TOTER HERING IM MONDENSCHEIN . . .
UND COCA COLA ZUR KNACKWURST

von Omaha/Nebraska und Atlanta/Georgia nach Berlin
"Atlanta? Das ist Sibirien mit Pfefferminz-Geschmack!"
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BILLY WILDER: ONE, TWO, THREE (1961)

[James Cagney und Lilo Pulver in 'Eins, Zwei, Drei'] [Lilo Pulver in 'Eins, Zwei, Drei'] [Horst Buchholz in 'Eins, Zwei, Drei']

EIN KAPITEL AUS DIKIGOROS' WEBSEITE
"AVEZ-VOUS BOURBON?"
Große Reisefilme des 20. Jahrhunderts

Das verwöhnte Töchterchen eines amerikanischen Kapitalisten reist nach Berlin, verliebt sich dort in einen strammen Kommunisten aus der DDR und heiratet ihn. Ihr Gastgeber - leitender Angestellter des besagten Kapitalisten - ist zwar erst dagegen, hilft ihr dann aber (mit Blick auf die eigene Karriere), indem er den Jung-Kommunisten binnen weniger Stunden ("eins, zwei, drei") zu einem perfekten, kapitalistischen Schwiegersohn "umarbeitet". - Und aus so einer plumpen Story läßt sich eine der besten Film-Komödien aller Zeiten machen? [A propos umarbeiten: Alle guten Komödien Wilders beruhen auf Vorlagen, die er "nur" umgearbeitet hat. So ist z.B. "Some like it hot/Manche mögen's heiß" ein Remake des acht Jahre älteren "Fanfaren der Liebe" von Heinz Pauck; und "Eins, Zwei, Drei" geht auf ein gleichnamiges Theaterstück des ungarischen Juden Franz Neumann alias "Ferenc Molnár" aus dem Jahre 1929 zurück.] Schwer zu glauben, aber wahr. Oder, genauer gesagt: Daraus ließ sich eine der besten Film-Komödien aller Zeiten machen - heute ginge das wohl nicht mehr... aber dazu später mehr. Erstmal wollen wir den Plot etwas weiter auffächern.

Eigentlich sollte die Reise ganz woanders hin gehen, nämlich nach Venedig. Dorthin will C. R. MacNamara, Verkaufsleiter für Coca Cola in Berlin, seine Frau und seine Kinder auf Urlaub abschieben, um sich ungestört mit seiner knackigen deutschen Chef-Sekretärin Ingeborg verlustieren zu können. Das ist die heimliche Hauptrolle, gespielt von der Schweizerin Liselotte Pulver - deren charakteristischer Akzent nichts weniger als deutsch ist -, die sich damals auf dem Höhepunkt ihrer erotischen Ausstrahlung besfand.

Exkurs. Ihr glaubt das nicht, liebe jüngere Leser[innen], weil "Lilo", als "One, Two, Three" gedreht wurde, schon 31 Jahre alt war? Pardon, aber das hat nichts mit dem Alter zu tun. Auch Johanna Schwarzkopf alias Jean Moorhead alias Barbara Eden - die nach dem Tode Marilyn Monroes für eine ganze Generation amerikanischer Fernseh-Zuschauer zum Sexsymbol schlechthin wurde, ohne sich vor der Kamera jemals ganz auszuziehen oder mehr als einen flüchtigen Kuß zu riskieren - war auch schon 31, als sie 1965 erstmals die Titelrolle in "I Dream of Jeannie [Bezaubernde Jeannie]" spielte; und sie war schon über 50, als sie 1985 zur "Frau mit dem größten Sex appeal" gekürt wurde. Exkurs Ende.

[Barbara Eden als 'bezaubernde Jeannie']

Die beiden sprechen zwar nur von Schnitzel und Umlauten, würden sich aber wohl auch mehr teilen, wenn nicht immer wieder etwas dazwischen käme. "Mac" (so nennt ihn seine Frau, wenn sie ihn nicht im Scherz mit "mein Führer" anredet :-) hat es sich verdient, denn erstens hat er mit einer aufwendigen Werbe-Kampagne zur Re-education, pardon Re-Orientierung des deutschen Mannes Mittagsmahls erreicht, daß nun mehr Deutsche zur Knackwurst Coca Cola trinken als Bier oder Rheinwein. [Das ist eine freie Erfindung Wilders. Anfang der 1960er Jahre trank niemand in Deutschland Coca Cola zum Mittagessen, geschweige denn Alkoholisches; für gewöhnlich wurde vor dem Essen eine Suppe gelöffelt, und danach - wenn man es sich leisten konnte und wollte - eine Tasse Kaffee geschlürft; aber dazwischen wurde gar nichts getrunken, Anm. Dikigoros, der sich noch ziemlich genau an diese Zeit erinnert. In seiner Wahlheimatstadt Bonn gab es noch Ende der 1970er Jahre viel Buhai, als in das Geburtshaus des Schrifstellers Willi Vershofen, wo bis dahin eine Kneipe untergebracht war, die - so kündete es eine große Leuchtreklame oben an der Hauswand, die man als erstes sah, wenn man aus dem nahe gelegenen Hauptbahnhof trat - Küppers Kölsch im Ausschank hatte, McDonald's einzog, das statt dessen Coca Cola im Ausschank hatte. Aber der Trend sollte anhalten: Wenig später schloß die letzte Bonner Brauerei, Kurfürsten-Kölsch, für immer ihre Pforten.] Nur der blöde Senat von Berlin will die Aufstellung eines Cola-Automaten im Abgeordnetenhaus nicht erlauben. "Manchmal fragt man sich, wer den Krieg gewonnen hat", kommentiert McNamara das. Und zweitens steht er gerade kurz davor, den ganz großen Deal zu machen, mit dem die Firma mehr verdienen könnte als einst mit dem Six-pack: In zäher Verhandlung mit einer dreiköpfigen russischen Delegation hat er durchgesetzt, daß Coca Cola nicht etwa das Rezept liefert (wie es die Sowjets ursprünglich wollten), sondern den fertigen Sirup, gegen Prozente vom Umsatz.

