junge
Welt vom 27.06.2003
RalfWurzbacher
Massaker
ungesühnt
BGH-Urteil:
Keine Entschädigung für Opfer des Naziverbrechens von Distomo
Die
Bundesregierung ist von jedweder Haftung gegenüber den Opfern eines
der grausamsten Verbrechen während der deutschen Besatzungszeit in
Griechenland freigestellt worden. Nach einem Urteil des Bundesgerichtshofes
(BGH) in Karlsruhe vom Donnerstag muß
Deutschland keinen Schadensersatz an die Hinterbliebenen des von Mitgliedern
der Waffen-SS verübten Massakers in dem griechischen Bergdorf Distomo
zahlen. Der BGH wies eine entsprechende Klage von vier Geschwistern ab,
deren Eltern bei dem Gemetzel im Juni 1944 ermordet wurden. Es bestehe
keine Rechtsgrundlage für Schadensersatzforderungen an die Bundesregierung,
verkündete gestern der 3. Zivilsenat in Karlsruhe zu Begründung.
Die Geschwister können zwar das Bundesverfassungsgericht anrufen,
damit wäre das BGH-Urteil aber nicht ausgesetzt.
So
bleibt ein Verbrechen ungeheuerlichen Ausmaßes bis auf weitres ungesühnt.
SS-Angehörige fielen am 10. Juni 1944 über die Ortschaft Distomo
nordwestlich von Athen her und schlachteten mindestens 218 Frauen, Männer
und Kinder auf zum Teil bestialische Weise ab. Das älteste Opfer war
seinerzeit 85 Jahre alt, das jüngste ein zwei Monate alter Säugling.
Nach Recherchen des BGH belief sich die Zahl der Opfer sogar auf 300 Menschen.
Nach der Bluttat legten die SS-Schergen das Dorf in Schutt und Asche.
Der
Bundesgerichtshof folgte nicht der Auffassung der griechischen Kläger, daß
es sich bei dem SS-Massaker um außerhalb des Kriegsgeschehens liegende
Übergriffe gegen die Zivilbevölkerung im Sinne einer bloßen
»Polizeiaktion« der Besatzungsmacht gehandelt habe. Dies sei
eine »militärische Aktion« gewesen, heißt es in
dem Urteil.
Der
Vorsitzende des 3. Zivilsenats, Eberhard Rinne, äußerte zwar
Verständnis für die Kläger und nannte das Massaker in der
mündlichen Urteilsverkündung eines der »abscheulichsten
Kriegsverbrechen des Zweiten Weltkriegs«. Richter müßten
den Fall aber mit den beschränkten Mitteln des Rechts lösen.
Danach gebe es weder nach dem Völkerrecht noch nach bundesdeutschem
Amtshaftungsrecht einen individuellen Anspruch der Opfer auf Schadenersatzleistungen,
so der BGH. Das gelte auch bei Verletzung der Menschenrechte durch eine
Kriegführende Partei. Daß im
Völkerrecht heute teilweise ein individueller Anspruch der Opfer bejaht
wird, sei für die Beurteilung des damaligen Falles nicht maßgeblich. Die
Bundesregierung hatte in dem Revisionsverfahren darauf hingewiesen, daß
in einem globalen Entschädigungsabkommen mit Griechenland von 1960
bereits 115 Millionen Mark für die Opfer der Naziherrschaft zur Verfügung
gestellt worden seien. Der Bundesgerichtshof erwähnte am Donnerstag
auch den »2+4-Vertrag«, mit dem im September 1990 der Weg zum Anschluß
der DDR an die BRD geebnet wurde. Dessen Ziel sei eine »abschließende
Regelung mit Bezug auf Deutschland« gewesen, sagte Rinne. Martin Klingner,
Rechtsanwalt und Mitglied im Arbeitskreis Distomo Hamburg, bezeichnete
das BGH-Urteil gegenüber junge Welt
als »Skandal«. In der Konsequenz bedeute die Entscheidung zweierlei.
So würde ein individueller Rechtsanspruch gegenüber der Bundesregierung
für während des Zweiten Weltkriegs begangene Verbrechen an der
Zivilbevölkerung verneint. Was das Urteil aber noch schlimmer mache,
so Klingner, sei die Begründung, mit
der das Gericht die Beurteilung von Kriegsverbrechen nicht nur auf der
Grundlage der Rechtsordnung zu Zeiten des Naziregimes bewerte, sondern
sich dazu auch noch der seinerzeit herrschenden Rechtsauslegung bediene.
Auch Opfer-Anwalt Joachim Kummer äußerte sich im jW-Gespräch
»enttäuscht«. Mit dem Urteil stelle der BGH auf die Rechtslage
von 1944 ab. Im
Vorfeld der Urteilsverkündung besetzte
ein Dutzend Aktivisten der Antifaschistischen Linken Berlin (ALB) vorübergehend
die Räume des Goethe-Instituts in Berlin-Mitte. Dazu erklärte
Anja Laumeyer von der ALB gegenüber jW:
»Wir haben uns bewußt für
das Goethe-Institut entschieden, da dessen Eignerin, die Bundesrepublik
Deutschland, Rechtsnachfolgerin des Dritten Reiches ist.«
Bereits 2000 sollte das Goethe-Institut in Athen nach einem Urteil des Aeropag,
des obersten Gerichtshofes Griechenlands, zwangsversteigert werden, da
die Bundesrepublik Entschädigungszahlungen ablehnte. http://www.jungewelt.de/2003/06-27/001.php
Neues
Deutschland vom 27. Juni 2003 BGH
lehnt Entschädigung griechischer SS-Opfer ab Richter
berufen sich auch auf Rechtslage im Nazi-Reich/Scharfe Proteste Jegliche
Ansprüche von Hinterbliebenen der Opfer des Massakers der SS im griechischen
Dorf Distomo am 10. Juni 1944 auf Entsch?digung
durch die Bundesrepublik Deutschland hat der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs
(BGH) gestern bestritten. ……
Ausführlicher
Artikel unter http://www.nd-online.de/artikel.asp?AID=37581&IDC=2 Neues
Deutschland vom 27. Juni 2003 (Kommentar)
Beschämendes
Bedauern
Von
Claus Dümde
Das
Urteil, das gestern Richter des höchsten deutschen Zivilgerichts gegen
Hinterbliebene der Opfer eines der schrecklichsten Verbrechen fällten,
das Deutsche im Zweiten Weltkrieg begangen, kam nicht unerwartet. Leider.
