GIFT IM HERZEN UND IM HIRN . . .
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Elizabeth Taylor als Kleopatra VII. von Ägypten

(und Rex Harrison als C. I. Caesar und Richard Burton als Marc Anton)
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JOSEPH L. MANKIEWICZ: CLEOPATRA

[Filmplakat 1963]

Ein Kapitel aus Dikigoros' Webseite:
Die [un]schöne Welt der Illusionen)

Keine Frau der Antike hat die Nachwelt im allgemeinen (und die Fantasie der Filmemacher im besonderen :-) so fasziniert wie Kleopátra VII von Ägypten, und kein Mann der Antike so sehr wie Gaius Julius Caesar, trotz Alexander dem Großen, Hannibal und vielen anderen Gestalten, die historisch vielleicht ebenso bedeutend - oder sogar noch bedeutender - waren. Woran mag das liegen? Vielleicht an der Kombination der beiden nicht nur im Politischen, sondern auch und gerade im Privaten. Wie schrieb Joachim Fernau, der große Cyniker und Populär-Historiker des 20. Jahrhunderts, in seinem Buch Caesar läßt grüßen: "Herzen haben die Weltgeschichte mehr bewegt als Gehirne, und immer sind es die Herzen, nach denen unser eigenes fragen wird." Na, dann fragen wir doch mal: Von Hannibal sind keine Frauengeschichten bekannt, und Alexander der Große war schwul, was beim Kinopublikum - insbesondere beim weiblichen - nicht besonders ankam (und noch heute nicht ankommt, wie erst kürzlich wieder eine aufwendige Verfilmung bewies, die flopte :-). Das wußten früher auch die großen Regisseure, denen es von je her mehr auf Kasse als auf politische (und historische) Korrektheit ankam. Die Beziehung zwischen Caesar und Kleopátra war schon beinahe sprichwörtlich, und dementsprechend oft wurde sie denn auch verfilmt, davon einige Male mehr oder weniger monumental: bereits 1912 von und mit Helen Gardner, 1917 durch William Fox mit Theda Bara (beides Stummfilme), 1934 durch Cecil DeMille mit Claudette Colbert (und Henry Wilcoxon, den wir später als Richard Löwenherz wieder treffen werden - Tim Dirks hält hartnäckig daran fest, daß dies die "beste" Verfilmung des Stoffes gewesen sei; aber das ist Geschmackssache, und darauf kommt es Dikigoros hier nicht an) und 1946 durch Gabriel Pascal mit Vivien Leigh (und Stewart Granger, dem späteren "Old Surehand") - frei nach Bernard Shaws boshaftem Theaterstück.

[1917] [1934] [1946] [1963]