Unterbrechen wir die Inhaltsangabe mit einigen Anmerkungen zu dieser Verhandlung. MacNamara beginnt ganz harmlos mit der Aufzählung der geplanten Fabrikationsorte in der SU: "Moskau, Leningrad, Stalingrad, Kiew, Charkow, Minsk." Was sonst? Das sind nun mal die europäischen Städte der SU, die auch jeder Ausländer (selbst jeder US-Amerikaner :-) kennt - oder? "Völlig falsch," sagt einer der Russen, "wir haben nie von Minsk gesprochen, sondern von Pinsk!" (Er spricht sie übrigens beide falsch aus: "Minnsk" bzw. "Pinnsk"; richtig wäre jeweils ein langes, offenes "i"!) Was soll das? Uns anhand eines mehr oder weniger zufälligen Beispiels zeigen, wie kleinkariert die Sowjets sind, daß sie ob eines einzigen Buchstabens ein solches Aufheben machen? Pardon, liebe Leser, aber bei Wilder gibt es keine Zufälle, und solche schon gar nicht. Ihr meint, die einzigen weißrussischen Städte von Bedeutung seien doch Minsk und die alte Hauptstadst Witebsk? Und habt womöglich von Pinsk noch nie gehört? Das soll auch so sein, jedenfalls wenn Ihr Deutsche seid. Denn Pinsk war nie eine weißrussische, sondern immer eine fast rein jüdische Stadt - bis zu jenem April 1919, als die polnischen Mörderbanden, die ihren Raubstaat ja nicht nur aus deutschen, litauischen und ukraïnischen Gebieten - u.a. Wilders Heimat Galizien - zusammen rafften (und dabei fürchterlich hausten, nicht bloß in Schlesien und Vilnius, was 1961 noch nicht vergessen war), in Pinsk einmarschierten. Ihr habt schon mal von Jedwabne gehört? Vergeßt es! Nein, vergeßt es nicht ganz, aber macht Euch klar, daß es schon viel früher viel schlimmere Massaker der Polen an den Juden gab, die das Pech hatten, in ihre Hände zu fallen. Aber als Deutsche dürft Ihr das heute nicht mehr wissen, Ihr sollt vielmehr das Märchen glauben, daß es Anti-Semitismus nur in Deutschland gab, und daß alle Juden-Morde des 20. Jahrhunderts auf die Kappe der bösen Nazi-Deutschen gehen. Wilder wußte es besser - und er konnte sich diesen Seitenhieb nicht verkneifen.

Zurück zur Verhandlung, die einige "typisch amerikanische" und "typisch sowjet-russische" Charakterzüge der [ver]handelnden Personen grell beleuchtet. MacNamara läßt sich durch keinerlei ideologische Überlegungen beeinflussen: Als die Russen ihm eine kubanische Zigarre anbieten und erzählen, daß sie Castro dafür Raketen geliefert haben (wenige Monate nach der Premiere des Films wird darob die Kuba-Krise ausbrechen und an den Rand eines Dritten Weltkriegs führen), quittiert er das ungerührt mit dem Satz: "Gute Idee." Die Russen ihrerseits versuchen den Amerikaner von Anfang an über den Tisch zu ziehen: Nicht nur, daß sie das Coca-Cola-Rezept haben wollen, sondern sie wollen auch die Umsatzvergütung nicht in Geld bezahlen, sondern mit Auftritten des Bolschoj-Balletts abrubeln. "Nichts da," sagt MacNamara, "die Formel bleibt bei uns im Safe, sonst verraten Sie die noch an die Rotchinesen. Wir liefern Ihnen den fertigen Syrop. Und was die Bezahlung anbelangt: no culture, just cash [keine Kultur, nur Kasse]!" (Könntet Ihr Euch das heute vorstellen, liebe Leser? Da hat sich alles genau umgekehrt: Coca Cola läßt den Syrop - dessen Rezept von dem des Jahres 1961 ebenso weit entfernt ist wie das des Jahres 1961 von dem der ursprünglichen Erfingung - von den Rotchinesen herstellen und sogar von denen direkt an die Russen liefern :-) "Mein lieber amerikanischer Freund," erwidert der Kommissar, "wenn wir wollen leben in friedlicher Koexistenz, dann wir müssen auch wissen zu geben und zu nehmen." - "Na klar," knurrt, MacNamara, "wir geben, und Ihr nehmt..." Letztlich lassen die Russen ("diese sibirischen Wölfe", wie MacNamara sie privat nennt) die Verhandlungen nur deshalb nicht platzen, weil auch sie einen Narren an Ingeborg gefressen haben; besonders der vollfette Vorsitzende der Handels-Kommission, Kommissar Peripetschikow, hat es auf sie abgesehen. "Lassen wir Details," meint er [kein Schreibfehler, liebe Leser, im Russischen gibt es keine Artikel - das ist kein Zeichen von Primitivität, sondern von einem funktionierenden Deklinations-System, ähnlich wie im Lateinischen; nur die Germanen müssen in ihrem Perfektionismus alles doppelt moppeln], "wir einverstanden in Prinzip. Setzen Sie auf Vertragsentwurf und schicken zu uns nach Ostberlin, mit blonde Fräulein, dreifach." - "Wünschen Sie den Vertrag dreifach oder das blonde Fräulein?" fragt MacNamara. "Tun Sie, was Sie können," erwidert Peripetschikow, und MacNamara glaubt, daß er den Vertrag damit schon in der Tasche habe.