Die Bundesrichter haben »nur« die Rechtsauffassungen aller
Bundesregierungen seit 1949 bestätigt: Zwar sehen sie immer dann,
wenn es für den Staat oder deutsche Banken, Industrie- und sonstige
Konzerne von Vorteil ist, die Bundesrepublik als Rechtsnachfolger des Deutschen
Reichs, einschließlich der Nazi-Diktatur, an. Aber wenn es darum
geht, für die von Deutschen im Namen desselben Deutschland begangene
Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen einzustehen,
lehnen Regierungen und Wirtschaft jegliche Verpflichtung ab. Wie im Falle
der Zwangsarbeiter. Nur der Druck von Klagen Überlebender in den USA
und deren mögliche Folgen für deutsche Profite heute und morgen,
brachten – nach einem halben Jahrhundert – das Zugeständnis vermeintlich
freiwilliger »Entschädigungen« an die Überlebenden.
Nicht mal dazu ist die Berliner Regierung im Falle der Opfer des SS-Massakers
in Distomo bereit. Beklagte wie Gericht berufen sich dabei auf die »Rechtslage«
von 1944. Als der Senatsvorsitzende in Karlsruhe gestern erklärte,
man habe »mit den beschränkten Mitteln des Rechts entscheiden«
müssen, klang das bedauern. Wie die vor Gericht verlesene Erklärung
der Bundesregierung , in der sie verbal »die
große Zahl von Schäden an Leben, Gesundheit, Freiheit und Vermögen
zutiefst« bedauert. Schon die Wortwahl lässt daran zweifeln.
Wer bestialische Verbrechen von SS-Banditen »Vorgehen deutscher Soldaten«
nennt, Massenmord pervers als »Schäden an Leben« bezeichnet,
will abwiegeln. Dazu passt die Feststellung des Gerichts, nach Rechtslage
von 1944, an die man gebunden sei, »lag... die Vorstellung fern,
ein kriegführender Staat könne
sich durch Delikte seiner bewaffneten Macht während des Krieges im
Ausland (auch) gegenüber den Opfern unmittelbar schadensersatzpflichtig
machen«. Wortreichendes Bedauern wirkt da beschämend.
Indymedia
Berlin:
Goethe-Institut besetzt
von
Antifaschistische Linke Berlin - 26.06.2003 14:39
Als
Reaktion auf das heutige Distomo-Urteil,
mit dem der Bundesgerichtshof die Enschädigungsansprüche
von Opfern des Massakers von Distomo am 10.Juni 1944 ablehnte, haben AktivistInnen
der Antifaschistischen Linken Berlin das Berliner Goethe-Institut besetzt.
Sofortige
Entschädigung aller NS-Opfer und deren Hinterbliebener! Am heutigen
Donnerstag, den 26. Juni 2003 hat ein Dutzend AktivistInnen
der Antifaschistischen Linken Berlin [ALB] vorübergehend Räume
des Berliner Goethe-Institutes in der Neuen Schönhauser
Straße 20 in Berlin-Mitte besetzt. Sie wollten damit ihrer Forderung
nach sofortiger Entschädigung aller Opfer des NS-Terrors und deren
Hinterbliebener Nachdruck verleihen. Anlass war die heutige Urteilsverkündung
des Bundesgerichtshofes (BGH) in Karlsruhe über Schadenersatzansprüche
gegen die Bundesrepublik Deutschland wegen eines vor fast 60 Jahren stattgefundenen
Verbrechens. Nach einer halben Stunde beendete die ALB die Aktion - die AktivistInnen
verließen das Gebäude. Am
10. Juni 1944 hatte die faschistische Waffen-SS im griechischen Bergarbeiterdorf
Distomo in der Nähe von Delphi als "Vergeltungsaktion" für Partisanenaktivitäten
ein Massaker unter der Bevölkerung angerichtet, dem 218 Einwohner
des Dorfes - überwiegend Frauen und Kinder sowie ältere Menschen
- zum Opfer fielen. Das Dorf wurde anschlließend bis auf die Grundmauern
niedergebrannt. Die KlägerInnen, deren
Eltern bei dem Massaker ums Leben kamen, fordern von Deutschland, für
die in der Nazi-Zeit begangenen Verbrechen zu haften und Schadenersatzansprüche
zu begleichen. „Wir
haben uns bewusst für die Besetzung des Goethe-Institutes entschieden,
da dessen Eignerin die Bundesrepublik Deutschland, Rechtsnachfolgerin des
Dritten Reiches, ist. Bereits im September 2000 sollte unter anderem das
Goethe-Institut in Athen nach einem Urteil des obersten Gerichtshofes Griechenlands Aeropag
zwangsversteigert werden. Das Gericht hatte damals den Überlebenden
und Hinterbliebenen der Opfer des Distomo-Massakers
56 Millionen D-Mark Schadenersatz zugesprochen, die Bundesregierung jedoch
jegliche Zahlungen verweigert.“, erklärt eine Aktivistin der ALB.
„Auch“, so weiter, „habe die Bundesregierung damals diese Frage politisch
klären wollen, passiert ist jedoch bisher nichts.“. Deutschland
muss zahlen! Entschädigung aller NS-Opfer – sofort! Homepage:
http://www.antifa.de http://germany.indymedia.org/2003/06/55957.shtml
Tageszeitung
vom 27. Juni 2003 Kein
Geld für Distomo Bundesgerichtshof
schließt Anspruch auf individuellen Schadensersatz wegen SS-Massaker
in Griechenland aus. Bei Kriegsverbrechen gelten nur die Forderungen der
Heimatstaaten der Opfer aus Karlsruhe CHRISTIAN RATH Deutschland muss den
ausländischen Opfern von NS-Kriegsverbrechen keinen Schadensersatz
bezahlen. Dies stellte jetzt der Bundesgerichtshof (BGH) in einem Grundsatzurteil
fest. Geklagt hatten Angehörige der Opfer eines SS-Massakers im griechischen
Distomo. Dort waren 1944 mindestens 200 unbewaffnete Zivilisten von deutschen
Soldaten in einer Racheaktion ermordet worden, unter anderem die Eltern
der vier KlägerInnen. "Das
Massaker von Distomo war eines der abscheulichsten Verbrechen des Zweiten
Weltkriegs", stellte der Vorsitzende Richter Eberhard Rinne gestern klar.
