DER KRIEG DER KÖNIGIN
Chakri Chalerm Yukol: Suriyothai (2001)
Piyapas Bhirom Bhakti als Somdet Phra Suriyothai



EIN KAPITEL AUS DIKIGOROS' WEBSEITE
DIE [UN]SCHÖNE WELT DER ILLUSIONEN

Nein, liebe Leser, die Überschrift bezieht sich nur vordergründig auf den Krieg, den die Königin von Ayutthya gegen die Mon führte, denn das war ja gar nicht "ihr" Krieg, sondern der Krieg der Barmesen, würden die Thais sagen, die gelernt haben, daß es da im Zeitalter der politisch-korrekten Gutmenschlichkeit einen riesigen Unterschied gibt. (So ist ja auch der Krieg, den England und Frankreich anno 1939 dem Deutschen Reich erklärten, und der früher "Der Zweite Weltkrieg" genannt wurde, nicht etwa als "Churchills Krieg" in die modernen Geschichtsbücher eingegangen, sondern als "Hitlers Krieg", obwohl der ihn gar nicht wollte, sondern den Tränen nahe war, als er erfuhr, daß seine geliebten Angelsachsen ernst machten und damit die Existenz sowohl des Deutschen Reichs als auch die des britischen Empire aufs Spiel setzten - und verlieren sollten.) Nein, es waren immer nur die bösen, ausländischen Invasoren, die über die edlen Thais her fielen, die irgendwann im Laufe des 11. oder 12. Jahrhunderts aus dem heutigen Südchina in das Land zwischen den großen Flüssen Irawaddi, Salwen und Mekong eingewandert waren und dabei ganz friedlich die (indisch geprägten) Hochkulturen der Mon und der Khmer ausgerottet hatten. Deshalb ist es streng genommen falsch, wenn im Film noch von "Mon" die Rede ist; die Barmesen, die am Salwen und weiter westlich lebten, hatten mit diesen kaum noch etwas gemein. Und von den Raubstaaten, die sich östlich davon um die Zentren Sukothai, Pitsanulok und Ayutthya gebildet hatten, nannte sich noch keiner Thailand, ja noch nicht einmal "Syām". (Das spricht sich richtig "ßjaam", liebe deutsche Leser, nicht "sie-jamm" mit weichem "s" und Betonung auf der - gar nicht existenten - ersten Silbe, wie Ihr es meist radebrecht, sehr zum Amusement der Thais, die dadurch wieder mal ihre Auffassung bestätigt sehen, daß alle Farangs dumme, ungebildete Barbaren sind, die man natürlich gerne in ihrem Irrglauben läßt: "Farang ruh mark - mai die [Ausländer zuviel wissen - nicht gut]" ist eine der beliebtesten Redensarten im Lande!) Das war vielmehr ein indischer Name; aber da auch die Thais kulturell etwas darstellen wollten, übernahmen sie ihn später, nebst einigen anderen Brocken aus dem Indischen. So legte sich die Königin Somdet, von der dieser Film handelt, den indischen Beinamen "Suriyothai [Sonnenaufgang]" zu, von "sury[a]" (Sonne) und "uday[a]" (Aufgang). Ja, nicht nur die Japaner betrachten ihr Land gerne als das der "aufgehenden Sonne"; und wir brauchen gar nicht bis nach Asien zu gehen, denn Vergleichbares findet sich auch in Europa: Ein Jahrhundert später sollte der französische König Louis [Ludwig] XIV diese Idee aufgreifen und sich "Roi de soleil [Sonnenkönig]" nennen (aber das ist eine andere Geschichte.) An diesen pseudo-kulturellen Ambitionen der primitiven Thais hat sich bis heute nichts geändert. So nennt sich die Herrscher-Dynastie, die eigentlich erst seit dem 19. Jahrhundert an der Macht ist - aber von sich behauptet, von der aus Suriyothais Zeit abzustammen -, "Chakri" (von Chakr[a], dem mythischen Rad vom Wagen des Gottes Wishnu), ihr derzeit oberster Repräsentant, der "große Herr der Erde [Maha Bhumiphol]" nennt sich nach dem indischen Sonnengott Rām[a] - 7. Avtar (Inkarnation) Wishnus, dessen mythischer Wohnort übrigens Ayodhyā ist, damit Ihr auch gleich wißt, woher "Ayutthya" kommt - "Rama [IX]", und seine Königin Sirikit (vom indischen "Śrī Kitā [Herrin des Landes]" - die Thais haben die merkwürdige Angewohnheit, das kurze, stumme "a" der Inder mit zu schreiben und zu sprechen und dafür das lange, betonte "ā" weg zu lassen :-). Und damit sind wir schon beim Thema, denn Produzentin dieses Films ist die besagte Sirikit (weshalb die Hauptrolle auch mit der Tochter ihrer Kammerzofe besetzt wurde, die bis dahin noch keinen einzigen Film gedreht hatte - was natürlich eine hervorragende Voraussetzung ist, um eine historische Persönlichkeit auf sich zu prägen), Regisseur ist - jedenfalls auf dem Papier - Prinz Yukol, und der Krieg, den sie führt, richtet sich nicht gegen die Barmesen, sondern gegen die böse amerikanische Filmindustrie; er ist gewissermaßen die Gegenoffensive auf die neuerliche Verfilmung der Tagebücher der Anna Leonowens unter dem Titel "Anna und der König", durch die sich das thailändische Königshaus aus unerfindlichen Gründen verunglimpft und beleidigt fühlt.

