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Bibliographie

            ... ex Italia redii, regionem amoenissimam illi sicut Ulysses Ithacae suae Circen et Calypso postponens.

            ... bin ich aus Italien zurückgezogen, indem ich jene (meine Heimat) einem paradiesischem Land vorgezogen habe wie Odysseus sein Ithaka der Kirke und Kalypso. (Joh. Sinapius in: Seb. Münster, Cosmographia universalis 668f.)

Olympia Fulvia Moratas Lehrer am Hof in Ferrara, Johann Sinapius  , um 1505 in Schweinfurt als Sohn des Ratsherrn und späteren Bürgermeisters Kaspar Senf geboren, heiratete in Ferrara die französische Ehrendame Francisca Boussiron de Grand-Ry und bemühte sich trotz Bilderbuchkarriere an Hof und Universität im glänzenden Ferrrara der d'Este seit 1543 um seine Rückkehr nach Deutschland. Erst 1548 fand er eine angemessene Stellung als Leibarzt des Würzburger Fürstbischofes Melchior Zobel und kehrte mit seiner Frau in sein Ithaka, nach Franken, zurück. Ebenfalls kehrte Dr. Andreas Grundler, der wie Sinapius in Ferrara eine Frau, nämlich Olympia Fulvia Morata, gefunden hatte, aus dem paradiesischen Ferrara mit dieser in seine Heimat zurück. Lilio Gregorio Giraldi berichtet, daß Grundler schon direkt nach der Heirat daran gedacht habe, seine Olympia in seine Heimat in die Stadt Würzburg mitzunehmen: eam in Germaniam ad urbem patriam Herbipolim transferre meditatur. So bricht das Paar mit Olympias jungem Bruder Emilio im Sommer 1550 nach Deutschland auf. Wir wissen aus Olympias Briefen, daß die Grundlers am 12. Juni in Augsburg angekommen sind, wo sie vom königlichen Rat Georg Hörmann gastfreundlich aufgenommen wurden: Bei ihm werden wir mehrere Tage bleiben, mein Mann behandelt ihn nämlich als Patienten (Kößling 52). Hinter den Reisenden liegen bereits etwa 580 km beschwerliche Wegstrecke und ein längerer Aufenthalt in Schwaz am Inn.

Von Augsburg ging es mit Georg Hörmann weiter in das eigentliche "Hörmann-Haus" nach Kaufbeuren, wo Olympia Morata eine reichhaltige Bibliothek vorfand. Glücklich schreibt sie an Gregorio Giraldi: Ich bin sehr gern hier. Den ganzen Tag ergötze ich mich an den Musen, denn keine anderen Geschäfte lenken mich von ihnen ab. Sehr oft widme ich mich religiösen Studien, und aus ihnen schöpfe ich noch mehr Gewinn und Freude als aus jenen. (Kößling 52). Erst nach längerer Unterbrechung geht die Reise von dort weiter nach Würzburg, wo man bei Olympias Lehrer und Grundlers Freund Johann Sinapius, dem Leibarzt des Fürstbischofes, Aufnahme findet. Im Herbst 1550 findet die junge Familie Grundler sich schließlich in der Reichssatdt Schweinfurt ein, wo Dr. Andreas Grundler durch die Hilfe des Johannes Sinapius eine Stelle als Stadtphysikus erlangen konnte.

 

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            ...exitus alterius malus gradus est futuri.

