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Bibliographie

Gedenktafeln für Olympia Fulvia Morata und Andreas Grundler in Heidelberg: Peterskirche

I
Olympia Fulvia Morata

Nördliche Seitenkapelle; aus rotem Sandstein; H. 38 cm, B. 53 cm; Inschriftenfraktur mit stark kursiven Elementen, einzelne Wörter Kapitalis (Neumüllers-Klauser 150)

Deo immortali sacrum ||
Et virtuti ac memoriae Olympiae Moratae Fulvii | Morati Ferrariensis philosophi filiae, Andreae Gruntle|ri medici coniugis lectissimae feminae, cuius ingenium ac sin|gularis utriusque linguae cognitio, in moribus autem probitas | summumque pietatis studium supra communem modum semper | existimata sunt. Quod de eius vita hominum iudicium | beata mors sanctissime ac pacatissime ab ea obita di|vino quoque confirmavit testimonio: ||
Obiit mutato solo anno salutis D. LV. supra millessimo, suae aetatis XXIX; | hic cum marito et Aemilio fratre sepulta. Gulielmus Rascalo|nus medicinae doctor ||
Benemerenti pie posuit.

Gott dem unsterblichen geweiht.
Der Tugend und dem Gedächtnis der Olympia Morata, des glehrten Fulvio Morato aus Ferrara Tochter, des Arztes Andreas Grundler vortrefflichster Gattin als einer Frau, deren Geisteskraft und einzigartige Kenntnis beider Sprachen, deren Sittlichkeit und höchstes Streben nach Frömmigkeit über gewöhnliches Maß immer geschätzt wurden; welch Urteil der Menschen über ihr Leben ein seliger Tod, den sie heiligst und friedfertigst starb, auch mit göttlichem Zeugnis besiegelt hat.
Sie starb auf fremdem Boden im Jahre des Heils 1555, im 29. ihres Lebens; hier ist sie mit dem Gatten und dem Bruder Emilio beerdigt. Guillaume Rascalon, Doktor der Medizin
der Hochverdienten setzte er fromm dieses Denkmal.

II

Andreas Grundler

nach Adam (1612) 70   in coemiterio Petrino, doch schon in seinen Vitae Germanorum medicorum (1620) 82 als nirgends auffindbar genannt (epitaphium mariti... hodie nuspiam locorum comparet).

Deo optimo maximo trino et uni || sacrum ||
Andraeae Grünthlero Suevifordiano, magnae peritiae viro, | medico et philosopho; qui simulatque schola, in qua vixit, | dum ab exilio profiteri artem coeperat, pestis metu hic | dissiparetur, solvi a corpore exoptavit proque voto solutus | est non taedio solo amissae incomperabilis exempli sociae | ac coniugis Minervae suae (erat enim in omni fortuna homo | modestissimus), sed ut ex densa hac rerum coelestium igno|ratione in lucem traductus aberrationibus Deum non | amplius offenderet: hic in spem resurrectionis quiescenti, | sodalis sodali, medicus medico, Gulielmus Rascalonus || posuit

Dem besten, größten und dreieinigen Gott geweiht.
Dem Andreas Grundler aus Schweinfurt, einem Mann von großer Kenntnis, Arzt und Philosoph; der als die Schule, in der er lebte und wo er eben nach der Vertreibung begonnen hatte zu lehren, aus Furcht vor Pest hier aufgelöst werden sollte, herbeiwünschte, vom Leibe gelöst zu werden und nach Wunsch gelöst wurde, nicht allein aus Verbitterung über den Verlust der unvergleichlichen, beispielhaften Gefährtin und Ehefrau, seiner Minerva (er war nämlich in allen Schicksalsschlägen ein äußerst gefasster Mann), sondern damit er, aus dieser dichten  Unkenntnis der himmlischen Dinge ins Licht gezogen, nicht weiter durch Umherirren Gott beleidige: dem der hier in Hoffnung auf Auferstehung ruht, hat der Freund dem Freund, der Arzt dem Arzt, Guillaume Rascalon (diese Gedenktafel) gesetzt.

