DER  FALL  MARZABOTTO

Walter Reder - Der Gefangene von Gaeta

Von Helmut Wilhelmsmeyer (DS 1991/92, p. 253)

(Kürzungen, Links u. Anmerkungen von N. Dikigoros)

Nach der Einnahme Roms durch die 5. US-Armee am 4.6.1944 wurden hinter der deutschen Front in verstärktem Maße Partisanengruppen aktiv. Im Herbst 1944 belief sich ihre Stärke auf annähernd 100.000 Mann. Sie wurden von den Alliierten aus der Luft versorgt. Der Aufruf des verräterischen Marschalls Badoglio im Juli 1944 - gegen das geltende Völkerrecht - fiel auf fruchtbaren Boden:

"Greift die Kommandostellen und die kleinen militärischen Zentren an! Tötet die Deutschen von hinten, damit ihr euch der Gegenwehr entziehen könnt, um wieder andere töten zu können!"
[Der Aufruf hätte auch dann gegen das geltende Kriegs-(nicht Völker-)Recht verstoßen, wenn Bagdolio dazu aufgerufen hätte, die Deutschen von vorne zu töten, Anm. Dikigoros]

Marschall Badoglio, Herzog von Addis Abeba, hatte bereits während des stagnierenden Eroberungsfeldzuges in Abessinien traurige Berühmtheit erlangt, als er gegen die z.T. mit Steinflinten ausgerüstete Eingeborenenarmee des Negus Senfgas eingesetzt hatte. [Das hatten die Briten im Irak unter Churchill genauso getan, Anm. Dikigoros] Jetzt trug er wesentlich dazu bei, daß die Aktionen der Partisanen eskalierten. "Wo die 'vaterländische Aufgabe' noch Hemmungen bestehen ließ, wußten sich die verbrecherischen Instinkte der Kriminellen in solchen zusammengewürften Haufen weitgehend durchzusetzen. So konnte die verabscheuungswürdige, hinterhältige Kampfführung Origen feiern. Es gibt in der Skala der Verbrechen, vom heimtückischen Abschießen, Erhängen, Ertränken, Verbrennen, Erfrieren, Kreuzigen, Martern jeder Art, Attentate gegen einzelne und Gemeinschaften bis zur Brunnenvergiftung keines, das nicht vorgekommen wäre. Der immer wiederkehrende Mißbrauch des 'Roten Kreuzes' muß hier besonders betont werden," stellte Feldmarschall Kesselring in seinen Erinnerungen fest. Die deutschen Abwehrmaßnahmen, d.h. die militärische Bekämpfung der Partisanenbewegungen, entsprach dem Kriegsrecht, desgleichen die Anwendungen von Repressalien. Sie waren bis Ende des Zweiten Weltkriegs, sofern der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachtet wurde, durch völkerrechtliches Gewohnheitsrecht gedeckt.

Im Sommer 1944 entwickelte sich in Italien das gleiche Banden-Unwesen wie in Rußland und in den Balkanländern, mit den gleichen Grausamkeiten und Vergeltungsmaßnahmen. Besonders die Aktivitäten der beiden kommunistischen Partisanenbrigaden "Lunense" in den Apuana-Bergen und "Stella Rossa" (Roter Stern) zwischen dem Monte Sole und dem Monte Salvaro, erwuchsen zu einer großen Gefahr. Besonders letztere unter ihrem Anführer Mario Musolesi (den seine Anhänger "Il Lupo" [der Wolf] nannten) kontrollierte im Bereich der beiden wichtigen Sraßen des Reno- und Settotales die Zufahrts- und Versorungswege zur deutschen Front; sie führte laufend Überfälle und Sabotageakte durch.

