TAXI, WOHNWAGEN & STIERKAMPF
VON FRANKREICH NACH SPANIEN
*********************************

ANDRÉ HUNEBELLE: TAXI, ROULOTTE ET CORRIDA (1958)

Ein Kapitel aus Dikigoros' Webseite
"AVEZ-VOUS BOURBON . . . ?"
Reisefilme des 20. Jahrhunderts

Wenn Ihr, liebe deutsche Leser, nach dem französischen Original dieses Films sucht, werdet Ihr wahrscheinlich nicht so leicht fündig, denn da die unwissenden Al[l]emannen mit dem französischen Wort "roulotte" entweder nichts anfangen können (denn wer kennt in deutschen Landen schon Joe Dassins alten Schlager "Le chemin de papa", in dem es noch vorkommt? Doch allenfalls die B-Seite, "Oh, Champs-Élysées") oder aber es für "diskriminierend" und "politisch unkorrekt" halten, weil man früher die Zigeunerwagen, pardon, die Fahrzeuge der Sinti und Roma so bezeichnete, wird es dort zumeist unter "Taxi, Roulette et Corrida" geführt. Was ein Taxi ist, das weiß jeder (das Wort "Mietdroschke" hat den Krieg nicht überlebt), Roulette dto, und "Corrida" sagte zwar schon 1958 in Spanien kaum noch jemand (da heißt es einfach nur noch "los toros [die Stiere]" - ursprünglich hieß es mal "Corrida de [los] toros" - die eine Abkürzung hat die andere verdrängt), ebenso wenig wie "Torero"; aber in Frankreich hat sich diese Bezeichnung erhalten, mit Betonung auf der letzten Silbe - unkorrekt, aber üblich, wie bei allen aus dem Italienischen oder Spanischen übernommenen Fremdwörtern. Dagegen ist die französische Betonung bei Taxi richtig (und folglich im Deutschen, Englischen usw. falsch), denn das kommt vom griechischen "taxímetros", und "Taxi" ist für den Franzosen - jedenfalls für den Pariser, und um einen solchen geht es hier ja - etwas ganz anderes als für den Deutschen. Dem letzteren gilt es immer noch ein relativer Luxus. (Obwohl das gar nicht stimmt; je nachdem wie viel man fährt, ist - zumindest für den innerstädtischen Verkehr - ein eigenes Auto, das man nicht nur kaufen oder leasen, sondern auch versteuern, versichern, warten, reparieren und betanken muß, ebenso teuer, wenn nicht teurer :-) Dem ersteren ist es dagegen so etwas wie eine nationale Institution, spätestens seit im Ersten Weltkrieg die Reserven für die siegreiche Marne-Schlacht in Taxis an die Front gekarrt wurden. (Nicht umsonst war Hunebelles erster großer Kinoerfolg "Monsieur Taxi" aus dem Jahre 1952.) In Paris geht man nicht zu Fuß, das eigene Auto setzt man besser nicht aufs Spiel (der berüchtigte Verkehr von Paris ist nur etwas für Profis :-), und die Metro gibt es zwar - und gab es damals schon, sie war zur Weltausstellung von 1900 eröffnet worden -, aber zumal in den Außenbezirken mit ihrem stetig anwachsenden Ausländer- und Kriminellen-Anteil wird ihre Benutzung immer gefährlicher. Der Pariser Taxifahrer ist also eine Ikone, und entsprechend viel darf er sich heraus nehmen - wie man auch an der Hauptfigur des Films sieht, dem unmöglichen Monsieur Maurice Berger.

Dessen Besetzung mit dem auch über die französischen Landesgrenzen hinaus bekannten Louis de Funès hat einerseits den Titel der deutschen Fassung ("Wenn Louis eine Reise tut") inspiriert, ihr andererseits eine Reihe negativer Kritiken eingebracht. Gewiß, wir kennen ihn hauptsächlich aus den albernen "Fantomas"-Filmen, die Hunebelle in den 1960er Jahren mit ihm gedreht hat, und als Balduin, den bekloppten Gendarmen, den er bis zum Erbrechen gespielt hat, und als solcher hängt er auch Dikigoros zum Halse raus. Aber ist das fair? An dem Briten Rowan Atkinson als notorischem "Mr. Bean" hat man sich auch übersatt gesehen - aber zuvor hatte er einige Rollen gespielt (nicht nur "Black Adder"), die nicht weniger humorig, dafür aber weniger anspruchslos waren. Und für Louis Funès galt das gleiche: Er war seit "La traversée de Paris" (in Deutschland nie gelaufen) bekannt - freilich spielte er da nur die zweite Geige hinter Bourvil, dem anderen großen französischen Komiker jener Zeit - und seit "Ni vu, ni connu" (in Deutschland unter dem Titel "Fisch oder Fleisch" ein Flop) ein Star.