Dennoch könne der BGH den Klägern keinen Schadensersatz zusprechen.
Das Gericht berief sich auf den völkerrechtlichen Grundsatz, wonach
bei Kriegsverbrechen nur der betroffene Staat, nicht aber die Opfer und
Angehörigen eine Wiedergutmachung verlangen können. Dies habe
zumindest zum Zeitpunkt der Tat noch gegolten. Inzwischen
lege das Völkerrecht zwar mehr Wert auf den Schutz individueller Menschenrechte,
so der BGH. Die Richter ließen aber offen, ob daraus heute finanzielle
Ansprüche entstehen könnten. Auf deutsches Recht können
sich die ausländischen Opfer deutscher Kriegsverbrechen zwar individuell
berufen. Allerdings soll laut BGH die "Amtshaftung" für das Fehlverhalten
deutscher Staatsdiener immer dann entfallen, wenn es sich um "Kriegsgeschehen"
handelt. Die
Kläger ahnten das und argumentierten deshalb, das Gemetzel in Distomo
sei eine "Polizeiaktion" gewesen. Doch auf diesen Dreh ließen sich
die Richter nicht ein. Es handele sich auch dann um eine "militärische
Operation", wenn Besatzungstruppen wehrlose Zivilisten ermorden, so der
BGH. Prozessbeobachter rechnen damit, dass der in Zürich lebende Kläger Argyris
Sfountouris Verfassungsbeschwerde einlegen wird. Was
macht Deutschland jetzt? In einem Brief an den Verein " http://www.taz.de/pt/2003/06/27/a0080.nf/text Tageszeitung
vom 26. Juni 2003 (Kommentar) DEUTSCHLAND
MUSS ENDLICH FÜR SEINE NS-VERBRECHEN GERADESTEHEN Gerichtsurteil ist
Sieg und Bürde Alles könnte so einfach sein. Wer einen Krieg
beginnt, muss hinterher jedem einzelnen Opfer den Schaden ersetzen. Wer
im Krieg Verbrechen begeht, muss später den Misshandelten und den
Angehörigen der Getöteten finanzielle Genugtuung leisten. Der Schadensrsatz
wäre so hoch wie das Leiden, also in der Regel unermesslich. Kriege
wären unbezahlbar und damit nicht mehr führbar. Doch
dazu wird es nicht kommen. Der Bundesgerichtshof hat gestern entschieden,
dass die individuellen Opfer nach einem Krieg keinen Anspruch gegen den
Täterstaat haben. Nur ihr Heimatstaat kann Ansprüche geltend
machen. Dabei ging es um ein SS-Massaker in Griechenland, das stellvertretend
für viele andere Gräueltaten des NS-Staates steht. Die
BGH-Entscheidung ist kein Skandal. Jedes andere Gericht auf der Welt hätte
vermutlich ebenso entschieden. Überall sind Individualansprüchen
nach einem Krieg ausgeschlossen. Dafür gibt es gute Argumente: Denn
auch bei voller Schadensersatzpflicht würde es Kriege geben, nur der
Frieden würde ungleich schwieriger. Das Eintreiben gigantischer Forderungen
würde auf Jahrzehnte hinaus das Entstehen einer neuen gedeihlichen
Nachbarschaft belasten. Deshalb spricht viel dafür, dass die beteiligten
Staaten sich nach Ende des Gemetzels über ausreichend schwere, aber
doch tragfähige Reparationen einigen. Eine solche Lösung kann
wohl nur durch politische Verhandlungen, nicht durch eine Vielzahl von
Gerichtsentscheidungen erreicht werden. Formal
ist das Urteil ein Sieg der Bundesregierung. Doch es ist zugleich eine
Bürde, denn es legt die politische Verantwortung Deutschlands offen.
Bisher hat Bonn/Berlin für die Opfer der SS-Massaker so gut wie nichts
getan. Der Verweis auf die Vorteile, die Griechenland aus der EU zieht,
ist absurd - die EU bringt allen Vorteile, und Deutschland ganz besonders. Wie
man hört, benötigt die Region um Distomo, Ort des Massakers,
eine Klinik für Krebspatienten. Hier läge eine nicht ganz billige,
aber doch auch im positiven Sinne symbolische, heilende Geste der Bundesregierung
nahe - nach immerhin 59 Jahren." CHRISTIAN RATH http://www.taz.de/pt/2003/06/27/a0139.nf/text
Frankfurter
Rundschau vom 27. Juni 2003 BGH
weist Distomo-Klage ab Kein
Schadenersatz für Hinterbliebene griechischer SS-Opfer Die
Bundesregierung muss Hinterbliebenen der Opfer von SS-Massakern in Griechenland
keinen Schadenersatz leisten. Der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe
wies am Donnerstag die Klage von vier Geschwistern ab, deren Eltern im
Juni 1944 in Distomo erschossen worden waren. Nur Staaten, nicht Privatpersonen
hätten nach dem seinerzeit geltenden Recht Anspruch auf Reparationen
wegen Kriegsverbrechen, so das Gericht.
Von
Ursula Knapp KARLSRUHE,
26. Juni. Eberhard Rinne, Vorsitzender des 3. Zivilsenats, nannte bei der
mündlichen Urteilsverkündung das Massaker von Distomo eines der
"abscheulichsten Kriegsverbrechen des Zweiten Weltkriegs". Richter könnten
den Fall aber nicht nach humanitären Gesichtspunkten, sondern "mit
den beschränkten Mitteln des Rechts" entscheiden. Danach gebe es weder
nach dem Völkerrecht noch nach bundesdeutschem Amtshaftungsrecht einen
individuellen Anspruch der Opfer auf Schadenersatzleistungen der Bundesregierung
(Az.: III ZR 245/98). Das
Massaker vom Juni 1944 im Bergdorf Distomo war eine Racheaktion von SS-Soldaten.
Weil Partisanen in einem Nachbarort die deutsche Wehrmacht angegriffen
hatten, wurden in Distomo 218 Frauen, Männer und Kinder erschossen,
unter ihnen ein Baby von zwei Monaten. Zu den Opfern gehörten die
Eltern des damals vierjährigen Argyris
Sfountouris. Er klagte jetzt mit seinen drei Schwestern. Der
BGH beurteilte den Fall nach der 1944 geltenden Völkerrechtsprechung.