Aber noch fehlt das o.k. vom obersten Coca-Cola-Boss aus Atlanta/Georgia, Mr. Hazletine, den McNamara gleich per Fernschreiben benachrichtigt. Doch als der zurück ruft, will er von Geschäften mit den Russen gar nichts wissen - "und mit den Polen auch nicht", ergänzt er ausdrücklich (für alle, die immer noch glauben, daß die Erwähnung von Pinsk bloß ein "Zufall" war). Statt dessen drückt er Coca Colas Berliner Statthalter seine 17-jährige Tochter Scarlett aufs Auge, die er auf Europa-Reise geschickt hat zu seinen diversen Filial-Leitern, um sie auf andere Gedanken zu bringen als ihre amoureusen Abenteuer zu Hause. [MacNamara ist zwar nicht gerade erfreut - und sein Umfeld ist es noch viel weniger -, beißt jedoch tapfer die Zähne zusammen, denn er will als "Our man in Berlin/Unser Mann in Berlin" dastehen, eine Wendung, die Wilder wohl dem Titel des etwas doofen, aber sehr erfolgreichen Films "Our man in Havana" von 1959 nachempfunden hat.] Aber Scarlett denkt gar nicht daran, Museen zu belatschen oder das Theater zu besuchen, wie es ihr diese alten "Sesselpupser" (in der deutschen Fassung, die diese "Nazi-Vokabel" natürlich meiden muß, sagt Scarlett statt "poops" nur "alte Knacker") vorschreiben wollen, sondern macht dort weiter, wo sie in den USA aufgehört hat: Eines Tages ist sie verschwunden, und als sie wieder auftaucht (nachdem MacNamara schon Gott und die Welt verrückt gemacht hat mit seinen Such- und Fahndungs-Aufträgen) kommt heraus, daß sie seit Wochen jede Nacht in Ost-Berlin verbringt (der Film spielt noch vor dem Mauerbau von 1961 und wurde, als er kurz danach auf den Markt kam, ein Flop, weil damals niemandem in Deutschland zum Lachen zumute war bei diesem Thema), wo sie einen barfüßigen Motorradfahrer und überzeugten Kommunisten namens Otto Piffl kennen gelernt und ihn zu allem Überfluß auch noch geheiratet hat. Und das ausgerechnet nun, da das Ehepaar Hazletine seinen Besuch angekündet hat und MacNamara ganz happy ist, weil man ihm fernmündlich schon seine Beförderung zum Verkaufsleiter Europa mit Sitz in London zugesagt hat - sehr zum Leidwesen seiner Frau: "Mir langt's, ich will nach Hause. Warum kannst du dir nicht einen schönen Posten in der Hauptverwaltung in Atlanta suchen?" MacNamara zitiert die vierte Zeile der Überschrift - jedenfalls in der amerikanischen und deutschen Version. (Wie Dikigoros von einem Kollegen erfahren hat, heißt es in der spanischen Fassung noch viel boshafter: "Atlanta, das ist Sibirien plus Rassismus!" [Die Gleichberechtigung der Schwarzen in den USA sollte erst Mitte der 1960er Jahre beginnen, mit Präsident Johnson's Politik der "Greater Society"; bis dahin herrschte strenge "segregation" - die amerikanische Variante der "apartheid".]) Dann fragt er seine Frau: "Kannst du mir einen guten Grund nennen, warum ich das tun sollte?" - "Aber gerne: Cindy's Zähne müssen reguliert werden. [Amerikaner scheinen zu glauben, daß das außerhalb der USA nirgends problemlos möglich ist.] Tommy ist zehn Jahre alt und kennt noch nicht mal ein Erdnußbutter-Sandwich. [Labberiger Toast mit Peanuts-Schmiere, das Nationalgericht der Südstaatler, jedenfalls zum Frühstück - zu den anderen Mahlzeiten gibt es noch schlimmeren Fraß. Wenn Ihr Dikigoros fragt, der lange genug dort gelebt hat, dann ist das der Hauptgrund, weshalb die Südstaaten den Bürgerkrieg verloren haben, denn der Mensch ist, was er ißt.] Und ich habe es satt, Perry Como immer nur auf Deutsch, Portugiesisch oder Ki-Suaheli zu hören!" [Ein saublödes Argument, denn P.S. hat in jenen Sprachen nie gesungen. Für die englischsprachige Fassung findet sie ein besseres: Sie will "Gunsmoke" nicht immer nur auf Deutsch, Portugiesisch oder Ki-Suaheli hören. Was, das kennt Ihr nicht, liebe Landsleute? Das war die erfolgreichste US-Western-Serie! Sie lief 1955-1975 allwöchentlich, zunächst im Rundfunk, dann auch im Fernsehen, und in viele Sprachen synchronisiert wurde. In Deutschland war sie allerdings 1961 noch völlig unbekannt - und daher für die deutsche Filmfassung unbrauchbar -; erst 1967 strahlte die ARD ein paar Folgen als "Rauchende Colts" aus. Das Publikum - damals noch etwas anspruchsvoller als heute - war wenig begeistert, denn anders als die frühen Folgen von "Bonanza", die allesamt eine Art Moral enthielten, brachte "Gunsmoke" einfach nur primitive "Western"-Klischees in die Wohnzimmer. 1977 unternahm das ZDF einen 2. Anlauf, 1989 SAT1 einen 3. und 1997 Kabel1 einen 4. - Fazit: Die gute Frau hatte nicht allzuviel versäumt!] Aber MacNamara wischt das vom Tisch: "Hier haben wir alles: Großes Haus, Dienstwagen mit Chauffeur, dickes Spesenkonto. In England wird Cindy die Horse-guards sehen, ein hochnäsiger Butler wird uns von morgens bis abends Tee servieren... Und du willst das alles aufgeben für ein Erdnußbutter-Sandwich? Nach Hause gehen und Steuern zahlen?"

Doch nun scheint das alles in weite Ferne zu rücken: "Was werden deine Eltern bloß sagen, wenn sie morgen hier ankommen und ich ihnen diesen Schwiegersohn präsentiere?" fragt er Scarlett, als die ihm Otto vorstellt, der sich aufführt wie der letzte Prolet[arier] und gleich den Spruch vom Stapel läßt, dem Dikigoros die Überschrift entnommen hat: "Kapitalismus ist wie ein toter Hering im Mondenschein: Er glänzt, aber er stinkt." - "Fünfzehn Jahre bei der Firma für nichts und wieder nichts," jammert MacNamara, "ich komme auf die schwarze Liste, meine Frau muß Streichhölzer verkaufen (in der amerikanischen Fassung sind es immerhin Bleistifte :-), und meine Kinder werden verhungern..." - "Das ist dein Problem," sagt Scarlett ungerührt, "ich werde nicht da sein. Ich reise heute abend mit meinem Mann nach Moskau; er hat ein Stipendium bekommen für das Technologische Institut; er wird Ingenieur für Weltraum-Raketen." - "Russische Raketen zur Venus," ergänzt Otto, "amerikanische - pfff... Miami Beach." - "Erzähl ihm doch mal von Coca Colas Weltmacht-Plänen," meint Scarlett. [In der amerikanischen Version sind es nur "Kolonialismus"-Pläne, denn das angebliche Streben nach Weltherrschaft ist natürlich nur den jeweiligen Feinden der USA vorbehalten. Dabei ist "Weltherrschaft" durchaus passend, denn MacNamara hat in seinem Zimmer eine Weltkarte hängen, in der die Absatzmärkte markiert sind wie die Truppenteile auf einer Generalstabskarte, und die Rede, die er seinem Sekretär Schlemmer gehalten hat, nachdem er den Vertrag mit den Sowjet-Russen unter Dach und Fach zu haben glaubte, ist nichts weniger als eine Eroberungsrede. Ob Wilder das im Ernst oder im Scherz gemeint hat, weiß Dikigoros nicht; er weiß nur, daß es 37 Jahre später der kanadischen Regisseurin Irene Angelico in ihrem Film "The Coca Cola Story" bitterernst war mit der These, daß die Coca Cola Inc. spätestens seit den Olympischen Spielen von 1996 - die sie durch massive Bestechung der IOC-Mitglieder nach Atlanta geholt hatte, und die sie durch ebenso massive Bestechung der Reporter schön reden und schreiben ließ, obwohl sie nicht nur organisatorisch, sondern auch sportlich und menschlich eine katastrofale Blamage waren - tatsächlich eine Weltmacht geworden sei, einflußreicher als die meisten Teilnehmerstaaten. Mag sein, aber Dikigoros ist noch nie von irgend jemandem genötigt worden, das Zeug zu trinken, und so wird er es auch weiterhin nur in Ausnahmefällen tun.]

[Das neue Jahr begrüßen wir mit Coca Cola]

MacNamara gibt sich empört: Woher will dieser Parteikartenträger (Piffl ist Mitglied der SED und hat als braver Genosse den Beitrag schon bis Jahresende im voraus bezahlt) das denn wissen? "Das sagte schon der Vorsitzende Chruschtschëw auf dem letzten Parteitag." - "Zum Teufel mit Chruschtschëw," giftet MacNamara. "Zum Teufel mit Frank Sinatra," giftet Piffl zurück.