Keiner dieser Filme und Besetzungen hat jedoch das Bild der Nachwelt von Caesar und Kleopátra (und Antonius) in einem Maße zu prägen vermocht wie das Werk, mit dem es Joseph Mankiewicz Anfang der 1960er Jahre beinahe fertig gebracht hätte, die 20th Century Fox in den Ruin zu treiben - tatkräftig unterstützt von seiner Hauptdarstellerin Liz Taylor, die es mit der von ihr verkörperten Königin zumindest in Sachen Extravaganz und Verschwendungssucht ohne weiteres aufnehmen konnte. Und um gleich noch ein paar andere Parallelen zu ziehen: Trotz ihres durch und durch griechischen Namens (Kleiopátra - so schreibt es sich richtig, liebe Leser, allen amerikanischen Filmtiteln zum Trotz -, und die Bedeutung ist "Vatersruhm") war sie eigentlich gar keine Griechin, sondern Makedonierin. (Was, liebe Leser, Ihr meint, das sei doch das gleiche? Setzt Euch mal mit einem Griechen und einem Makedonier an einen Tisch und tragt ihnen diese Eure These vor...) Egal, die meisten halten sie ja ohnehin für eine Ägypterin - obwohl sie das nun garantiert nicht war. Angeblich stammte sie von Alexander dem Großen ab (aber angeblich stammen ja auch alle heutigen Europäer statistisch irgendwie von Karl dem Großen ab), der Ägypten irgendwann mal erobert hatte, damals, als es noch etwas wert war, kulturell und vor allem wirtschaftlich, wegen seines Getreides und seines Orient-Handels. Sie war ein hübsches Kind und schon als solches eine Göttin; sie war eine attraktive junge Frau und gelangte als solche zu Weltruhm (als sie Caesar begegnete, mit Anfang 20 - nach Shaw sogar schon mit 16 -, war sie zur vollen Weiblichkeit erblüht); doch mit Ende 30, als sie ihre wichtigste Rolle spielen sollte - die Verführerin des Caesar Octavian -, war sie schon deutlich über ihren Zenit hinaus und versagte vor dem gerade mal sechs Jahre jüngeren. (Mal im Ernst, liebe Leser[innen]: Ist dieser kleine Altersunterschied für eine wirklich attraktive Frau tatsächlich ein unüberwindbares Hindernis, um einen Mann herum zu bekommen?) Kurzum, sie hatte kein Glück mit den Männern und endete tragisch. Und ihr "alter ego" im Film?" Trotz ihres durch und durch englischen Namens (Elizabeth Rosemond Taylor, Liesel Rosamunde Schneyder - so hieß sie tatsächlich, da schon ihre Großeltern einen "Künstlernamen" angenommen hatten) war sie eigentlich gar keine Angelsächsin, sondern zu drei Vierteln jüdisch (der Vater von Liesels Mutter Sarah, Schmuel Weißbrodt, war erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts aus Frankfurt/Main in die USA eingewandert und zum Christentum konvertiert; sie selber konvertierte 1957 zurück zum Judentum) und zu einem Viertel irisch. (Was, liebe Leser, Ihr meint, das sei doch das gleiche? Dann erzählt mal einem Iren, daß Engländer auch Briten - also Kelten - seien und einem Engländer, daß Iren auch Briten seien... nein, tut es lieber nicht, sonst belangt noch jemand Dikigoros wegen Anstiftung zum Selbstmord.) Sie war ein hübsches Kind und schon als solches eine Göttin der Leinwand; sie war eine attraktive junge Frau und gelangte als solche zu Weltruhm (ähnlich wie ihre Namensvetterin Romy Schneider war sie bereits mit 16 Jahren in voller Weiblichkeit erblüht); doch mit Anfang 30, als sie ihre wichtigste Rolle spielen sollte - die der Kleopátra -, war sie schon deutlich über ihren Zenit hinaus und versagte: Ein ausschweifender Lebensstil, vor allem Alkohol und Tabak, hatte seinen Tribut gefordert; nun, mit 30, hätte sie durchaus für Anfang, wenn nicht gar Ende 40 durchgehen können. (Was ihre Manager und Rechtsanwälte "Krankheiten" nannten und die Dreharbeiten bis an den Rand des Bankrotts in die Länge zogen, waren in Wahrheit die Folgen ihrer Ausschweifungen. Als Vivien Leigh 1946 "Caesar and Cleopatra" spielte, war sie 33 und hatte gerade eine schwere Fehlgeburt hinter sich; dennoch sah sie mindestens 10 Jahre jünger aus als die Taylor.) Im Film konnte man das überschminken - in real life nicht, vor allem nicht im Bett. (Ihr Filmpartner Richard Burton - wiewohl selber kein Kind von Traurigkeit und sicher nicht allzu engherzig in Sachen Lebensstil - ließ sich gleich zweimal von ihr scheiden.) Kurzum, sie hatte kein Glück mit den Männern und endete, pardon, ganz so weit ist es ja noch nicht... und wird tragisch enden.

