Knast für "britischen Humor"

von Ulrike Stockmann (Die Achse des Guten, 10.04.2024)

Anmerkungen & ergänzende Links: Nikolas Dikigoros

In Schottland trat ein Gesetz in Kraft, bei dem sich selbst hartgesottene Kulturkämpfer die Augen reiben. Demnach könnten alle Witze, die den Namen auch verdienen, ab sofort strafbar sein. Passend dazu warnt die Polizei vor dem "Hassmonster".

In Schottland trat am 1. April 2024 ein Gesetz in Kraft: der "Hate Crime and Public Order Act", zu Deutsch: das "Gesetz über Hasskriminalität und öffentliche Ordnung". Es stellt für viele Beobachter einen enormen Einschnitt in die Meinungsfreiheit dar. Unter anderem bei Kritik am Transthema würde hiermit möglich, unliebsame Äußerungen als "Hassrede" abzustempeln - die bis dato einfach als Meinungsäußerung galten. Im schlimmsten Fall warten auf einen in diesem Sinne Verurteilten bis zu sieben Jahre Haft.

Im Gesetzestext heißt es, es handele sich um "ein Gesetz des schottischen Parlaments, um Bestimmungen über die Verschärfung von Straftaten aufgrund von Vorurteilen zu erlassen; um Bestimmungen über den Straftatbestand der rassistisch motivierten Belästigung zu erlassen; um Bestimmungen über Straftaten im Zusammenhang mit der Aufstachelung zum Hass gegen eine Gruppe von Personen zu erlassen; um den gewohnheitsrechtlichen Straftatbestand der Blasphemie abzuschaffen; und für damit verbundene Zwecke."

Wie der Guardian schreibt, schafft dieses Gesetz "einen neuen Straftatbestand für bedrohliches oder beleidigendes Verhalten, das darauf abzielt, Hass aus Gründen des Alters, einer Behinderung, der Religion, der sexuellen Ausrichtung, der Transgender-Identität und anderer Geschlechtsmerkmale zu schüren. Diese zusätzlichen Bestimmungen ergänzen die bereits seit 1986 im Vereinigten Königreich geltenden Straftatbestände der Aufstachelung zum Rassenhass."

"Hassverbrechen" und die Meinungsfreiheit

Das Gesetz sei bereits 2021 unter der Vorgängerregierung verabschiedet worden, hätte jedoch ungewöhnlich lange gebraucht, um in Kraft zu treten, da "frühere Fassungen einen Aufschrei von Gruppen aus dem religiösen und kreativen Bereich hervorgerufen hatten". Der Aufschrei blieb auch jetzt nicht aus, als das Gesetz nun unter dem schottischen Ersten Minister Humza Yousaf (Anm. Dikigoros: Pardon, aber das ist kein "schottischer Erster Minister", sondern ein "Erster Minister von Schottland". Ein Pferd, das in einem Schweinestall geboren ist, bleibt ein Pferd - und umgekehrt!) von der als linksnational geltenden SNP in Kraft trat. (Früher nannte man nationale Sozialisten "Nationalsozialisten", heute nennt man sie "Linksnationalisten :-) Er hatte bereits als damaliger Justizminister laut Guardian dazu beigetragen, den Gesetzentwurf durch das Parlament zu bringen. Nun habe er den schottischen Abgeordneten versichert, dass der Schutz der Opfer von "Hassverbrechen" und die Meinungsfreiheit in einem ausgewogenen Verhältnis stünden.

Ob dies den Tatsachen entspricht, ist zweifelhaft. Harry-Potter-Autorin J. K. Rowling postete prompt auf Twitter

"Wenn das, was ich hier geschrieben habe, nach den Bestimmungen des neuen Gesetzes eine Straftat darstellt, freue ich mich darauf, verhaftet zu werden, wenn ich in die Geburtsstadt der schottischen Aufklärung zurückkehre."

Damit meinte sie ihre vorherige Auflistung von Transfrauen, die ihren Zugang zu Frauenräumen missbraucht haben - sei es durch die Teilnahme am Frauensport, die Besetzung von Frauenämtern oder gar durch das Begehen von Sexualstraftaten. Nachdem Rowling die "Ladys" als Damen vorgestellt hatte, postete sie: "Nur Spaß. Offensichtlich handelt es sich bei den in den obigen Tweets erwähnten Personen überhaupt nicht um Frauen, sondern um Männer, und zwar um jeden einzelnen von ihnen."