Um eines vorweg zu nehmen, liebe Tierschützer, Ihr könnt ganz beruhigt weiter lesen: Wenn in diesem Film tatsächlich ein Stierkampf vorkäme, würde Dikigoros ihn Euch nicht vorstellen, denn er persönlich verabscheut ihn als feiges, unsportliches Spektakel. Es kommt nur eine Parodie auf einen Stierkampf vor, als der unbewaffnete Monsieur Berger, der sein Taxi und seinen Wohnwagen auf der grünen Wiese geparkt und dort seine Zelte zur Übernachtung aufgeschlagen hat, sich überraschend mit einer gemischten Herde Rindviecher - Holsteiner Milchkühe und Kampfstiere durcheinander - konfrontiert sieht; außerdem heißt das Lokal, in dem ein Teil der Handlung spielt, "La Corrida". Das Plakat unten mitte mit Funès im Torero-Anzug ist also irreführend; richtig ist nur das unten rechts in Räuberzivil, auf dem er (vergeblich :-) versucht, dem Stier mit Insektenspray beizukommen.

Aber es läßt sich nun mal nicht ignorieren, daß der Stierkampf auf der Iberischen Halbinsel lange Zeit die Zuschauer-Sportart schlechthin war (außer im Baskenland: da war es Tennis für die Ober- und Pelota für die Unterschicht). Zwar gewann auch das Fußballspiel allmählich an Boden, zumal nachdem Mitte der 1950er Jahre der Europapokal eingeführt worden war, in dem kastilische, katalanische und später auch portugiesische Mannschaften Furore machten; aber deren Erfolge wurden hauptsächlich von Legionären aus Argentinien und Ungarn getragen, wie Alfredo di Stefano, Ladislav Kubala oder Ferencz Puskás. (Nur der Ruppsack Kopa blieb in Frankreich hängen und verhalf dem französischen Fußball zu einer kurzen Scheinblüte; aber das war noch keine kulturelle Annäherung an Spanien, denn nach wie vor blieb bei den Galliern Rugby das populärere Ballspiel; erst als zwei Jahrzehnte später die Italo- und Afro-"Franzosen" auf den Plan und gegen den Ball traten, sollte es durch Fußball verdrängt werden.) Die spanischen Spieler kannte außerhalb von Fußballfan-Kreisen kaum jemand; die erfolgreichen Stierkämpfer waren dagegen - so wie in Frankreich die erfolgreichen Radfahrer - als Helden der Nation in aller Munde und Herzen. Niemand wäre anno 1958 auf die Idee gekommen, es für "grausam" zu halten, einen Stier in der Arena zu töten, statt ihn schon als Jungtier zu kastrieren, ein kurzes Leben lang im Stall zu mästen und ihn schließlich auf dem Schlachthof zu Steaks zu verarbeiten, wie sie vor allem die Franzosen von je her vorzugsweise mit frittierten Kartoffelschnetzeln fressen. Pablo Picasso, ein großer Fan des Stierkampfes, hat ihn sein Leben lang in Bildern festgehalten - das einzige Thema, das er immer wieder neu aufgegriffen hat, und einige dieser Bilder werden heute in Gold aufgewogen, ob zu Recht oder Unrecht. (Aber wo geht es denn auf dem Kunstmarkt "gerecht" zu? Und in der Stierkampf-Arena? Eben :-)