Die roten Brigaden machten mit ihren Aktionen vor der eigenen Bevölkerung nicht halt. Sie bekämpften auch jene Widerstandsgruppen, die sich nicht mit ihnen identifizierten und zwangen die Bewohner, sich am Bandenkampf zu beteiligen. Es war unmöglich, sie von den Partisanen zu unterscheiden, da dieser Gegner weder Uniformen noch erkennbare Abzeichen trug, geschweige denn seine Waffen offen führte. In den seltenen Fällen, in denen sich die Partisanen zum Kampf stellten, beachteten sie weder die Gesetze noch die Gebräuche der Kriegführung. Es war daher unvermeidbar, wenn es zu Verlusten unter der Zivilbevölkerung kam.

Nachdem die 5. US-Armee den Futa-Paß genommen hatte, trennten sie nur noch wenige Kilometer vom Operationsgebiet der 2.000 Mann starken "Stella Rossa"-Brigade. Um den Gefahrenherd zu beseitigen, mußten Truppen aus der Front heraus gezogen werden. Am 28.09.1944 wurde die SS-Panzeraufklärungsabteilung 16 unter dem schwerkriegsbeschädigten (unterarmamputierten) 29-jährigen Sturmbannführer [Major] und Ritterkreuzträger Walter Reder für den Angriff bereit gestellt. Musolesis Hauptquartier befand sich südlich von San Martino beim Weiler Cadotto.

Die Truppenbewegungen blieben natürlich der einheimischen Bevölkerung nicht verborgen, so daß die Partisanen vorzeitig von einem Mann gewarnt wurden, der sich schon öfters als Spitzel und Verbindungsmann betätigt hatte, Don Formasini aus Marzabotto, einem Kommunisten im Priestergewand. Musolesi ließ seine vier Bataillone zwischen dem Monte Sole und dem Monte Salvaro Stellung beziehen. Am 29. September griffen Einheiten des Heeres, der Fallschirmtruppe und der Waffen-SS an. Die Partisanen waren durch alliierte Soldaten und eine komplette, in deutschen Uniformen desertierte Kompanie der 163. Turk-Division verstärkt worden. [So viel zu der Frage, welchen Sinn es machte, geschlossene Einheiten aus Freiwilligen gewisser SU-Minderheiten aufzustellen und sie irgendwo fern der Heimat einzusetzen, Anm. Dikigoros] Auch die Zivilbevölkerung wurde gezwungen, sich durch Hilfsdienste am Kampf zu beteiligen. Ohne Rücksicht auf Frauen, Kinder und Greise, die sogar als Schutzschilder benutzt wurden, führte Musolesi mit seinen Männern - unter Mißachtung der Genfer Konvention und der Haager Landkriegsordnung - einen erbarmungslosen Kampf. Die "Stella Rossa"-Brigade wurde erst nach zweitägigen schweren Kämpfen aufgerieben. Musolesi fand den Tod; seine überlebenden Anhänger wurden in alle Winde zerstreut. Infolge einer schmerzhaften Knieverletzung war Major Reder gezwungen gewesen, die Angriffshandlungen von seinem Gefechtsstand, der sich bei Rioveggio befand, per Funk zu führen. Es ist daher eine ungeheuerliche Verdrehung der Tatsachen, wenn im Prozeß von Bologna behauptet wurde und vielfach auch heute noch behauptet wird, Major Reder und die ihm unterstellten Soldaten hätten in Marzabotto Zerstörungen und ein Massaker unter der Bevölkerung angerichtet, denn weder Reder noch irgendein deutscher Soldat haben die Ortschaft während dieser Kämpfe betreten. Sie lag außerhalb des Wirkungsbereichs aller in dieser Gefechtszone eingesetzten Waffen. Erst später, als die Front näher rückte, erlitt Marzabotto Zerstörungen durch alliierte Artillerie- und Bombenangriffe.