Die einst gefeierte Autorin wird bekanntlich seit einiger Zeit wegen ihrer Kritik an der Translobby von Aktivisten und vielen Medien verunglimpft. (Anm. Dikigoros: Ist das kein Hate crime?) Rowlings Haupt-"Verbrechen" besteht vor allem darin, abzustreiten, dass "Transfrauen" Frauen seien. Rowling warnt auch immer wieder davor, dass etwa Sexualstraftäter "Selbstbestimmungsgesetze" ausnutzen könnten, um als biologischer Mann in Frauenschutzräume zu gelangen. In ihrem Posting thematisierte sie unter anderem den Fall von "Isla Bryson", einem als Adam Graham geborenen Schotten, der während seines Prozesses wegen zweifacher Vergewaltigung mit der Prozedur einer Geschlechtsumwandlung begann - mutmaßlich um bessere Haftbedingungen in einem Frauengefängnis zu erzielen, was ihm fast gelungen wäre. Nach seiner Verurteilung Anfang 2023 sitzt er seine Strafe jedoch in einem schottischen Männerknast ab.

Hemmungen, Grundrechte auszuüben

Es ist erstaunlich, dass neben etablierten Woke-Kritikern wie Rowling auch Medien, die sich bisher als Befürworter der politischen Korrektheit hervortaten, deutliche Worte der Ablehnung für dieses Gesetz finden. Wie etwa Zeit Online: "Nur, wo enden anstößige, spitze und provokative Meinungen, und wo fängt dieses strafbare Hass-Schüren an? Klare Antworten auf diese Fragen bleibt der 'Hate Crime Act' schuldig, und genau deswegen ist er bedenklich" schreibt dort Jochen Bittner.

Das Gesetz mache außerdem keinen Unterschied, "wenn Meinungen zu Hause geäußert werden, also im klassischen geschützten Bereich. Theoretisch könnten Kinder also ihre Eltern melden wegen solcher 'Hasskriminalität'." (Anm. Dikigoros: Das ist wohl auch beabsichtigt - entsprechend werden sie doch von nun an in den staatlichen Schulen erzogen!) Des weiteren wirft der Autor der schottischen Regierung vor, den sogenannten "Chilling Effect" zu nutzen - also den Effekt, dass durch rechtliche Maßnahmen Hemmungen entstehen, Grundrechte auszuüben. Denn einhergehend mit dem Gesetz wurden in Schottland "über 400 Meldestellen für Hasskriminalität eingerichtet, in Einkaufsstraßen, Universitäten, Rathäusern und Cafés". Meldungen sollen auch anonym erfolgen können. Bittner weist auf eine haarsträubende "Legaldefinition" von Hasskriminalität der schottischen Polizei hin:

"Jede Straftat, die aus Sicht des Opfers oder irgendeiner anderen Person (ganz oder zum Teil) motiviert ist durch Boshaftigkeit oder Böswilligkeit gegenüber einer sozialen Gruppe."

Büttner: "Dass die Definitionsmacht darüber, was eine Straftat ist, beim 'Opfer oder jeder anderen Person' liegt, das hat es in Westeuropa mutmaßlich seit den Zeiten der Hexenverbrennungen nicht mehr gegeben." (Anm. Dikigoros: Pardon, aber das hat es selbst zur Zeit der Hexenverbrennungen nicht gegeben!) Laut einem Memorandum des schottischen Parlaments zum neuen Gesetz müsse eine strafbare Aussage "zudem nicht einmal geäußert werden, damit man sich strafbar macht". Büttner weiter: "Es reicht, 'hetzerisches Material' zu besitzen, das möglicherweise zur Verbreitung gedacht ist und das 'wahrscheinlich' dazu führen würde, dass Hass geschürt wird. Unter 'inflammatory material' fällt unter anderem alles, was sich elektronisch weiter verbreiten lässt, also Internet-Memes, Fotos oder Videos."

Laut Spiegel habe zudem der Generalsekretär der Polizeigewerkschaft Scottish Police Federation, David Kennedy, in einem Interview des Radiosenders BBC 4, gewarnt, dass die Beamten nicht ausreichend geschult seien, um die neue Gesetzgebung anzuwenden. Schottlands zuständige Staatssekretärin Siobhian Brown habe außerdem in einem BBC-Interview nicht ausgeschlossen, dass auch das sogenannte "Misgendern" strafrechtlich verfolgt werden könne. Darunter versteht man beispielsweise, einen Mann, der sich als Frau identifiziert, als Mann anzureden.