Danach gebe es bei Kriegsverbrechen nur einen Anspruch der Staaten untereinander.
Das gelte auch bei Verletzung der Menschenrechte. Dass im Völkerrecht
inzwischen teils individuelle Ansprüche der Opfer bejaht werden, ist
laut BGH für die Beurteilung des damaligen Falles nicht maßgeblich.
Da die Bundesrichter keine verfassungsrechtlichen Zweifel an der völkerrechtlichen
Beurteilung hatten, legten sie die Frage nicht dem Bundesverfassungsgericht
vor, wie es der Anwalt der griechischen Opfer beantragt hatte. Auch
eine Haftung der Bundesrepublik für die Verletzung von Amtspflichten
durch das Deutsche Reich verneinte der BGH. Zu der "Sühneaktion" sei
es im, nicht außerhalb des Kriegsgeschehens gekommen. Kriegshandlungen
im Ausland seien von der Amtshaftung aber nicht erfasst. Auch hier gelte,
dass die Haftung nach der 1944 geltenden Rechtsauffassung nur unter den
Krieg führenden Staaten erfolge. Deutschland hatte 1960 Reparationszahlungen
in Höhe von 115 Millionen DM an Griechenland bezahlt. Das
Urteil des 3. Zivilsenats ist rechtskräftig und hat grundsätzliche
Bedeutung, da in Griechenland tausende ähnlicher Klagen anhängig
sind. Die vier Geschwister können aber noch das Bundesverfassungsgericht
anrufen. Ob sie es tun, blieb zunächst offen. Auch der Europäische
Menschenrechtsgerichtshof hatte 2002 Schadenersatzzahlungen der Bundesregierung
an Griechen abgelehnt, die ein griechisches Gericht zunächst zugesprochen
hatte. http://www.fr-aktuell.de/ressorts/nachrichten_und_politik/deutschland/?cnt=239412
Kommentar
(FR vom 27. Juni 2003) Zum
Schluss Von
Matthias Arning Der
Schlusspunkt ist gesetzt. Selbst wenn 60 000 weitere Kläger in Griechenland
auf ein anderes Signal des Bundesgerichtshofs gehofft haben und die abgewiesenen
Nachfahren der Opfer von Distomo noch Verfassungsbeschwerde in Karlsruhe
einlegen sollten - die Abweisung ihrer Ansprüche auf Schadenersatz
markiert das Ende der Debatte über Entschädigungen für Unrecht,
das die Nationalsozialisten angerichtet hatten. Das
gilt zumindest für die juristische Ebene. Noch einmal verwiesen Vertreter
der Bundesregierung in diesem Verfahren wegen eines Massakers der SS aus
dem Jahr 1944 auf die Staatenimmunität, die individuelle Ansprüche
negiert, Und sie brachten den "2 plus 4"-Vertrag vor. Ein Kontrakt, geschlossen
im Zuge der deutschen Vereinigung, der Forderungen einzelner Bürger
auf zwischenstaatliche Vereinbarungen zur Versöhnung verweist. Das
gilt allerdings schon nicht mehr für die historische Dimension. Die
frühere Absage an die Ansprüche ehemaliger italienischer Militärinternierter
auf Entschädigung etwa steckte bereits das Spektrum der Interpretation
ab: Betrachteten manche Historiker diese Opfer als nicht anspruchsberechtigte
Kriegsgefangene, galten sie anderen als Zwangsarbeiter und also in die
Lage versetzt, Ansprüche geltend zu machen. Auf Distomo bezogen stellt
sich die Frage, wo Kriegshandlungen enden und Peinigungen von Zivilisten
beginnen. Das führt über den Schlusspunkt hinaus. Und dann geht
es perspektivisch darum, ob sich individuelle Ansprüche von Opfern
völkerrechtlich überhaupt noch ausklammern lassen. http://www.fr-aktuell.de/ressorts/nachrichten_und_politik/die_seite_3/?cnt=239383
FR-online,
26. Juni 2003 BGH:
Keine Entschädigung für griechische SS-Opfer
Karlsruhe
(dpa) - Deutschland muss für ein Kriegsverbrechen des Naziregimes
in Griechenland keinen Schadensersatz an die Hinterbliebenen zahlen. In
einem Grundsatzurteil hat der Bundesgerichtshof (BGH) am Donnerstag die
Forderungen vier griechischer Kläger wegen eines vor fast 60 Jahren
begangenen SS-Massakers in Griechenland abgewiesen. Die
Eltern des in Zürich lebenden Argyris
Sfountouris und seiner drei Schwestern waren am 10. Juni 1944 zusammen
mit zahlreichen Bewohnern des griechischen Dorfs Distomo bei Delphi von
einer SS-Einheit erschossen worden. Mit einer "Vergeltungsaktion" hatten
die Soldaten nach einem Partisanenüberfall Rache an den daran unbeteiligten
Zivilisten genommen. Sie töteten mindestens 217 Menschen, überwiegend
Frauen und Kinder. Mit
dem BGH-Urteil bleibt das Massaker von Distomo in Deutschland ohne juristische
Konsequenzen. Der Vorsitzende des III. Zivilsenats, Eberhard Rinne, sagte
bei der Urteilsverkündung: "Das Massaker von Distomo war eines der
abscheulichsten Kriegsverbrechen des Zweiten Weltkriegs." Allerdings müsse
der BGH den Fall "mit den beschränkten Mitteln des Rechts zu lösen
versuchen". Ansprüche der Hinterbliebenen ließen sich weder
aus dem Völkerrecht noch aus deutschem Amtshaftungsrecht ableiten.