Exkurs. Ja, liebe Leser, für einen unbedarften Ossi verkörperte damals (neben Coca Cola, versteht sich :-) jener halbseidene Schlagersänger, Sohn armer italienischer Einwanderer, den "American Way of Life" viel mehr als irgendein alt-eingesessener kapitalistischer Yankee oder gar das - ebenfalls katholische - Präsidentenpaar, obwohl der Sohn krimineller irischer Alkohol-Schmuggler und die Tochter der korrupten und dekadenten französischen Familie Bouvier einem Feind "der" Amerikaner viel mehr Angriffspunkte geboten hätten. Umgekehrt verkörperten für den US-Amerikaner (auch für den Wahl-US-Amerikaner, der Billy Wilder ja nun mal, trotz aller inneren Vorbehalte, geworden war) zwei Dinge den typischen Sowjet-Menschen: die Weltraumfahrt und Schach. Was ist Piffl von Beruf (oder will es jedenfalls mal werden)? Ingenieur für Raketentechnik. Und was packt er für seine geplante Reise in die SU ein (außer ein paar Büchern und seinem zweiten Hemd)? Natürlich sein Schachspiel! Stimmt[e] das eigentlich? Pardon, liebe Leser, aber so darf man nicht fragen, denn darauf kommt es nicht an! Dikigoros wird ja nie müde zu betonen, daß die Kunst der Quellenauswertung nicht darin besteht heraus zu finden, ob ihr Inhalt "wahr" ist oder "unwahr", sondern darauf, was er bewirkt hat - Wirklichkeit ist wichtiger als Wahrheit! Und viele Filme - so auch dieser - sind eine wichtige Quelle für die Beurteilung zeitgenössischer Ereignisse, die der Mainstream-Historiker leicht übersieht. Die US-Amerikaner jener Zeit glaubten nun mal, daß den Russen (und ihren Vasallen) diese beiden Dinge die wichtigsten seien, und es fuchste sie gewaltig, daß die Sowjets in beiden Disziplinen weltweit führend zu sein schienen - woraus man ja Schlüsse auf den Wert oder Unwert ihres politischen Systems hätte ziehen können. Der "Sputik-Schock" saß tief, und der Stachel, daß die Sowjets seit so langer Zeit schon den Schachweltmeister stellten, fast noch tiefer; so schworen die Amis sich denn, wenigstens eines von beidem zu ändern - oder hattet Ihr gedacht, das ebenso kostspielige wie (ansonsten) nutzlose Apollo-Projekt sei nur aus Jux auf die Beine gestellt worden? Und der ganze Affentanz um die getürkten Mondlandungen, die ebenso im Filmstudio entstanden wie der Film "One, two, three"? Wie, Ihr glaubt immer noch, daß die tatsächlich auf dem Mond statt gefunden hätten? Dann seht Ihr die Zusammenhänge nicht: Wann wurde Robert Fischer Schachweltmeister (nachdem ihn Henry Kissinger persönlich bekniet hatte, doch zum Titelkampf anzutreten - 'Bobby' wollte nämlich eigentlich gar nicht)? Im September 1972. Wann wurde das Apollo-Programm eingemottet? Ratet mal! Falsch, nicht erst im Dezember 1972! Die Filmaufnahmen mit Apollo 17 hatte man schon im Kasten, und auch die sorgsam präparierten bunten Glasperlen, die man den dummen Negern in AfrikaWeißen in Europa als völlig überraschend gefundenes "orange soil" zu verkaufen gedachte, waren schon fertig. Außerdem stand der Tag der Ausstrahlung schon fest - der "day of infamy", über den Dikigoros an anderer Stelle schreibt -, das konnte man nicht so einfach abblasen. Aber der Beschluß, das Programm einzustellen, wurde noch im September 1972 gefaßt; und wenn sich der renitente Bobby Fischer nicht geweigert hätte, seinen Titel zu verteidigen, sondern noch ein paar Jahr[zehnt]e Weltmeister geblieben wäre, hätte man wahrscheinlich früher oder später augenzwinkernd eingeräumt, daß es sich bei den "Mondflügen" tatsächlich um Mondlügen handelte. So aber ging der Schachtitel den USA bald wieder verloren, und man mußte mit Händen und Füßen an der Fiktion fest halten, daß man wenigstens zuerst auf dem Mond war. (Übrigens gilt das zuvor gesagte nicht nur für schriftliche Quellen, sondern auch für Bilder: Es ist völlig unerheblich, ob ein Bild "echt" ist oder "unecht"; es zählt nur, was es beim Betrachter bewirkt. Viele unbedarfte Zeitgenossen hielten die Fotos von der "Mondlandung" nun mal für echt und für den Beweis, daß letztere statt gefunden hatte, obwohl jeder, der nur ein bißchen von der Materie versteht, weiß, daß es bis heute keine Kameras und Filme gibt, mit denen man jene Aufnahmen auf dem Mond hätte machen können. Was solls, selbst unter jenen Wissenden gab es viele, die glaubten, daß die Mondlandung sehr wohl statt gefunden habe und daß nur die Bilder getürkt worden seien, um auch die Laien zu überzeugen :-) Seht Ihr, solche Kleinigkeiten - bei denen sich die Macher gar nichts weiter gedacht haben - machen nachträglich oft den Quellenwert solcher auf den ersten Blick harmlosen Filmkomödien aus, deshalb sollte man sie nie unterschätzen! Exkurs Ende.

Nun versucht MacNamara - typischer Yankee?! -, Piffl mit Geld zu bestechen: "Wir wollen doch in friedlicher Koexistenz leben, da muß man aber auch wissen zu geben und zu nehmen. Wie wär's mit 1.000 Mark?" - "Wofür?" - "Setzen Sie sich auf Ihr Motorrad, fahren Sie zurück dorthin, wo Sie her gekommen sind, und vergessen Sie die ganze Sache. Nein? 2.000 Mark?" - "Warum nicht 5.000 Mark?" - "Schön, 5.000 Mark." - "Warum nicht 50.000?" - "Otto, was sagst du da?" fragt Scarlett entsetzt. "Keine Angst, ich wollte nur mal sehen, wie weit diese Kapitalisten gehen, um eine glückliche sozialistische Ehe auseinander zu bringen." Doch MacNamara gibt nicht so leicht auf. Er schenkt den Piffls eine Kuckucksuhr zur Hochzeit (deren Innenleben statt eines Kuckucks einen Onkel Sam mit amerikanischer Flagge birgt, vor der Schlemmer zu jeder vollen Stunde stramm steht und die Hacken zusammen knallt), packt sie in Zeitungspapier ein (natürlich vom Wall Street Journal - was soll ein amerikanischer Manager sonst lesen?), läßt Schlemmer einen Luftballon mit den Worten "Russki go home" bepinseln und über den Auspuff von Piffls Motorrad stülpen, dessen Abgase ihn langsam aber sicher aufblasen. Es kommt, wie von MacNamara geplant: Als Piffl in Ost-Berlin ankommt, hat der Luftballon mit der ominösen Aufschrift enorme Ausmaße angenommen. Als die DDR-("Volks"-)Polizei ihn anhält und zu allem Überfluß auch noch feststellt, daß er "amerikanische Propaganda", nämlich die Kuckucksuhr mit Uncle Sam und das Wall Street Journal in den Ostsektor schmuggelt, wird er verhaftet und so lange mit Schlafentzug gefoltert (indem man ihm wieder und wieder die Platte mit dem scheußlichen Schlager "Itsy bitsy teenie weenie yellow polka dot bikini" vornudelt), bis er gesteht, ein amerikanischer Spion zu sein.

