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(3) Die Techniken, die im Stück benutzt werden

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(3) Die Techniken, die im Stück benutzt werden

In diesem Teil werde ich die Techniken, die Max Frisch in Andorra benutzt hat, untersuchen. Dann erkläre ich, warum er sie benutzt hat, indem ich erwähne, wie sie die Hauptthemen des Stückes effektiv übermitteln. Es gibt in Andorra viel Ungewöhnliches, weil es ein Beispiel von epischem Theater ist.

Episches Theater

Man ist klassisches Theater gewöhnt, wo es eine spannungsvolle Handlung gibt, die mit einer Katharsis (eine dramatische Zuspitzung) endet, und eine geschlossene Konstruktion hat (das heißt es hat einen deutlichen Anfang, Höhepunkt und Ende, und wird in drei bis fünf Akte eingeteilt). Der Zuschauer wird in die Handlung hineinversetzt, und soll vergessen, dass er im Theater ist.

Episches Theater wurde von Bertolt Brecht erfunden. Im Gegensatz zu diesem traditionellen aristotelischen klassischen Theater, ist das Ziel von epischem Theater, den Zuschauer anzusprechen, damit er an die wichtigen Fragen und Themen des Werkes denkt, so dass er als kritischer, aktiver Betrachter seine eigene rationale Meinung selbst bildet. Eine weitere, damit zusammenhängende Idee ist der Verfremdungseffekt, ein Konzept, womit das Publikum von der Handlung entfernt wird, damit man mehr darüber nachdenkt, statt sich in die Handlung verwickeln zu lassen und sich zu fragen, was als nächstes passieren wird - was in solchen Stücken nicht so wichtig ist. Deswegen gibt es im epischen Theater weniger Spannung, und viele ungewöhnliche Techniken, die im normalen klassischen Theater nicht vorkommen – man sieht auf der Bühne nur eine lockere Reihe von selbständigen Einzelszenen, die oft in einer nicht erkennbaren Welt passieren. Es gibt keine Spezialeffekte; es soll nicht glaubwürdig sein. Man soll sich nicht mit den Charakteren identifizieren können, sondern Distanz halten, der Schriftsteller will wenig Erregung oder Mitleid hervorrufen. Die Charakteren sprechen oft direkt zum Zuschauer. Es ist nicht der Ausgang des Stückes, sondern der Ablauf, der wichtig ist (das heißt, dass es wichtiger ist, dass die Andorraner Andris Tod verursachen, nicht wie sein Tod passiert), und deshalb bleibt der Schluss offen. Man soll sehen, dass die Welt, Menschen und die Gesellschaft veränderbar sind (wie Andri, der sich stark verändert), und verändert werden müssen (wie die Andorraner, die vorurteilsfrei werden sollen).

Wie und warum die Verfremdungseffekt benutzt wurde

In Andorra war es Max Frisch nur wichtig, dass man an die Themen wie Verantwortung und Bildnisse von Menschen denkt. Er wollte nur eine dramatische Situation erfinden, wo man einen Charakter für einen Juden hält, während er wirklich keiner war. Alle Charaktere und Ereignisse sind dieser zentralen Idee unterworfen. Deswegen gibt es keine Nebenhandlungen und für die meisten Nebenfiguren (das heißt alle außer Andri, Dem Lehrer und vielleicht Barblin) fast keine Persönlichkeit, weil es dafür kein Bedürfnis gibt. Sie sind nur dort, um die Handlung zu entwickeln, oder Vorurteile zu zeigen (zum Beispiel Der Tischler zwingt Andri, mit Geld zu arbeiten; Der Wirt wirft den Stein, der die Señora tötet). Ihre Persönlichkeit ist für die Handlung ganz irrelevant, und es würde nur das Publikum von dem ablenken, was wichtig ist, wenn diese Figuren Persönlichkeiten hätten. Ihre Taten tragen zu der Handlung und dem Hauptthema bei, indem sie Andris Schicksal beeinflussen. Man kann sehen, dass sie keine Persönlichkeit haben, weil die meisten sogar keine Namen haben, sondern sie sind nur als Vertreter eines Berufes (zum Beispiel Der Wirt) dargestellt. Nur gewisse Eigenschaften werden hervorgehoben, nämlich die, die für das Thema des Stückes von Bedeutung sind, zum Beispiel die Engstirningkeit Des Doktors. Das Stück handelt sich auch nicht von Beziehungen zwischen Menschen – es ist keine Liebesgeschichte, sondern es geht um ein gewisses Thema. Es ist ein Lehrstück, ein Gleichnis, und die Lehre ist, man soll sich kein Bildnis von einem Menschen machen.

Diese Techniken werden auch in der Struktur des Werks entwickelt. Andorra ist nicht in Szenen, sondern in zwölf Bilder ganz unterschiedlicher Länge und Struktur eingeteilt, die sich immer nur um die Hauptgeschichte drehen. Deswegen hat das Stück eine lockere Struktur, die ein Beispiel von epischem Theater ist. Zwischen den Bildern gibt es Vordergrundszenen, wo ein Charakter in einen sogennanten „Zeugenschrank“ tritt, und ein sogenanntes „Bekenntnis“ zu einem erfundenen Gericht macht (aber alle außer Dem Pater behaupten, sie seien unschuldig). Es ist aber nicht ein echtes erfundenes Gericht, sondern das Publikum ist das Gericht, da die Charakteren dem Zuschauer direkt sprechen.