(Aktenzeichen: III ZR 245/98 vom 26. Juni 2003) Deutschland,
das nach einem Vertrag von 1960 bereits Reparationen in Höhe von 115
Millionen D-Mark an Griechenland gezahlt hatte, lehnt eine Entschädigung
der Hinterbliebenen ab. Zwar
hat ein griechisches Gericht 1997 mehr als 200 Nachkommen der Distomo-Opfer
knapp 29 Millionen Euro zugesprochen. Der höchste Gerichtshof Griechenlands,
der Areopag, bestätigte das Urteil drei Jahre später, und die
Kläger betrieben gar die Zwangsversteigerung des Athener Goethe-Instituts,
die letztlich an der mangelnden Zustimmung der griechischen Regierung scheiterte. Aber
nach Ansicht des BGH verstößt das griechische Urteil gegen den
völkerrechtlichen Grundsatz der Staatenimmunität, wonach ein
Staat nicht über einen anderen zu Gericht sitzen darf. Diesen Grundsatz hatten
im vergangenen Jahr der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte
und - in einem ähnlichen Fall - das Oberste Sondergericht Griechenlands
bestätigt. Damit entfalte das griechische Urteil in Deutschland keine
Rechtskraft, befand das Karlsruher Gericht. Für
die Beurteilung der Hinterbliebenenforderungen ist nach den Worten Rinnes
die Rechtslage des Jahres 1944 maßgeblich, wobei nationalsozialistisches
Gedankengut selbstverständlich unberücksichtigt bleibe. Aus einer
Verletzung des Kriegsvölkerrechts - hier ging es um die Haager Landkriegsordnung
- könnten nach damaliger Auffassung allein Staaten, nicht aber Einzelpersonen
Ansprüche ableiten. Eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts
von 1996, die diesen Grundsatz relativiere, habe für dieses Verfahren
keine Bedeutung. Auch
eine Haftung der Bundesrepublik für die Verletzung von Amtspflichten
durch das Deutschen Reich lehnte der BGH ab. Für Kriegshandlungen
habe das Recht damals keine Einstandspflicht des Staates vorgesehen. "Der
Krieg wurde als völkerrechtlicher Ausnahmezustand gesehen, der seinem
Wesen nach auf Gewaltanwendung ausgerichtet ist und die im Frieden geltende
Rechtsordnung weitgehend suspendiert." Strafrechtliche Ermittlungen zum
Massaker von Distomo hatte die Münchner Justiz Anfang der 70er Jahre
wegen Verjährung eingestellt. Nach Angaben von Aktion Sühnezeichen
Friedensdienste töteten die deutschen Besatzer in Griechenland bei
"Vergeltungsmaßnahmen" etwa 30 000 Menschen und zerstörten 460
Ortschaften. http://www.fr-aktuell.de/ressorts/nachrichten_und_politik/nachrichten_aktuell/?loc=&cnt=239162 Karlsruhe/Istanbul
- Opfer von deutschen Kriegsverbrechen imm Zweiten Weltkrieg haben keine
eigenen Schadenersatzansprüche gegen Deutschland. Der Bundesgerichtshof
(BGH) verneinte auf eine Klage von Überlebenden des Massakers 1944
im griechischen Distomo sowohl direkte Ansprüche gegen die Bundesrepublik
als auch eine Haftung für Schulden des Deutschen Reichs. Weder das
Völkerrecht noch nationales Recht gäben eine Grundlage für
Ansprüche von Einzelpersonen, hieß es in der Begründung
des BGH. Zum
einen stünden Schadenersatzansprüche nach der hier maßgeblichen
Rechtslage von 1944 nicht einzelnen Geschädigten, sondern nur deren
Heimatstaat zu. Zum andern habe es damals keine Amtshaftung eines Staates
für Rechtsverletzungen durch Kriegshandlungen im Ausland gegeben.
Auch die Voraussetzungen einer Vorlage des Verfahrens an das Bundesverfassungsgericht
seien nicht erfüllt, sagte BGH-Richter Eberhard Rinne. Es ist zu erwarten,
dass die griechischen Kläger sich mit einer Verfassungsbeschwerde
an das höchste deutsche Gericht wenden. Rinne
nannte das Distomo-Massaker "eines der abscheulichsten
Kriegsverbrechen des Zweiten Weltkriegs". Eine in die Wehrmacht eingegliederte
Einheit der SS hatte am 10. Juni 1944 nach einem Gefecht mit Partisanen
als "Sühnemaßnahme" fast die gesamte Zivilbevölkerung des
Dorfes ermordet. Zu den 228 Getöteten gehörten auch die Eltern
des klagenden Argyris Sfountouris und seiner
drei Schwestern. Die Überlebenden verlangten Schadenersatz wegen beruflicher
Nachteile und wegen der Zerstörung ihres Elternhauses. Sie gewannen
zwar zunächst vor griechischen Gerichten, das oberste Sondergericht
Griechenlands lehnte jedoch eine Zwangsvollstreckung in deutsches Vermögen
in Griechenland, etwa in das Goethe-Institut in Athen, ab. Eine dagegen
gerichtete Klage an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte
blieb ohne Erfolg. Kläger
Sfountouris zeigte sich enttäuscht über das Urteil. Der Süddeutschen
Zeitung sagte er, "das historische Wissen des BGH ist 1944 stecken geblieben
". Deutschland sollte "einen befreienden Schritt machen" und die Opfer
entschädigen. "Sonst bleibt das eine moralische Zeitbombe", meinte
Sfountouris. Richter
Rinne nannte das Vorgehen der Kläger verständlich. Dem Richter
sei jedoch der Weg zu moralisch, humanitär und politisch gerechtfertigten
Forderungen versperrt. Der BGH habe den Fall "mit den beschränkten
Mitteln des Rechts zu lösen versucht", sagte er. Dieses biete der
Klage keine Grundlage. Der
BGH begründete dies auch mit der Wirkung des Zwei-plus-Vier-
Vertrags von 1990. Er sei zwar "kein Friedensvertrag im herkömmlichen
Sinn", habe aber eine abschließende Regelung zum Ziel gehabt. Deshalb
sei mit dem Vertrag die im Londoner Schuldenabkommen von 1953 vorgesehene
Stundung von Schulden des Deutschen Reiches "gegenstandslos geworden".
Der BGH setzte sich auch mit der Haager Landkriegsordnung von 1907 auseinander.
Bei Verletzungen dieses Kriegsvölkerrechts habe 1944 das "Prinzip
der ausschließlichen Staatenberechtigung" gegolten, weshalb etwaige
Schadenersatzansprüche nicht einzelnen Geschädigten zugestanden
hätten. Das Völkerrecht stelle zwar heute auch nach einer Entscheidung
des Bundesverfassungsgerichts "weitergehende Schutzsysteme zur Verfügung".