Unterdessen hat Scarlett schon ihre Koffer für die Reise in die SU gepackt und verabschiedet sich von Mrs. MacNamara (und von der Putzfrau, der sie ihren zweiten Nerzmantel geschenkt hat, weil Otto gesagt hat, daß keine Frau mehr als einen davon haben sollte :-) mit der Bitte, ihr Vogue und noch diverse andere Magazine nach Moskau nachzuschicken. Sie schwärmt ihm von Otto vor, der John F. Kennedy ähnele, allerdings mehr auf dem Kopf (Haare) und auch mehr im Kopf habe als letzterer - ideologisch sei er viel fundierter. "Womöglich haben wir den falschen Mann gewählt," meint Mrs. MacNamara, und die Zuschauer mögen das für Ironie halten; aber Wilder kannte sicher die Umfrage-Ergebnisse, wonach die meisten Amerikanerinnen Kennedy nur deshalb gewählt hatten, weil er bei den Fernseh-Debatten besser rasiert war als sein Gegenkandidat Nixon, also weniger Haare auf dem Kopf hatte. "In Rußland könnte sowas nicht passieren," meint Scarlett eifrig. "Wieso, machen die Russen keine Fehler?" fragt Mrs. MacNamara. "Da wird gar nicht gewählt!" sagt Scarlett. Ha ha... so harmlos waren damals noch die Witze, liebe Leser. Wenn Ihr dagegen den 45 Jahre später gedrehten, auch in den USA preisgekrönten Film "Das Leben der Anderen" gesehen habt, dann erinnert Ihr Euch vielleicht an den Witz, den einer der Stasi-Offiziere erzählt. Frage: Was haben eine politische Wahl und ein Telefongespräch gemeinsam? Antwort: Wenn man sich verwählt hat, gibt es in beiden Fällen die gleiche Lösung: Aufhängen und neu wählen." Das soll auf Honecker gemünzt sein, aber das Lachen müßte einigen westdeutschen Politikern im Halse stecken bleiben; denn das wäre auch die ideale Lösung für sie (bloß daß sie bisher noch niemand praktiziert hat; aber das kommt hoffentlichvielleicht bald; im Falle Kennedy fand die C.I.A. ja seinerzeit eine ähnliche Lösung :-). Da platzt MacNamara zur Tür herein, allerbester Laune, denn er hat über seine geheimen Quellen bereits erfährt, was in Ost-Berlin gelaufen ist ("bad news travels fast"). Um ganz sicher zu gehen, beauftragt er auch noch telefonisch seinen Anwalt, die Heiratsurkunde aus dem Ostberliner Standesamt zu entwenden. ("Nein, die Ehe soll nicht bloß annulliert werden, sondern vollständig aus den Büchern verschwinden. Was weiß ich, wie Sie das machen. Wenn ihr es geschafft habt, den Reichstag anzuzünden, werdet ihr das ja wohl auch fertig bringen; und zwar noch heute nacht!") Die einzige, die sich für diese Entwicklung der Dinge gar nicht begeistern kann, ist Scarlett, die vor Schreck in Ohnmacht fällt - aber die wird der sogleich herbei gerufene Dokter sicher schnell wieder auf die Beine bringen. Ganz recht: "Die junge Dame ist vollkommen gesund," verkündet er, "es wird Sie freuen zu hören, daß..."

* * * * *

Halt, liebe Leser, machen wir an dieser Stelle einen Schnitt, denn hier müßte der Film nach heutigem Verständnis enden. Warum? Es gäbe kein Motiv mehr für die weiteren Verwicklungen, die nun folgen. Blicken wir also kurz zurück auf das, was wir inzwischen über Deutsche, Russen und Amerikaner gelernt haben: Alle drei teilen sich offenbar in jeweils zwei Völker: Die Amerikaner in Nordstaatler ("Yankees") - die selbst mit dem Teufel paktieren würden, wenn sich an dem Geschäft etwas verdienen ließe - und Südstaatler - die Nordstaatler und Kommunisten nicht ausstehen können -; die Deutschen in Wessis - die allesamt verkappte alte Nazis sind und dauernd mit den Hacken knallen - und Ossis - die entweder unartig und böswillig oder bösartig und unwillig sind (auch hier merkt man, daß das Drehbuch jemand mit deutscher Muttersprache geschrieben hat; obwohl auch die amerikanische Fassung sprachlich ausgezeichnet ist, kann man eben nicht jedes Wortspiel genau übersetzen); die Russen in Sowjets - unverbesserliche kommunistische Hardliner - und Überläufer - die, statt in den USA das Coca-Cola-Rezept zu stehlen, wie es ihnen der KGB aufgetragen hatte, sich selbständig machen und Heringsrogen auf Kaviar frisieren (jedenfalls in der deutschen Fassung; in der amerikanischen verkaufen sie bloß falsche Instant-Borschtsch). Ferner: Deutsche Fräuleins sind leicht zu haben, amerikanische Girls noch leichter, und amerikanische Ehefrauen sind von Beruf eifersüchtig - so auch Mrs. MacNamara, die immer ganz genau merkt, wenn ihr Mann wieder eine neue Geliebte hat, "weil du dann die Schuhe mit den hohen Absätzen trägst." (À propos Beruf: Mrs. MacNamara wird gespielt von der armenischen Bergjüdin Arlene Francis - US-amerikanischen Fernseh-Zuschauern vor allem bekannt durch ihre langjährige Mitarbeit im Rate-team von "What's my line?", dem Vorbild für "Was bin ich?", dem "heiteren Beruferaten". Sie hatte sich in einer Sendung vom Vorjahr ganz gewaltig bei Cagney eingeschleimt, um die Rolle als Frau an seiner Seite zu bekommen)

Zurück zur Diagnose des Doktors: Er hat festgestellt, daß Scarlett schwanger ist. Und dann kommt auch noch der Anwalt herein und berichtet stolz, daß er die Heiratsurkunde auftragsgemäß aus dem Standesamt in Ostberlin entwendet hat: "Die junge Dame ist jetzt wieder unverheiratet." Na und? MacNamara ist ein knallharter Kapitalist, der im wahrsten Sinne des Wortes über Leichen geht; und Scarlett will doch eh mit Piffl nach Moskau fahren, wo Abtreibung damals schon ganz legal ist. Also, weg mit Schaden, wenn diese dumme, verwönte Göre erst merkt, was dort los ist, wird sie schnell genug zurück kommen und schön den Mund darüber halten, weil ihr Vater sie sonst enterben würde. Aber oh Wunder, MacNamara denkt keinen Augenblick an diese Art von "Endlösung". Statt dessen wankt zum ersten (und einzigen) Mal im ganzen Film sein sonst so unerschütterlicher Optimismus: "Oh Schreck, das ist diese verfluchte deutsche Tüchtigkeit; jetzt habe ich ein uneheliches Kind am Hals." Ja, liebe Leser(innen), das war damals noch eine Schande, auch für das Kind (obwohl sich ja eigentlich nur die Eltern hätten schämen müssen); aber das ist nicht der Punkt. Vielmehr lebt der Rest des Films von der Tatsache, daß niemand an Abtreibung denkt (auch Scarlett und der Ossi Otto nicht, die sich vielmehr beide sehr auf ihr Baby freuen); und das sollte uns zu denken geben, ob wir durch die seit damals von Grund auf gewandelte Moral nicht noch mehr verloren haben als "nur" den zur Stützung der Bevölkerungs-Pyramide dringend benötigten Nachwuchs (den Verlust glauben ja einige Narren Politiker, durch Dritte-Welt-Importe ausgleichen zu können), nämlich ein gutes Stück Kultur, z.B. durch so großartige Film-Komödien wie "Eins, zwei, drei!"

