Horst Kleinhans aus Bad Dürrheim war Teilnehmer einer der Skitourengruppen, die von der Lawine unweit der Jamtalhütte am 28.12.1999 erfaßt wurden. Er ging am Kopf der Gruppe hinter den Bergführern des DAV Summit Club und wurde von der Lawine nicht verschüttet. Er kann über Unfallhergang und die Bergungsmaßnahmen aus erster Hand berichten. Sein Bericht bildet somit eine Ergänzung zu den Berichten einer Verschütteten (Frauke Brunner) und von zwei Teilnehmern einer Schneeschuhwandergruppe (Luidger Röckrath, Angela Rosenlöcher), die erst ca. 15 Minuten nach Abgang der Lawine zum Unglücksort kamen.

Horst Kleinhans äußerte sich in einem Leserbrief an die Zeitschrift Alpin (abgedruckt im Heft 4/2000 S. 88), den er in ungekürzter Fassung zur Publikation auf dieser Internet-Dokumentation zum Jamtallawinenunglück zur Verfügung gestellt hat.


Verschleierungspolitik

des Summit Club und des Bergführerverbands

Anmerkungen eines Teilnehmers zum Lawinenunfall im Jamtal am 28.12.99


Horst Kleinhans
Hauptstraße 27
78073 Bad Dürrheim
Leserbrief zu Heft Nr. 3

Sehr geehrte Alpin Redaktion,

eigentlich bin ich nicht der, welcher gerne Leserbriefe schreibt, aber es muss sein, denn die Stellungnahmen zum Jamtalunglück von Herrn Härter und Herrn Geyer [Alpin 3/2000 S. 77 und 79; die in der Alpin abgedruckte Stellungnahme von Herrn Härter ist ein Auszug aus der offiziellen Stellungnahme des DAV, vgl. DAV Panorama 2/2000 S. 6 und online hier] schreien nach Widerspruch.

Ich bin 38 Jahre alt, fahre seit 34 Jahren Ski, und mache seit 10 Jahren Skitouren, überwiegend unter eigener Regie. Mit meiner Freundin war ich Teilnehmer der Skitourenwoche auf der Jamtalhütte. Da ich beruflich stark eingespannt bin, sah ich diese leichte Woche als idealen Einstieg für das Tourenjahr an. Mir ist klar, dass es sich im nachhinein leicht reden lässt. Auch ich bin ohne Widerspruch den ganzen Tag hinter den Bergführern hergetrottet und ich halte mich im Gegensatz zu den meisten Teilnehmern nicht für unerfahren. Dass ich dies tat, macht mir immer noch zu schaffen. Meine ganze Energie ist darauf konzentriert aus diesem Unglück zu lernen. Aus diesem Grund habe ich unmittelbar nach dem Unglück meine Eindrücke dem Summit Club schriftlich mitgeteilt. Mir geht es nicht darum, die Bergführer zu verurteilen, nein jeder macht Fehler, Fehler sind menschlich, aber aus Fehlern kann, nein muss man lernen.

Aber man kann nur aus Fehlern lernen, wenn man offen zu ihnen steht.

Eine Verschleierungspolitik, wie sie offensichtlich vom Summit Club und dem Bergführerverband betrieben wird, halte ich für kontraproduktiv.

Die Stellungnahmen sowohl von Herrn Härter als auch von Herrn Geyer haben mich sehr geärgert. Da hätten die beiden Herren Härter und Geyer lieber nichts gesagt und sich auf die laufenden Ermittlungen berufen. Ich dachte, dass ich meine Pflicht mit meinem Schreiben an den Summit Club getan habe. Jetzt weiß ich, dass dem nicht so ist. Nichts, aber auch gar nichts wird sich ändern, wenn diese Herren nicht zugeben wollen, dass Fehler gemacht wurden und werden.

Ich möchte noch einmal in Erinnerung rufen.

14 Menschen wurden verschüttet, 9 Menschen konnten nur tot geborgen werden.!!

Und die Verantwortlichen räumen in dem Artikel der Zeitschrift Alpin keinen einzigen Fehler ein !

Zitate von Herr Härter

"Parallel zur Summit-Club-Gruppe befanden sich weitere Tourengeher auf der Hütte"

Es stimmt, dass auch 3 andere Tourengeher auf der Hütte waren. Diese haben meiner Beobachtung nach den Unglückshang am Vortag begangen. Aber sie waren nur zu dritt, haben vielleicht trotzdem Sicherheitsabstand gehalten und sie waren eigenständige Tourengeher und nicht "Flachländer", welche nichts als ein wenig Urlaub im Schnee haben wollten. Am Unglückstag haben sie die Hütte verlassen.

"Lawinenexperten und Bergführer, die die Unfallstelle besichtigten, waren vom Schneebrettabgang an diesem Hang, bei Betrachtung der Gesamtsituation im Jamtal und im Tourengebiet der Hütte, überrascht"

Es gibt trotz aller Technik keine Möglichkeit eine Lawine zu 100 Prozent vorherzusagen. Die Frage kann also immer nur lauten: Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass eine Lawine abgeht und wieviel Risiko ist die Gruppe bereit einzugehen? So nimmt z.B. ein Profibergsteiger vielleicht auch einmal eine größere Wahrscheinlichkeit in Kauf. Aber Alpinlaien (und dies war der Großteil der Teilnehmer) haben ein Recht darauf, dass sich die Wahrscheinlichkeit eines Abganges bei unter einem Prozent befindet. Dass eine so große Gruppe ohne Abstand die Wahrscheinlichkeit eines Abganges noch zusätzlich drastisch heraufsetzt, dürfte selbst von Profibergführern nicht bestritten werden können.

