den letzten 24 Stunden ereignet. Die Menschen flanieren wie üblich auf den Boulevards." Die Nazis wußten es besser: Vom selben 18. Juli ist - unter der Balkenüberschrift "Blutige Straßenkämpfe in Madrid und Barcelona" - ein Kabelbericht in der Sonntagsausgabe des Völkischen Beobachters datiert, der den Militärputsch in Spanisch-Marokko schildert, Orte, Garnisonen und Namen der putschenden Offiziere nennt. Nur einer fällt noch nicht: Francisco Franco Bahamonde.

Der saß exakt an diesem Tag bereits wohlbehalten in einem von faschistisch gesinnten Engländern gecharterten Flugzeug des Typs Dragon Rapide, das ihn von Las Palmas auf Teneriffa nach Marokko brachte. Der 18. Juli ist seit langem als Termin des Losschlagens unter den putschenden faschistischen Offizieren festgelegt. Genau am Morgen dieses Tages, an dem in Berlin Reichsminister Goebbels für das internationale Publikum die Ausstellung "Das neue Deutschland" eröffnet und der Reichsrundfunk seine Reportage über den Akropolis-Start der Läufer mit der olympischen Flamme vorbereitet, besteigt General Franco das geheim gelandete Flugzeug. Ein Zeuge erinnert sich an seine Worte: "Blindes Vertrauen in den Triumph!"

Es blieb nicht bei dem einen wackligen Flugzeug. Hitlers Satz "Franco sollte der Ju 52 ein Denkmal setzen" war berechtigt: Noch im Juli stellt Nazideutschland eine Flotte Junkers-Maschinen zur Verfügung, die per Luftbrücke 10.500 Mann der Franco-Truppen von Afrika nach Sevilla schafft, bald darauf noch einmal 9750 putschende Soldaten. Der Oberbefehlshaber der deutschen Luftwaffe, Hermann Göring, hat das Unternehmen geschildert: "Man darf nicht vergessen, Franco stand mit seinen eigentlichen Truppen in Afrika, konnte nicht herüber kommen, da die Flotte in den Händen der Kommunisten war oder, wie sie sich damals nannte, der zuständigen Revolutionsregierung in Spanien. (...) Ich sandte mit Genehmigung des Führers einen großen Teil meiner Transportflotte und sandte eine Reihe von Erprobungskommandos meiner Jäger, Bomber und Flakgeschütze hinunter und hatte auf diese Weise Gelegenheit, im scharfen Schuß zu erproben, ob das Material zweckentsprechend entwickelt wurde." Am 13. August 1936 findet der erste Bombenangriff dieses Krieges statt - auf den republikanischen Panzerkreuzer Jaime I, der im Hafen von Málaga liegt, er wird von zwei deutschen Bombern mit je zwölf Fünfzentnerbomben angegriffen.

Ein Krieg hatte begonnen, der erst 1939 endete, mit dem Fall von Madrid, kurz bevor der ganz große Krieg begann. Er ist von so vielen intellektuellen Augenzeugen beschrieben worden wie kaum einer zuvor oder danach. Wenn er für Nazideutschland eine Art Freilichtlabor zum Erproben der Waffen war, dann war er für eine bunt zusammengesetzte Gruppe von Schriftstellern aus aller Welt ein Ausprobieren internationaler Solidarität - ungeachtet ideologischer Differenzen und politischer Überzeugungen. In den berühmten Internationalen Brigaden kämpften - die meisten auf Schleichwegen ins Land geschmuggelt - der Katholik Georges Bernanos so gut wie der Kommunist Alfred Kantorowicz oder der Exkommunist Arthur Koestler. Der spätere französische Kulturminister André Malraux traf in Spanien auf den späteren stellvertretenden Außenminister der kommunistischen Tschechoslowakei, Arthur London. Clement Attlee, der nachmalige britische Premier, gab dem Bataillon der britischen Freiwilligen seinen Namen, und Nehru reiste in das bombardierte Barcelona, das er in seinen Memoiren beschrieb. Sie kämpften buchstäblich mit der Waffe in der Hand, der Berliner Kommunist Erich Weinert wie der "klassische" Antikommunist George Orwell aus England, der bald schwer verwundet wurde. Die Liste der Zeugen und Zeugnisse bildet eine kleine Akademie des Geistes, von Salvador Madariaga über Miguel Unamuno, Theodore Dreiser, Romain Rolland, Gustav Regler und Stephen Spender zu dem damals wohl berühmtesten, zu Ernest Hemingway. Um ihn, der kein Kombattant war, sondern als Zeitungskorrespondent in Madrid lebte, ranken sich zahllose Legenden - seine Trinkgelage, sein komfortables Hotelzimmer, wo man baden, sich mit sauberer Wäsche und einem Whisky versorgen konnte, aber auch telephonieren und telegraphieren. Hemingways Sympathien für die spanische Republik sind unbestritten, sein Roman "Wem die Stunde schlägt" hat mit der Riesenauflage in aller Welt wesentlich das Bild vom Spanischen Bürgerkrieg geprägt. Allerdings auch versüßt zu einer kinowirksamen Love-Story. Dennoch ist der Roman, dessen fiktive Figuren sich mühelos als historische Gestalten entschlüsseln lassen, eine ziemlich genaue Chronik der Ereignisse.