Dies müsse aber bei einer auf das Jahr 1944 bezogenen rechtlichen
Bewertung außer Betracht bleiben. Der BGH folgte nicht der Auffassung
des Kläger-Anwalts, bei dem SS-Massaker habe es sich um außerhalb
des Kriegsgeschehens liegende Übergriffe gegen die Zivilbevölkerung
im Sinn einer bloßen "Polizeiaktion" gehandelt. (Az:IIIZR245/ 98) http://www.sueddeutsche.de/sz/politik/red-artikel4669/ Berliner
Zeitung vom 27. Juni 2003 BGH
weist Klage griechischer SS-Opfer ab Kein
Schadenersatz nach Massaker in Distomo AFP KARLSRUHE,
26. Juni. Die Hinterbliebenen eines SS-Massakers in dem griechischen Dorf
Distomo während des Zweiten Weltkrieges haben keinen Rechtsanspruch
auf Schadenersatz durch die Bundesrepublik. Das entschied am Donnerstag
der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe. Die Richter verwiesen zur Begründung
auf das Völkerrecht. Danach haben nur Staaten Anspruch auf Schadenersatz,
nicht jedoch Einzelpersonen. In Distomo hatten Einheiten der Waffen-SS
am 10. Juni 1944 als Vergeltung für einen Partisanenangriff auf deutsche
Soldaten mindestens 218 Menschen getötet. Zu den Opfern zählten
auch die Eltern des damals vierjährigen Argyris
Sfountouris, der nun zusammen mit seinen Schwestern die Bundesrepublik
auf Schadenersatz verklagte. Der BGH bezeichnete das Massaker als eines
der abscheulichsten Kriegsverbrechen des Zweiten Weltkrieges. Es sei verständlich,
dass die Opfer Entschädigung forderten, die moralisch, humanitär
und politisch auch gerechtfertigt sei. Doch solche Wege seien dem Gericht
versperrt: Es sei beschränkt auf die Mittel des Rechts, die keine
Grundlage für einen Schadensersatzanspruch böten, sagte der Vorsitzende
Richter. Die
Kläger hatten den Prozess gegen die Bundesrepublik zunächst in
Griechenland geführt und 1997 vom Landgericht Livadeia
Schadenersatzanspruch in Höhe von 23 Millionen Euro zuerkannt bekommen.
Den Antrag der Bundesregierung auf Aufhebung des Urteils hatte das oberste
griechische Zivilgericht im April 2000 zurückgewiesen. Der Versuch,
das Urteil durch eine Zwangspfändung von Immobilien des Goethe-Instituts
in Athen zu vollstrecken, scheiterte jedoch, weil die griechische Regierung
nicht die nach dem dortigen Recht erforderliche Genehmigung erteilte. (AFP) http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/politik/255405.html Spiegel-online,
26. Juni 2003 BUNDESGERICHTSHOF Klage
wegen SS-Massakers abgewiesen Deutschland
muss keinen Schadensersatz an Hinterbliebene eines SS-Massakers in Griechenland
zahlen. Der Bundesgerichtshof wies die Klage von vier Griechen ab, deren
Eltern am 10. Juni 1944 zusammen mit zahlreichen Bewohnern des Bergdorfs
Distomo bei Delphi von einer SS-Einheit erschossen wurden. Karlsruhe
- Mit einer "Vergeltungsaktion" hatten diie Soldaten nach einem Partisanenüberfall
Rache an den Zivilisten genommen. Dabei kamen wurden mindestens 217 Menschen
getötet. Das älteste Opfer war 85 Jahre alt, das jüngste
ein zwei Monate alter Säugling. Das Urteil hat grundsätzliche
Bedeutung, da in Griechenland rund 60.000 ähnliche Klagen anhängig
sind. Bei der Verhandlung hatte der Vertreter der Bundesregierung argumentiert,
die Massenmorde seien Teil kriegerischer Handlungen gewesen. Dass die Taten
völkerrechtswidrig gewesen seien, sei unstreitig, das begründe
aber nur einen Anspruch des griechischen Staates gegenüber dem deutschen
Staat. Deutschland
lehnt bisher Entschädigungszahlungen an Hinterbliebene ab. Zwar hatte
ein griechisches Gericht den Nachkommen der Distomo-Opfer
1997 knapp 29 Millionen Euro zugesprochen. Dieses Urteil ist aber in Deutschland
aus völkerrechtlichen Gründen nicht vollstreckbar. Der
Anwalt der Opfer bestritt dagegen, dass es sich um eine kriegerische Auseinandersetzung
gehandelt habe. Vielmehr habe der Partisanenangriff außerhalb von
Distomo stattgefunden und sei bereits abgeschlossen gewesen. Deshalb treffe
die Bundesregierung auch eine Schadenersatzpflicht. Aktenzeichen:
Bundesgerichtshof III ZR 245/98 http://www.spiegel.de/panorama/0,1518,254652,00.html Frankfurter
Allgemein Zeitung vom 27. Juni 2003 Deutschland
haftet nicht für Massaker der Waffen-SS Nachfahren
griechischer Opfer scheitern in Karlsruhe / Bundesgerichtshof: Kein Anspruch
des einzelnen Mü.
FRANKFURT, 26. Juni. Die Nachkommen der griechischen Opfer eines Massakers
der Waffen-SS haben keine Ansprüche gegen Deutschland. Das hat der
Bundesgerichtshof am Donnerstag entschieden. Er setzte damit einen Schlußpunkt
unter ein seit 1998 in Karlsruhe anhängiges Verfahren, das zeitweise
wegen parallel laufender Prozesse in Griechenland nicht weiterbetrieben
worden war. Das Landgericht im griechischen Livadeia
hatte den Klägern 1997 Ansprüche in Millionenhöhe gegen
Deutschland zuerkannt, was der oberste Gerichtshof im Grundsatz bestätigte.
