Korruption - Afrikas gierige Herrscher

Politiker und Monarchen, Geschäftsleute und Beamte – mit Habgier
und Korruptheit ruinieren die Eliten viele Länder des Kontinents

von Bartholomäus Grill (DIE ZEIT Nr. 45, 29. Oktober 2009)

mit Anmerkungen und weiterführenden Links von Nikolas Dikigoros

Die Königinnen sind wieder in den Palast von Ludzidzini heimgekehrt, und sie haben viele schöne Dinge mitgebracht: Seidenkleider und Parfums, Designerschuhe und Diademe. Niemand darf offen darüber reden, wenn der Harem von König Mswati III. zum Shoppen geht. Aber Swasiland, sein Reich, ist klein, und es spricht sich schnell herum, dass seine fünf Lieblingsfrauen – er hält sich insgesamt 13 – mit einer 40-köpfigen Entourage und einer Reisekasse von 4,5 Millionen Euro auf Einkaufstour in Frankreich, Italien, USA, Dubai und Taiwan waren.

Swasiland, die letzte absolutistische Monarchie in Afrika, ist ein armes und krankes Land. Zwei Drittel seiner 1,2 Millionen Einwohner müssen mit weniger als einem Dollar pro Tag auskommen. 26,1% der Erwachsenen haben sich mit AIDS infiziert – das ist die höchste Ansteckungsrate der Welt. Die USA und die Europäische Union überweisen pro Jahr rund 300 Millionen Euro Entwicklungshilfe. Den Löwenanteil der EU trägt Großbritannien. (Quatsch - größter Nettozahler der EU ist die BRDDR; und nach dem Brexit wird der deutsche Steuerzahler die EU-Entwicklungshilfe für Afrika quasi alleine stemmen müssen, Anm. Dikigoros) Mswati III. und sein Hofstaat erhalten aus dem Staatshaushalt eine üppige Apanage von 11 Millionen Euro per annum. Der Monarch lässt sich in einer Maybach-Karosse herumkutschieren, unlängst verstärkte er seinen Fuhrpark durch zwanzig gepanzerte Mercedes-Limousinen, Stückpreis 171.000 Euro. "Das Geld der britischen Steuerzahler wird für diesen Tyrannen verschwendet", schimpft Lucky Lukhele vom Swasiland Solidarity Network. Es gehört Mut zu solchen Aussagen – wer Seine Majestät kritisiert, landet im Gefängnis.

Swasiland ist kein Sonderfall in Afrika. Man hätte auch ein anderes Land auswählen können, um die Gier und Verschwendungssucht der Mächtigen zu illustrieren, Kamerun zum Beispiel. Als Staatschef Paul Biya mit dem Familienclan drei Wochen lang im französischen Seebad La Baule urlaubte, wurden in einem Fünfsternehotel 43 Suiten gebucht. Gesamtkosten: 800.000 Euro. Das kriminelle Regime in Simbabwe hat im Zuge einer "Landreform" 4000 weiße Farmer vertrieben und sich das fruchtbarste Agrarland angeeignet. Präsident Robert Mugabe besitzt unterdessen fünf Farmen, seine luxussüchtige Gattin Grace deren sechs. Die englische Zeitung Sunday Telegraph fand heraus, dass die Agrarbetriebe der First Lady bis vor Kurzem Milch an den Schweizer Lebensmittelkonzern Nestlé lieferten – auch mit weltweit geächteten Diktaturen lassen sich einkömmliche Geschäfte machen.

In vielen afrikanischen Ländern plündern die herrschenden Eliten ihre Staaten wie weiland der Despot Mobutu sein privates Tropenreich namens Zaire. Sie genießen ein flamboyantes Leben, schleusen Milliarden in Steueroasen, besitzen Schlösser an der Loire, Reihenhäuser in London, Prachtvillen in Hongkong, Nummernkonten in der Schweiz. Die Kapitalflucht aus Afrika beträgt jährlich rund 30 Milliarden Euro. Das ist mehr als die gesamte Entwicklungshilfe, die auf den Kontinent fließt.