Und auch einige der schönsten Film-Tragödien wären nie geschrieben worden. Erinnern sich einige von Euch noch an das einstige Kult-Musical "Les parapluies de Cherbourg [Die Regenschirme von Cherbourg]" mit der traurig-schönen Musik von Michel Legrand? Es handelt von einem Liebespaar, das durch den Militärdienst getrennt wird. "Na und?" werden diejenigen fragen, die den Film nicht gesehen haben und die damaligen Verhältnisse nicht kannten, "wenn die beiden nicht so lange warten können, bis der absolviert ist, kann die Liebe so groß wohl nicht sein. Und überhaupt - wieso mußte ein junger Familienvater eigentlich zum Militär?" Aber so kann nur jemand fragen, der in der BRD aufgewachsen ist, wo der Staat für die Frau und das Kind des Wehrpflichtigen einen ordentlichen Unterhalt zahlen muß (der höher ist als das Gehalt eines jungen Zeit- oder Berufssoldaten), weshalb er in der Regel darauf verzichtet, ihn einzuziehen, dto, wenn etwa die Eltern alt, krank und hilfsbedürftig sind. (Ausnahmen bestätigen die Regel. In Dikigoros' Einheit gab es einen einfachen Bauernjungen, den Gefreiten P., der das nicht gewußt und deshalb keinen entsprechenden Antrag auf Freistellung vom Wehrdienst gestellt hatte. Also wurde er eingezogen; und so trat er denn 18 Monate lang allmorgentlich in Uniform zum Appell an, dann stellte er seinen Antrag auf Beurlaubung für jeweils einen Tag, fuhr zum Bauernhof seiner alten, kranken Eltern - sie selber konnten ihn nicht mehr bewirtschaften, und er war der einzige Sohn - und kam abends wieder in die Kaserne zurück. Damit war dem Gesetz genüge getan; er bekam täglich seine Verpflegung in Form eines "E-Packs" - damit fütterte er die Schweine - und obendrein ein Taschengeld namens "Wehrsold" in Höhe von 5,50 DM - davon konnte er bei den damals noch niedrigen Benzinpreisen die Fahrten zum elterlichen Hof finanzieren und behielt sogar noch etwas übrig für Bier und Zigaretten; und den Spott seiner "Kameraden", daß er nach Schweinestall roch, gab es gratis dazu :-) In Frankreich war das ganz anders: Dienst war Dienst, und Schnaps war Schnaps, und die Familie hatte halt Pech gehabt - eine Frau, die jemanden heiratete, der seinen Militärdienst noch nicht absolviert hatte (oder sich gar ein uneheliches Kind von ihm machen ließ, wie im Film Geneviève) war selber schuld; und pflegebedürftige Angehörige, die nicht für anderweitigen Nachwuchs gesorgt hatten, dto. Das galt umso mehr, da die Chancen, als Leiche - oder zumindest als Krüppel - zurück zu kehren, recht gut waren; denn der oberste Verbrecher der Republik, Staatspräsident DeGaulle, führte ja seinen volksverräterischen Krieg gegen die eigenen Landsleute, die fleißigen französischen Siedler in Algerien, die sich verzweifelt dagegen wehrten, den verfluchten algerischen Muslimen auf Gedeih und Verderb (d.h. Ermordung oder Vertreibung) ausgeliefert zu werden, und dabei von den tapferen Fremdenlegionären - die in Treue fest zu ihren Nicht-Volksgenossen standen - unterstützt wurden. Was also tun mit dem unehelichen Kind? Die Lösung von heute wäre ganz einfach: abtreiben, dann abwarten, ob der Verlobte aus dem Krieg zurück kommt, und wenn ja, dann eventuell ein neues Kind machen. Punkt. Hat sich was mit Drama, Tragödie oder Film-Musical. Aber da man mit dem Kindesmord damals eben noch nicht so leicht bei der Hand war, gab es eine andere Lösung, die zwar für die beiden Liebenden in einer subjektiv traurigen Schlußszene endet, als sie sich durch Zufall wieder begegnen, aber objektiv für beide das Beste ist: Sie heiratet einen reichen Geschäftsmann, der ihre verwitwete Mutter bzw. deren Regenschirm-Geschäft vor dem Bankrott rettet und ihr Kind adoptiert; und er heiratet das Mädchen, das während seiner Abwesenheit seine alte, kranke Patentante gepflegt hat, bei der er aufgewachsen ist, und das ihn ohnehin schon lange heimlich geliebt hat; auch die beiden bekommen ein Kind - dem sie den gleichen Namen geben wie dem anderen. Es gibt wohl schlimmere Tragödien als die Ersetzung eines Kindesmordes durch die Gründung zweier glücklicher Familien...

