BERGELS "DICHTUNG und WAHRHEIT" LAESST SELBST GOETHE ERBLASSEN

Bergels's "Fiction and Truth" turns even Goethe pale
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        Es sei an die lautstarken, quasi programmatischen Erklaerungen erinnert, die Bergel unter dem Titel Zur NS-Vergangenheitsaufarbeitung der Deutschen Suedosteuropas" (Suedostdeutsche Vierteljahresblaetter, 51.Jg., Heft 3, 2002, S.248-256; unsere Kritik: Ein lernbereiter Hans Bergel ? )in die Welt setzte. Der apologetische Vernebelungsgesang, den Bergel Fritz Cloos, dem unlaengst verstorbenen NS-Radikalen und dritten Mann im Machtapparat des SS-Mannes und Volksgruppenfuehrers Andreas Schmidt in der "Siebenbuergischen Zeitung" vom 20. Mai 2004, S.7 widmet, bewahrheitet die damals von dieser Stelle geaeuesserten "betraechtlichen Zweifel an Bergels 180gradiger Abkehr" von der systematischen Mythenspinnerei, mit der er die NS-Zeit seiner Landsleute und deren Jahre in der BRD belegt hat.

        Die jetzige Apologie unterscheidet sich inhaltlich von der zum 90. Cloos-Geburtstag (Siebenbuergische Zeitung vom 20. April 1999, S.3) in keinem Punkt. Der jetzt zur Kritik stehende Text stellt nur eine Variation des altbekannten Verharmlosungs-, Heroisierungs-, Mystifizierungs- und Mythisierungsdiskurses dar, den Bergel so souveraen beherrscht. Eine Aenderung, der Bergel offenbar kapitale Bedeutung beimisst, ist die, dass er seit seinen Lippenbekenntnissen des "NS-Vergangenheitsaufarbeitungs"-Textes von 2002 dem Kuerzel "NS" nun auch die Begriffe "Nationalsozialismus" und "Nationalsozialist" beigibt. Aber das ist auch alles, was sich in Bergels Verhaeltnis zum NS seiner Landsleute geaendert hat. Diese laecherliche Oberflaechlichkeit hat kein Pendant auf der wesentlichen, inhaltlichen Ebene, wo sich ueberhaupt nichts getan hat.

        Cloos soll ein zum Nationalsozialismus mutierter "Sozialist" gewesen sein. Er soll zudem nach dem Zwangsaufenthalt im Lager Workuta sich zum "Demokraten" gewandelt haben. Auch habe er nach der Ausreise in die BRD sich im Gerangel der landsmannschaftlichen Funktionaere vornehm zurueckgehalten, um angeblich dem "Ansehen" der Siebenbuerger Sachsen nicht zu schaden. Es scheint Bergel in seinem dichterischen Eifer einfach entgangen zu sein, dass die angebliche Zurueckhaltung von Cloos ("hielt er (Cloos) sich im Hintergrund") in krassem Widerspruch zu seinem "Kampf um die Durchsetzung menschenrechtlicher Vereinbarungen (KSZE) in Rumaenien" steht, wo er die Konfrontation mit der Bukarester Ceausescu-Regierung guthiess und mit Erfolg wagte.

        Wie glaubwuerdig Bergelsche Formulierungen sein koennen, wie die Begruendung dafuer, warum Cloos es ablehnte als landsmannschaftlicher Funktionaer aufzutreten - "Unbeirrbar lehnte er es mit dem Hinweeis auf seine politisch belastete Biografie ab, in oeffentlichen Aemtern zu erscheinen" -, veranschaulicht der dokumentarische Anhang.

