"FOLGT MIR, MÄNNER . . . !"

[Errol Flynn in 'Sein letztes Kommando (They died with their 
boots on)']

Errol Flynn war Hollywoods liebenswertester Schwerenöter

von Hanns-Georg Rodek (DIE WELT, 2. Januar 2006)

(mit Anmerkungen und Links von N. Dikigoros)

In dem Western "Sein letztes Kommando" diskutieren Ausbilder der Militär-Akademie West Point den Fortschritt ihrer Kadetten, insbesondere eines gewissen Custer.

"Disziplin ist ihm so wenig bekannt wie Organisation und Technik", zürnt der eine.

Aber er ist unser bester Reiter und Fechter", lobt ein anderer.

"Der Typ, der Schlägereien gewinnt, aber keine Schlachten", höhnt der Erste.

"Hat er denn Führungsqualitäten?" will der General wissen. [Nicht der General, sondern der Oberst und Leiter der Akademie, Anm. Dikigoros]

"Dem würde eine Schwadron in die Hölle folgen", konstatiert ein Leutnant. [Nicht ein Leutnant, sondern der Spieß, Anm. Dikigoros]

George Armstrong Custer sollte einer der berüchtigtsten Generale der US-Armee werden und eine der berühmtesten Rollen für Errol Flynn, der als Schwadronführer [das war er nie - er stieg im Film vom Zugführer direkt zum Brigadeführer auf, Anm. Dikigoros} auch immer Schwadroneur war, Degenkämpfer wie Säbelrassler, Eroberer von Piratenschätzen und schöner Frauen. Im Jahr 1939 - vielen der beste Jahrgang der Filmgeschichte, der "Vom Winde verweht" hervorbrachte, den "Zauberer von Oz" und "Die Spielregel" - war Bette Davis die Königin von Hollywood und Errol Flynn der König.

Es war eine Zehn-Jahres-Regentschaft (eine Ewigkeit im schnellebigen Filmgeschäft), von seinem Hollywood-Einstand als Freibeuter in "Unter Piratenflagge" bis zum Fallschirmjäger in "Der Held von Burma", vom lebensfrohen Eskapismus der überstandenen Depression zum bitteren Realismus des Weltkrieges.

Als Flynn, der Ex-Goldsucher und -Schafskastrator, mit lautem Knall auf der Hollywood-Bühne erschien, war der königliche Mantel seit Douglas Fairbanks' Abgang trägerlos. Der Australier - 25 Jahre jung, athletisch, gutaussehend - riß ihn an sich und stürmte an die Spitze. Dort war Flynns natürlicher Platz, sich an Lianen durch Sherwood Forest schwingend (als "Robin Hood"), mit dem Degen Schiffe enternd ("Herr der sieben Meere") oder säbelschwingend mit der 7. Kavallerie vorpreschend ("Sein letztes Kommando").

Flynn konnte mit lyrisch himmelwärts gereckter Hand vor seinen Truppen mitreißende Reden schwingen, die bei anderen Führern wie dem maulfaulen John Wayne lächerlich oder dem introvertierten James Stewart unglaubwürdig gewirkt hätten. Flynn jedoch vermochte sich und seine Getreuen aufzuputschen, und mit dem letzten Wort griff er zur angesagten Waffe und stürmte los.

Im "Letzten Kommando" will sich sein Vorgesetzter zurückziehen statt eine Brücke zu erobern: "Hier kommandiere ich, solange ich stehen kann" ruft er Flynn zu - der ihn prompt zu Boden schlägt und sein Fähnlein in den Angriff führt. Durch seine goldenen Filmjahre brauste Flynn unaufhaltsam wie die 7. Kavallerie im Galopp, und bei allem Schwung doch voll Charme und Ritterlichkeit.

