Sind Gedanken noch frei?

Zensur in Deutschland

von Claus Nordbruch

Was ist Meinung?

Der bloße Begriff "Meinung" ist zunächst einmal ein hohler. Nicht jede Äußerung des Individuums kann als Meinung gelten. Andere menschliche Kundgebungen sind beispielsweise die unwillkürlichen Ausdrücke des Schmerzes, der Trauer, der Freude oder der Überraschung. Weiteres gibt noch keine Meinung jemand von sich, der fremdes Gedankengut, d. h. Gedankenarbeit Dritter oder Tatsachen verbreitet, wie beispielsweise ein Nachrichtensprecher oder der Erzähler eines Witzes. Daß menschliche Äußerung als Meinungsäußerung akzeptiert werden kann, ist es notwendig, daß sie vom Willen des Äußernden gekennzeichnet ist. Unter dem Begriff "Meinung" wollen wir deshalb Stellungnahmen, Anschauungen, Einschätzungen, Auffassungen und Wertungen verstehen. Wir schließen uns hier insbesondere dem Urteil des Bundesverfassungsgericht an, das bezüglich Werturteile ausdrücklich "wertende Betrachtungen von Tatsachen" einbezieht, wobei es unerheblich ist, ob diese Meinungen 'richtig' oder 'falsch', 'emotional' oder 'rational' begründet sind, da sie als menschliche Geistesprodukte notwendigerweise subjektiv sind. Die Bildung einer eigenen Meinung, verstanden als Ergebnis eines rationalen Denkvorganges, erfordert eine umfassende Vergleichs- und Abwägungsbasis. Die gründliche Information, das Recht auf Meinungsempfang, ist der erste Schritt zur eigenen Meinung. Für die politische Meinungsbildung bedeutet dies eine prinzipiell unbeschränkte Informationsmöglichkeit. Ein kontrollierter Meinungsbezugsweg führt die Möglichkeit auf eine wirkliche, fundierte Meinungsbildung bereits ad absurdum. Daß genau dies in der BRD der Fall ist, möchten wir im folgenden belegen.

Grober Geschichtsüberblick

In den 30er und 40er Jahren des vergangenen [19., Anm. Dikigoros] Jahrhunderts überwachten sogenannte Konfidenten das politische, gesellschaftliche und kulturelle Leben Deutschlands. Diese Spitzel waren eingesetzt vom Mainzer Informationsbureau, das vom österreichischen Staatskanzler Klemens Fürst von Metternich gegründet und befehligt wurde. Unter anderem wurden Journalisten, Autoren, Schriftsteller, Verleger und Buchhändler überwacht. Es galt, oppositionelle Aktivitäten und kritische Stimmen unter Kontrolle zu halten. Die Errichtung eines solchen Konfidentensystems basierte auf der Überzeugung, daß man über oppositionelle Ideen und Pläne nur dann rechtzeitig und vollständig unterrichtet sein könne, wenn es gelänge, die Reihen der Opposition mit eigenen Leuten zu infiltrieren, quasi um unmittelbar aus der Quelle schöpfen zu können. Es wurden Verbotslisten erstellt, auf denen sich Schriften, Bücher und Zeitungen fanden, deren Besitz nicht erlaubt war. Zur Aufspürung solcher Literatur wurden neben der Schutzpolizei sogenannte Bücherrevisionsämter eingesetzt. Ferner sollten unter anderem Vereins- und Versammlungsverbote dafür sorgen, daß sich keine kritische politische Opposition entwickeln konnte. Einschränkung, Knebelung, selbst die völlige Abschaffung von Meinungsfreiheit sind in Deutschland alles andere als unbekannt. Johann Wolfgang Goethes Götz von Berlichingen (1773) sowie Friedrich Schillers Die Räuber (1781) beispielsweise mußten anonym erscheinen, d. h. unter Angabe eines falschen Druckorts, ohne Verfasser- und Verlagsangabe und unter Umgehung der Vorzensur. Selbiges gilt für verschiedene Werke beispielsweise von Gotthold Ephraim Lessing, Christoph Martin Wieland, Heinrich von Kleist, Friedrich Maximilian Klinger, Georg Büchner, Gerhart Hauptmann, Ludwig Thoma und vielen anderen. Obgleich 1919 in Art. 118 der Weimarer Reichsverfassung die Abschaffung der Zensur verankert und die Kunst als frei erklärt worden war, beriefen sich die Gerichte, auf das 1926 verabschiedete Gesetz zur Bewahrung der Jugend vor Schund- und Schmutzliteratur, um nicht genehme Meinungen zu verbieten. Man hatte sich geflissentlich die Mühe zu erklären erspart, wie "Schund- und Schmutzliteratur" eigentlich aufzufassen sei. Im Mai 1933 erschien eine Liste von Büchern, die aus den Bibliotheken auszusondern waren. 5 Monate später trat das Reichskammergesetz in Kraft, das den Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda, Dr. Joseph Goebbels, ermächtigte, die Angehörigen der Presse in einer Körperschaft des Öffentlichen Rechts zusammenzufassen. Den Abschluß dieser Entwicklung bildete das Schriftleitergesetz vom 4.10.1933. Bei aller staatspolitischen Überwachung im Dritten Reich wird jedoch heute weitläufig die Tatsache unterschlagen, daß Goebbels vor allem bei den größeren sowie bei den im Ausland gelesenen Zeitungen nicht-nationalsozialistische Redakteure und Korrespondenten (weiter)arbeiten ließ, die durchaus Kritik liefern und ihr Augenmerk auf Mißstände legen konnten - freilich solange sie sich nicht anti-nationalsozialistisch äußerten. Auch in Film und Funk vertrat Goebbels diese Politik: Es ging ihm weniger darum, partout national-sozialistische Regisseure, Moderatoren, Schauspieler etc. zu engagieren, sondern Fachleute, die Sendungen und Filme schufen, die das Volk gern sah und hörte. Als Beispiele solcher nicht-nationalsozialistischen Medienbeschäftigte zählen Sammy Drechsel, Sohn persischer Juden, der als Sportreporter bei deutschen Rundfunksendern, vor allem bei Radio Berlin, die Grundlagen seines späteren Berufswegs legte und natürlich Arnolt Bronnen, der mit anarchistischer bzw. marxistischer politischer Vergangenheit als Halbjude 1936 zum Chef des deutschen Fernsehens berufen wurde.