Die lehrreichste Anschauung liefert derzeit Angola. Das Land hat Öl, sehr viel Öl. Es ist zum größten Lieferanten Chinas aufgestiegen und schwimmt in Petrodollar, Milliarden versickern in dunklen Kanälen. Die korrupte Elite verhält sich wie James Dean im Hollywood-Klassiker Giganten. Devise: Was kostet die Welt? Wir können uns alles leisten! 2000 Dollar für eine Flasche Cognac? Ein Schnäppchen im Delikatessladen des Belas Shopping Centre in der Hauptstadt Luanda. Der iranische Kaviar geht weg wie hierzulande Salami. Natürlich fährt die Hautevolée im "Shark" zum Einkaufen – "Hai", so wurde der protzige Range Rover TDV8 Vogue getauft. Er kostet knapp 200.000 Dollar und ist das Statussymbol der Neureichen. "Ich kann gar nicht genug herkriegen", sagt der Autohändler Nuno Godingo. In den Straßen stauen sich die Luxusgefährte, die Immobilienpreise und Mieten sind explodiert; für ein geräumiges Büro muss man bis zu 100.000 Dollar pro Monat hinblättern. Luanda ist die teuerste Hauptstadt der Welt.

Zugleich schreit einen an jeder Kreuzung die Not an, zerlumpte Bettler, Mütter mit hungernden Kindern, Kriegsversehrte, Minenopfer aus dem Bürgerkrieg. Die Reichen und Mächtigen lassen sie wegjagen, wenn sie abends in einem der Edelrestaurants auf der Ilha, einer Landzuge vor Luanda, Hummer und Langusten speisen. Sie wollen das Elend nicht sehen, und es ist ihnen völlig egal, wie ihre Brüder und Schwestern leben, wie die Krankenhäuser ausgestattet sind oder die Schulen. Den eigenen Nachwuchs schicken sie auf Eliteanstalten in Portugal oder Amerika. Und wenn die Dame des Hauses eine Schönheitsoperation wünscht, wird sie in die Spezialklinik nach Kapstadt ausgeflogen, während die Leute daheim sich nicht einmal Medikamente gegen Malaria leisten können, und die Säuglinge an Infektionskrankheiten sterben.

Angola braucht keine Entwicklungshilfe, es verfügt längst über genügend eigene Finanzmittel, um die Armut zu bekämpfen. Doch die Regierung ist weder willens noch fähig, die Ölmilliarden zum Wohle der Allgemeinheit einzusetzen. Entwicklungsexperten sprechen vom "Fluch der Ressourcen", der vor allem rohstoffreiche Staaten wie Nigeria, Sudan, Niger, Guinea, Sambia oder Angola ereilt. "In diesen Ländern hat die politische Klasse das Wort Gerechtigkeit aus ihrem Vokabular gestrichen", sagt Olatunji Dare, ein Publizist aus Lagos, der vor dem Räuberregime unter Sani Abacha in die USA floh.

Im Juni verstarb Omar Bongo, der Präsident von Gabun, in einer Privatklinik in Barcelona. Nach fast 42 Jahren Alleinherrschaft hinterließ er seinem Familienclan 70 ausländische Bankkonten und allein in Frankreich 39 Immobilien, vier davon an der Avenue Foch, der exklusivsten Wohnstraße von Paris. In Bongos Hochzeiten hatte der Ölexporteur Gabun den weltweit höchsten Pro-Kopf-Verbrauch an Champagner. Aber zur Selbstbereicherung gehören immer auch Verbündete aus dem Ausland, wohlgesinnte Regierungen, Unternehmen, Banken. Bongos wichtigste Partner waren Ölmultis, allen voran der französische Konzern Elf Aquitaine. Die für beide Seiten höchst profitable Zusammenarbeit wurde regelmäßig von Bestechungsaffären überschattet, französische Staatsanwälte ermittelten gegen Bongo, aber die ehemaligen Kolonialherren hielten ihre schützende Hand über ihn. Der Kleptokrat bedankte sich durch Gegengeschenke. Valéry Giscard d’Estaing warf Bongo vor, seinen Rivalen Jacques Chirac im Präsidentschaftswahlkampf mit generösen Spenden bedacht zu haben. (Das mag schon sein; aber Giscard verschwieg dabei die ebenso generösen Zuwendungen, die er bzw. seine Frau seitens eines - auch von B. Grill dezent übergangenen - ähnlich sympathischen Zeitgenossen erhalten hatte, nämlich Jean-Bedel Bokassa, dem Negerhäuptling von Ubangi SchariKaiser von Zentralafrika, Anm. Dikigoros)