Aber kommen wir endlich zur Handlung des Films. Halt, noch eine Vorbemerkung: Da das Opus Überlänge hat, wurde es fürs Kino erheblich gekürzt - was der Handlung keinen Abbruch tut, sie bleibt vollständig. Aber etwas anderes geht verloren: Die Motive der Handelnden, die sich meist aus mehr oder weniger langen Dialogen ergeben, und ohne die so ein Film eigentlich sinnlos ist. (Es sei denn, man stünde bloß auf "action" - aber das allein kann schwerlich den enormen Aufwand rechtfertigen.) Und nicht nur ein Film, sondern die Geschichte - und ihre Interpretation - überhaupt. Nicht wahr, die bloßen Fakten der meisten großen Ereignisse, insbesondere der meisten großen Kriege, sind halbwegs bekannt, vom Troianischen Krieg bis zum Zweiten Weltkrieg. Aber es macht einen gewaltigen Unterschied, ob man die Motive der Handelnden - also die Ursachen - sieht wie Hómäros, wie Jean Giraudoux, wie John Kent Harrison oder wie Wolfgang Petersen. Konkret ausgedrückt: War Helénä nicht nur ein Vorwand der Griechen für ihren Krieg gegen Troia? War Hitler nicht nur ein Vorwand der Alliierten für ihren Krieg gegen Deutschland? War Kleopátra - und ihre Beziehung zu Caesar bzw. zu Antonius - nicht nur ein Vorwand der Römer für ihren Krieg gegen Ägypten? Die gekürzte Fassung läßt diese Frage links liegen; sie schaut den Handelnden weder ins Herz noch ins Hirn (insofern steht diese - auf Caesar und seine vermeintliche Beeinflußbarkeit durch Kleopátra gemünzte - Wendung, die nicht mit weg gekürzt wurde, etwas verloren im Raum). Und die Langfassung? Die Motive, die Mankiewicz den Hauptpersonen unterstellt, mögen historisch gesehen fragwürdig sein - nachprüfen können wir sie nicht (bei welchem Politiker, pardon "Staatsmann", kann man das schon?); aber sie verraten uns zumindest, wie Mankiewicz - und die, die mit ihm zusammen das Drehbuch verfaßt haben - sie sahen; deshalb wird Dikigoros an einigen Stellen etwas ausführlicher auf sie eingehen, zumal sie bis heute nicht ins Deutsche übersetzt worden sind - wir werden sehen, warum. Genug der Vorrede.

