DEN NATIONALSOZIALISMUS VERSTEHEN UND BEGREIFEN

Guenter Rohrmoser: Philosoph, Propagandist oder Ideologe ?



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       Sechste Folge

Theoretische Unausgewogenheit bringt die Welt aus dem Lot

         Den bisherigen Ausfuehrungen sollte nicht der Versuch unterstellt werden, die „buergerliche Kultur“ reinwaschen zu wollen. Wir erachten es aber als unannehmbar, den Zustand der Welt vermittels Theorien und Lehren diagnostizieren zu wollen, die selber aus dem Lot geraten sind. Anders ausgedrueckt: theoretische Konstrukte, die extremistisch angelegt und totalitaer ausgerichtet sind, weil sie sowohl inhaltlich wie auch praktisch unausgeglichen und unausgewogen sind, taugen am wenigsten, um gesellschaftliche, kulturelle Schieflagen auszurichten. Dass diesen Theorien und Lehren trotzdem weiterhin gefroent wird, liegt, wie bereits festgestellt, in der narzisstischen Wesensart des mystischen Phaenomens und der Mystiker extremistischer Kultur. Und wie dicht Narzissmus und Schizophrenie beieinander liegen, duerfte kein Geheimnis sein.

         Es kann als vorlaeufiges Fazit festgehalten werden, dass die extremistische Mythenkultur nach dem Prinzip funktioniert, dass Keile in die bestehende, „buergerliche“ Gesellschaft – oder wie man sie auch nennen mag, postchristlich, postmodern oder sonst wie – getrieben werden muessen, selbst dann und dort, wo es keinen erkennbaren Anlass dazu gibt, weil das Keiltreiben, das Provozieren, das Beunruhigen und Aufwuehlen, mit einem Wort das Destabilisieren recht viel Spass bereitet und schliesslich und endlich der Sauerstoff der extremistischen Mythenkultur ist. Nietzsche, die „Konservative Revolution“, der Faschismus/NS haben das meisterhaft und mustergueltig vorexerziert. Propagandisten und Ideologen wie Rohrmoser sorgen dafuer, dass der Geist des „grossen“ Nietzsche , dieses urspruenglichen Unruhestifters, weiter sein Unwesen treiben kann.

         Eine weitere Feststellung: Gleichzeitig mit seiner schizophrenen Veranlagung, die Nietzsche vermittels seiner „Philosophie“ an und in die buergerliche Welt brachte, verbreitete er und dann seine Schueler, die Mystiker extremistischer Kultur, Unruhe und Unsicherheit. Sie kultivierten ihre eigene Unzufriedenheit mit den bestehenden gesellschaftlichen, politischen, sozialen und kulturellen Verhaeltnissen und versuchten sie ins Volk zu tragen. Damit ist der psychologische Hintergrund der Keiltreiberei genannt und damit wird wohl verstaendlich, welche Lust die gesellschaftliche Keiltreiberei ihren Urhebern bereitet.

         Indem Nietzsche die buergerliche Kultur seiner Zeit als Verfallserscheinung abqualifiziert, ist es selbstverstaendlich, dass er die Formen kritisiert, welche das Christentum zu seiner Zeit aufzeigte. Nietzsche fasste David Friedrich Strauss als „Symptom“ auf, was durchaus auch fuer Nietzsche selbst zutrifft, wie bereits auseinandergesetzt. Dass Nietzsche das nicht begriff und nicht tat, dass in seiner Folge die „Konservative Revolution“, der Faschismus/NS und die heutigen Apostel extrem rechter Positionen das auch nicht begreifen und tun, entspricht einer bedauerlichen und hoechst gefaehrlichen Unwilligkeit oder Unfaehigkeit zur Selbsteinsicht, zur Selbstreflexion und Selbstkritik. Es fehlt eben die Ausgewogenheit!