1945 - Ein Neuanfang?

Nach der deutschen Kapitulation im Mai 1945 übernahmen die Alliierten die Herrschaft über ein in vier Besatzungszonen aufgeteiltes Rumpfdeutschland, deren Grundzüge in der Direktive JCS 1067 vom April 1945 festgelegt waren. In dieser Anweisung hieß es unter anderem, daß Deutschland nicht als "befreiter", sondern als "besiegter Feindstaat" zu behandeln sei. Und so wußten die Siegermächte im Namen der Demokratie zunächst mit Maßnahmen aufzuwarten, die den Praktiken der mittelalterlichen Zensur nicht unähnlich waren. Unter dem Oberbegriff der Heilslehre von 'Entnazifizierung' und 'Umerziehung' setzten sie eine imposante Kontrollmaschinerie in Bewegung, die die Deutschen belehren, bekehren und möglichst für immer verändern sollte. Bücherverbrennungen waren deshalb zunächst einmal angesagt. Allein im ersten Besatzungsjahr wurden rund 33.600 Buchtitel verboten und vernichtet. Die deutschen Medien unterlagen der totalen Zensur der Alliierten. Verleger oder Buchhändler erhielten eine Lizenz nur dann, wenn sie nachweislich unverdächtig, entnazifiziert und für die Demokratisierung engagiert erschienen. Verlagen wurde erst dann Papier zugeteilt, wenn eine Publikation von den Zensurbehörden genehmigt worden war. Am 8. Mai 1949, dem vierten Jahrestag der Unterzeichnung der bedingungslosen Kapitulation, nahm der Parlamentarische Rat das von der Maxime der sogenannten wehrhaften Demokratie bestimmte Grundgesetz mit 53 gegen 12 Stimmen an. Geradezu wesentlich ist es, an dieser Stelle hervorzuheben, daß die demokratische Grundordnung der BRD vor allem von zwei elementaren Prinzipien gekennzeichnet ist: Erstens die Anerkennung der alleinigen Schuld Deutschlands am Ausbruch des Zweiten Weltkrieges sowie zweitens die Anerkennung des millionenfachen Mordes größtenteils politisch und rassisch Verfolgter während des Dritten Reiches. Die BRD bestand gerade mal 10 Jahre, da formulierte der Politikwissenschaftler Theodor Eschenburg diese bundesdeutsche Basis, auf der der westdeutsche Staat aufgebaut wurde, wie folgt: "Die Erkenntnis [sic!] von der unbestrittenen und alleinigen Schuld Hitlers ist vielmehr eine Grundlage der Politik der Bundesrepublik." Auch der Zeitgeschichtler Sebastian Haffner teilt diese Ansicht. Mehr noch, wer am heutigen Status quo rüttele, der bedrohe gar die Grundlagen des europäischen Friedens. Weiteres zerstöre derjenige die Grundfesten des Selbstverständnisses des deutschen Gesellschaftssystems, der Auschwitz leugne. Diese Ansicht vertrat 1994 auch der ehemalige Oberlandgerichtspräsident Richter Rudolf Wassermann (SPD): "Wer die Wahrheit über die nationalsozialistischen Vernichtungslager leugnet, gibt die Grundlagen preis, auf denen die Bundesrepublik Deutschland errichtet worden ist."