        Ebenso unglaubwuerdig erscheint die Behauptung, der in die BRD eingereiste Cloos sei ein "Gewandelter" gewesen, worin er sich "von jenen" unterschieden haben soll, "die sich als revisions-, das heisst als lernunfaehig erwiesen". Dieser Revisionismusbegriff ist durchaus kennzeichnend dafuer, dass sich in Bergels Sicht der NS-Umtriebigkeit seiner Landsleute gar nichts bewegt hat. Bergel beruft sich hier nicht auf die sonst gelaeufige Bedeutung des Revisionismus-Begriffs, historische Tatsachen aus Gruenden der Verneinung, der Verharmlosung, der Selbst- und Kolektiventlastung und der Schoenfaerberei zu verfaelschen, sondern setzt hier eine eindeutig in Altnazikreisen gelaeufige Wortpraegung ein, wo der Verzicht auf NS-Ueberzeugungen als 'revisionistisch' aufgefasst wird. Diese Stelle der Bergel-Apologie ist also insoweit lehrreich, als sie den ausserhalb des NS-Dunstkreises Stehenden vermittelt, was ehemalige Nazis mit dem Begriff "Revisionismus" verbanden: die Bereitschaft, sich vom NS ideologisch zu laeutern, wird mit dem Stigma des Abweichler- und Verraetertums belegt. Hier gilt der als Revisionist, der die UNtaten des NS akzeptiert und sich der Aufarbeitung nicht verweigert.

    Dass Cloos in dem von Bergel mitgeteilten Sinn nicht "lernfaehig" war, dass er sich also mitnichten, weder von den "stillen", noch von den aktiv in Erscheinung tretenden Amtswaltern der ehemaligen "Volksgruppe" unterschied, belegt u.a seine von Bergel so grosszuegig ausgelegte Spitzenrolle in der sogenannten "Arbeitsgemeinschaft fuer suedostdeutsche Volks- und Heimatforschung", deren "Sammlung von Dokumenten und Zeitzeugenberichten ueber die Epoche vor und waehrend des Zweiten Weltkrieges in Siebenbuergen" das Wiederstehen des Syndikats ehemaliger Nazi-Groessen ermoeglichte und ihnen den Rahmen alter "Kameradschaftspflege" und das Betreiben eines unverschaemten Geschichtsrevisionismus bot.
 

D o k u m e n t e


1) Ostdeutscher Beobachter [Organ der NSDR - Nationalsozialistische Selbsthilfebewegung der Deutschen in Rumaenien), 8. Oktober 1932, S.3:

Fritz Cloos Truppfuehrer des 1. Trupp der SAM (Selbsthilfe-Arbeitsmannschaft) von Fred Bonfert am 29. September 1932 zum "vorlaeufígen Fuehrer" ernannt.
2) Ostdeutscher Beobachtereher, 11. Februar 1933, S.3:
Standartenfuehrer Walter Dieners ernennt mit "Standartenbefehl Nr. 1/33" Fritz Cloos als "aus der Scharfuehrerschulung vom 6. bis 8. Januar hervorgegangenen Kameraden" zum Truppfuehrer des Trupps 1/1 Kronstadt.
3) 11. Maerz 1934 (Tagebuch des Bischofs Viktor Glondys, hg. v. Johann Boehm und Dieter Braeg, 1997, S.104):
In Rohrbach hat die Stefan-Ludwig-Rothschar unter der Fuehrung von Cloos fuer den Eintritt in die NEDR (Nationale Erneuerungsbewegung der Deutschen in Rumaenien) gearbeitet.
4) 13. Juli 1934, Tagebuch Glondys, S.110:
Gaujugendfuehrer Fritz Cloos fuehrt Gespraeche mit Bischof Glondys bezueglich des Verhaeltnisses zwischen der in Bruder- und Schwesterschaften organisierten Kirchenjugend und der auf NS-Grundlage im "allgemeinen Jugendbund" organisierten Jugend.
5) 23. August 1934, Tagebuch Glondys, S.112:
In einem Sonderheft der "Arbeitsgemeinschaft fuer religioese Jugendbetreuung" (Fritz Cloos, Kronstadt) ist ein Angriff gegen Bischof Glondys erschienen.
6) 10. Dezember 1934, Tagebuch Glondys, S. 155 (157):
"In Leblang drang die Gendarmerie in die Kirche ein, um eine Adventfeier der Stefan-Ludwig-Rothschar unter Berufung auf einen Auftrag des Praefekten zu sprengen. Der Praefekt habe erfahren, dass 20 Hitleristen aus Kronstadt eine Versammlung zum Zweck der Hitlerpropaganda halten wollten und den Auftrag gegeben, die Versammlung zu verhindern. Aus dem Bericht geht hervor, dass Fritz Cloos (Kronstadt) in der Kirche eine voelkische Rede gehalten hat, auch Polony habe dort gesprochen."
 