         Rohrmoser verbindet Nietzsches „Kritik“ an der buergerlichen Kultur mit dem Wunsch, diese Kultur zu ueberwinden und eine neue, hoehere Kultur an deren Stelle zu setzen (S.172ff.). Auf den Boden der Tatsachen gestellt, heisst das eigentlich, dass Nietzsche und seine gleichgesinnten Nachfolger ganz im Einklang mit der von Nietzsche selbst der gesellschaftlichen und kulturellen Entwicklung zu Grunde gelegten Kreislaufbewegung verfahren, indem sie ihre „Kritik“, ihren Zerstoerungskampf zunaechst rein theoretisch, gegen den von ihnen selbst vertretenen Mythos der Dekadenz fuehrten. Tragisch und unumkehrbar in seinen Konsequenzen wurde dieser Kampf, als er aus der theoretischen in die praktische Ebene der italienischen, dann der deutschen Nationalpolitik getragen und schliesslich auf die gesamte Menschheit (=auf die Welt) uebertragen wurde.

         Der erste Angriffspunkt Nietzsches ist die christliche Religion, der christliche Glaube, der Schnee von gestern sei und durch einen „neuen Glauben“ ersetzt werden muesse (S.174f.). David Friedrich Strauss bildet den Ansatz Nietzsches. Strauss stellte fest, dass der Mensch auch in Abwesenheit des christlichen Glaubens religioeser Empfindungen faehig ist. Also bedarf es, fuegen wir hinzu, nur eines anderen, eines neuen Erloesermythos um Nietzsches Ziel zu erreichen. Daher ruehrt die expansive Kraft der extremistischen Mythenkultur. Sie ist im Verhaeltnis zum Christentum, zum christlichen Glauben eine Ersatzreligion mit den bekannten, verheerenden Auswirkungen.

         Rohrmoser muss sich vorwerfen lassen, dass er, wie bereits an anderer Stelle aufgezeigt, den Sozialdarwinismus Nietzsches auf David Friedrich Strauss zurueckfuehrt (S.176), was kaum stimmen mag, weil Nietzsche sich den Darwinismus auch ohne Strausssche Vermittlung aneignen konnte, weil der Darwinismus damals als A und O der wissenschaftlichen Erkenntnis, als epochale Entdeckung galt. Und Rohrmoser muss sich noch sagen lassen, dass er die „Schizophrenie“ der buergerlichen Gesellschaft, die Nietzsche angeblich ueberwinden wollte, einfach konstruiert, indem er behauptet, Nietzsche habe daran Anstand gefunden, dass man sich „nicht zu einer humanistischen Ethik bekennen“ kann, „in der die Menschen die Gattungsinteressen in ihren eigenen Willen aufnehmen, und gleichzeitig die Welt darwinistisch verklaeren“ (S.176). Es ist naemlich so, dass Nietzsche aus der UEberzeugung, die christliche Religion, der christliche Glaube sei sowieso erstorben, mit dem ganz unchristlichen Lebenswandel seiner Zeit aufraeumen wollte, wobei er ganz einfach die unmenschlichen, antihumanistischen Regeln des Sozialdarwinismus an die Stelle der christlichen Religion setzte und als neuen, heilbringenden Glauben darstellte.
 

Freiheit des Geistes – Beliebigkeit der Begriffsauswahl

         Die extremistische Mythenkultur kann auf Grund ihrer irrationalen Voraussetzungen und Grundlagen, auf Grund der ihr innewohnenden Mythisierung und Mystifizierung der rational begruendeten Wissenschaft und von der auf Wissenschaft begruendeten Rationalitaet der buergerlichen Kultur nur mit Angst und Ekel, also nur mit Ablehnung begegnen. In diesem Sinn kommt Nietzsches Ablehnung des Historismus Rohrmoser nur gelegen. Und Rohrmoser erklaert diese Ablehnung wie folgt: Der von Nietzsche „diagnostizierte“ buergerliche Historismus bedeute

die radikale Aufloesung all dessen, was Hegel mit dem Begriff des „absoluten Geistes“ gedacht hat. Wenn es aber nichts Absolutes gibt und alles relativ ist, dann muss man konsequenterweise sagen, dass es nichts gibt, was wahr ist. Es gibt auf der Basis der Philosophie des Historismus keine Wahrheit mehr. Wenn man den Begriff des Absoluten und der Erkennbarkeit des Absoluten oder absolutern Seins negiert, dann negiert man im Prinzip die Wahrheit. Historismus bedeutet: Alles ist relativ, es gibt nichts Absolutes.“ (S.178)