Gegen Kriegsende in amerikanische Gefangenschaft geraten, wurde Major Reder noch im Sommer 1945 nach Goldegg bei Salzburg verlegt. Nachdem Amerikaner und Briten nach Monate langen Untersuchungen keine Belastungsargumente gefunden hatten, wurde Reder am 13.05.1948 entlassen. Gleichzeitig gaben sie aber der Forderung der italienischen "Siegermacht" nach und verfügten seine Auslieferung. Als Reder am 30. Mai in Italien eintraf, begann der lange Leidensweg eines Mannes, der zum Zielobjekt des Hasses ultralinker und kommunistischer Kreise Italiens gemacht wurde.

In einer dreijährigen Vorbereitungszeit bemühte sich die Anklage, ernsthafte Schuldbeweise zu sammeln. Als der Prozeß unter dem Druck der aufgehetzten Volksmassen von Bologna eröffnet wurde, stützte sich die Prozeßführung auf einen Aktenberg, der aus Fiktionen und bewußt falschen Behauptungen ehemaliger kommunistischer Partisanen zusammen getragen war. Für neutrale Beobachter stand von vornherein fest, daß der Angeklagte jedem Strafmaß willkürlich ausgeliefert war. Dafür gab bereits die Wahl des Schauplatzes, die kommunistische Hochburg, den Hinweis, in der sich auch das Hauptquartier der kommunistischen "Nationalen Partisanenbewegung Italiens" [A.N.P.I.] befand. Hier sollte Walter Reder vor der Weltöffentlichkeit als "Massenmörder" abgeurteilt werden. Das unter dem Druck der Straße durchgeführte Verfahren mit Zeugenbedrohungen, Meineiden und der generellen Abweisung aller entlastenden Zeugen und Zeugnisse, war charakteristisch für den gesamten Prozeßverlauf. Major Reder war einer von 18.000 Soldaten, die im Bereich von Marzabotto an Einsätzen teilgenommen hatten. Da ihm sein Divisionskommandeur, General Simon, den Auftrag zur Zerschlagung der "Stella Rossa"-Brigade übertragen hatte, wurde er allein und pauschal für die Opfer der "Patrioten", der "unbeteiligten Zivilbevölkerung" und für die Sühnemaßnahmen verantwortlich gemacht. [General Simon wurde von einem britischen Militärgericht zum Tode verurteilt, später begnadigt und 1954 aus der Haft entlassen. Ebenfalls zum Tode verurteilt wurden der Oberbefehlshaber der 14. Armee, Generaloberst v. Mackensen, und der Oberbefehlshaber der Heeresgruppe Italien, Generalfeldmarschall von Kesselring. Beide wurden später begnadigt und 1952 auf freien Fuß gesetzt.] Dem Gerichtshof war es völlig gleichgültig, ob Reder jene Plätze und Ortschaften überhaupt jemals betreten hatte, und ob die Verluste der Bevölkerung durch Terrorakte der Partisanen, durch Artillerie- und Bombeneinsätze der Alliierten oder durch Kampfhandlungen zwischen deutschen und alliierten Truppen entstanden waren.

Für die Atmosphäre des Prozesses war es bezeichnend, daß Reders italienischer Verteidiger, der Anwalt Dr. Nevio Magnarini aus Bologna, aus Angst vor kommunistischen Drohungen sein Mandat niederlegte. Ihm folgte der römische Anwalt Giuseppe Schiro, dem als Koadjutor der bekannte deutsche Jurist, Dr. Claus Frhr. v. Heydebreck aus Glückstadt, beigegeben war. Diesem war es jedoch während des gesamten Prozeßverlaufs untersagt, sich zu Wort zu melden. Das "Tribunale Militare Territoriale di Bologna" ignorierte einfach die vorgebrachten Beschwerden und prozeßrechtlichen Beanstandungen.