Maulkorb für mutmaßlich alle Witze

Der real-politische Unterbau des schottischen Gesetzes erweckt vor diesem Hintergrund ganz und gar nicht den Eindruck, dass es tatsächlich um den Schutz von Opfern von Beleidigung gehe. An diesem Punkt stellt sich auch die Frage, aus welchem Grund bisherige Gesetze gegen Diskriminierung, Beleidigung und ähnliche Verstöße nicht ausreichen sollten. (Anm. Dikigoros: Eben! Wenn man noch argumentieren wollte, daß es eines klarstellenden Gesetzes bedürfe, um allzu willkürliche Gerichtsentscheidungen zu verhindern - aber hier geschieht ja geradezu das Gegeteil!) Man fühlt sich unweigerlich an die von deutschen Ampel-Politikern immer wieder bemühten angeblichen Vergehen "unterhalb der Strafbarkeitsgrenze" erinnert. Auf diese Weise sollen bestehende Gesetze als unzureichend gebrandmarkt und legale Handlungen kriminalisiert werden. (Man denke etwa nur an Lisa Paus' "Antifeministische Meldestelle".)

Und wie stellt man sich unter einer solchen Gesetzgebung eigentlich Satire vor? Auftritte von Kabarettisten und Komikern? Die Anwendung von Ironie, Sarkasmus und sprachlicher Doppelbödigkeit? Besonders kurios, dass ausgerechnet im für seinen schwarzen Humor berühmten Großbritannien ein derartiger Maulkorb für mutmaßlich alle Witze, die den Namen auch verdienen, durchgewunken wurde. Roger Letsch schrieb hierzu bereits Ende März:

"De facto wäre das die umfassende Totalzensur jeder kulturellen Regung im besten Schottland, was es je irgendwo im weiten, wilden Westen gab. Kein (Komiker wie) Ricky Gervais oder Dave Chappelle könnte auch nur noch einen Fuß auf schottischen Boden setzen und jeder, der ihre Witze erzählt, ihre Memes teilt oder ihre Veranstaltungen besucht, wäre wegen Beihilfe zu Hatespeech dran. Und das auf einer Insel, wo Spott und stilvolle Beleidigung spätestens seit Shakespeare als höchste Kunstform gelten."
Anm. Dikigoros: So weit braucht man gar nicht zurück zu gehen. Man denke nur an den alten, anti-feministischen Macho James Bond, wie ihn einst der Schotte Sean Connery spielte - verbieten! Oder gar "Blackadder", der so gut wie alle Nationen durch den Kakao zog - müßte da der Schotte Rowan Atkinson, der ihn verkörperte, nicht sofort verhaftet werden, wenn er wieder schottischen Boden betritt? Dto Leute, die den folgenden Spruch auf dem T-shirt tragen:


Ulrike Stockmann, geb. 1991, ist Redakteurin der Achse des Guten. Mehr von ihr finden Sie auf ihrem YouTube-Kanal.


LESERPOST
(ausgewählt und z.T. leicht gekürzt von Dikigoros)

H. Reichmuth (10.04.2024)
Konstantin Kisin hat [..] darauf hingewiesen, dass im Vereinigten Königreich mehr als doppelt so viele Menschen wegen politischer (?) Aussagen als in ganz Russland bestraft worden sind. Da wir im Westen den Bach runter gehen und die Unzufriedenheit zunehmen wird, wird die Zahl der "Gedankenverbrechen" noch zunehmen. Armer Kisin - er ist aus der Sowjet-Union geflohen, um nun den Wiederaufbau der Sowjet-Union im Vereinigten Königreich zu erleben. Karma is a bitch!

Thomas Szabó (10.04.2024)
Warum fällt mir nur "Soumission" von Michel Houellebecq ein? Ein charismatischer Muslim, der demonstrativ auf liberal spielt, übernimmt in einem westeuropäischen Land die Macht.

A. Iehsenhain (10.04.2024)
[...] Da fällt mir mal wieder die größte Prophetenvereinigung aller Zeiten "Monty Python" ein, wo in einer Folge des "Flying Circus" die "Kamikaze-Scotsmen" sich beim Suizid-Training von den Zinnen des Edinburgh Castle stürzen (der Letzte aus besagter Spezialeinheit, der am Sturz-Manöver gehindert werden konnte, versucht zwischenzeitlich erfolglos, sich von einem Laster in Schrittgeschwindigkeit überfahren zu lassen). Später gipfelt alles in einer Weltverschwörung der Pinguine, die sämtliche wichtigen Stellen in Politik und Co. besetzen. - Ich habe ebenfalls größte Sorgen, dass solcherart Meister des edelsten Humors in Zukunft hermaphroditischen Staubsaugern [...] zum Opfer fallen. Die dazu passende Behörde würde ich "Scotland Graveyard" taufen.

Hans-Peter Dollhopf (10.04.2024)
"Alle Schotten dicht!"


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