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Griechenland, August 48 v. C. (der Monat heißt noch anders, ebenso sein Namensgeber in spe - Octavianus -, und auch die Jahreszählung ist noch eine andere, aber Dikigoros will seine Leser nicht unnötig verwirren). Auf dem Schlachtfeld von Farsalos überblickt Caesar die Leichenhaufen und kann sich gar nicht so recht über seinen Sieg freuen: Erstens sind auch die Gefallenen der Gegenseite Römer (das bleibt nicht aus in einem Bürgerkrieg :-), und zweitens ist ihm ausgerechnet sein Rivale Pompeius entwischt - nach Ägypten. Caesar, nicht faul, denkt gar nicht daran, nach Rom zurück zu kehren und seinen Erfolg zu feiern, sondern schickt die Soldaten beider Seiten - die Reste der anderen sind zu ihm übergelaufen - unter dem Kommando seines Generals Antonius nach Hause, bis auf zwei Legionen (für Gediente: die Friedensstärke einer legio entsprach in etwa einer heutigen Brigade; in jenem Stadium des Bürgerkriegs dürfte sie noch ein knappes Regiment betragen haben, also zusammen ca. 3.000 Mann); mit denen macht er sich auf nach Ägypten, nicht nur um Pompeius zu stellen, sondern auch um die dortigen Thronstreitigkeiten zu "schlichten", d.h. um das alte Faraonenreich endlich ganz in die Abhängigkeit Roms zu bringen. Er landet im Hafen der Hauptstadt Alexandria (Kairo gabs noch nicht), wo er von einem bildschönen Kabinett empfangen wird: Dem halbwüchsigen Farao, einem fetten Hoflehrer, einem General ohne Truppen und dem schwulen Kastraten von Oberbürgermeister, dazu ein paar Neger als Lakaien und was sonst noch dazu gehört bei einem derartigen Abklatsch von Sodom und Gomorrha. (Dikigoros fällt vor allem die entartete, pardon schauderhafte Musik auf.) So etwas auf die Leinwand zu bringen - und gar noch als Demonstration der ägyptischen Minderwertigkeit - wäre heute selbstredend nicht mehr politisch korrekt; aber was glaubt Ihr wohl, liebe Leser, wie in 2.000 Jahren - wenn dann noch historische Filme gedreht werden sollten - ein Regisseur die heutigen Zustände in Deutschlands Hauptstadt darstellen würde? Eben... "Wo ist denn Deine Schwester und Mitregentin Kleopátra?" fragt Caesar den Farao. "Die ist tot," behauptet der, wird aber sogleich von Wowereit, pardon Pothinus, korrigiert: Sie sei lediglich verschwunden, wohin wisse man nicht so genau. Dafür weiß er - der Farao - umso besser, wo Pompeius abgeblieben ist, genauer gesagt sein Kopf: abgeschlagen in einem Faß, das er Caesar als Willkommensgeschenk überreichen läßt. Zu seiner unangenehmen Überraschung hält sich Caesars Dankbarkeit jedoch in Grenzen; er ist vielmehr verärgert, daß so ein tapferer Mann - immerhin sein Ex-Triumvir und Ex-Schwiegersohn - so enden mußte, durch "Mord".

[Rex Harrison als Caesar]

Stop, liebe Leser, hier wollen wir eine kurze Pause einlegen - denn nun stoßen wir auf eine erste Frage der Motivation. Daß Caesar verärgert war, ist wohl historisch - aber warum? Tatsächlich aus Empörung? Oder war er sauer, daß er Pompeius - jenes Großmaul, von dem der Spruch stammte, den sich anderthalb Jahrtausende später die Bremer nicht entblödeten, über ihre Rathaustür zu nageln: "Navigare necesse est, vivere non est [Seefahrt tut not, leben nicht]!" - nun nicht mehr selber einen Kopf kürzer machen konnte? Oder suchte er einfach nur nach einem Vorwand, um in Ägypten mal richtig hart durchzugreifen? Laßt Euch nicht täuschen von dem netten alten Herrn, als den Rex Harrison ihn spielt, mit überlegenem Humor und voll der propagandistisch so wirksam zur Schau getragenen Clementia [Milde], die schon so viele der nur kurz nach ihm lebenden "Historiker" blendete: Der historische Caesar war ein Terrorist und Verbrecher, und zwar der schlimmste seines an Terroristen und Verbrechern nicht eben armen Jahrhunderts. Und dabei zählt Dikigoros arme Würstchen, die im Nachhinein dazu hoch stilisiert wurden, wie Catilina oder gar Spartacus, gar nicht mit, sondern bloß jene Kreaturen, die ihren Terror und ihre Verbrechen von Staats wegen ausübten: Was immer ein Marius, ein Cinna, ein Clodius oder ein Sulla vor ihm getan haben mögen, was immer ein Brutus, ein Cassius, ein Antonius oder ein Augustus nach ihm tun sollten - vor dem, was Caesar tat, verblaßt alles. Ihr habt es doch aus seiner eigenen Feder gelesen, liebe Lateinschüler: Er hat den Völkermord an ein paar mehr oder weniger harmlosen Gallier- und Germanen-Stämmen ebenso zur kriegerischen (und politisch segensreichen) Heldentat aufgebauscht wie das, was er während der Bürgerkriege tat; er war das, was Stalin und Mao Tse-tung im 20. Jahrhundert waren, in einer Person. [Was liest Dikigoros da bei einem Althistoriker: Man solle doch nicht die albernen - und politisch völlig unerheblichen - Maßstäbe von "Gut" und "Böse" anlegen... Pardon, aber das tut er doch gar nicht; ihm ist durchaus bewußt, daß diese Begriffe relativ sind, je nachdem aus wessen Sicht man sie betrachtet: Für die Römer - und für Fernau, der Caesar läßt grüßen aus ihrer Sicht geschrieben hat (Rosen für Apoll, das er aus griechischer Sicht schrieb, endet praktischerweise gut zwei Jahrhunderte vorher - so leicht kann man sich das machen!) - war Sulla gut; weniger für die Griechen, die er beinahe ausrottete. (Damals ging das alte Hellas, wie es in der Fantasie von Leuten wie Jakob Fallmerayer fortlebte, unter - anderthalb Jahrtausende bevor die Türken kamen!) Für uns Westler war es gut, daß Stalin und Mao "ihre" Völker dezimierten und in ihrer wirtschaftlichen Entwicklung um Jahrzehnte zurück warfen - sonst hätten wir unsere Läden nämlich schon längst dicht machen können. Aber war es auch gut für die Russen - und die anderen Völker der Sowjet-Union - und die Chinesen - und die anderen Völker der Volks-Republik? Vielleicht war Caesar gut für die Ägypter; aber war er auch gut für die Römer - und für die anderen Völker des Imperiums?]