Gesetzliche Garantien

Art. 5 GG besagt unter anderem, daß jeder das Recht habe, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film würden gewährleistet. Eine Zensur finde nicht statt. Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre seien frei. Nicht alle Meinungsäußerungen sind jedoch per se geschützt. Hierunter fällt z. B. jemand, der zu nachtschlafender Zeit auf Hinterhöfen einer Wohngegend Volksreden schwingt - auch wenn sie noch so motiviert und fundiert sind und brillant dargebracht werden, oder in der Stoßzeit auf einer verkehrsreichen Kreuzung Unterschriften für ein Begehren sammelt - und sei dieses noch so unterstützenswert. Des weiteren werden weder die Lüge noch das unrichtige Zitat vom Grundrecht der Meinungsäußerung gedeckt. Auch ein erfundenes Interview kann nicht zur wirklichen Meinungsbildung beitragen und ist deshalb nicht grundgesetzlich geschützt. Das Zensurverbot bezieht sich auf alle Formen der Meinungsäußerung, hierin eingeschlossen sind beispielsweise das Halten von Vorträgen, Theateraufführungen und Schaustellungen, wobei unter Zensur, dem ehemaligen Richter beim Bundesverfassungsgericht und augenblicklichen Bundespräsidenten Roman Herzog zufolge, lediglich die Vorzensur als "einschränkende Maßnahmen vor der Herstellung oder Verbreitung eines Geisteswerks" zu verstehen ist. Das Zensurverbot im Sinne des Art. 5. Abs. 1 Satz 2 GG umfasse lediglich die Vor- oder Präventivzensur, hierunter sei also der staatliche Eingriff vor der Herstellung oder Verbreitung eines Geisteswerkes, insbesondere das Abhängigmachen von behördlicher Vorprüfung und Genehmigung seines Inhalts, zu verstehen. Eine Nachzensur stehe folglich sehr wohl in Einklang mit dem Grundgesetz.

Die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften

Nur vier Jahre nach Verabschiedung des Grundgesetzes ratifizierte der Bundestag die dem Weimarer Schund- und Schmutzgesetz verwandten Gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend. Diesen Bestimmungen zufolge darf eine Schrift nicht in die Liste aufgenommen werden:

  1. allein wegen ihres politischen, sozialen, religiösen oder weltanschaulichen Inhalts,
  2. wenn sie der Kunst oder der Wissenschaft, der Forschung oder der Lehre dient,
  3. wenn sie im öffentlichen Interesse liegt, es sei denn, daß die Art der Darstellung zu beanstanden ist.
Das offenkundige Problem liegt auf der Hand: Wer bestimmt, was sittlich gefährdend ist? Und aufgrund welcher Qualifikation oder Berechtigung entscheidet wer, wann die Art einer Darstellung zu beanstanden ist? Am 14. Juli 1953 trat das Gesetz über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften in Kraft. Dieses sollte Kinder und Jugendliche vor solchen Medien schützen, die ihren sozialethischen Reifungsprozeß negativ beeinflussen könnten.