Der Versuch einer Zwangsvollstreckung in deutsches Vermögen in Griechenland
(etwa das Goethe-Institut) scheiterte letztlich, weil die griechische Regierung
die nötige Genehmigung verweigerte. Die Kläger zogen deshalb
vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg,
wo sie jedoch unterlagen. In
Deutschland hatten sowohl das Landgericht Bonn als auch das Oberlandesgericht
Köln die Klage abgewiesen. Auch der Bundesgerichtshof ist der Ansicht, daß
es weder einen Anspruch auf Schadensersatz noch einenauf
eine Entschädigung wegen des Massakers am 10. Juni 1944 in Distomo
gibt. Damals hatte die in die Wehrmacht eingegliederte Einheit nach einem
Kampf gegen Partisanen etwa 300 Dorfbewohner und 12 gefangene Partisanen
erschossen. Die Tat wurde als "Sühnemaßnahme" bezeichnet. Die
Karlsruher Richter mußten beurteilen,
inwieweit die Bundesrepublik Deutschland für eine mögliche Schuld
des Deutschen Reiches haftet. Denn eine "selbständige Nachkriegsverpflichtung"
der Bundesrepublik gebe es nicht: Weder lägen die Voraussetzungen
des Bundesentschädigungsgesetzes von 1953 vor, noch ergebe sich ein
Anspruch aus dem Londoner Schuldenabkommen aus demselben Jahr, da es im
Zuge der Wiedervereinigung mit dem Zwei-plus-vier-Vertrag gegenstandslos
geworden sei. Da
es also auf ein mögliche Haftung des
Deutschen Reiches ankam, prüfte der Bundesgerichtshof die (Kriegs-)Rechtslage
im Jahr 1944. Ausdrücklich heben die Karlsruher Richter hervor, es
verstehe sich von selbst, daß hierbei
nationalsozialistisches Gedankengut unberücksichtigt bleibe. Doch
habe es damals im Fall von Verletzungen des Kriegsvölkerrechts nur
Ansprüche des Heimatstaats der Opfer gegen den verantwortlichen Staat
gegeben. Anders als in "Schutzsystemen" des heutigen Völkerrechts
habe damals der geschädigte einzelne nicht gegen den Staat vorgehen
können, wie sich etwa aus der Haager Landkriegsordnung ergebe. Der
Bundesgerichtshof wies die Auffassung der Kläger zurück, es habe
sich bei dem Massaker um Übergriffe gehandelt, die außerhalb
des Kriegsgeschehens gelegen hätten. Es sei unstreitig, daß
das Massaker in einem "von der Haager Landkriegsordnung erfaßten
Bereich" geschah. Das sei eine militärische Operation gewesen, auch
wenn wehrlose Zivilisten dabei getötet worden seien. Es
habe auch keinen Amtshaftungsanspruch gegen das Deutsche Reich gegeben.
Denn nach damaligem Verständnis haftete der Staat nicht für Pflichtverletzungen
seiner Bediensteten gegenüber Ausländern, die im Ausland durch
Kriegshandlungen geschädigt worden seien. Der Krieg habe als völkerrechtlicher
Ausnahmezustand gegolten, der mit seinen Folgen auf der zwischenstaatlichen
Ebene zu regeln sei. Der Vorsitzende Richter sagte, der Massenmord sei
eines der abscheulichsten Verbrechen des Zweiten Weltkriegs gewesen. Doch
habe das Gericht "mit den beschränkten Mitteln des Rechts" entscheiden
müssen. Die
Welt vom 27. Juni 2003 Richter
lehnen Schadenersatz-Klage wegen SS-Massakers ab Nachkommen von den
Nazis erschossener Griechen unterliegen vor dem Bundesgerichtshof:
Nach dem Urteil beruft sich Deutschland auf die Staatenimmunität Frauen
stehen in Distomo in Griechenland an den Gräbern der 1944 Ermordeten Foto:
AP Karlsruhe
-Deeutschland muss keinen Schadensersatz
an Hinterbliebene eines vor fast 60 Jahren begangenen SS-Massakers in Griechenland
zahlen. Dies hat der Bundesgerichtshof in Karlsruhe am Donnerstag entschieden.
Die Richter wiesen die Klage von vier Griechen ab. Ihre Eltern waren im
Jahr 1944 zusammen mit mindestens 215 Bewohnern des griechischen Dorfs
Distomo bei Delphi von einer SS-Einheit erschossen worden. Der
3. Zivilsenat hatte darüber zu entscheiden, ob Deutschland für
das Massaker haften muss oder sich bei Kriegsschäden auch gegenüber
Privatpersonen auf bisher geleistete Reparationen und den Grundsatz der
Staatenimmunität berufen kann. Danach darf ein Staat nicht über
einen anderen zu Gericht sitzen. In
der Revisionsverhandlung am 12. Juni hatte die Bundesregierung das Geschehen
in Distomo zwar bedauert, aber Schadenersatzzahlungen abgelehnt. Am 10.
Juni 1944 hatte eine Einheit der Waffen-SS in einer Vergeltungsaktion nach
einem Partisanenüberfall etwa 300 Bewohner des griechischen Dorfes
erschossen und ihre Häuser niedergebrannt. Vor
dem Landgericht Bonn und dem Oberlandesgericht Köln war die Klage
eines in Zürich lebenden Griechen und seiner drei Schwestern erfolglos
geblieben. Ihre Eltern waren bei dem Überfall getötet worden.
Bekämen die Kläger Recht, hätte dies immense Konsequenzen,
wie der Prozessbevollmächtigte der Bundesrepublik sagte. In ganz Europa
seien mehrere tausend ähnlicher Klagen anhängig (Az.
III ZR 245/98).WELT.de/ddp/dpa "Jungle World" Nr. 28 vom 02. Juli 2003 Alles,
was Recht ist Urteil im Distomo-Prozess
von larsreissmann
Die
Linie war von der rot-grünen Bundesregierung vorgegeben. Die Ansprüche
von Hinterbliebenen des Massakers vom 10. Juni 1944 im griechischen Ort
Distomo wies der dritte Zivilsenat des Bundesgerichtshofes in Karlsruhe
zurück. »Für die Beurteilung der Klageansprüche«,
heißt es in der Begründung, »ist die Rechtslage zur Zeit
der Tat (.) also des Jahres 1944 (.)
maßgebend.« Diese Haltung erinnert an den Ausspruch Hans Filbingers,
des vor 25 Jahren zum Rücktritt gezwungenen Ministerpräsidenten
von Baden-Württemberg und ehemaligen NS-Kriegsmarinerichters: »Was
damals Recht war, kann doch heute nicht unrecht sein.« Die
Richter in Karlsruhe wiesen die Klage der Geschwister Sfountouris, deren
Familie 30 der 218 in Distomo ermordeten Menschen angehörten, zurück.