"War das Schneebrett exakt an diesem Ort zu diesem Zeitpunkt für die Bergführer erkennbar? Offenbar nicht, sonst hätten die Bergführer nicht als erste die ansteigende Querung zur Hütte begangen"

Hätten die Bergführer, wenn sie die Lawine geahnt hätten, einen Gast vorgelassen?

Wenn ich einen Bergführer von der Schuld freispreche, weil er vorangegangen ist, dann kann ich den Bergführern ja gleich einen Blankoschein ausstellen, es sei denn sie schicken einen Gast vor.

"Die örtliche Lawinensituation am Unfalltag wurde von den Bergführern und dem Hüttenwirt mit erheblich(3) eingestuft."

Toll, da passiert etwas und die Profis stufen im nachhinein die lokale Gefahrenstufe um einen Grad ab. Wenn Herr Härter in einem Fachmagazin eine solche Aussage macht, dann erwarte ich, eine Begründung für diese Abstufung. (Da wäre ich gespannt drauf!). Ich bin den ganzen Tag direkt an der Spitze der Skitourengruppe gewesen. Ich habe keine Aktion bemerkt, welche auch nur annäherungsweise darauf hingewiesen hat, dass eine Beurteilung der Lawinensituation stattgefunden hat. Das Lawinenbulletin gilt sicher für eine normale Gruppengröße und nicht für einen Megabandwurm. Mit dieser Begründung behaupte ich einfach mal, man hätte die lokale Stufe eher um einen Grad höher einstufen sollen.

Zitate von Herrn Geyer

"Ich kann mir nur schwer vorstellen, dass drei Profi-Bergführer wichtige Zeichen für eine offensichtliche Gefahr übersehen oder ignoriert haben".

Also auch hier wieder: Ein Profi Bergführer kann gar nicht schuldig sein. Toll das ist ja einfach. Wir haben an beiden Tagen 2 kurze Touren (je ca. 500 Höhenmeter) gemacht. Neuschnee gab es auch nicht viel, oder? (die regionale Lawinengefahr konnte gegenüber dem offiziellenBericht ja um einen Grad erniedrigt werden), aber die Gruppen mussten zusammengelegt werden, da die Profi-Bergführer sich die Spurarbeit teilen mussten, weil es für einen zu anstrengend ist. Soviel zum Thema Profi-Bergführer, obwohl es hierüber noch sehr viel zu schreiben gäbe.

"Auch mit der Tatsache im Hinterkopf, dass diese Passage jeden Winter von rund 12000 Tourengehern begangen wird."

Dies klingt gerade so, als wenn in den Bergen die Verhältnisse immer gleich sind.

Interessant wäre hier: Wie viele Riesengruppen mit 0 Meter Abstand haben bei solchen Verhältnissen diesen Hang schon gequert.?

Meine Meinung:

Jetzt wird also eine Expertenkommission aus Bergführern gegründet. Immerhin ein Anfang. Auch wenn ich der Meinung bin, man muss nur einmal den gesunden Menschenverstand heranziehen und bereit sein Fehler zu zugegeben und aus ihnen zu lernen. Ich bin mir sicher, dass die folgenden Maßnahmen ausreichen würden, um die Wahrscheinlichkeit eines solchen Unfalles stark zu reduzieren. Das würde am Anfang vielleicht Kunden kosten, später würde es sich auszahlen, da bin ich mir sicher.

Meine Verbesserungsvorschläge:

Meine Meinung zur Rettung:

In ihrem recht guten Artikel schreibt Frauke (Alpin 3/2000 S. 76 und hier), dass wir am Nachmittag des ersten Tourentages eine Lawinenbergungsübung unternommen haben. Das stimmt nur halb. Diese Übung haben nur die Schneeschuhläufer gemacht. Die beiden Skitourengruppen, zu welcher auch Frauke gehörte, haben lediglich ein Demovideo der Fa. Ortofox gezeigt bekommen.

Sicher wird man mir zustimmen, dass ein Demovideo nicht ausreicht, um Leute auf den Ernstfall vorzubereiten. Auch eine einmalige Übung hilft hier nicht viel. Das oberste Gebot bei Gruppen von einem solchen Leistungsstand muss also die Sicherheit sein.

Zum Zeitpunkt des Lawinenabganges war ich an der Spitze der Gruppe direkt hinter den beiden Bergführern. Da ich schon einige LVS Übungen gemacht habe bin ich mit dem LVS Gerät vertraut.

Ich hatte meine eigenes LVS Gerät dabei, das Ortovox F1 focus. Vor zwei Jahren habe ich das Vorgängermodell von Ortovox (ohne Suchanzeigelampe) gegen das focus mit Suchanzeigelampe umgetauscht, da mich die Vorteile überzeugten.

Der Summit Club verteilte noch das Gerät F1 plus ohne Suchanzeigelampe!!

Nachfolgend möchte ich noch meine wichtigsten Erfahrungen bei der Vermisstensuche beschreiben.

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