7) 30. Dezember 1934, Tagebuch Glondys, S.168:
In der Praesidiumssitzung wurde bezueglich "des Leiters (Fuehrers) dieser Schar (Stefan-Ludwig-Rothschar), Fritz Cloos, einstimmig beschlossen, dass er persoenlich so lange nicht in kirchlichen Gebaeuden sprechen darf, bis nicht die von ihm ausgegebenen Angriffe gegen mich, im Zusammenhang mit meinem Erlass, soweit er als Herausgeber jenes Pamphlets (von Winfied Schenker) mitbeteiligt ist, in anstaendiger Form durch ihn bereinigt sind".
8) 27. Dezember 1938, Tagebuch Glondys, S.291:
"Beide, besonders aber der letztere (Fritz Cloos), haette sich in eine Lage versetzt, die es unmoeglich mache, ihm fuer die Jugendarbeit auch unsere evangelische Jugend anzuvertrauen."
 
9) 29. Juli 1938 [Hans Wolfram Hockl, Deutscher als die Deutschen. Dokumentarische Studie ueber NS-Engagement und Widerstand rumaeniendeutscher Volkspolitiker, Linz 1987], S.75: Trier, Andreas Schmidt an Andreas Ruehrig:
"... am besten besucht mit Fritze [Cloos] Frau Hanna Albrecht (Reinickendorf - Berlinerstrasse 60)...".
10) 23. August 1938, Trier [Hockl, S.77]:
"Hoffentlich kommt Fritze Cloos so schnell als moeglich [...] Ich habe Fred [Bonfert} die Bedeutung einer Aufklaerung durch Fritze Cloos an den massgebenden Stellen, klar gemacht. Hoffentlich handelt er danach."
11) 8. September 1938, Altenhundem [Hockl, S.77-78]:
"[...] Dass Fritze Cloos nun doch heraufgeschickt wurde freut mich. Ich habe Dir meine Aussprache mit Fred [Bonfert] mitgeteilt. Ich suchte dabei meinen Standpunkt betreffs des Reiches zur Geltung zu bringen, er antwortete mit der Ansicht Fritze's: "Pifke". Mit Fritze hatte ich diesbezueglich schon bei seinem ersten Hiersein eine ernste Aussprache, wo ich ihm das Fuehrerprinzip des Reiches nahegebracht. Nun scheint es doch durchgedrungen zu sein, was ich schon aus Wien Fred berichtete und nachher Fritze: Die Loesung muss in Berlin geschehen. [...]. Fred wollte mich mit der Fuehrung der politischen Angelegenheiten in Berlin betrauen, [...]. Fritz Cloos weiss davon, weil sie es schon vorher beschlossen. [...]"
12) 28. Juli 1939, Berlin [Hockl, S.98]:
[...] Also soll auch Fritz noch absolut schweigen in seinen Kreisen bevor wir nicht gesprochen [ueber das, was Schmidt "Kampf mit Methoden die in unserer Volksgruppe noch keine Anwendung gefunden", nennt].
 

F r a g e n  und  w e i t e r e  E r l a e u t e r u n g e n

1) Was bleibt von Bergels Maer uebrig, Cloos sei urspruenglich "Sozialist" gewesen, wenn er bereits in den Anfangs-30er-Jahren die Stellung eines "Fuehrers" in der paramilitaerischen, der SA nachempfundenen "Selbsthilfe-Arbeitsmannschaft" inne hatte, wobei die sogenannte "Selbsthilfe" die Vorgaengerorganisation der NSDR (Nationalsozialistische Selbsthilfebwegung der Deutschen in Rumaenien) war, die dann in NEDR (Nationale Erneuerungsbewegung der Deutschen in Rumaenien) umbenannt werden musste; also Cloos "Fuehrer" in einer NS-Organisation.

2) Die "sozialistische" Komponente des fruehen Cloos soll sozialdemokratisch gewesens ein. Cloos soll naemlich angeblich in den 20er Jahren die Sozialdemokratische Partei in Deutschland kennengelernt haben. Dass es sich eigentlich um den sogenannten DEUTSCHEN SOZIALISMUS, also um den Nationalsozialismus handelt, das unterschlaegt Bergel geflissentlich. Und dass Cloos sich der "sozialen Frage" nicht in sozialistischer, sondern in radikalnazistischer Manier annahm und sie missbrauchte, um sich und seinen Gesinnungsgenossen die politische Macht zu verschaffen und zu sichern, wird belegt von:

a) seiner Fuehrungsrolle in der "Selbsthilfe-Arbeitsamnnschaft" (SAM);
b) seiner aufwieglerischen Umtriebiegkeit im radikalen "Jugendbund";
c) seiner Mitgliedschaft und fuehrenden Stellung in der seit 1935 bestehenden radikalnazistischen DVR (Deutsche Volkspartei in Rumaenien);
d) seiner Ausbildung zum NS-Fuehrungskader durch die Reichsarbeitsfront;
e) der Fuehrung der DAR (Deutsche Arbeiterschaft in Rumaenien), die Cloos unter Volksgruppenfuehrer Andreas Schmidt uebernaehm und bis 1944 ausuebte.

    Das sind ebenso viele Stufen einer steilen, durchaus typischen NS-Funktionaerskarriere fuer das mehrere tausend Personen umfassende Heer von Amtswaltern und sogenannten "Hoheitstraegern" der NSDAP der Deutschen Volksgruppe in Rumaenien.

3) War das aufwieglerische, auf Unterwanderung, Schwaechung und Vereinnahmung der kirchlichen Jugendorganisation durch Cloos als fuehrendes Mitglied des eindeutig nationalsozialistisch und deutschchristlich orientierten "Jugendbundes" sozialistisch ?

4) Wieso soll Cloos erst in den enddreissiger Jahren des vorigen Jahrhunderts zum NS gefunden haben, wo er bereits ein gutes Jahr vor seinem als "Abschiebung" getarnten Schulungsaufenthalt im Hitlerreich (1939-1940) zum engsten Freundeskreis des von der SS aufgestellten Satrapen Andreas Schmidt zaehlte ?

        In seiner "Arbeitsgemeinschaft fuer suedostdeutsche Volks- und Heimatforschung" erzaehlte Cloos 1975 eine Anekdote ueber den Muenchener Kabarettisten Ferdl, der nach 1945 von den "Zugereisten" (=Vertriebenen) nur die Siebenbuerger Sachsen mit "Heil Hitler !" begruessen musste. [Warum wohl ?]

        In einem Rundbrief von 1979 bringt Cloos die Anekdote, ein ehemaliger SS-Oberstabsarzt habe einen ehemaligen juedischen Kommissar aus Odessa nach den Ratschlaegen des Neppendorfer SS-Angehoerigen Samuel Liebhardt mit einem in der Feuerglut des Ofens desinfizierten und als Operationsersatz dienenden Schuerhaken operiert. Das sei die "Neppendorfer Methode" gewesen. (Hockl, S.132-133).

        Das war das Niveau der von der "Arbeitsgemeinschaft" gesammelten "Zeitzeugenberichte" !

F r a g e:

        Wo bleibt die mit Nachdruck gepriesene "Wandlung" und "Lernbereitschaft" von Cloos nach seiner 10-jaehrigen sowjetischen Haft ?
        Der primitiv-zynische ANTISEMITISMUS der letzen Cloosschen Anekdote spricht auf jeden Fall die Sprache der Einsichtlosigkeit und Unbelehrbarkeit, wobei offenbar in Transnistrien begangene Greuel mit Laecherlichkeit belegt und abgetan werden.

S C H L U S S B E T R A C H T U N G

        Der Versuch Bergels, Cloos als untypischen NS-Funktionaer und Verbandsangehoerigen darzustellen, ist zu forciert, um einer geschichtsfaktischen Kritik standzuhalten. Cloos stellt ganz im Gegenteil die Spitze des rumaeniendeutschen NS-Eisbergs dar, der sich ausnahmslos aus scham- und skrupellosen Karrieristen und Demagogen zusammensetzte.


Ueber Cloos:Die totgeschwiegene Dimension: Fritz Cloos

Ueber den Versuch, Cloos mit filmdokumentarischen Mitteln zum Helden und Maertyrer hochzustilisieren:
Das "filmische" Spiel mit der gesellschaftlichen Verantwortung. Zu Guenter Czernetzkys Fernsehfilm „Deutsche im Gulag“

Das gefaehrliche Spiel mit den Totalitarismen

Kritische Blaetter zur Geschichtsforschung und Ideologie



Datei: Dichtung.html            Angelegt: 31.05.2004                Geaendert:05.06.2004                 Autor und © Klaus Popa

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