Nach dem Tode des ersten Generalanklägers trat an dessen Stelle der 28-jährige Dozent für Strafrecht an der Universität Bologna, Dr. Stellaci. Obwohl dieser niemals Soldat war, steckte man ihn in die Uniform eines Oberleutnants. Man beförderte ihn schnell zum Hauptmann und, um rangmäßig mit dem Angeklagten ebenbürtig zu sein, avancierte er noch während des Prozesses zum Major. Zur Charakterisierung des Generalanklägers stellt der englische Rechtshistoriker F.J.P. Veale in seinem Buch "Crimes discreetly veiled" u.a. fest:
"Stellaci wußte nichts über Gesetze und militärische Angelegenheiten. Unfähig, die Grundlagen des Prozesses zu verstehen, vergeudete er die Zeit des Gerichtes mit langen Tiraden gegen den Verteidiger und mit Lobreden über die gefallenen Helden, die ihr Leben hingegeben hätte, um die Welt für die Diktatur des Proletariats reif zu machen... Reder hörte unbewegt zu, wenn er als 'Biest', 'Mörder', 'Schurke' und 'Verbrecher' bezeichnet wurde, aber er protestierte gewaltig, als Stellaci erklärte, daß er es nicht glaube, daß so ein verächtlicher Nichtsnutz für Verdienste ausgezeichnet worden wäre. Als der Beweis erbracht wurde, daß Major Reder das Ritterkreuz des Eisernen Kreuzes erhalten hatte, erklärte Stellaci, der Angeklagte habe sich selbst überführt, da jeder wisse, daß diese Auszeichnung ausschließlich für die Ermordung von Sowjetbabies verliehen wurde."

Während sich der Ankläger bemühte, den Prozeß auf diesem Niveau zu führen, tobte sich vor dem Gerichtsgebäude ein von kommunistischen Agitatoren aufgehetzter, johlender und kreischender Mob aus, der für den Angeklagten die Todesstrafe forderte. Auch die Presse verlangte "Vergeltung für Marzabotto" und für den Tod des posthum mit der Goldenen Tapferkeitsmedaille ausgezeichneten Bandenführers Musolesi. Der deutsche Koadjutor wurde mit Bergen von Drohbriefen eingedeckt. Um nicht das Opfer der aufgehetzten Volksmassen zu werden, forderte der italienische Verteidiger Polizeischutz an.

Während des Prozeßverlaufs zeigte sich, daß die Belastungszeugen keine Hemmungen hatten, sich in Gegensatz zu ihren Aussagen zu stellen, die sie bereits vor den britischen Miitärbehörden gemacht hatten. Es nahm auch niemand Anstoß daran, als sie ihre neueste Version unter Eid besiegelten. Als einige der ehemaligen Partisanen erklärten, die Gefallenen in den Gebieten von Vinca und Marzabotte seien niccht durch Reder willkürlich ermordet worden, brachte das Gericht unmißverständlich zum Ausdruck, es ginge hier nicht um Schuld oder Unschuld des deutschen Majors, sondern um eine politische Entscheidung! Das Militärgericht von Bologna verurteile Major Reder am 31.10.1951 trotz erwiesener Unschuld zu lebenslanger Haft und zu Degradierung mit allen Rechtsfolgen. [Anm. Dikigoros] Für das politische Klima im damaligen Italien ist bezeichnend, daß es kein Politiker der Regierungsparteien wagte, gegen eine derartige Rechtsbeugung Einwände vorzubringen. Die Verteidigung legte Revision ein. Die österreichische Schutzmacht unter ihrem Außenminister Gruber wurde aktiv.

Im Rekurs-Verfahren vor dem Obersten Militärgericht 1954 in Rom wurden einige der Schuldbehauptungen des Urteils von Bologna aufgehoben. Es wurde ausdrücklich anerkannt, daß die angeblichen Vorgänge nicht stattgefunen hatten. Die Degradierung wurde als "Irrtum" bezeichnet und wieder annulliert. Die Berufung selber wurde auf Antrag des Generalanklägers, General Galassi, verworfen und Reders Verurteilung zu lebenslanger Haft bestätigt. General de Prato vom Obersten Militärgericht gab der deutschen Delegation eines Frontkämpferverbands 1958 die Gründe hierfür zu verstehen: Selbst eine Herabsetzung der Haftstrafe auf 30 Jahre, wie es allgemein nach Art. 26 des italienischen Militärstrafgesetzbuches praktiziert wurde, konnte aus innerpolitischen Gründen nicht angewandt werden, weil die sehr starke KPI die Volksmassen aufhetzen und in Ortschaften wie Marzabotto eine Revolution auslösen würde.