In der Einleitung zu diesem Kapitel seiner "Reisen durch die Vergangenheit" hat Dikigoros viele berühmte Frauen der Geschichte erwähnt, die noch von keiner Schauspielerin auf sich geprägt worden sind, obwohl ihr Leben mehr oder weniger oft verfilmt worden ist, vor allem Königinnen, wie Eleonore von Aquitanien, Elizabeth I von England, Katharina II von Rußland oder Louise von Preußen. Und dennoch - es gibt ja auch Gegenbeispiele, wie Kleopátra VII von Ägypten oder Sisi ["Sissi"] von Österreich und Ungarn. Was ist also das Besondere an "Suriyothai"? Nun, eigentlich sollte man doch meinen, daß "Amazonen", die nicht mit den Waffen der Frau, sondern mit denen des Mannes kämpfen, also in die Schlacht ziehen (und dort womöglich noch den Heldentod sterben), sich für die Schaffung von Filmheldinnen ganz hervorragend eignen; aber die zahlreichen Fehlversuche etwa mit Johanna, der Jungfrau von Orléans, oder mit Lakshmī Bai, der Rānī von Jhānsī (die sich nach der Göttin des Reichtums, der Gemahlin Wishnus, nannte), zeigen, daß diese Annahme weder in Europa noch in Asien zutrifft - im Gegenteil. Umso verblüffender ist es, daß es offenbar mit jener Königin von Ayutthya auf Anhieb geklappt hat, obwohl - oder weil? - sie in den Geschichtsbüchern ein eher unbeschriebenes Blatt ist. In "Fischers Weltgeschichte", deren Herausgeber sich so viel darauf zugute halten, auch die außereuropäische Geschichte relativ ausführlich zu behandeln, wird sie gerade mal auf einer Seite kurz erwähnt, im Band "Südostasien vor der Kolonialzeit" - obwohl es für Thailand ja eigentlich gar kein "vor der Kolonialzeit" gibt, weil es nie eine Kolonie, sondern immer ein "Land der Freien" war.

[Exkurs. Ob sich die Thais schon einmal gefragt haben, warum das so war? Weil sie und ihre Vorfahren von solch hervorragender Tapferkeit waren? Wohl kaum, eher weil sie ein minder-wertiges, nein sogar völlig wert-loses Pack waren (Dikigoros ist ja höflich, deshalb gebraucht er hier nur das Präteritum :-), das zu unterwerfen den Aufwand nicht lohnte - sonst hätten England und Frankreich sich den Spaß durchaus teilen können, etwa entlang des Menam. Aber wie war das? Nicht die Knochen eines einzigen pommerschen Grenadiers... Ach nein, das war eine andere Geschichte. Und deshalb muß Dikigoros auch gleich mit dem in Thailand weit verbreiteten Vorurteil aufräumen, daß die bösen Barmesen Syām hätten erobern und die Thais unterwerfen wollen - die hätten sich schön bedankt. Nein, deren Motiv war ein ganz einfaches, genauer gesagt ein zweifaches: erstens Beutegier und zweitens Rache. (Die Syāmesen hatten Tenasserim überfallen, das damals zu Barmā gehörte und heute wieder gehört; letzteres liegt daran, daß die Engländer es zu Beginn des 19. Jahrhunderts eroberten - darauf wollten sie im Gegensatz zum wertlosen Syām nicht verzichten, denn dort gab es Bodenschätze, und die Küste war ihnen strategisch wichtig - und es 1947, bei der Liquidierung Britisch-Indiens, Barmā zuschlugen.) Rache, liebe Leser, ist ein zwar verständliches, aber gleichwohl äußerst unheilvolles Motiv, denn fast immer trifft sie auch Unbeteiligte, Unschuldige, die dann wieder an den Rächern gerächt werden, und wieder und wieder... Irgendwann kann man Ursache und Wirkung nicht mehr auseinander halten, dann entsteht das, was manche eine "Erbfeindschaft" nennen; und das ist umso schlimmer, wenn die Rache sich nicht mehr auf einzelne Personen oder Familien beschränkt, sondern ganze Völker und Rassen, am Ende gar Glaubensgemeinschaften erfaßt. Natürlich meint jeder, daß er selber im Recht sei und der andere im Unrecht, und handelt deshalb mit dem besten Gewissen - der Gedanke, den alten Streit mit dem Nachbarn zu begraben kommt da gar nicht erst auf. "Versöhnung" schrieb mal ein jüdischer Hobby-Filosof des 20. Jahrhunderts - wohlgemerkt schon vor den Ereignissen, die man heutzutage unter dem unpassenden griechischen Begriff "Holocaust [vollständiges Brandopfer]" zusammen faßt - "ist nur ein leeres Wort der Weltklugen. Auf Erden gibt es keine Versöhnung, nur Zerfall und Selbstbehauptung... Der Staatsräson ist es niemals darauf angekommen, eine anmutige Volte zwischen Ursache und Wirkung zu schlagen. Das schlechte, jedoch umso denkfaulere Gewissen der Welt, die Presse der jeweiligen Machtgruppen und das durch sie verschnittene Hirn ihrer Leser, haben das Ding immer nur so gedreht und verstanden, wie sie es gerade brauchten." Ja, aber nicht nur die Presse "verschneidet" (das ist das deutsche Wort für "kastriert", liebe Leser, Werfel verwendete es im Sinne von "zeugungsunfähig", nämlich im Sinne von "Gedanken zeugen", "denken") die Gehirne der Leser, sondern auch die Geschichtsbücher. Dikigoros ist nie müde geworden, die schlimmsten Treppenwitze der Weltgeschichte und ihrer Schreiber anzuprangern und seine Leser aufzuklären; aber das könnt Ihr an anderer Stelle nachlesen. Exkurs Ende.]