 Was hier von Nietzsche, was von Rohrmoser stammt, ist zwar nicht klar, spielt aber fuer unsere Betrachtung keine grundlegende Rolle. Diese Vorstellungs- und Darstellungsweise ist in mehrfacher Hinsicht typisch fuer die extremistische Mythenkultur:
             a) diese Kultur haelt verbissen an dem Mythos des „Absoluten“, an der „Wahrheit des Absoluten und an der „absoluten Wahrheit“ fest. Eine eindeutig extremistische Position, die ihrerseits zu extremistischen Konsequenzen auf theoretischer und praktischer Ebene fuehrt;
             b) die extremistische Mythenkultur argumentiert auch in diesem Zusammenhang extrem, indem zum einen postuliert wird, dass, sofern es nichts Absolutes gibt und alles relativ ist, es auch nichts gibt, was wahr ist; was ferner heisse, dass man die Wahrheit negiere. Hier wird die extrem-extremistische Qualitaet des Stellenwertes sichtbar, welchen ausgewaehlte Begriffe in der extremistischen Mythenkultur einnehmen. Sie werden als unantastbare, ewige Groessen gehandelt, eben als absolut, also in der gleichen Weise, wie die Theologien den Gottesbegriff einordnen und handhaben. Neben dieser begrifflichen Starrheit fordert die extremistische Mythenkultur, wie bereits auseinandergesetzt, ein anderes Extrem ein, naemlich die dahingehend pervertierte absolute Meinungsfreiheit, dass alles gesagt werden darf, - auch mit dem Risiko eines Missbrauchs des freien Wortes.

         Die Absolutisierung ausgewaehlter Begriffe ist ein Wesenszug von Mythisierung und Mystifizierung. Und die so nachhaltig reklamierte Bewegungsfreiheit wird auf der Ebene der Begriffsinhalte so gehandhabt, wie man es eben fuer richtig und zweckmaessig haelt. Wodurch der Willkuer und Beliebigkeit Tor und Tuer offen stehen. Damit ist das Zustandekommen und Funktionieren moderner Mythen festgehalten.1


 1 Moderne Mythen wollen wir von historisch verbuergten, traditionell ueberlieferten Mythen strengstens unterschieden wissen, weil letztere sich sowohl in ihrem Entstehungsprozess wie auch in ihren Inhalten von den modernen Mythen grundlegend unterscheiden. Der zentrale Unterschied besteht darin, dass althergebrachte, historisch verbuergte Mythen ueber gesellschaftlichen Nachhalt verfuegen, also in der jeweiligen Gesellschaft verankert, selbst tief verwurzelt sind (wie die Religionen und Mythen antiker Voelker, das Christentum, der Islam, der Judaismus, der Buddhismus), waehrend moderne Mythen nicht auf eine kollektiven Urheberschaft fussen, sich zunaechst keiner gesellschaftlichen Akzeptanz erfreuen, und, sollten sie diese dennoch erlangen, in den seltensten Faellen keine extremistischen Zuege tragen. Letztere Besonderheit ist fuer die Gegenwart und Zukunft ausschlaggebend: mythische Lehren, die extrem-extremistische Loesungsvorschlaege einbringen bzw. erzwingen wollen, sind grundsaetzlich abzulehnen. Mahnend hierfuer stehen die Experimente des Faschismus, des NS und des Kommunismus. Das umso mehr, als sie trotz erlangter gesellschaftlicher Akzeptanz – die Rohrmoser im Fall des NS in ueberhoehte Bewunderung ausbrechen laesst – klaeglich scheiterten, also der Nachweis ihrer gesellschaftlichen und damit historischen Untauglichkeit hinlaenglich erbracht wurde.

         Auf dieser Stufe unserer Ausfuehrungen duerfte es klar geworden sein, dass die extremistischen Mystiker, wenn sie Begriffe wie „Freiheit“ und „Wahrheit“ in den Mund nehmen, an eine durch Beliebigkeit und Willkuer pervertierte Narrenfreiheit des „Geistes“ denken, der alles denken und entwerfen darf. Sie vertreten einen eindeutig extremistischesn Verstaendnis der Denk- und Meinungsfreiheit. Damit duerfte es auch einleuchten, warum Nietzsche und Nachfolger den Historismus, d.h. die auf Kriterien faktischer, objektorientierter Wahrheitsfindung beruhende Geschichtsforschung wie die Pest meiden und ablehnen. Rohrmoser schreibt, Nietzsche erblicke im Historismus „eine ungeheuere Bedrohung und Gefahr fuer die Kultur“ (S.178). Abgesehen vom Extremismus dieser Behauptung ist es doch so, dass Nietzsche sich zwar auf die Kultur seiner Zeit bezieht, die durch den Historismus gefaehrdet sei, aber im Stillen sein eigenes, extremistisch-mythisches Kulturprojekt im Visier hat, das von der historischen Wissenschaft als das entlarvt zu werden droht, was es eigentlich ist: eine aus Beliebigkeiten zusammengewuerfelte Mogelpackung.