Angesichts der Proteste, die von der Bundesrepublik Deutschland und Österreich ihren Ausgang nahmen, trugen kommunistische Ex-Partisanen weiter aufgebauschte Vorwürfe zusammen, um sie bei Demonstrationen und in den Medien publik zu machen. Es war eine militante und haßerfüllte Gruppe, die versuchte, auf jenen Mann alles abzuladen, den das Land als Faustpfand vorweisen konnte. Ein harter Kern erklärte offen: "Nicht als ein straffälliges Individuum soll Reder in der Haft bleiben und in der Haft sterben, sondern als Symbolgestalt einer verwerflichen Ideologie!"

Das offizielle Österreich sowie deutsche und österreichische Soldatenverbände ließen nichts unversucht, die Weltöffentlichkeit auf den letzten Kriegsgefangenen aufmerksam zu machen, den man aus politischen Gründen seiner Freiheit beraubt hatte. Erst 1970 wurde ein Gnadengesuch der österreichischen Regierung von den beiden militärgerichtlichen Instanzen befürwortet. Doch keine der römischen Regierungen brachte den Mut auf, es dem Staatspräsidenten zur Bewilligung vorzulegen, weil für einen solchen Fall Sozialisten und Kommunisten umfangreiche Protestaktioen angedroht hatten. Für ein Mitgliedsland des NATO mit einer demokratischen Verfassung war der Prozeß gegen Major Reder und seine Behandlung als Kriegsgefangener ein Skandal. Bedeutende Juristen haben klargestellt, daß das Urteil von Bologna aus völkerrechtlichen, strafprozessualen, straf- und verfassungsrechtlichen Gründen nicht aufrechterhalten werden könne und daß man Reder in allen Punkten hätte freisprechen müssen.

Mit welch plumpen Geschichtsfälschungen bestimmte kommunistische Kräfte selbst heute noch in Italien arbeiten, kann derjenige feststellen, der als Tourist nach Marzabotto kommt und dort mit einem Gedenkstein konfrontiert wird, in dem 1.830 Namen eingemeißelt sind, die dokumentieren sollen, daß sie deutschem "Massenmord" zum Opfer gefallen sind. Wie die Mailänder Zeitschrift "Gente" berichtete, sieht die Wahrheit ganz anders aus, weil hier die Zahlen sämtlicher Männer, Frauen und Kinder erfaßt wurden, die in der Region in der Zeit vom 8.9.1943 bis zum 24.4.1945 eines normalen Todes gestorben sind, die opfer von Kampfhandlungen und jene nichtkommunistischen Partisanen und Zivilpersonen, die von ihren kommunistischen Verbündeten ermordet wurden. Es ist ein Musterbeispiel dafür, wie die kommunistische Gemeindebehörde von Marzabotte nicht davor zurückschreckt, die Weltöffentlichkeit mit Lügen und Fälschungen zu täuschen, um für alle Zeiten ein Greuelmärchen am Leben zu erhalten.