A propos mit Gold aufwiegen: Was schmuggelt man, wenn man als Franzose nach Frankreich reist? Natürlich Gold - dessen unregistrierter privater Besitz dort noch heute strafbar ist. Und was schmuggelt man, wenn man von Frankreich nach Spanien fährt (nicht vorsätzlich, versteht sich, sondern - jedenfalls im Film - ganz unwissend, weil man es von anderen untergeschoben bekommen hat)? Antwort Hunebelles: Diamanten. War das wirklich Hunebelles Antwort? Und hätte die nicht jedermann für abwegig gehalten? Nun, Otto Normalverreiser und Lieschen Müller vielleicht, aber da war ja noch der Hauptdarsteller Louis de Funès, der als solcher offenbar auch Einfluß auf das Drehbuch nehmen konnte. Na und, wie soll der auf die Idee gekommen sein? Nun, man muß die Geschichte der Familie Funès etwas besser kennen als sie in den herkömmlichen Kurzbiografien beschrieben wird. Funès war zwar in Frankreich geboren, aber seine Eltern waren Flüchtlinge aus Spanien, genauer gesagt aus Sevilla. Nein, keine politischen Flüchtlinge - so etwas hätte man damals in Frankreich nicht aufgenommen -, sondern sein Vater war ein Krimineller mit weißer Weste und viel Geld, offiziell Advokat, aber inoffiziell Diamantenschmuggler en gros. Ja, es war damals schon nicht einfach, gegen die großen Monopole der Briten in Südafrika - woher die Steine kamen - und der Juden in Amsterdam und Antwerpen - wo sie verarbeitet wurden - legal anzukommen; also versuchte man es illegal. Man durfte sich allerdings nicht erwischen lassen; und wenn man doch erwischt wurde, mußte man rechtzeitig die Kurve ins sichere Ausland kratzen.

Aber im Film geht die Reise ja in die umgekehrte Richtung, d.h. Monsieur Berger reist mit Taxi, Wohnwagen, Kind und Kegel (genauer gesagt mit Frau, Sohn, Schwägerin, Schwippschwager und deren Tochter) von Frankreich nach Spanien, und der geschmuggelte Diamant kommt auch nicht mehr aus Südafrika, sondern... ja, woher eigentlich? Egal, tut eigentlich nichts zur Sache, denn es geht nicht so sehr um seine Herkunft als darum, daß er offenbar irgendwo gestohlen wurde. Fragen wir lieber, seit wann ein braver französischer Demokrat überhaupt wieder nach Spanien in Urlaub reisen durfte, nachdem sich die letzten "Touristen" dort 1936-39 blutige Nasen geholt hatten, als sie sich als "Freiwillige" auf Seiten der Roten (nein, nicht auf der Seite, die Rojos hatten viele Seiten und viele Köche, die den Brei verdarben!) in den Spanischen Bürgerkrieg eingemischt hatten? Bis 1950 war das falangistische Spanien politisch geächtet und unterlag einem UN-Boykott. (So etwas wurde damals noch wesentlich ernster genommen als heute, da die UNO ein alter, zahnloser Tiger geworden ist, den man besser notschlachten sollte - aber still und leise auf einem Hinterhof, denn für die Arena taugt er nicht mehr - als ihn noch länger durchzufüttern.) Erst mit Ausbruch des Kalten Krieges geruhten die USA, sich vom bösen, einst von Hitler und Mussolini an die Macht gebrachten Gaudillo Franco Militär-Stützpunkte einräumen zu lassen; und 1955 wurde Spanien in die UNO aufgenommen - zum Glück nicht auch in die EWG, als die ein paar Jahre später gegründet wurde, so daß es vorerst ein interessantes - und billiges - Urlaubsland blieb. Dikigoros erinnert sich noch gut, wie billig vor Spaniens EG-Beitritt die Alkoholika dortselbst waren - der "Osborne-Stier", der auf den Produkten der gleichnamigen Marke prangte, war schon fast so etwas wie ein National-Symbol.