Zurück zum Film: Während sich Caesar in Alexandria eingerichtet hat und noch überlegt, wie es nun weiter gehen soll, bringt ihm der "Teppichhändler" Apollodorus ein Geschenk von Kleopátra - wie sich heraus stellt, ist es sie selber, eingerollt in einen Teppich. (Wenn diese Episode nicht stimmt, dann hat sie sich Ploutárchos jedenfalls gut ausgedacht :-) Sie legt Caesar dar, daß es das beste für ihn sei, sich mit ihr zu verbünden, sie zur Alleinherrscherin zu machen, bevor der General ihres Bruder das riesige ägyptische Heer sammeln und die Handvoll Römer platt machen kann. Caesar hört ihr zwar - halb ermüdet, halb amüsiert - zu, aber ernst nimmt er sie und ihre Warnung schwerlich. Das sind Männersachen, und die wird er ohne sie regeln... Am nächsten Tag zeigt sich jedoch, daß Kleopátras Warnung ganz und gar nicht aus der Luft gegriffen war: Die ägyptische Streitmacht - zahlenmäßig weit überlegen - rückt an, und auch die Bevölkerung von Alexandria zeigt sich bereits feindselig. Caesar läßt daraufhin die ägyptische Flotte in Brand setzen; das Feuer greift auf die Stadt über, wobei u.a. die berühmte Bibliothek mit abgefackelt wird. Kleopátra ist entsetzt; sie sucht Caesar auf und wirft ihm einige Freundlichkeiten an den Kopf, die der Kürzung zum Opfer gefallen sind, die Dikigoros Euch aber gleichwohl nicht vorenthalten will: "Das ist also der römische Genius, ein Genius der Zerstörung, der nur alte Kulturen zerstören kann, morden, plündern und vergewaltigen - nicht nur Menschen, sondern auch Gedanken..." Ihr meint, liebe jüngere Leser, das sei doch nicht weiter aufregend? Für Euch vielleicht nicht; aber 1962 lebte noch eine Generation, die die "Befreiung" Deutschlands von 1945 mit erlebt hatte (wenn sie sie denn überlebt hatte), und die hätte sich dabei prompt an die edlen Alliierten erinnert (heute tun das bekanntlich nur noch böse, fascistoïde Revanchisten und Revisionisten). Sie schimpft die Römer im allgemeinen und Caesar im besonderen "Barbaren", und er gibt ihr Kontra: "Das wagst Du mir zu sagen, Du Tochter eines flötenspielenden Säufers, der nur durch Bestechung auf den Thron gekommen ist?"