Ein Präzedenzfall schien möglich: die Anerkennung eines NS-Massakers
an der Zivilbevölkerung, die in Berlin als Bedrohung empfunden wird.
Allein für griechische Opfer wären bei 60 000 in Griechenland
anhängigen ähnlichen Klagen etwa fünf Milliarden Euro Entschädigung
zu zahlen gewesen. Bei Berücksichtigung der Betroffenen vor allem
in Osteuropa erreichte die Summe grob geschätzt mindestens das zehn-
bis 20fache. In
das deutsche Rechtsbewusstsein und in das Urteil des Bundesgerichtshofes
fand der besondere Schutz der Zivilbevölkerung, der bereits in der
Haager Landkriegsordnung von 1907 verbürgt ist, keinen Eingang. Vielmehr
versucht man noch heute, die Massaker der so genannten »Sühnemaßnahmen«
gerade mit dem Haager Abkommen zu rechtfertigen, indem immer noch von Vorgängen
im Rahmen des »Kriegsgeschehens« gesprochen wird. Die Rechtsgrundlage
und die Rechtspraxis der Nürnberger Prozesse, in der solche Verbrechen
an der Menschheit verurteilt wurden, werden nicht beachtet. Man weigert
sich, NS-Verbrechen juristisch zu fassen und als Straftaten zu verurteilen. Dabei
gibt es sehr wohl Rechtsgrundlagen für die Gewährung individueller
Entschädigung bei NS-Massakern. Joachim Kummer, der Anwalt der Opfer,
wies diese Tendenz im internationalen Recht nach und machte auf die zivilrechtlichen
Ansprüche gegen die Bundesrepublik als Funktionsnachfolger des Deutschen
Reiches im Sinne der Amtshaftung aufmerksam. Doch der Bundesgerichtshof
folgt zur Abwehr dieser Ansprüche eindeutig der nationalsozialistischen
Rechtsauslegung: »Nach damaligem Verständnis war eine Einstandspflicht
des Staates (.) nicht gegeben.« Der
vorsitzende Richter Eberhard Rinne meinte, die Sache ließe sich »mit
den beschränkten Mitteln des Rechts« nicht lösen. Eine
Überweisung an das Bundesverfassungsgericht wäre ein sehr bescheidener,
aber möglicher Schritt gewesen. Die jetzige Entscheidung beweist den
uneingeschränkten Willen, Klagen von Opfern des Nationalsozialismus
niederzuschlagen. Die bundesdeutsche Gesellschaft und insbesondere ihre
Rechtsorgane haben nicht nur den NS-Opfern die Anerkennung und Entschädigung
versagt, sondern auch die strafrechtliche Verfolgung der Täter unterlassen
und verhindert. Die
rot-grüne Regierung ist auch weiterhin nicht gewillt, mit der griechischen
Seite zu verhandeln. Vorschläge zur Einrichtung eines Härtefonds
sind zur Zeit noch aussichtslos. Mehr politischer
Druck, möglichst internationaler, ist nötig, damit die NS-Opfer
entschädigt werden.
Berliner
Zeitung 27.06.2003
Lächerliche 115 Millionen als Wiedergutmachung Nach einem Urteil des Bundesgerichtshofes ist Deutschland nicht verpflichtet, Schadenersatz an Hinterbliebene von SS-Opfern in Griechenland zu zahlen. Mit Blick auf ein anders lautendes griechisches Urteil, beruft sich der BHG unter anderem auf den Grundsatz der Staatenimmunität. Danach kann ein Gericht eines Staates nicht über einen anderen Staat urteilen. Die Argumentation des BGH verdeckt den politischen Kern des Problems: Erst die jahrzehntelange Weigerung Deutschlands, umfassende Wiedergutmachnung zu leisten, hat zu den 60 000 Individualklagen vor griechischen Gerichten geführt. Zwischen 1941 und 1944 wurden von den deutschen Besatzern 130 000 griechische Zivilisten getötet oder verschleppt. 1946 bezifferten die Siegermächte die Schadenersatzansprüche Griechenlands auf 7,5 Milliarden US-Dollar, nicht einbezogen die Rückzahlung eines erzwungenen "Kriegskredits". Vierzehn Jahre dauerte es, bis die Bundesrepublik lächerliche 115 Millionen D-Mark zahlte. Weitere Zahlungen wurden mit dem Hinweis auf das Fehlen eines Friedensvertrages verweigert. Doch nachdem 1990 der 2+4-Vertrag geschlossen wurde, erklärte die Bundesregierung plötzlich, nach 50 Jahren habe die Reparationsfrage ihre Berechtigung verloren. Wenn griechische NS-Opfer dies als perfiden Betrug ansehen, so ist das verständlich. Der Fakt, dass die griechische Regierung die Reparations-Ansprüche nicht nachdrücklich verfolgte, ändert die Sachlage wenig. Er ist vor allem Beleg für die wirtschaftliche Abhängigkeit Griechenlands. Roland Heine Ressort:Politik Berliner
Zeitung vom 28.Juni 2003
Ressort:Feuilleton
Autor:Götz Aly
Unbezahlbare
Rechnungen
Warum
für das SS-Massaker im griechischen Distomo keine Entschädigung
geleistet werden soll
zum
Ursprungsartikel von Götz
Aly-Artikel: Unbezahlte Rechnungen aus der Berliner Zeitung
vom 28.6.03) Am
26. Juni hat der BGH die Schadenersatzklage von vier Klägern aus dem
griechischen Distomo abgewiesen. Sie forderten Entschädigung für
ein Massaker, das die SS am 10. Juli 1944 beging und dem 218 Einwohner
zum Opfer fielen. Der Historiker Götz Aly
verteidigte in dieser Zeitung das BGH-Urteil:
"Unbezahlbare Rechnungen" (Feuilleton vom 28.6.) könnten nicht beglichen
werden. Wir drucken, leicht gekürzt, die Antwort eines der Kläger,
der am 6. September 1940 in Distomo geboren wurde. Argyris Nazi-
und BGH-Opfer Athen,
5. Juli 2003
http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/feuilleton/258810.html Weitere Pressestimmen vom Verfahren
am BGH hier zum Herunterladen
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