         Der Hauptvorwurf Nietzsches an den Historismus sei, laut Rohrmoser, dass er eine „traditionslose Kultur erzeuge“ (S.178). Dass es Nietzsche und den Vertretern der extremistischen Mythenkultur niemals um verbuergte Traditionen geht, weder um die zurueckweichende christliche, noch um die Tradition der bestehenden buergerlichen Gesellschaft, die ja trotz gegenteiliger AEusserung der extremistischen Mystiker doch ueber eine eigene, jahrhundertealte Tradition verfuegt, sondern ausschliesslich um einen beliebig belegbaren und dehnbaren Traditionsbegriff, also um einen ‚TRADITIONSMYTHOS', liegt in der Sache.

         Was Rohrmoser nun an der historischen Wissenschaft bemaengelt und kategorisch ablehnt, dass sie augenblicklich „jede Form von Tradition, die bisher als Mythos gegenwaertig war“ zerstoert (S.179). Ob er hier auch an die unzaehligen Mythen denkt, welche in der Nachfolge des NS entstanden und jahrzehntelang die bundesrepublikanische OEffentlichkeit belastet und eine historische Wahrheitsfindung vereitelt haben, wie der Mythos der Einzeltaeterschaft oder der Mythos der sauberen Wehrmacht?

         Die „Betrachtung der Geschichte“ soll auch „kein(en) zukunftsbegruendende(n) Entschluss und keine Tat“ mehr ermoeglichen (S.180). Hier haette es richtig heissen muessen, vor allem im Rueckblick auf den NS, dass die Geschichtswissenschaft sehr wohl zukunftsorientierte Beschluesse und Taten ermoeglicht. Dass diese nicht den Vorstellungen der extremistischen Mythenkultur entsprechen, sondern diesen entgegengesetzt, selbst gegen diese Kulturform gerichtet sind, ist selbstverstaendlich.

         Fragwuerdig ist Rohrmosers Behauptung, Nietzsche habe das „Problem des Nihilismus“ auf Grund seiner Erkenntnis entdeckt, durch die historische Sichtweise sei die produktive Kraft des Menschen zerstoert, weil dieser im geschichtlichen Strom das Ende seiner Schoepfung, also deren Sinnlosigkeit erblicke (S.180).

Ewigkeitstaumel, verordnete Dynamik und minderheitliche Kulturvorstellung

         Es faellt auf, dass Nietzsche wiederholt darueber schreibt, dass die Werke des Menschen, die Kultur durch den Historismus dadurch entwertet werden, dass ihre Vergaenglichkeit herausgestellt, dass ihnen die Ewigkeit genommen wird. Doch Nietzsche scheint dabei insgeheim auch an seine Person und an sein Schaffen gedacht zu haben, das in den Wogen des durch den Historismus entfesselten „anfang- und endlosen Strom“ der Geschichte untergehen wuerde. Damit haben wir eine weitere Dimension des mythenkulturellen Extremismus vor Augen: das verbissene, extremistische Beharren und Verharren. Was besagen will, dass jede Dynamik, die nicht der extremistischen Mythenkultur entwaechst, a priori abgelehnt und als „kultur“schaedigend“ und „kultur“zerstoererisch verworfen wird. Damit ist auch der Aspekt der mythenkulturellen Dynamik angesprochen. Diese unterliegt wie der gesamte Mythisierungs- und Mystifizierungskomplex der Beliebigkeit, der Willkuer des sich doch so frei und ungebunden gebaerdenden „absoluten Geistes“. Wenn dieser „Geist“ es nun so will, wenn er es postuliert, dass hier oder dort seit jeher Dynamik vorhanden war, oder dass hier oder dort nun Dynamik einkehren muss, dann ist die Dynamik eben da. Andernfalls eben nicht. Das ist verordnete, diktierte Dynamik. Wie die theoretisch, aber vor allem praktisch aussehen kann, belegt der NS mit seinem „Willen zur Tat“, mit seiner Taetlichkeit und mit dem staatlichen Diktat. Hierher gehoert der blinde Aktionismus des NS, der dem Mythos der Tat verpflichtet ist.