Halt, liebe Leser, hier müssen wir wieder eine kleine Pause einlegen. Was ist dran an den gegenseitigen Vorwürfen (welche übrigens die beiden Parteien nicht davon abgehalten haben, bald darauf miteinander ins Bett zu gehen)? Das mit dem Brand der Bibliothek von Alexandria ist so eine Sache. Keine einzige zeitgenössische Quelle erwähnt ihn - und das ist verdächtig. Nach Mankiewicz geschah sie unabsichtlich (diese Stelle ist nicht gekürzt) - aber was besagt das schon? Auch die Engländer haben im Ersten Weltkrieg die nicht minder berühmte Bibliothek von Löwen nicht "absichtlich" zerstört - aber sie zum Anlaß genommen, ihre Zerstörung propagandistisch recht wirkungsvoll den deutschen "Barbaren" in die Schuhe zu schieben. Caesar nahm die Zerstörung der Bibliothek von Alexandria zum Anlaß, zwecks "Entschädigung" andere Bibliotheken, vor allem in Griechenland und in Kleinasien, zu plündern und ihre Inhalte in Rom zusammen zu tragen, wo er sie dann Kleopátra "schenkte" - davon hatte sie was... Wenn Ihr Dikigoros fragt, dann handelten sowohl die Römer als auch die Engländer zwar vielleicht nicht mit direktem Vorsatz, aber sie nahmen die Zerstörung feindlicher oder neutraler Kulturgüter doch billigend in Kauf (was die Deutschen nie taten, weder im Ersten noch im Zweiten Weltkrieg, wie jeder weiß, der die Geschichte von Monte Cassino kennt); die römischen Juristen sprechen von "dolus eventualis" - und der wird dem "dolus directus" strafrechtlich gleich gestellt. Gleichwohl war es eine Frechheit, Caesar als "Barbaren" zu bezeichnen. Dieses Schimpfwort bezeichnete, zumal aus dem Munde einer Griechin, allgemein einen ungebildeten Banausen, und speziell jemanden, der kein Griechisch sprach. Wie immer Dikigoros sonst über Caesar denken mag - ein Barbar war er sicher nicht. Er sprach ebenso fließend Griechisch wie Friedrich II von Preußen und Maria Theresia von Österreich Gallisch, pardon Französisch - die "Gebildetensprache" des 18. Jahrhunderts -, und etwa soviel Lateinisch wie die letzteren Deutsch - man wollte sich doch im mündlichen Ausdruck nicht mit dem Bauernpöbel gemein machen. Ach, Ihr erinnert aus Eurem Lateinisch-Unterricht, daß Caesar zu Beginn des Bürgerkrieges, von dem wir gerade sprachen, als er den Rubico überschritt, gesagt haben soll: "alea iacta est" ["Der Würfel ist gefallen" oder - wie Ulrich von Hutten es abwandeln sollte - "Ich hab's gewagt"] (so sein Namensvetter Gaius Suetonius), oder "alea iacta esto" ["Der Würfel möge fallen" oder - wie es Mirko Jelusich so viel poëtischer übersetzt hat - "Jetzt tu' ich meinen Wurf"] (so Ploutárchos)? Vergeßt es, liebe Leser, vergeßt es. Das ist bloß eine Übersetzung des griechischen "anerrifthoo kíwos" (so sagte man bereits, auch wenn der Würfel noch "kybos" geschrieben wurde), was wiederum entgegen weit verbreiteter Meinung kein hochgestochenes Zitat aus einem Werk des Dichters Ménandros ist, sondern ein ganz gewöhnlicher Ausdruck der Glücks(würfel)spieler, der in etwa dem französischen "rien ne va plus [nichts geht mehr]" beim Roulette entspricht. (Mag sein, daß der Satz auch bei Menander vorkam, aber dort kam auch "chairete [grüß dich]" vor - dennoch würde da doch wohl niemand von einem "Zitat" sprechen, oder?