In der Hauptstadt Libreville lebt die Elite in Saus und Braus, alles wird importiert. Der Hypermarché M’Bolo bietet an: frischen Pyrenäenkäse, bretonische Butter, Ente aus Burgund, Foie gras, erlesene Rotweine. Für die Mehrheit der 1,5 Millionen Einwohner hat sich in all den fetten Jahren nicht das Geringste geändert. Ihre durchschnittliche Lebenserwartung beträgt 53 Jahre. (Dikigoros will hier nicht den advocatus diaboli spielen; aber er behauptet mal, daß sich die Lebenserwartung durch den Genuß von Foie gras und gewissen alkoholischen Getränken nicht unbedingt erhöht :-)

Nach dem Tod des Vaters übernahm der Sohn wie in einer Erbdynastie die Macht. Ali Ben Bongo ließ sich zwar im September durch ein Wahlspektakel im Amt legitimieren, aber dabei wurde offenbar mit geheimer französischer Hilfe massiv gefälscht. Das behaupten jedenfalls die unterlegenen Kandidaten. (Eine kühne Behauptung - nicht, weil sie unwahr wäre, sondern weil auf die Wahrheit über Wahlfälschungen - ähnlich wie in der BRDDR - empfindliche Strafen stehen, Anm. Dikigoros) Als ihre aufgebrachten Anhänger das französische Konsulat in der Hafenstadt Port Gentil anzündeten, hatte Präsident Nicolas Sarkozy dem frisch gewählten Amtskollegen längst gratuliert.

Die neue Regierung in Nairobi dagegen wollte alles ganz anders machen, Kenia ist schließlich eine Demokratie. Sie war angetreten nach den schweren ethnischen Unruhen (neudeutsch für "Rassenkrawalle", Anm. Dikigoros), die 2008 über tausend Menschenleben gekostet und das Land an den Rand des Zusammenbruchs gebracht hatten. Präsident Mwai Kibaki und Premier Raila Odinga gelobten radikale Reformen – und schufen zusätzliche Posten und Pfründen. Das Kabinett umfasst nunmehr 40 Minister und 52 Vizeminister; sie verdienen 18.000 respektive 15.000 US-Dollar pro Monat, das sind die höchsten Ministergehälter der Welt. Hinzu kommen die "allowances" (in der BRDDR als "Spesen" bezeichnet, Anm. Dikigoros), also Pauschalen für Dienstwagen, Dienstvilla und Dienstreisen, für Entertainment, Arbeit im Wahlkreis, Tagungen und Sonderspesen, Mitgliedsbeitrag im Fitnessclub inklusive. Überdies stehen jedem Kabinettsmitglied fünf Sicherheitsleute zur Seite. Von ihren Bezügen müssen sie lediglich einen Anteil von 3000 Dollar versteuern.

Das World-Food-Programm der Vereinten Nationen schätzt, dass derzeit 3,8 Millionen Kenianer auf Nahrungsmittelhilfe angewiesen sind. Eine verheerende Dürre hat die Getreideernte dezimiert, die Lebensmittelpreise stiegen um 130%, in den Notstandsgebieten sterben bereits die Kinder. Weil viele Flüsse ausgetrocknet sind, erzeugen die Wasserkraftwerke nicht mehr genug Strom. Die Herren in der Hauptstadt Nairobi scheint die Krise nicht zu bekümmern, sie merken die Folgen höchstens dann, wenn die Laufbänder in ihren Fitnessstudios stillstehen. Aber für humanitäre Angelegenheiten ist ohnehin das Ausland zuständig, bereits 2,5 Millionen Kenianer werden von internationalen Hilfsorganisationen versorgt, während die politische Klasse hauptsächlich damit beschäftigt ist, sich zu bereichern. Konsequenzen sind nicht befürchten – die Antikorruptionsbehörde Kenias ist ein Papiertiger.

Unlängst fand in der sambischen Hauptstadt Lusaka ein Prozess statt, den die Korruptionsbekämpfer auf dem ganzen Kontinent mit großen Hoffnungen verfolgten, denn erstmals stand ein afrikanischer Kleptokrat im eigenen Land vor Gericht: Ex-Präsident Frederick Chiluba, angeklagt wegen "Plünderung der Staatskasse". Seine Ehefrau Regina war bereits zu dreieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt worden. Er selber soll rund 50 Millionen Dollar unterschlagen haben, um seine Konsumsucht zu stillen. Allein in der Genfer Boutique Basile gönnte er sich 204 Maßanzüge, 185 Designer-Hemden, stapelweise Seidenpyjamas und 64 Paar handgenähte Schuhe mit hohen Absätzen – Chiluba war ein kleinwüchsiger big man.