Einige wenige Ausnahmen in Sachen "billig" gab es allerdings - sonst hätte Otto Normalverbraucher ja keinen Grund gehabt, etwas ins Land zu schmuggeln: Tabak unterlag einer Einfuhrsteuer, und deshalb denkt Monsieur Berger auch nicht im Traum daran, etwa offen Zigaretten mit sich zu führen; vielmehr versteckt er reichlich Schnitt-Tabak in den Taschen seines Jacketts und mogelt sich so durch den Zoll. Spielt uns der Film da eigentlich den "typisch spanischen" Zoll vor, mit all seinen - ineffektiven - Schikanen, oder nur einen Zollbetrieb an sich? Aber was heißt schon "ineffektiv"? Immerhin kommt den Beamten der Verdacht, daß die knackige Blondine mit dem schnittigen Sportwagen, die da zusammen mit den Bergers in der Schlange der Abzufertigenden ansteht, etwas zu verbergen hat, und sie wird gründlich gefilzt - allerdings nicht, bevor sie den heißen Diamanten ihrem Nachbarn, eben Monsieur Berger, in die Tasche seines Jacketts hat gleiten lassen, und dort wird er mangels Kontrolle ebenso wenig gefunden wie der geschmuggelte Tabak, so daß alle zufrieden weiter fahren können: die kleinen Gauner, weil sie ein paar Peseten Tabaksteuer gespart haben, und die großen Gauner, weil sie sicher sind, ihre Beute den ersteren bald wieder abzuluchsen. Nichts einfacher als das: Die Blondine überholt erst mit großem Hupkonzert die Taxi-Familie, dann bleibt sie ein paar Kilometer später liegen und fingiert eine Panne. Hilfsbereit wie die Bergers sind, "reparieren" sie den Wagen (diese Szene muß Esther Vilar im Hinterkopf gehabt haben, als sie "Der dressierte Mann schrieb" :-) und lassen sich die Koffer vertauschen. Wer beschreibt jedoch die Enttäuschung der Blondine und ihrer Komplizen, als sie feststellen müssen, daß sich das Jackett mit dem Diamanten nicht darin befindet. Sie nehmen die Verfolgung bis zum Campingplatz auf und...

Halt, an dieser Stelle muß Dikigoros eine kurze Szene einschieben, da es die einzige ist, aus der sich ergibt, wo die Handlung des Films inzwischen angekommen ist: Familie Berger steht in einer Reisegruppe, die sich von einem "Guide" (der damals noch französisch "Gied" ausgesprochen wurde, nicht englisch "Geid" :-) etwas über die Schönheiten Granadas erzählen läßt. Die Propaganda der Reisebüros hat den Satz überliefert: "Welch eine Strafe ist es, in Granada zu leben und blind zu sein." Ein saublöder Satz, liebe Leser, denn blind zu sein ist immer schlimm, und ob Granada nun so viel sehenswerter ist als andere Städte Spaniens...? Gewiß, als Dikigoros sie zum ersten - und letzten - Mal besucht hat, war es schon Anfang der 1980er Jahre, also fast ein Vierteljahrhundert nach dem Film; aber die Ecke in der Alhambra erkannte er wieder, sie hatte sich nicht groß verändert. Die Gärten... na ja. Er könnte ja ganz ketzerisch sein und schreiben, daß er sich hauptsächlich an das unweit gelegene Freß-Büffet erinnert, daß er vom Herumlaufen und Besichtigen furchtbaren Hunger hatte und angesichts der miesen Vorspeisen (er haßt "Gazpacho") und Hauptgerichte aus purer Verzweiflung ein gutes Dutzend Mini-Puddings ("Flan") zum Nachtisch verzehrte.

Aber ganz objektiv: Was hat Granada, das andere spanische Städte nicht haben? Man jubelt es - heute mehr denn je - hoch, um die "großartige arabische Kultur" ins politisch-korrekte Licht zu rücken; dabei haben die verfluchten Muslime doch damals schon alles nur geklaut und usurpiert in Andalusien, was die Römer und Westgoten dort geschaffen hatten: Paläste, Kirchen (die sie in Moscheen unwandelten, wie heute wieder) und eben auch Gärten. Als ob ausgerechnet die Wüstenscheichs in der Lage gewesen wäre, so etwas anzulegen! Man konnte froh sein, wenn sie es nicht sinnlos zerstörten, sondern nur "umwidmeten" und aufrecht erhielten - und für letzteres hatten sie ihre christlichen (und jüdischen) Sklaven. Vergeßt Granada, vergeßt Andalusien, schaut Euch statt des Alcázars von Granada lieber den Alcázar von Toledo an - aber informiert Euch vorher über seine Geschichte (z.B. hier), denn vor Ort wird sie Euch niemand mehr erzählen. (Und über Granada wird Dikigoros vielleicht mal an anderer Stelle mehr schreiben.)

