TAPFERER RITTER

Richard Fletchers "El Cid"

Vor 1000 Jahren prallten in Spanien zwei Kulturen aufeinander, deren Konflikt bis an den heutigen Tag anhält: die christlich-abendländische und die arabisch-islamische.

Die Eroberung der Iberischen Halbinsel im 8. Jahrhundert war unter ethnischem Gesichtspunkt weniger ein Werk der Araber als der Berber. Das maurische Spanien verselbständigte sich im Laufe der Zeit und brachte eine Kultur hervor, die zum damaligen Zeitpunkt in Europa führend war. Von den architektonischen Zeugnissen sind u.a. erhalten geblieben die Alhambra, die Große Moschee und der Alkazar in Sevilla. In Afrika gingen aus der maurischen Kultur Herrscher-Dynastien hervor, die Nordafrika in politischer, wirtschaftlicher und kultureller Hinsicht zur Drehscheibe des Mittelmeerraumes machten.

Zu Beginn des 11. Jahrhunderts umfasste das Omaijadenkalifat von Córdoba den weitaus größten Teil der Iberischen Halbinsel. Lediglich der Norden unterstand noch der Hoheit christlicher Herrscher, der Könige von León, Kastilien, Navarra und Aragonien. Schon bald nach dem Tod des mächtigen Omaijadenherrschers Mohammed ibn Abi Amir al-Mansur 1002 zeichnete sich im Kalifat jedoch der Niedergang ab, und 1031 zerbrach die Herrschaft der Omaijaden an inneren Konflikten. Das Kalifat wurde in mehrere kleine Fürstentümer aufgeteilt, zwischen denen es immer wieder zu Auseinandersetzungen kam.

Ähnlich geschwächt und untereinander zerstritten waren die christlichen Nachbarstaaten im Norden der Iberischen Halbinsel, so dass sie die aufgrund des Zerfalls des Kalifats günstige Gelegenheit, die Mauren zurückzudrängen bzw. aus Spanien zu vertreiben, ungenutzt verstreichen ließen. Erst in der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts nahm Ferdinand I. von Kastilien und León den Kampf gegen die Mauren auf. Sein Sohn Alfons I., der 1072 die Nachfolge in Kastilien antrat, führte mit französischer Hilfe den Kampf fort und eroberte 1085 schließlich die bedeutende maurische Festung Toledo. In dieser Phase der sogenannten Reconquista, der „Rückeroberung“ Spaniens, schwang sich Rodrigo Díaz de Vivar zu einem der bedeutendsten Heerführer im christlichen Spanien auf; mit Respekt nannte ihn ganz Spanien mit seinem Beinamen El Cid, einer Entstellung des arabischen al-sajjid, „der Herr”. Alfons I. tolerierte zunächst Religion und Kultur seiner neuen maurischen Untertanen. Die Mönche aus Cluny, die Alfons selbst nach Spanien geholt hatte, um hier die Kirche zu reformieren, lehnten diese tolerante Haltung jedoch ebenso ab wie der Papst. Und so nahm der Krieg gegen die Mauren rasch den Charakter eines Kreuzzuges gegen die „Ungläubigen“ an.

Von Alfons I. mit übermäßigen Steuern belastet, durch die Überfälle El Cids zusätzlich in die Enge getrieben, riefen die Mauren in Spanien schließlich die Berber-Dynastie der Almoraviden zu Hilfe. Die hatten damals bereits fast das gesamte Nordafrika unterworfen. 1086 setzten die Almoraviden nach Spanien über und brachten am 23. Oktober 1086 den christlichen Heeren bei Badajoz eine vernichtende Niederlage bei. In der Folgezeit eroberten die Almoraviden den größten Teil Spaniens, drangen sogar bis nach Katalonien vor und fügten Alfons noch weitere Niederlagen zu. Allein El Cid konnte zumindest kleinere Teilerfolge gegen die Almoraviden erringen. 1094 eroberte er Valencia, das er bis zu seinem Tod 1099 behaupten konnte.

Im Sachbuch El Cid – Leben und Legende des spanischen Nationalhelden von Richard Fletscher berichtet der Autor von jenen Ereignissen auf der iberischen Halbinsel und der historische Gestalt des Ritters El Cid.

Seit der Hollywood-Verfilmung mit Charlton Heston in der Hauptrolle, dürfte der Namen El Cid einem großen Publikum ein Begriff sein. Nur hatte dieser Hollywood-Film mit der Realität des Mittelalters und der historischen Figur des El Cid wenig gemein. An einer idealisierenden Verklärung des Cid und seiner Taten war aber nicht erst Hollywood gelegen. Die vermeintlichen Heldentaten des Cid sind Gegenstand der Historia Roderici, einer lateinischen Erzählung aus dem beginnenden 12. Jahrhundert, und des Cantar de mío Cid (Das Gedicht vom Cid). Dieses volkssprachliche Epos entstand um 1200 und beschreibt das goldene Zeitalter des mittelalterlichen Rittertums sowie die Heldentaten Cid. Es stilisiert in einer Mischung aus historischer Wahrheit und Fiktion den Cid zum tapferen, ehrenhaften, treuen Ritter und Lehnsmann und zum Symbol der Reconquista. El Cid ist nicht nur der Held einiger der schönsten spanischen Balladen, sondern auch u.a. von Pierre Corneilles Tragödie Le Cid (1637, Der Cid).

Die Quellenlage über El Cid ist äußerst dürftig: Dichtung und Wahrheit vermischten sich bereits bald nach seinem Tod. Der Historiker Richard Fletscher steht vor dem Problem, dass sein Buch El Cid zwar den Titel trägt, als handele es sich dabei um eine Biographie. Letztendlich sind aber die Informationen über dessen Leben so dünn, dass der Cid nicht umsonst erst auf Seite 100 seines Buches auftaucht. Und nicht nur über den Cid wissen die Historiker im Grunde wenig zu berichten: auch zuverlässige Zeugnisse aus jener Epoche, etwa über das Kastilien des 9. Jahrhunderts, sind äußerst spärlich.

Zudem sind die Kriege, Bündnisse und Kämpfe jener Zeit äußerst komplex und verwirrend, dem der Autor leider keine klare Darstellung entgegensetzen kann. In Fletschers Buch tauchen Hunderte von Personen und Städtenamen auf, hinter denen sich ob der schlechten Quellenlage aber keine „Geschichten“ verbergen, sondern leider fast ausschließlich spärliche Fakten. Fletschers Buch ist leider für den „gewöhnlichen Leser“, gerade auch durch seinen trockenen, akademischen Tonfall, kaum geeignet. Das Sachbuch richtet sich leider vielmehr an den Studenten der Geschichte mit dem Hauptfach „Spanisches Mittelalter“.

M.H.


Richard Fletscher, El Cid - Leben und Legende des spanischen Nationalhelden, 352 Seiten, mit Abbildungen, gebunden, 25 Euro


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