         Laut Rohrmoser soll im Essay ueber den „Nutzen und Nachteil der Historie“ an die Stelle des Geistes das „Leben“ treten (S.181), gewiss in mythischer Verbraemung. Rohrmoser verbindet damit „den Durchbruch der Lebensphilosophie oder des Vitalismus“, den Nietzsche darstellen soll (S.182). Unsere Bemerkungen ueber die verordnete Dynamik gelten zweifelsohne auch dem angepriesenen Vitalismus, den Rohrmoser noch gesondert im Kapitel „Starkes Leben und der Wille zur Macht“ (S.241-255) behandelt. Wie alle modernen Mythen ist auch dieser Vitalismus erzwungen und verordnet, d.h. gewollt; er ist das Ergebnis eines von der Enge, Beschraenktheit und den Unzulaenglichkeiten des Einzelsubjekts – Nietzsche ist ein solches – beeintraechtigten Umfeldes, nicht eines breiten, spontan entwickelten gesellschaftlichen, also kulturellen Konsenses. Mit diesem Begriff ist wohl der entscheidende Gradmesser genannt, der die Gesellschaftsfaehigkeit der extremistischen Mythenkultur und ihrer Einzelmythen angibt. Die Gruppe der Produzenten, Verfechter und Anhaenger der extremistischen Mythenkultur ist bekanntlich zahlenmaessig bescheiden. Es handelt sich um eine absolute Minderheit, die damals wie auch heute dafuer kaempft, ihre minderheitlichen „Kultur“-Vorstellungen gesellschaftsfaehig zu machen, indem sie dafuer den breiten gesellschaftlichen Konsens zu erzwingen versucht. Dabei beruft sie sich wiederholt darauf – wie uebrigens auch Rohrmoser -, dass das schon einmal im Faschismus und im NS geglueckt war. Dass die Gesellschaftsfaehigkeit in letzteren Systemen zum Teil mit Gewaltmitteln erzwungen wurde und die Bilanz dieser Regime die erschreckendste in der modernen Geschichte darstellt, das wird einfach vergessen.

         Mit der Gesellschafts- und Konsensfaehigkeit extremistischer Mythen ist auch der Wahrheitsbegriff verbunden, der laut Rohrmosers Ausfuehrungen ueber Nietzsche durch die historische Wissenschaft seiner Zeit ebenso zerstoert worden sein soll wie die Kultur, die kulturelle Produktivitaet. Wir stellen dazu fest, dass es Nietzsche eigentlich um die absolute Freiheit des Geistes ging, der durch die historische Wissenschaft zu dem zurechtgestutzt wurde, was er eigentlich zu sein hatte, indem er in die ihm eigenen Schranken gewiesen wurde. Doch dynamische, vitale Geister wie Nietzsche, die Vertreter der „Konservativen Revolution“, die Faschisten und Nationalsozialisten liessen sich von solch relativierenden Tendenzen der Wissenschaft nicht „Fesseln“ anlegen, nein, sie schwelgten in ihrem unbelehrbaren Extremismus weiter. Sie liessen sich vom Konsens der Mitte, den sie als „Dekadenz“ der buergerlichen Kultur abstempelten, einfach nicht anstecken. Auch deshalb nicht, weil sie ein in der Weltgeschichte einzigartiger Fimmel der Ueberdurchschnittlichkeit plagt, der ihre Arroganz, ihre Ueberheblichkeit, ihren Zynismus und ihren Nihilismus speist. Dass das blanker Narzissmus ist, wurde bereits festgestellt.


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Die Folgen werden woechentlich nachgereicht

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Kritische Blaetter zur Geschichtsforschung und Ideologie


Datei: Rohrmoser6.html            Erstellt: 16.10.2002    Geaendert: 21.11.2002   Geaendert:       Autor und © Klaus Popa


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