Dikigoros will an dieser Stelle gleich vorweg nehmen, daß die "Legende" der Suriyothai (so lautet ganz offiziell der Titel der amerikanischen Fassung des Films) quellenmäßig auf sehr wackeligen Füßen steht - und das sind nicht mal syamesische, sondern... portugiesische, nämlich die Aufzeichnungen eines gewissen Domingos de Seixas. (König Rama Thibodi II - dem wir gleich wieder begegnen werden - hatte die Portugiesen an seinen Hof geholt.) Daß gerade der Verfasser des o.g. Bandes von "Fischers Weltgeschichte", John Villiers, ihr offenbar ziemlich skeptisch gegenüber stand, läßt tief blicken, denn sein Spezialgebiet war ausgerechnet... die Geschichte der Portugiesen in Fernost, er mußte es also wissen. Dikigoros teilt diese Skepsis, und zwar auch in Bezug auf das zentrale Ereignis im Leben des Suriyothai, nämlich ihren Tod, mit dem uns der Regisseur gleich zu Beginn des Films ins Haus fällt - sehr zu Dikigoros' Mißfallen. Wohlgemerkt, es gibt Filme, bei denen eine Rückschau aus der Rahmenhandlung nicht weiter schädlich ist, z.B. bei Lawrence von Arabien, weil dessen Ende bei einem Motorrad-Unfall nichts mehr mit dem Thema des Films - seinem Kampf um Palästina - zu tun hat, ebenso wenig wie die späte "Karriere" von Lady Hamilton als Diebin und Knastschwester ihrem früheren Verhältnis mit Lord Nelson Abbruch tut; bei Braveheart erhöht dieser Aufbau sogar die Spannung, denn wir erfahren ja bis kurz vor Schluß nicht, wer der Erzähler ist (und rätseln so lange herum, wer von den handelnden Personen wohl überleben könnte). Aber es gibt halt auch Filme, denen die Spannung genommen wird, wenn man schon am Anfang weiß, wie er endet - zumal wenn auch noch exakt die Schlußszene eingespielt wird: Wir sind im Jahre des Affen (chinesische Zeitrechnung) 2112 (buddhistische Zeitrechnung) oder 1549 (christliche Zeitrechnung). [Dikigoros übernimmt diese Jahreszahlen aus dem Film, da sie sich heute in der Geschichtsschreibung allgemein durchgesetzt haben; vor einer Generation setzten westliche Historiker diese Geschehnisse noch ca. 20 Jahre später an; für die Handlung des Films spielt indes die Frage, was nun richtig ist, keine Rolle; und über die Schwierigkeiten bei der Umrechnung von Jahreszahlen des chinesischen Zyklus in solche westlicher Zählung schreibt er ausführlicher an anderer Stelle; er will sich hier nicht wiederholen] Die bösen Barmesen haben Ayutthya angegriffen, wo gerade König Maha Chakra Phat an die Macht gekommen ist. Nach langer Belagerung kommt es zur Schlacht. Die Königin und ihre Tochter ziehen mit in den Kampf - hoch zu Elefant - und fallen, d.h. sie werden von einer Kampfsichel gefällt. Durch ihren Heldentod retten sie den König und Ayutthya. Amen.

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