Der Begriff "jugendgefährdend" ist schwammig. Wie wir im folgenden sehen werden, impliziert "jugendgefährdend" in der BRD einen generellen Charakter und ist nicht mehr, wie dies noch im Mittelalter üblich war, primär als religiöse oder moralische Umschreibung zu verstehen, sondern ist insbesondere als politisches Stigma zu begreifen. Darüber hinaus erfolgt die Qualifizierung bzw. Abqualifizierung als "jugendgefährdend" ganz offensichtlich willkürlich: Jeder gesunde, um den Schutz von Kindern und Jugendlichen wirklich besorgte Mensch wird kaum etwas gegen die Indizierung von Medien mit den bezeichnenden Namen wie z. B. Analsex, Eine herrliche Vögelei, Fickrausch, Stöße in die Hämorrhoiden oder Ficken bis die Vorhaut platzt einzuwenden haben. Allerdings sieht Elke Monssen-Engberding, Vorsitzende der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften, davon ab, beispielsweise den Schwulen-Comic mit dem herzergreifen Namen Dicke Dödel I: Bullenklöten zu indizieren, da sie, die Frau Vorsitzende, den STUTTGARTER NACHRICHTEN vom 7.7.1995 zufolge, in diesem Falle dem Kunstgehalt größeres Gewicht als dem Jugendschutz einräume. Es ist hervorzuheben und ganz besonders deutlich zu machen, daß von der BPjS indizierte Bücher und Schriften Medien sind, für die nicht mehr geworben werden darf. Sie dürfen auch nicht mehr öffentlich verkauft werden. Selbst die bloße Nennung des Titels eines indizierten Werks ist verboten. Die Verkaufsmöglichkeiten sind somit überaus bescheiden. Indizierte Schriften sind faktisch nur unter dem Ladentisch zu erhalten - und damit auch für Erwachsene praktisch nicht mehr zugänglich. Trotz dieser fragwürdigen Maßnahmen besteht die BPjS darauf zu behaupten, daß es sich bei einer Indizierung keinesfalls um Zensur handele, da die Indizierung nicht das generelle Verbot eines Mediums zur Folge habe. Dieser Suggestion widersprach das Bundesverwaltungsgericht bereits 1967: "Die Indizierung einer jugendgefährdenden Schrift kommt [...] fast ihrem Verbot gleich. Sie bedeutet einen schweren Eingriff in die Rechte des Verfassers und Verlegers. Darüber hinaus stellt sie eine empfindliche Beschränkung des Informationsrechtes der Erwachsenen dar." Tatsächlich sind mit der Indizierung obendrein auch noch Stigmatisierung und Rufschädigung des Autors und zu guter Letzt auch die Verdopplung der Mehrwertsteuer verbunden. Faktoren, die von der BPjS geflissentlich verschwiegen werden. Es sind niemals das Volk oder "die Öffentlichkeit", die Anstand an einer Schrift nehmen und diese anzeigen. Diesen all zu oft denunzierenden Teil übernehmen immer Individuen oder Gruppen, die sich als Sittenwächter berufen fühlen oder Institutionen, die vorgeben, von dem edlen Motiv getrieben zu sein, das Interesse der Jugend zu schützen. Es ist also nicht die Mehrzahl mündiger Bürger, sondern ein selbsternannter Vormund, der über Sittlichkeit oder die sozialethische Gefährdung der Jugend entscheidet. In Wahrheit geht es darum, unliebsame Meinungen in Wort, Schrift und Bild zu unterbinden, die der Lehrmeinung und damit den Interessen der Macher in Politik und Kultur in Deutschland widersprechen und zwar derart, daß sie ihre Grundlage gefährdet sehen. Es handelt sich somit nicht um wirklich jugendgefährdende Schriften, sondern vielmehr um das Meinungskartell und gewisse politische und wirtschaftliche Interessengruppen gefährdende Schriften.

Metternichs Erben

Vor allem auf dem Gebiet der Publizistik sind inquisitorische Maßnahmen heute mehr denn je spürbar. Betrachten wir uns hierzu einige Beispiele: 1979 hatte das Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit bei der ihm unterstehenden Bundesprüfstelle einen Antrag auf Indizierung des Buches "Der Auschwitz-Mythos" von Wilhelm Stäglich, einem promovierten Juristen und Richter am Hamburger Finanzgericht, mit der Begründung gestellt, es bestreite "die systematische Judenvernichtung in Auschwitz" und liefe "damit dem Gedanken der Völkerverständigung zuwider". Weiteres wurde dem Buch auf unwissenschaftliche Weise sein wissenschaftlicher Charakter abgesprochen. Grund genug für die BPjS, das Buch mit der Begründung zu indizieren, die Studie desorientiere Kinder und Jugendliche sozialethisch. Es blieb jedoch nicht nur bei der Indizierung des Buches. Vielmehr kam es noch zu einem Gerichtsverfahren, da Der Auschwitz-Mythos den Tatbestand der Volksverhetzung gemäß § 130 StGB erfülle. 1982 wurde das Werk von Stäglich schließlich beschlagnahmt und eingezogen. Eine umgehende Revision wurde vom Bundesgerichtshof verworfen, die Verfassungsbeschwerden des Verlegers und des Autors nahm das Bundesverfassungsgericht mit der Begründung auf Aussichtslosigkeit nicht an.