Zurück zum Film, zurück von den großen Sehenswürdigkeiten zum kleinen Campingplatz. Die großen Gauner werden, als sie dort aufkreuzen, von den kleinen Gaunern gastfreundlich zu einer Runde Schmuggel-Tabak-Rauchen eingeladen, wobei allein der Kinobesucher weiß, was allen übrigen Beteiligten nicht wissen: Monsieur Berger hat beim Umschütten des Tabaks aus den Taschen seines Jacketts in eine Tabakbüchse unbemerkt auch den Diamanten mit umgefüllt, so daß es vergebliche Liebesmüh ist, wenn die großen Gauner ständig versuchen, das Jackett zu erwischen und dort nachzuschauen. Aber dem Umstand, daß ihnen dies letztlich nicht gelingt, verdanken wir einen längeren folkloristischen Abend... Halt, Dikigoros ist gar nicht sicher, ob das Wort "folkloristisch" hier angebracht ist, denn das bedeutet doch heute im Klartext: pseudo-kulturelles Klimbim, extra aufgeführt nur für die Touristen gegen harte Devisen. Aber was uns der Film zeigt, dürfte damals noch echt gewesen sein: Ein Tanzabend hauptsächlich für einheimisches Publikum, und die jungen Frauen tragen tatsächlich noch die alten Trachten und tanzen Flamenco zur Live-Musik einer Kapelle, so wie sie heute Hiphop hampeln zum Gekrächze eines Nigger-Rappers aus dem MP4-Player.

Klar, daß sowohl die großen als auch die kleinen Gauner des Film zu diesem abendlichen Vergnügen erscheinen (Fernsehen gabs noch nicht, jedenfalls nicht auf dem Campingplatz :-); und nachdem wiederum alle Versuche der ersteren gescheitert sind, Monsieur Berger ins Jackett zu greifen, lassen sie endlich die Maske fallen und inszenieren eine Schlägerei, an der sich letzterer begeistert beteiligt - nicht ohne sich zuvor seines Jacketts entledigt zu haben, das nunmehr zum Objekt der Begierde wird. Ein Zeitgenosse bemächtigt sich des Mikrofons (so weit war es mit der Live-Kapelle also schon gekommen :-) und kommentiert uns die Schlägerei als Parodie der Rundfunk-Reportage eines - Stierkampfs? Boxkampfs? Fußballspiels? Wenn Ihr so etwas öfters mal auf Spanisch gehört habt, liebe Leser, insbesondere aus Lateinamerika, dann werdet Ihr diese Szene im Vergleich zu heutigen Reportagen eher als harmlos empfinden; aber damals hätte so kein seriöser Reporter gesprochen. Wie dem auch sei, am Ende entwischen die Bergers den großen Gaunern, aber nur bis zum Campingplatz, wo die letzteren den Sohnemann entführen und so eine fast amerikanisch anmutende Verfolgungsjagd auf der Landstraße auslösen: der Sportwagen vorweg, Taxi und Roulotte hinterher, allesamt mit stark überhöhter Geschwindigkeit - über die der durchschnittliche Autobahnfahrer von heute freilich nur müde lächeln würde.


Das ruft die spanische Gendarmerie auf den Plan. Die großen Gauner lassen den Entführten schließlich gefesselt auf der Straße zurück, was die Verfolger zum Anhalten zwingt, und entkommen so, während die Bergers direkt den Gendarmen in die Armevor die Motorräder laufen und verhaftet werden, denn just in dem Moment fällt die bewußte Tabakdose herunter und der Diamant heraus. Wie war das? Die kleinen Gauner henkt man, die großen läßt man laufen... Nun ja, gehenkt werden die Bergers nicht, aber sie wandern erst mal ins Gefängnis; wie sie das ganze aufklären verschweigt uns der Film - aber wir wissen ja wie es war, und der Film ist halt streng chronologisch aufgebaut - heutzutage würde man ihn im Gefängnis beginnen lassen, und Monsieur Berger würde dann die ganze Geschichte aus der Rückschau erzählen.