            Eines Übels Ende ist des nächsten Anfang. (Olympia Fulvia Morata an Celio Secondo Curione, 25. Juli 1554)

Die Lage in Schweinfurt war trotz freundlicher Aufnahme von Anfang an alles andere als gut, da dieses durch seine verkehrsgeographische Bedeutung immer wieder in die Machtkämpfe der Zeit hineingezogen wurde. Im November 1550 wurden 200 spanische Soldaten in der Stadt einquartiert; eine dadurch zu befürchtende Epidemie mag wohl der Grund dafür gewesen sein, daß man die vakante Stelle des Stadtarztes möglichst schnell mit Grundler besetzte. Nach dem Abzug der Truppen am Gründonnerstag 1551 sollten die Schweinfurter wiederum nur kurze Zeit vom Kriege verschont bleiben. Albrecht Alkibiades, der Nürnberg, Würzburg und Bamberg auf eigene Faust den Krieg erklärt hatte und seitdem plündernd durch Franken zog, setzte am 22. April 1553 eine Besatzung  in die Stadt; seine Gegner legten einen Belagerungsring um Schweinfurt und in der Nacht vom 12. auf den 13. Juni 1554, nachdem Alkibiades sich heimlich davon gemacht hatte, stürmten sie plündernd und brennend die Stadt. Dieses "Stadtverderben", in dem Schweinfurt vollkommen abbrannte, wie auch die Verhältnisse in der belagerten Stadt mußte Olympia Fulvia Morata am eigenen Leibe miterleben. In ihren Briefen schildert sie die Situation sehr eindringlich: Als wir schließlich durch den Abzug des Markgrafen ... ein glückliches Ende dieses Krieges erwarteten, gerieten wir in das tiefste Elend. Denn kaum war der Markgraf mit seinem Heer aus der Stadt, als am nächsten Morgen die Soldaten der Bischöfe und der Nürnberger in die Stadt eindrangen, sie plünderten und dann in Brand steckten (Kößling 91). Den Grundlers bleibt keine andere Möglichkeit als die Flucht; unter größten Gefahren mit bloßen Füßen, aufgelöstem Haar, zerfetztem Kleid und bis ans Äußerste erschöpft, gelangen sie nach Hammelburg, von dort zum Grafen Philipp von Rieneck in der Nähe von Lohr und schließlich zu den Grafen von Erbach im Odenwald.

B. K.

Der weite Weg: Von Ferrara nach Deutschland im 16. Jahrhundert

Reisekarte Deutschland von Erhard Etzlaub. Zuerst 1501 von Georg Glockendon in Nürnberg gedruckt

Anhand der Karte von Erhard Etzlaub, die die lantstrassen durch das Romisch reych anzeigt (die Anzahl der Striche zwischen den einzelnen Orten gibt die Anzahl der deutschen Meilen an, die zwischen den Stationen liegen: 1 dt. Meile entspricht ca. 7,5 km), kann man die Reiseroute der Grundlers von Ferrara nach Deutschland nachvollziehen.

Alle Wege führen hier wie in der Brevis Germaniae Descriptio (Kurze Beschreibung Deutschlands, 1512) des Johannes Cochlaeus nach Nürnberg, dem angeblichen Mittelpunkt Deutschlands (Capitulum IV.: De Norinberga, Germanie centro). Bei Cochlaeus findet man auch eine kurze Beschreibung des Etzlaub als eines Nürnberger Künstlers: Wer sollte schließlich nicht das Talent des Erhard Etzlaub loben, dessen [Sonnen-]Uhren man sogar in Rom verlangt? Er ist zweifellos ein regsamer Meister, mit den Grundlagen der Geographie und Astronomie hervorragend vertraut, der eine sehr schöne Karte Deutschlands und zwar in deutscher Sprache anfertigte, auf der man die Entfernungen der Städte und die Flußläufe wahrlich noch genauer ablesen kann als selbst auf den Karten des Ptolemaeus. (Germ. IV 33).

Die Reiseroute der Grundlers führte von Ferrara wohl nach Verona, das Tal der Etsch aufwärts nach Trient, über den sog. "Kuntersweg" auf dem Brenner-Pass - der schwierigste Abschnitt der Reise - schließlich nach Innsbruck. Von dort noch weiter das Inntal abwärts bis nach Schwaz, wo damals bedeutende Bergwerke der Fugger lagen. Dort sollen sich die Grundlers, wie eine Chronik im Stadtarchiv Kaufbeuren berichtet, erst einmal einen Monat lang ausgeruht haben. Nach der Pause ging es weiter nach Augsburg, vermutlich die Fuggersche Handelsroute über den Zirler Berg nach Seefeld. Diese insgesamt 580 km lange Reise brachte unter den Bedingungen des 16. Jahrhunderts große Strapazen mit sich. Nur bei reibungslosem Verlauf konnten bei sechsstündiger Fahrt pro Tag etwa 30 bis 40 km zurückgelegt werden, im Gebirge entsprechend weniger.