Und wie war das nun mit Kleopátras Abstammung? Das war in der Tat Sodom und Gomorrha, und man darf sich nicht wundern, wenn einige Leute sie für eine "typische Ägypterin" hielten; in vielerlei Hinsicht benahm sie sich wie eine, und zumindest ihre Abstammung war ganz und gar auf "ägyptische" Art und Weise zustande gekommen: Ihre Ururgroßmutter, Kleopatra I., wurde von drei Kindern beerbt, einer Tochter und zwei Söhnen. Ptolemäus (eigentlich "Ptolemaios", aber wir wollen nicht päpstlicher sein als der Papst) VI., der ältere Sohn, heiratete Kleopatra II., die Tochter (also seine Schwester); die beiden regierten Ägypten zusammen - wie das dort traditionell üblich war; sie bekamen eine Tochter, die ebenfalls Kleopatra (III.) und einen Sohn, der ebenfalls Ptolemäus (VII.) hieß. (Nein, liebe Leser, eigentlich ist das bloß eine grobe Vereinfachung der Historiker: Das war lediglich der Dynastie-Name, nach dem "durchgezählt" wurde; tatsächlich hatten sie alle auch einen "echten" Namen - vorzugsweise den ihres Vorfahren Alexander.) Als ihr jüngerer Bruder Ptolemäus (VIII.) alt genug war, heiratete Kleopatra II den auch noch. Die Brüder verkrachten sich bald, und der jüngere brachte den älteren um, ebenso dessen Sohn, seinen Neffen. Die Schwester des letzteren - Kleopatra III. - ließ er dagegen am Leben und heiratete sie, so daß sich die Verhältnisse nun genau umkehrten: Während Kleopatra II. zunächst zwei Brüder gleichzeitig zu Ehemännern hatte - Ptolemäus VI. und Ptolemäus VIII. -, hatte später Ptolemäus VIII. seine Schwester und deren Tochter, seine Nichte, gleichzeitig zu Ehefrauen - Kleopatra II. und Kleopatra III. Als Ptolemäus VIII. starb, wurde das Ägyptische Reich unter seinen Söhnen geteilt: Ptolemäus IX. bekam Cypern, Ptolemäus X. Unter- und Ober-Ägypten (also das Stammland, das bis heute so heißt, und den heutigen Sudan), und ein weiterer Ptolemäus (der unehelich war und daher keine Nummer hat; die Nr. XI sollte der Sohn von Ptolemäus X. bekommen) Cyrene, die heutige Cyrenaika, also den größten Teil Libyens. Als Ptolemäus IX. starb (eines natürlichen Todes, nach 36 Regierungsjahren, man glaubt es kaum!) heiratete seine Tochter Berenike auf "Vermittlung" Roms ihren Vetter Ptolemäus XI. und wurde prompt umgebracht. Die Römer sagten: von ihrem eigenen Mann und verbreiteten das auch in Alexandria. Dort kam es zum Aufstand: Ptolemäus XI. wurde gestürzt und ermordet; Berenikes Brüder (Ptolemäus XII. und ein weiterer unehelicher, also nummern-loser Träger dieses Namens) teilten das Reich erneut in "Ägypten" und "Cypern" (wozu wesentlich mehr gehörte als nur die gleichnamige Insel). Die Römer erkannten das nicht an und zogen Ptolemäus' XI. angebliches Testament aus der Tasche, in dem dieser das Ägyptische Reich ihnen, den Römern vermachte. (Die Historiker sind sich heute einig, daß dieses Testament, selbst wenn es "echt", also von Ptolemäus verfaßt war, dann jedenfalls nur unter römischem Zwang, also nichtig.) Erst als Ptolemäus XII von den Ägyptern gestürzt wurde und ausgerechnet nach Rom floh, erkannten die Römer ihre Chance, durch ihn als Marionette Ägypten zu beherrschen, setzten ihn gewaltsam wieder ein, besetzten auch gleich das Königreich Cypern (wenn man so will, kann man das "Bestechung" nennen; aber die Römer hätten sich die strategisch wichtige Insel und was dazu gehörte wohl auch so genommen - so wie später die Briten -, und Ptolemäus den Nummernlosen er"selbst"mordet), und als Ptolemäus XII. starb, erkannten sie dessen Kinder, Ptolemäus XIII. und Kleopatra VII., als Herrscherpaar an. Der Schimpfname "Flötenspieler" für Kleopátras Vater ist übrigens historisch bezeugt; aber er bezeichnete nicht jemanden, der gerne musizierte - dann wäre es ja kein Schimpfwort gewesen -, sondern... na was wohl.