Als der ehemalige Gewerkschaftsführer das höchste Staatsamt antrat, feierte ihn das Volk als "Lech Wałesa Sambias"; heute schimpfen ihn seine Landsleute einen verlogenen Dieb (das war Wałesa doch auch, Anm. Dikigoros :-), und viele hatten gehofft, dass er endlich bestraft werden würde. Doch der Richter sprach Chiluba mangels Beweisen frei.

Na und? Könnte man in Zeiten der globalen Krise einwenden, der Schaden, den einige Machtcliquen in Afrika anrichten, ist doch im Vergleich zur gigantischen Kapitalvernichtung durch die Finanzbanditen des Nordens recht überschaubar. Das wäre eine grobe Verharmlosung. Denn die Plünderei ruiniert wirtschaftlich fragile Staaten und raubt Millionen von Menschen die Zukunftschancen.

Die afrikanischen Eliten betrachten ihre Staaten als Goldesel. Sie äffen den Lebensstil der Kolonialherren nach. Sie haben keinerlei Verantwortungsgefühl für ihre Länder und sind nicht an deren Entwicklung interessiert. Zu diesem vernichtenden Befund kommt Moeletsi Mbeki in seinem jüngsten Buch The Architects of Poverty ("Die Architekten der Armut"). Der streitbare Ökonom, ein Bruder des gestürzten südafrikanischen Präsidenten Thabo Mbeki (der auch nicht besser war, Anm. Dikigoros), warnt unermüdlich vor den "parasitären politischen Eliten", die allmählich auch dem demokratischen Vorbild Südafrika an die Substanz gehen.

Dort sorgen in diesen Tagen die luxuriösen Dienstwagen für Schlagzeilen, die sich die Herren Minister leisten. Bevorzugt werden die teuersten BMW-Modelle der 7er-Serie. Aber das ist gleichsam nur die funkelnde Spitze des Eisbergs. Denn auf allen Ebenen der Politik werden die Haushalte hemmungslos geplündert, vor allem in den Provinzverwaltungen und Kommunen. Bürgermeister, Gemeinderäte und Staatsdiener greifen entweder direkt in die Kasse und veruntreuen selbst die Mittel für die Schulspeisung in den Townships. Oder sie streichen "Provisionen" genannte Schmiergelder für die Vergabe öffentlicher Projekte ein. Häufig schanzen sie Aufträge gleich ihren eigenen Firmen zu, die im Rahmen des Black Economic Empowerment (BEE) gegründet wurden. Dieses Programm fördert ausschließlich schwarze Unternehmer. "Je mehr schwarze Millionäre, desto besser für das Land", verkündet Don Mkhwanazi, einer der neuen Superreichen. Weil zahlreiche Projekte durch Missmanagement und Korruption im großen Stil scheiterten, degenerierte BEE zu einem gewaltigen Steuervernichtungsprogramm.

An der Basis wächst der Zorn gegen die unfähigen und unersättlichen Volksvertreter, Beamten, Parteibonzen, Unternehmer und sonstigen Schmarotzer. (Nicht nur in Afrika, Anm. Dikigoros) Sie hocken im sogenannten gravy train, im "Fettsoßenzug", während Millionen von Menschen nach wie vor auf das bessere Leben warten, das ihnen nach dem Machtwechsel vor 15 Jahren versprochen wurde. Die Kluft zwischen Armen und Reichen ist gewachsen, der Journalist Mpumelelo Mkhabela spricht gar von einer neuen "schwarzen Apartheid". (Das ist eine Frechheit; unter der als "Apartheids-Regime" verteufelten Herrschaft der Weißen ging es allen Rassen und Stämmen in Südafrika erheblich besser, Anm. Dikigoros) In vielen Townships haben sich die Verhältnisse verschlechtert, weil infolge von Korruption und Schlamperei die Grundversorgung nicht mehr funktioniert. Schulen und Krankenstationen verrotten, der Müll bleibt liegen, der Strom fällt aus, die Kanalisation ist verstopft. Landauf, landab kommt es immer öfter zu gewalttätigen Protesten.

Die wachsende Unzufriedenheit könne irgendwann zu einer regelrechten Revolution führen, warnt der Gewerkschaftschef Zwelinzima Vavi. Noch aber ignorieren die Parteigranden die Zeichen an der Wand. Auf die Empörung, die die Beschaffung luxuriöser Dienstfahrzeuge auslöste, reagierte der Sprecher eines Ministeriums mit dem lapidaren Hinweis auf die unverändert geltenden Dienstwagen-Bestimmungen aus der Apartheid-Zeit – als wäre das alte weiße Regime auch noch an der Gier der neuen schwarzen Elite schuld.


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