In der Forschungsliteratur kursiert das hartnäckige Gerücht, Grundler habe die Reise nach Deutschland im Frühjahr 1550 schon einmal alleine gemacht, "um sich dort nach einer geeigneten Stelle umzusehen und seine junge Frau nachzuholen" (Holzberg (1982) 48). Angesichts der Strapazen einer solchen Reise scheint es etwas unwahrscheinlich, daß er dann bereits am 12. Juni zum zweiten Mal innerhalb weniger Monate in Augsburg angekommen ist, zumal dazwischen ja noch der ausgiebige Aufenthalt in Schwaz gelegen haben müßte.

Das Gerücht von Grundlers erster "Sondierungsreise" ist wohl auf die merkwürdige Datierung mancher Briefe in Carettis Edition zurückzuführen, die Kößling anhand der Datierungen der bei Curione gedruckten Briefe ins rechte Licht gerückt hat. Es gibt von Olympia Fulvia Morata zwei Schreiben an Johannes Sinapius mit der Bitte, beim König und dem Fugger irgendetwas in unserem Interesse zu bewirken (Caretti Nr. 7 und 8 = Kößling Nr. 11 und 10). Welche Angelegenheiten hier im Einzelnen gemeint sind, ist zwar unklar, fest steht aber, daß diese Briefe entgegen Caretti nicht ins Jahr 1550, sondern auch gemäß Curiones Edition ins Frühjahr 1548 zu datieren sind, als Sinapius auf dem Augsburger Reichstag eintrifft.

In einen anderen Zusammenhang gehören zwei Schreiben von Olympia an Johannes Sinapius  voll inniger Sehnsucht nach der Rückkkehr ihres Mannes (Caretti Nr. 10 und Nr. 11 = Kößling Nr. 13 und 14) und ein Schreiben Olympias an Grundler selbst (Caretti Nr. 9 = Kößling Nr. 12). Auch diese sind entgegen Caretti nicht ins Frühjahr 1550, sondern in den Mai/ Juni 1549 zu datieren. Andreas Grundler hatte also nicht im Frühjahr 1550, sondern bereits im Mai/ Juni 1549, unmittelbar nach seiner Promotion zum Doktor der Medizin am 9. Mai 1549 (vielleicht auch unmittelbar nach der Hochzeit mit Olympia) eine erste Reise nach Deutschland unternommen. Olympias Sehnsucht nach Grundler war damals sehr groß. Schon am 19. Mai schreibt sie an Sinapius: Den, der mir lieber ist als mein Leben, behalte nicht länger als einen einzigen Monat bei Dir und sende ihn sobald als möglich zu mir, seiner Braut (suam sponsam) zurück (Caretti 66, Kößling 50). Zu diesem Zeitpunkt konnte Grundler aber erst höchstens 10 Tage unterwegs gewesen und auf keinen Fall schon bei Sinapius eingetroffen sein.

B. K.

Albert Hermann, Die ältesten Karten von Deutschland bis Gerhard Mercator (1940) - Johannes Cochlaeus, Brevis Germaniae descriptio (1512) mit der Deutschlandkarte des Erhard Etzlaub, hrsg. v. Karl Langosch (1960) - Wiltrud Wößner, Bilder zur Lebensgeschichte der Olympia Morata. Fotos und Nachforschungen (u. a. Ferrara - Augsburg 580 km). In: Kat. Schweinfurt (1986) insbes. 44-51.

 

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