Kurzer Erkurs. Gehörte die Homosexualität nicht als selbstverständlicher - oder, wie die Tunten von heute uns weis machen wollen - "natürlicher" Bestandteil zum antiken Leben im allgemeinen und zum griechischen im besonderen? Warum sollte man es also einem Griechen (oder Makedonen - auch Alexander der Große war wie gesagt schwul) zum Vorwurf machen? Nun, die antiken Griechen machten einen Unterschied zwischen aktivem und passivem Verkehr: Nur der aktive war immer ehrenwert; beim passiven kam es drauf an: einem erwachsenen Manne gereichte er zur Schande, und es mit einem solch schändlichen Individuum zu treiben, galt auch nicht gerade als Empfehlung. Als uneingeschränkt "salonfähig" für beide Teile galt eigentlich nur die Päderastie, d.h. der Geschlechtsverkehr zwischen Männern und Knaben; denn für letztere war der passive Part nicht ehrenrührig - sie konnten ja von einem erfahrenen Manne nur lernen. Wenn aber nun Ptolemäus auch als Erwachsener noch passiven Oralverkehr praktizierte, dann galt das halt als schändlich. Ist das eigentlich alles so wichtig, oder fängt Dikigoros jetzt auch schon an, Klatsch und Tratsch auszubreiten? Nein, liebe Leser, es ist wichtig, nämlich um zweierlei zu zeigen: Erstens, daß das "Königreich Cypern" und die Cyrenaika damals zu Ägypten gehörte, und zweitens, daß auch Dinge, die nicht "ererbt", sondern nur "überliefert" sind, für die Abstammung eines Menschen und für seine "Gene" verantwortlich sein können. (Diesen Punkt haben die "Psychobiologen" bisher übersehen.) Kleopatra VII. von Ägypten war, wiewohl eine "reinrassige" Makedonierin, infolge der durch ägyptische Vorbilder zustande gekommene Inzucht degeneriert (stellt sie Euch bitte nicht vor wie Elizabeth Taylor, sondern eher wie die Witzfigur in "Asterix und Kleopatra") und unfähig, sich selber und ihr Land in seiner wohl schwierigsten Fase (bis zur Eroberung durch die Muslime) vor der "Umarmung" und schließlich Erdrosselung durch die Römer zu bewahren. Erdrosselung? Ja, liebe Leser, die Geschichte mit dem Selbstmord durch einen Schlangenbiß ist ein Märchen (an das freilich schon die Römer glaubten), resultierend aus Kleopátras Schmuck, der eine heilige Schlange darstellte; die Leute meinten halt, das müsse auch ein Symbol für ihren Tod sein; und natürlich paßte einem Augustus die Selbstmord-Theorie viel besser in seine geschönte Autobiografie ("res gestae") als wenn er zugegeben hätte, daß er sie erbarmungslos erdrosseln ließ. Exkurs Ende.

[Liz Taylor als Kleopátra]


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