Und auch einige der schönsten Ohrwürmer wären nie geschrieben worden. Erinnern sich einige von Euch noch an "Als die Blumen Trauer trugen", ein Fernsehstück aus der damaligen Kult-Serie "Der Kommissar"? Es hatte den Zusammenhang zwischen Abtreibung (mit Todesfolge) und Mord zum Thema, und der Titel-Song, "Du lebst in deiner Welt" wurde ein Millionen-Hit. 1971 war das, zwei Jahre bevor in den USA durch das Skandalurteil des Oberstes Gerichtshofs in der Sache Roe vs. Wade die Abtreibung "legalisiert" wurde, und fünf Jahre, bevor in der BRD durch die Einführung des Paragrafen 218a in das Strafgesetzbuch das gleiche geschah. "Sozial-liberal" nannte sich die damalige Regierung unter dem allseits beliebten Kanzler Helmut Schmidt - wie sozial und wie liberal, den Mord an ungeborenen Kindern zu erlauben, danke Helmut! Gewiß, heute legt man auf solche subtilen Pointen keinen großen Wert mehr; die "modernen" Filme bieten statt dessen "Handfesteres", vor allem Mord und Totschlag, und das prägt eine Kultur, die damit tagtäglich berieselt wird - sie stumpft ab. Und wenn man schon einen Kult daraus macht, geborene Menschen umzubringen, warum dann nicht auch ungeborene? Wie definiert gleich das deutsche Strafgesetzbuch "Mord"? Tötung menschlichen Lebens auf hinterhältige oder besonders grausame Art und Weise oder aus niederen Beweggründen (wozu besonders Habgier gezählt wird). Auch ein Embryo ist menschliches Leben, "hinterhältig" wird von den Gerichten angenommen, wenn das Opfer "arg- und wehrlos" ist (wann wäre ein Mensch arg- und wehrloser als im Leib der eigenen Mutter?), und was die Grausamkeit anbelangt... Die Art und Weise, mit der Embryos abgestochen (oder "abgesaugt") werden, würde bei jedem Schlachttier sofort - und mit Recht - die Tierschützer auf den Plan rufen. Muß Dikigoros noch etwas über das Motiv von 99,9% aller Abtreibungen aus "sozialer Indikation" schreiben, die Habgier? Kinder kosten Geld, sie kosten vielleicht das Haus oder die Eigentumswohnung, den Zweitwagen, die jährliche Urlaubsreise oder auch nur den regelmäßigen Besuch teurer Discotheken, Theater und Restaurants; wir leben nun mal in einer Zeit, in der die Leute gieriger darauf sind, all das zu haben als auf Kinder - ein Ehepaar, das weniger als zwei Autos oder mehr als zwei Kinder hat, gilt bei uns schon als asozial. Mit "wir" und "uns" meint Dikigoros die Angehörigen der "westlichen Zivilisation" - über Kulturen, in denen das [noch?] nicht so ist, schreibt er an anderer Stelle. Es war auch bei uns nicht immer so. Ältere Leser erinnern sich vielleicht noch an Joseph Frings, den letzten großen Kirchenfürsten, den Deutschland hervor gebracht hat - damit meint Dikigoros moralische Größe, nicht seinen formalen Rang als Kardinal -, der nur als Kohlenklau in die Geschichte eingehen wird, weil er das "fringsen" gut hieß und weil ein anderer Ausspruch von ihm heute nicht mehr zitiert werden darf: "Die Zukunft eines Volkes hängt nicht von der Zahl seiner Kraftwagen ab, sondern von der Zahl seiner Kinderwagen." Welche beiden Staaten haben wohl heute die meisten Kraftfahrzeuge pro Bürger aufzuweisen? Richtig geraten: die USA und die BRD! Und beide sind für den Untergang nominiert...) Wir haben also einen der seltenen Fälle, in denen alle drei qualifizierenden Tatbestandsmerkmale des Mordes erfüllt sind. Einen Fall? Nein, alljährlich Millionen Fälle; in einigen Ländern übersteigt die Zahl der Abtreibungen längst die der Geburten; es ist der größte Völkermord der menschlichen Geschichte oder, wenn Ihr so wollt, "Holocaust", liebe jüdische Ärzte, die Ihr hier mit lest; schließlich stellt Ihr einen weit überproportionalen Anteil der Täter, obwohl Euch das der Talmud doch eigentlich streng verbietet - aber Dikigoros geht mal zu Euren Gunsten davon aus, daß Ihr nur Gojim-Kinder abtreibt, und für die gilt dieses Verbot ja nicht. [Und Ihr, liebe nicht-jüdische Leser, die Ihr Euch über diesen Seitenhieb wundern solltet, lest mal Der Hungerpastor von Wilhelm Raabe - möglichst in der seit 1945 verbotenen Originalfassung -, den erfolgreichsten deutschsprachigen Roman des 19. Jahrhunderts (neben "Soll und Haben" von Gustav Freytag, dessen Originalfassung heute - aus den selben Gründen - ebenfalls verboten ist).]

Und das in einer Zeit, die sich sonst an "politisch korrekten" Verzärtelungen und gutmenschlichen Gefühlsduseleien gar nicht genug tun kann: Jeder 13-jährige Straßenräuber in Lima oder Rio, jeder 13-jährige Vergewaltiger in der Bronx oder Spanish Harlem gilt als unschuldiges "Kind" - unschuldig im Sinne von strafunmündig -, ebenso jeder 13-jährige Terrorist, der in Palästina oder Gaza Molotow-Cocktails wirft, weshalb unter keinen Umständen auf ihn zurück geschossen werden darf. Aber ungeborene Kinder werden für das "Verbrechen" (ja, im Kapitalismus scheint das ein todeswürdiges Verbrechen zu sein!), ihren Eltern auf der Tasche zu liegen, hingerichtet, mit einer Brutalität, die jeder mittelalterlichen Folterkammer spottet, aber ohne die Spur eines schlechten Gewissens. (Während es gleichzeitig gesetzlich verboten und unter Strafe gestellt ist, wenn Lehrer oder selbst Eltern ihrem halbwüchsigen Zögling mal eins hinter die Löffel geben, wenn er etwas ausgefressen hat.) Ist unsere schizofrene Gesellschaft eigentlich noch zu retten? Aber wir brauchen uns ja gar nicht auf junge Kriminelle zu beschränken: Jeder Exoten-Stamm irgendwo in der Dritten Welt wird unter "Naturschutz" gestellt (darunter versteht man im Westen meist Schutz vor der Natur), jede Eingeborenen-Familie mit 12 Kindern wird mit Nahrungsmittelhilfe überschüttet, damit ja alle durch geschleppt werden, auch die, die von der Natur sonst ausgesondert worden wären, auf daß der Genpool der wenigen noch überlebenden Naturvölker genauso versaut werde wie es der der Zivilisations-Völker schon ist. Gewiß, das alles geschieht aus edelsten Beweggründen, aber der eigentlich Grund ist - Unwissenheit und vorsätzliche Blindheit. Die Weltanschauungen des Westens werden nämlich seit über einem halben Jahrhundert bestimmt von geistig Blinden, die die Welt nicht angeschaut haben, sondern sie nur aus verlogenen Märchen- und verfälschten Geschichts-Büchern "kennen" gelernt zu haben glauben. Zu diesen "Kenntnissen" zählt unter anderem, daß alles, was im "Dritten Reich" als gut und richtig erkannt wurde, heute für schlecht und falsch zu gelten hat; und dazu zählt halt auch das Verbot der Abtreibung gesunden Lebens.