Aber der Clou kommt noch, ein paar Monate später in Paris, wo Monsieur Berger inzwischen wieder Taxi fährt. Bei einem plötzlichen Bremsmanöver rutschen seinen beiden Fahrgästen die Sonnenbrillen vom Gesicht, und sie entpuppen sich als die Blondine und der Boß der großen Gangster - die also immer noch hinter ihm her sind?!? Der Film endet mit dem verdutzten Gesicht des Taxifahrers - Grimassen schneiden war schon damals die Spezialität von Funès -; er war ganz offensichtlich darauf angelegt, eine Fortsetzung zu erhalten, aber daraus ist nie etwas geworden. Statt dessen drehte Gérard Oury 1964 - dem Jahr, in dem Funès erstmals auch als "Fantomas" und Gendarm in Erscheinung trat - unter dem Titel "Le Corniaud [Das Schlitzohr]" einen Neuaufguß, der statt in Spanien in Italien spielt (und Funès wieder nur die zweite Geige hinter Bourvil).

Zäh wie Kleister zieht sich die Reise von Neapel über Rom, Ventimiglia und Carcassonne bis nach Bordeaux; aber außer der obligatorischen Kulisse der genannten Orte gibt es da nichts, das irgendwie typisch für Land und Leute wäre. Damit hatte Louis de Funès in Sachen Reisefilme ausgedient - jedenfalls von Reisefilmen im Sinne von Dikigoros' Definition, d.h. solchen über Reisen von einem Land ins andere unter besonderer Berücksichtigung der unterschiedlichen Kulturen. Die Franzosen sahen das freilich anders, d.h. sie bekamen es anders zu sehen, denn 1966 drehte Oury - wiederum mit Funès und Bouvil - "La grande vadrouille", den erfolgreichsten französischen Film des 20. Jahrhunderts (der auch der zweiterfolgreichste Film des 20. Jahrhunderts in Frankreich überhaupt war, nur übertroffen vom "Untergang der Titanic"), eine primitive Komödie über die bösen Nazi-Deutschen, die das friedliche Frankreich - das ihnen 1939 den Krieg erklärt hatte - ein Jahr später "überfielen" und besetzten; so etwas ist in der "grande nation" noch heute als DVD ein Verkaufsrenner.

Zum Glück drehen die beiden Komiker-Helden den bösen Besatzern eine Nase und verhelfen drei braven britischen Bomberpiloten zur Flucht quer durch Frankreich. Das kam an bei den Franzosen, die - aller Heuchelei von Friede, FreudeFreundschaft und EierkuchenVersöhnung, die Adenauer und de Gaulle so krampfhaft inszeniert hatten, zum Trotz - in den Deutschen weiterhin ihre Erbfeinde sahen - und sehen, obwohl sie seit Jahrzehnten von ganz woanders, nämlich aus Afrika, überfallen werden, wenngleich ohne Kriegserklärung, und die Besatzer von Paris, Lyon, Strasbourg, Marseille, Lille u.a. Städten längst in die 'zig Millionen gehen, auch wenn die offiziellen Statistiken das nicht erfassen, da viele "sans papiers [ohne Papiere]" kommen. Manche bezeichnen sie verharmlosend auch als "Immigranten" - wobei man sich fragt, ob das vielleicht nur als Scherz gedacht sein soll; wenn ja, dann hätte ein Louis de Funès darüber sicher nicht gelacht; er würde sich vielmehr im Grabe umdrehen, wenn er wüßte, mit was man ihn - der ja auch ein "Immigrant" war - da sprachlich in einen Topf wirft.

In Deutschland dagegen floppte dieser Schundstreifen, als er ein Jahr später unter dem Titel "Die große Sause" - gekürzt um die übelsten Passagen - in die Kinos kam, kläglich; damals ließ sich das deutsche Kinopublikum so etwas noch nicht bieten; und deshalb braucht Dikigoros seine Leser damit auch nicht weiter zu behelligen.

weiter zu Eins, zwei, drei

zurück zu Der König und ich

heim zu Avez-vous Bourbon?