Der Text beider Gedenktafeln (der in situ erhaltenen für Olympia und der nur literarisch bezeugten für Grundler) ist harmonisiert und modernisiert nach Groß-/ Kleinschreibung und Interpunktion, alle Abbreviaturen und Buchstabenligaturen sind aufgelöst; im Text für Grundler konjiziert Neumüllers-Klauser: schola in qua vix dum st. schola, in qua vixit, dum.

Beide Gedenktafeln verfasste und setzte der Franzose Rascalon, Arztkollege des Andreas Grundler und Freund der Familie. Seine Beziehung zu den Grundlers sowie sein Wirken in Heidelberg und am kurfürstlichen Hof bedürfen noch der Untersuchung, wie auch ein Auftrag zu diesen Monumenten von Freunden der beiden Verstorbenen etwa durch Anna, mit welcher Olympia ab 1540 am Herzogshof in Ferrara erzogen worden war und die 1549 mit François, Herzog von Guise, in die Heimat von Rascalon, nach Millau, verheiratet wurde.

 

Ältestes Heidelberger Friedhofsbuch

Melchior Adam, Apographum | monumentorum | Haidelbergensium... || Heidelberg (1612) [8 Bll.] und 136 S.
Privatbesitz

Diese früheste Sammlung Heidelberger Inschriften durch Melchior Adam ist dem Sohn des Kurfürsten Friedrich IV., Pfalzgraf Ludwig Philipp gewidmet, der hier die Monumente der ”Könige, Kurfürsten, fürstlichen Familie und auch seiner Bürger lesen” kann. In der Einleitung (ad lectorem) rekapituliert Adam Argumente und Erscheinungen einer Sepulkral-Kultur seit der hebräischen Patriarchenzeit und der  profanen Antike; sie ist und schafft Memoria und kann selbst Sterbe- und Lebenskunst sein. Die Bedeutung aller historischen und prosopographischen Daten auf den Steinen ist evident; Adam vermerkt auch den ästhetischen Reiz der Kontemplation und Pietät vor den Monumenten. Zincgref hat (in einem Pentameter) über der Leistung Adams formuliert, daß er mit dem Aufschreiben und Druckenlassen ”sowohl die Monumente als auch den eigenen Nachruhm konserviert” (et te conservas et monumenta  simul). Die wissenschaftliche Edition der Heidelberger Inschriften durch Renate Neumüllers-Klauser (1970) im Corpus der Deutschen Inschriften beruht wesentlich auf der Kollektion von 1612 und macht deutlich, wieviele Inschriften nach der Verwüstung der Pfalz und Heidelbergs 1693 (und infolge späterer Korrosion durch Luftverpestung und unsachgemäßer oder unterlassener Konservierungsmaßnahmen) allein noch durch Adam, also literarisch überliefert sind.

Der Sammelband bietet Inschriften aus der Heiliggeistkirche (1-20), dem Franziskaner- und Augustinerkloster sowie von einigen anderen Lokalitäten der Stadt, ist vor allem aber  Bestandsaufnahme der Steinzeugnisse von Kirche und Friedhof  St. Peter als der Ältesten Pfarrkirche der Stadt (25-112, ab 82 deutschsprachige Inschriften); ein Index nominum schlüsselt das literarische Mausoleum auf. Adam druckt auch die Totenrede von Nicolaus Prowin auf Marsilius von Inghen (gest.1396), den Gründer und ersten Rektor der Universität Heidelberg ab (125-132).

R.D.

Neumüllers-Klauser  (197O) XVII – Anneliese Seeliger-Zeiss, Peterskirche Heidelberg (1986) bes.16ff. – Zum Drucker s. Karl Preisendanz, Kleine Commeliniana. In: Gutenberg Jahrbuch (1941) 186-195 bes.189 - Renate Neumüllers-Klauser, Kleine Heidelberger Lapidar-Chronik. In: Heidelberg. Geschichte und Gestalt (1996) 88-105 bes. 98f.

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