Und ebenso die nicht minder traurige Kehrseite der Medaille: Niemals würde Dikigoros einer schwangeren Frau ihr Recht auf Notwehr absprechen wollen; d.h. wenn das ungeborene Kind droht, ihr eigenes Leben (oder auch ihre eigene Gesundheit in erheblichem Maße - dazu zählen freilich nicht eine Kaiserschnittnarbe, ein Hängebusen oder etwas Orangenhaut) zu zerstören, dann muß sie das Recht auf Abtreibung haben. Und das gilt nicht nur für den Vorgang der Geburt, sondern genauso für das Leben danach. Auch hier gelten ein paar bloße graue Haare oder Sorgenfalten nicht; aber eine Frau, die es nicht auf sich nehmen will, ein körperlich oder geistig behindertes Kind groß zu ziehen (und dafür auf ein geregeltes Familienleben und womöglich andere, gesunde Kinder zu verzichten), muß ebenfalls das Recht auf Abtreibung haben (freilich nicht die Pflicht - das, liebe Leser, ist einer der vielen kleinen, aber entscheidenden Unterschiede zwischen der Weltanschauung der Menschen [durchaus nicht nur der Nazis] in der Zeit des "Dritten Reichs" und der von Dikigoros)! Aber gerade dieses moralische Recht wird ihr von den heutigen Gutmenschen überwiegend abgesprochen. (Nein, nicht vom Gesetzgeber, noch ist die eugenische Indikation nicht abgeschafft. Aber interessieren Euch die konkreten Zahlen aus der BRDDR? Nach den letzten, die Dikigoros vorliegen - aus dem Jahre 2008 - erfolgten gerade mal 2,6% der Abtreibungen aus "medizinischen" oder "eugenischen" Gründen, die restlichen - satte 97,4% - aus "sozialen"!) Und wie ist das bei Vergewaltigung? Welch eine dumme Frage! Darf Dikigoros ein paar dumme Gegenfragen an die Gutmenschen und "Frauenrechtlerinnen" stellen? Ihr seid doch sicher gegen die Todesstrafe, oder? (Dikigoros ist in bestimmten Fällen dafür, zum Beispiel bei Mord - schon aus Gründen der Arbeitsmarkt-Politik: Würden alle Kindesmörder zum Tode verurteilt und hingerichtet, gäbe es endlich wieder genug freie Planstellen für Kassenärzte!) Und Ihr seid doch sicher auch dafür, dem Täter mildernde Umstände aller Art zuzubilligen (schwere Kindheit, Sexual-Neurosen und was dergleichen faule Ausreden mehr sind), oder? Aber gegen die unschuldige Frucht dieser Tat verhängt Ihr, ohne mit der Wimper zu zucken, die Todesstrafe? Und selbst wenn Ihr die Gene des ungeborenen Kindes für "schuldig" haltet - sollte man bei ihm als Ersttäter die Vollziehung der Todesstrafe nicht wenigstens zur Bewährung aussetzen, etwa durch Adoption? (Wenn die Adoptiv-Eltern später Grund zu klagen haben, kann man es ja immer noch hinrichten, oder?) Wir haben es weit gebracht: Schwangerschaft gilt als Krankheit, deshalb wird die Abtreibung auf Krankenschein finanziert - nicht aber die künstliche Befruchtung, aus der neues Leben entstehen könnte; die gilt als unmoralisch, ja fast schon als strafwürdiges Verbrechen. Die Kastration von Haustieren gilt als Wohltat, die Kastration karrieregeiler Radfahrer als Heldentat. (Ja, was glaubt Ihr denn, wie Lance Armstrong Jahre lang die Tour de France gewonnen hat? Er hat sich - offiziell wegen Hodenkrebs - kastrieren lassen und kann sich deshalb ganz legal - medizinische Indikation - von morgens bis abends mit männlichen Hormonen vollpumpen, wofür jeder seiner nicht-kastrierten Konkurrenten wegen Dopings disqualifiziert würden. Nun, wenn es ihm das wert ist... [Erst Jahre später kam heraus, daß er nebenbei auch Epo geschluckt hatte, wofür es indes keine medizinische Indikation gab, und das brach ihm das Genick, d.h. es kostete ihn rückwirkend Titel und Preisgelder - er hatte seine Eier also umsonst geopfert.]) Wie krank müssen unsere westlichen Gesellschaften sein, wenn all das als "rechtens" gilt? Nein, liebe Leser, Dikigoros entschuldigt sich nicht für diesen langen Exkurs, und er hat ihn auch bewußt nicht mit dem bei ihm sonst üblichen "wenn es Euch nicht interessiert, überspringt die nächsten paar Absätze" eingeleitet; das mußte einfach mal geschrieben - und gelesen - werden!

Dagegen dürft Ihr diesen Absatz überspringen, wenn Ihr Euch nicht für Film-Geschichte und Sozialpolitik interessiert. Im selben Jahr, als Billy Wilder "Eins, Zwei, Drei" drehte, drehte sein Glaubensbruder Leo A. Handel ein Machwerk, das von den Befürwortern der Abtreibung noch heute als "Pioniertat" und "Meilenstein" gefeiert wird: "The Case of Patty Smith [Der Fall Patty Smith]". Da wird eine junge Frau von ihrem Vergewaltiger geschwängert, und da Abtreibung verboten ist, nein, stirbt sie nicht etwa bei der Geburt, sondern sie läuft zur Engelmacherin, die den Eingriff verpfuscht, und daran stirbt sie. Daraus leitet der Verbrecher Handel aber nicht etwa die Forderung ab, die Engelmacherin in solchen Fällen strenger zu bestrafen - nämlich wegen Mordes in Tateinheit mit fahrlässiger Tötung -, sondern ganz im Gegenteil die Forderung nach Straffreiheit der Abtreibung durch "ordentliche" Mörder im Arztkittel! Dagegen gilt der 20 Jahre ältere, bis heute verbotene Film "Ich klage an" von Wolfgang Liebeneiner - mit dem unvergessenen Mathias Wieman als "Dr. Lang" - noch immer als besonders verwerflicher Propagandastreifen für das, was die Nazis "Euthanasie" nannten, nämlich die Tötung "lebensunwerten" Lebens. Dabei ging es in "Ich klage an" nur um "Tötung auf Verlangen" bzw. "Beihilfe zum Selbstmord" bei einer unheilbar an multipler Sklerose erkrankten Frau. "Nur"? Wohlgemerkt, liebe Leser, Dikigoros hätte auch da seine Skrupel; er plädiert nicht für die gewaltsame Abkürzung des Lebens, und er würde auch nie Selbstmord begehen; aber der springende Punkt ist doch ein ganz anderer: Heute wird der [un]freie Wille des Todkranken selbst dann brutal vergewaltigt, wenn er nur der Natur ihren Lauf lassen und in Frieden sterben will. Man fügt ihm einen langsamen, qualvollen Tod zu durch die gewaltsame Verlängerung seines Lebens - und das ist nicht besser als es gewaltsam zu verkürzen. Warum das alles? Nun, die Frage ist leicht zu beantworten, es gibt nämlich eine Gemeinsamkeit mit der Abtreibung - deshalb erwähnt Dikigoros das hier: Die Ärzte - die nun mal eine starke Lobby im Parteien- und Verbändestaat haben - verdienen an beidem (und das nicht zu knapp), sowohl an der gewaltsamen Tötung ungeborener Kinder als auch an der gewaltsamen Verlängerung des Lebens Todkranker, die sie oft noch Jahre lang abzocken. Müßten diese beiden Verbrechen der "Götter in weiß" nicht mehr von den Krankenkassen finanziert werden (diejenigen Ärzte, Apotheker und Krankenhaus-Betreiber, die moralische Bedenken vorschieben, die armen Kranken "einfach so" sterben zu lassen, könnten sie ja gratis zu Tode pflegen, wenn ihnen soviel daran läge - aber das steht nicht zu befürchten), wären die letzteren im Handumdrehen saniert, die so genannte "Alterspyramide" würde nicht mehr von fehlenden Kindern - die man schon im Mutterleib unschuldig zum qualvollen Tode verurteilt - und von alten, kranken Menschen - die man gegen ihren Willen zum qualvollen Weiter-Leben verurteilt - aus dem Lot gebracht, und niemand bräuchte über das Verschwinden der "Euthanasielücke" zu jammern. Exkurs Ende.

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