Die Flynn-Figuren lieben den Mann-zu-Mann-Kampf, am liebsten per Degen auf den Zinnen einer Burg, wie in "Robin Hood". "General, Sie haben die Neigung zum romantischen Narren", attestiert ihm in "Sein letztes Kommando" ein Geschäftemacher, und in der Tat wohnt Flynn die Naivität eines kleinen Jungen inne, der von unritterlichen Intrigen kalt erwischt wird. Seine Persona kalkuliert nicht, sondern handelt, sorgt sich nicht ums Image, sondern tapst auch mal im langen Nachthemd barfuß durch die Szene. [Das stimmt so nicht - ganz im Gegenteil: Custer erklärt ausdrücklich, daß er um alles zu spielen bereit ist, nur nicht um seinen guten Namen, sprich sein "Image", wie man das heute nennt, Anm. Dikigoros]

Der Krieg machte dieser Sorglosigkeit ein Ende. Im Feld bestraften Heckenschützen jede Blöße, und danach hießen die neuen Helden Humphrey Bogart, weil sie durch die Städte wie über ein Schlachtfeld robbten. Wohlmeinen und Draufgängertum, mit denen Flynn gesegnet war, hatten ausgedient; Skrupellosigkeit und Verschlagenheit, die neuen Modetugenden, waren die seinen nicht. [Das hat Rodek richtig erkannt, und deshalb bespricht Dikigoros seinen Aufsatz hier auch. Was er nicht erkannt hat: Nicht nur Schauspieler-Typen wie Flynn, sondern auch Generäle wie Custer waren plötzlich nicht mehr "in" - wie das Schicksal etwa eines George Patton zeigt.]

Flynn hatte sich auf der Leinwand als er selbst verkleidet, und sobald die Deckung seiner Figuren allmählich abfiel, kam dahinter tatsächlich ein Bruder Leichtfuß zum Vorschein, der auf dem alkoholfreien Set Orangen futterte, die er mit Wodka injiziert hatte, und dessen Vorliebe für junges Gemüse ihm drei Prozesse wegen Geschlechtsverkehr mit Minderjährigen einbrachte - und das schlüpfrige Wortspiel "In like Flynn"; davor hatte ihn Marlene Dietrich schon "Satan's Angel" getauft.

Als sein Trinkkumpan John Barrymore sich zu Tode gesoffen hatte, entführte er dessen Leiche und setzte sie mit Schnapsglas in der Hand auf eine Kutsche. 15 Jahre später, als er selbst fast soweit war, verkörperte er Barrymore in "Ihr Leben war ein Skandal", bevor er sich auf ein letztes Abenteuer einließ: Er schlug sich auf die Seite des aufständischen Fidel Castro und drehte inmitten der Revolutionswirren "Cuban Rebel Girls". [Das war freilich noch zu einer Zeit, als Castro generell die Sympathien der USA genoß, Anm. Dikigoros.]

Kurz darauf, mit 50, fällte ihn ein Herzinfarkt, und der Gerichtsmediziner meinte, sein Körper habe verlebt gewirkt wie der eines 75jährigen. Burt Lancaster und Johnny Depp haben seinen Mantel anprobiert; aber er war zu groß, es gab keinen zweiten Flynn. Dieses Jahr nun entsteht ein Film namens "In like Flynn". In der Hauptrolle: Luke Flynn, sein Enkel.


Nachbemerkung: Es ist schon interessant, daß Rodek außer George Armstrong Custer keine einzige der von Flynn dargestellten historischen Personen beim Namen nennt - nicht einmal den Boxweltmeister "Gentleman" Jim Corbett, den er auch sehr gut gespielt hatte. (Die scheinbare Ausnahme Robin Hood war nur eine Fantasiefigur der Literatur.) Das bestärkt Dikigoros in seiner Auffassung, daß es der amerikanische Bürgerkriegs-General - und nur der - war, als dessen Verkörperung sich Errol Flynn in den Hinterköpfen der Kinogänger festgesetzt hat; und wenngleich er die DVD-Kollektion, für die dieser Aufsatz Schleichwerbung machen sollte, hier weg geschnitten hat, kann er doch zumindest diesen Film mit dem großen Australier allen seinen Lesern nur wärmstens empfehlen.

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