Diese Zwischenszenen spielen zeitlich lange nach dem eigentlichen Bühnengeschehen, also erlebt man die Geschichte auf zwei zeitlichen Ebenen: die Gegenwart (Andri und sein Schicksal) und (durch die Aussagen im Zeugenschrank) die Zukunft. Auf diese Weise findet man heraus, was im Stück passieren wird, und bekommt deswegen einen gewissen Einblick in die Folgen der Vorurteilen und der Feigheit der Andorraner: wir können von Anfang an sehen, wie die Andorraner ihn ungerecht behandeln (das heißt wenn man geglaubt hätte, Andri wäre wirklich Jude, würden einige denken, dass die Andorraner eine Rechtfertigung hätten). Die Vordergrundsszenen unterbrechen auch die Handlung und die Spannung. Das gibt das Publikum Zeit, nachzudenken, und hindert man daran, Vermutungen über das Ende des Stückes zu machen. Zum Beispiel werden die zwei größten Überraschungen schon am Anfang erklärt: Der Wirt erwähnt in seinem „Bekenntnis“, dass Andri wirklich der Sohn Des Lehrers ist; und es wird andauernd bestätigt, dass dem Andri etwas Schlimmes passiert.

Humor und Symbolismus

Max Frisch benutzt auch Humor, um seine Absicht zu erklären. Judenfeindlichkeit ist kein lächerliches Thema, sondern es ist ernsthaft und grauenhaft. Trotzdem wird man aber manchmal in diesem Stück zum Lachen gebracht. Sowohl die Vorurteile und Ausreden als auch die Entschlossenheit der Andorraner, jüdische Eigenschaften bei Andri zu finden, sind dumm. Es gibt auch die Szene, als Der nationalistische Doktor dem Andri bittet, AAAAndorra zu sagen. Im Hintergrund weiß man aber, dass solche Ereignisse zur Vernichtung von mehreren Millionen geführt hat. Das Lachen vergeht einem also schnell, und es wird einem fast peinlich, dass man sich amusiert hat. Man zögert, und denkt mehr an das Stück.

Ein anderer Grund, Humor zu benutzen, ist, dass es hier nicht effektiv wäre, realitätsnah zu sein. Man würde wegen der Unmenschlichkeit voller Entsetzen zuschauen, und könnte nicht so gut nachdenken. Es gibt nur Anspielungen auf die Nazizeit, zum Beispiel durch die Judenschau.

Symbolismus wird auch benutzt, um durch Farben das Stück besser zu verstehen. Im Nachbarland herrschen die Schwarzen, während Andorra als schneeweiß beschrieben wird. Am Anfang und Ende weißelt Barblin. Zuerst, damit alles weiß für den Sanktgeorgstag ist, aber am Ende (als sie verrückt geworden ist), um zu versuchen, Andorra wieder unschuldig zu machen.

Meine Meinung

Ich glaube, dass diese Techniken sehr innovativ sind. Sie hören sich zuerst vielleicht seltsam an, aber es ist interessant zu sehen, wie sich alle diese Ideen ergänzen, um ein verständliches und lehrreiches Stück zu bilden. Im Stück werden Andris Probleme klar dargestellt, während man die Handlung noch verstehen kann, und die wichtigen Themen respektvoll behandelt werden. Deswegen sind sie wirksam. Es ist auch wichtig, sich die Probleme zu erinnern, die entstehen würden, wenn Andorra ein Beispiel von klassischem Theater wäre.

Es gibt aber auch einige Probleme im Werk. Zum Beispiel die Charaktere sind nicht total glaubhaft, sondern alle außer Andri und Dem Lehrer sind wegen des Mangels an Persönlichkeit fast Karikaturen. Aber sogar Andri benimmt sich nicht immer realistisch - zum Beispiel, als es ihm gesagt wird, er sei kein Jude, glaubt er Dem Pater nicht. Man weiß, dass Andri sich viel verändert hat, aber man hätte auch denken können, dass er deswegen erleichtert wäre.

Das andere große Problem damit ist, dass das Theater dazu dient, das Publikum zu unterhalten und nicht zu belehren. Wenn die meisten Leute ins Theater gehen, wollen sie nicht ein Lehrstück anschauen, sondern sie wollen sich entspannen. Aber Andorra ist natürlich nicht ein reiner Belehrungsstück mit keiner Handlung und Spannung. Der Zuschauer kann sich noch für die Ereignisse auf der Bühne interessieren. Im ersten Bild gibt es ein bißchen Spannung, mit Ausdrücken wie „es hängt etwas in der Luft“, und die spontane Bemerkung Des Paters zu Barblin: „kein Mensch verfolgt euer Andri“. Wir wissen auch nicht genau, was Andri passiert (obwohl dies auch ein Techniken von epischem Theater ist, weil es nicht der Ausgang sondern der Gang der Handlung ist, was wichtig ist). Deshalb interessiert man sich dafür, aber durch die Techniken, die angewendet werden, ist es nicht möglich, im Ablauf des Stückes vertieft zu werden.

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