Im Sommer 1980 gab ein Militärgericht in Bari dem Antrag Reders auf bedingte Entlassung statt, wobei die Haftzeit bis zum Jahr 1985 befristet wurde. Doch jedesmal, wenn ein derartiges Gesuch publik wurde, setzte die Gemeinde von Marzabotto mit Befragungen, Abstimmungen und Demonstrationen ein spektakuläres Szenarium in Gang, das den einzigen Zweck verfolgte, eine Freilassung Reders zu verhindern. Als Staatspräsident Pertini und Ministerpräsident Craxi Reders Freilassung veranlaßten, ohne sich durch örtliche volksbegehren beeinflussen zu lassen, handelten sie - wenn auch spät - im Interesse der Menschlichkeit. Rüchschauend muß festgestellt werden, daß es bedeutende Persönlichkeiten und Organisationen waren, die sich für Reders Entlassung nach 40 Jahren Kriegsgefangenschaft (von denen er 34 Jahre in Gaeta verbrachte) eingesetzt haben. Am 17.10.1975 billigte der wehrpolitische Kongreß der CSU in einem einstimmig gefaßten Telegramm an den italienischen Staatspräsidenten Leone mit den Unterschriften von Franz Josef Strauß und dem heutigen NATO-Generalsekretär Manfred Wörner die Freilassung von Major Walter Reder. [Anm.: Dieser Satz ist purer Schwachsinn: 1975 war Reder noch nicht freigelassen worden; wenn doch, hätte dies keiner Billigung durch irgendeinen Kongreß irgendeiner ausländischen Partei bedurft. Ein Telegramm kann nuturgemäß nur in einem Wortlaut gefaßt werden, aber nicht "einstimmig". Und es mag gezeichnet sein, aber Unterschriften trägt es, ebenfalls naturgemäß, nie. Diese - und einige andere Sätze, die Dikigoros entweder stillschweigend korrigiert oder gestrichen hat, legen den Verdacht nahe, daß Wilhelmsmeyer - über den das DS, im Gegensatz zu fast allen anderen der über 50 Autoren, keinerlei biografische Angaben macht, nicht mal eine Berufsbezeichnung, einen akademischen Grad oder einen militärischen Rang - diesen Artikel einfach nur schlecht übersetzt hat, und das ohne Quellenangabe.]

Als sich 1985 für Reder nach insgesamt 40 Jahren unschuldig erlittener Haft die Tore der Freiheit wieder öffneten, hatte er für die deutschen Repressalmaßnahmen büßen müssen, die in den Provinzen Massa-Carrara und Bologna durchgeführt worden waren, obwohl er - wie dem Beschluß vom 14.7.1980 zu entnehmen ist - "an keinem der ihm zugeschriebenen Greueltaten persönlich teilgenommen hatte."

Nach diesem tragischen Lebensabschnitt waren Reder noch sechs Jahre zum Leben in Freiheit vergönnt. Doch auch sie waren nicht frei von Anfeindungen und Angriffen verblendeter Zeitgenossen. Der Dank des Vaterlandes wurde dem letzten Spätheimkehrer durch eine Wiener Behörde in drastischer Weise zum Ausdruck gebracht, weil sie dem "Kriegsverbrecher Reder" den Bezug der Kriegsbeschädigten-Rente verweigerte. Erst nach Anrufung des Verwaltungsgerichtes wurden die beamteten Moralisten gezwungen, ihre Entscheidung zu revidieren. Auch die deutschen und österreichischen Medien - vornehmlich die Regenbogenpresse - hieben in die gleiche Kerbe und wärmten die längst widerlegten Marzabotto-Greuel wider auf, wobei es den verantwortlichen Redakteuren überhaupt nicht einfiel, die Fakten einer sachlichen Prüfung zu unterziehen.

Walter Reder starb am 26. April 1991 mit 76 Jahren. Seine schweren Verwundungen und die langen Jahre der Festungshaft hatten ihn nicht mehr gesunden lassen. In Gmünden (OÖ) fand er seine letzte Ruhestätte. Er trug sein Schicksal in aufrechter, nie von Haß erfüllter Haltung, und blieb sich, seiner Heimat und seinen Kameraden treu.

Literatur:

Wolfgang Kunz: Der Fall Marzabotto - Analyse eines Kriegsverbrecherprozesses, hrsg. von Prof. Dr. Dr. F. A. Frhr. v. d. Heydte, Holzner Verlag, Würzburg


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