Nun gibt es auch in Hemingways Roman lange Passagen politischer Diskussion - über die Sozialisten, die Anarchisten, die kommunistischen Kommissare, Faschisten, über das lachende, weintrinkende Wohlleben in Barcelona: ",Wie ist es dort?' - ,Immer noch wie in der Operette. Zuerst war Barcelona das Paradies der Narren und romantischen Revoluzzer. Jetzt ist es das Paradies der Scheinsoldaten, der Soldaten, die gern in Uniform herumgehen, die gern prahlen und sich aufblasen und schwarz-rote Halstücher tragen, die alles am Krieg lieben, nur nicht den Kampf. In Valencia wird einem übel, und in Barcelona muß man lachen.'"

Der Spanische Bürgerkrieg war mehrere Kriege in einem, wurde entfesselt, geschürt und genährt von divergierenden Machtgruppen und divergierenden Motiven. Das republikanische Spanien wurde bekämpft (und zerrüttet) von rechts und von links, von Faschisten und den Anarchisten. Der spanische Anarchismus, der jegliche staatliche Ordnung, und eine bürgerliche allemal, in toto ablehnte, war in den 1930er Jahren besonders stark, besonders militant. Spanien war zerrissen in zwei Kulturen. Andalusien dämmerte mit seinen machtvollen Großgrundbesitzern, die mit dem katholischen Klerus gemeinsam nahezu mittelalterlich über eine weitgehend analphabetische Landbevölkerung herrschten, in einer Zeit der vorindustriellen Gesellschaft. Katalonien war der weiter industrialisierte, vom Welthandel der Hafenstadt Barcelona geöffnete Schauplatz ideologisierter Auseinandersetzungen, mit ihren Attentaten, Geiselmorden und fanatisch ausprobierten Gesellschaftsmodellen. George Orwell schildert seine Ankunft in Barcelona 1935: "Zum erstenmal war ich in einer Stadt, in der die arbeitende Klasse im Sattel saß. Die Arbeiter hatten sich praktisch jedes größeren Gebäudes bemächtigt und es mit roten Fahnen oder der rot-schwarzen Fahne der Anarchisten behängt. Auf jede Wand hatte man Hammer und Sichel oder die Anfangsbuchstaben der Revolutionsparteien gekritzelt. Fast jede Kirche hatte man ausgeräumt und ihre Bilder verbrannt. Hier und dort zerstörten Arbeitstrupps systematisch die Kirchen. Jeder Laden und jedes Café trugen eine Inschrift, daß sie kollektiviert worden seien. Man hatte sogar die Schuhputzer kollektiviert und ihre Kästen rot und schwarz gestrichen. (...) Unterwürfige, ja auch förmliche Redewendungen waren vorübergehend verschwunden. Niemand sagte ,Senor' oder ,Don' oder sogar ,Usted'. Man sprach einander mit ,Kamerad' und ,du' an und sagte ,Salud!' statt ,Buenos dias'."

Die POUM (Partido Obrero de Unificación Marxista - Arbeiterpartei der marxistischen Einigung) war keineswegs eine straff organisierte kommunistische Kaderpartei, sondern eine sozialromantische Vereinigung mit stark anarchistischen Elementen, in der als Proletarier verkleidete Bürger mit Friseuren mischten, die an ihren Salons Schilder angebracht hatten, sie seien nun keine Sklaven mehr, oder mit jungen Leuten, die auf den Straßen revolutionäre Balladen für ein paar Centimos sangen. Die in Räuberzivil gekleideten POUM-Milizen waren hochherzig, freisinnig und später auch sehr tapfer; aber sie lehnten jede Disziplin ab, wenn einem Milizionär ein Befehl nicht paßte, trat er aus dem Glied und diskutierte mit dem Offizier - der wiederum, wurde er von einem Bauernburschen versehentlich "Señor" tituliert, sich das verbat. Statt der Bedienung der (wenigen) Maschinengewehre übte man rechts um, links um, und lieber raste man auf requirierten Lastwagen mit Lautsprechern und schwarzen Fahnen umher, als sich ernsthaft auf den Kampf vorzubereiten.

Es war, neben dem blutigen Ernst, auch eine drôle de guerre, und zwar lange vor dem (Bürger-)Krieg, in dem sich schließlich acht oder mehr verschiedene politische Parteien untereinander bekämpften, anstatt miteinander auf die Franco-Truppen loszugehen. Mit britischer Lakonik hat Orwell das Desaster notiert: "Ich hatte keine Ahnung, daß es zwischen den politischen Parteien ernstliche Unterschiede gab. Ich fand es idiotisch, daß Leute, die um ihr Leben kämpften, verschiedenen Parteien angehören sollten. Meine Einstellung lautete immer: ,Warum können wir nicht all diesen politischen Unsinn fallenlassen und einfach mit dem Krieg weitermachen?'... Als Milizsoldat war man ein Soldat gegen Franco, aber man war auch eine Schachfigur in dem riesigen Kampf, der zwischen zwei politischen Theorien ausgefochten wurde."

Die PSUC (Partido Socialista Unificado de Cataluna) war die sozialistische Partei Kataloniens, in Wahrheit streng kommunistisch, Teil der Dritten Internationale. Ihre Mitglieder rekrutierten sich aus Bauern, Arbeitern, Ladenbesitzern, auch Beamten. Die Parteilinie hieß - grob gesagt - antifaschistischer Kampf, aber keine soziale Revolution, hieß parlamentarische Demokratie, aber keine Diktatur des Proletariats. Das folgte der Stalin-Direktive vom "Aufbau des Sozialismus in einem Land", also der Verabschiedung von Trotzkis Idee der Weltrevolution.


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