Doch damit noch nicht genug: Am 24. März 1983 erkannte die Universität Göttingen Stäglichs Doktorwürde mit der Begründung ab, er habe einen Doktorgrad mißbraucht. Pikanterweise stützte sich hierbei die Rechtsprechung auf das Reichsgesetz über die Führung akademischer Grade vom 7.6.1939 (Reichsgesetzblatt I, S. 985) und die dazu ergangene Durchführungsverordnung vom 21.7.1939 (Reichsgesetzblatt I, S. 1326), demzufolge ein akademischer Grad wieder entzogen wird, wenn sich sein Träger zum Führen eines solchen Grades als unwürdig erweist. Sowohl das Buchverbot als auch die Aberkennung der Doktorwürde wurden von 'unabhängigen' Gerichten bestätigt. In entwaffnender Einfachheit und Logik äußerte sich ein mündiger Bürger in einer der größten deutschen Tageszeitungen und stellte den Stäglich-Skandal ohne Umschweife bloß:

"Kein Ernstzunehmender bezweifelt, daß Juden im Dritten Reich verfolgt wurden. Wer sich mit diesem Thema auseinandersetzt, muß in einem Rechtsstaat aber doch wohl untersuchen dürfen, was glaubwürdig, was unglaubwürdig und was gar technisch unmöglich ist. Wenn Gesetze die historische Forschung zu diesem Komplex verbieten, wenn Sachverständige bei Strafandrohung nicht aussagen dürfen, dann kommt man doch zwangsläufig zu der Vermutung, daß an den Deutschland so schwer belastenden Beschuldigungen vieles nicht der Nachprüfung standhalten würde."
Als direkte Folge des o.g. Entscheides stimmte der Bundestag am 20.5.1994 einer Verschärfung des "Auschwitz-Lügen-Gesetz" zu, in der es im § 130 Abs. 3 ausdrücklich heißt: "Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangene Handlung der in § 220a Abs. 1 ["Völkermord"] bezeichneten Art in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, öffentlich oder in einer Versammlung billigt, leugnet oder verharmlost." Diese Art der Gesetzgebung in der BRD dürfte einmalig sein: Eine als historische Tatsache vermarktete These genießt den ausdrücklichen Schutz des Strafgesetzbuches!

Bundesjustizminister Edzard Schmidt-Jortzig, gab in diesem Zusammenhang am 10.3.1996 in der 3-SAT-Fernsehsendung Bei Ruge eine bezeichnende Stellungnahme ab:

"Unsere Sicht von Meinungsfreiheit ist in der Tat anders als in den USA, das wissen Sie ja auch und haben vorhin schon darauf hingewiesen. Wir werden - und das finde ich einigermaßen bedrückend - binnen kurzem von den USA wegen unserer Bestrafung der Auschwitzlüge eine förmliche, hm, na, nicht 'ne Anklage, eine förmliche Rüge über die Vereinten Nationen bekommen, weil wir auf diese Art und Weise Meinungsfreiheit einschränken."
Aufsehen erregten die Umstände der angeordneten Streichungen wesentlicher Absätze aus dem Geschichtswerk Geschichte der Deutschen des Erlangener Historikers Hellmut Diwald, das im Propyläen-Verlag erschienen war. In diesem Buch hatte der Autor auf den Seiten 163 bis 165 einige weitverbreitete Geschichtsfälschungen im Zusammenhang mit deutschen Konzentrationslagern und der sogenannten 'Endlösung' richtiggestellt. Obgleich Diwald persönlich kein Wort zurücknahm, und sogar die Verbindung zu seinem ihn bedrängenden Verlag abbrach, ließen die Verleger die kommenden Ausgaben "überarbeiten" und strichen die der Lehrmeinung entgegengestellten Absätze. In seinem 1983 erschienenen Buch Mut zur Geschichte, setzte sich Diwald mit diesen Praktiken der Zensur auseinander und warf vielen seiner Kollegen zu recht Einseitigkeit und Verrat am wissenschaftlichen Ethos vor. Übrigens handelt es sich bei dem inquisitorischen Verhalten des Hauses Springer keinesfalls um eine Ausnahme: Der Band der Propyläen-Reihe Geschichte Deutschlands, in der der Historiker Karlheinz Weißmann das Dritte Reich behandelte, wurde im Juli 1996 vom Markt genommen. Bezeichnende Begründung: die Thesen des Historikers seien umstritten. Der offensichtlich linientreuere Hans Mommsen überschrieb kurzerhand das Kapitel.

1989 wurde der weltbekannte englische Historiker David Irving vom Sender Freies Berlin zu einer Gesprächsrunde in der Fernsehdiskussion 'Berliner Salon' mit deutschen Zeitgeschichtlern, unter ihnen Eberhard Jäckel und Arno Mayer, eingeladen. Als Themenschwerpunkt war das sog. Leuchter-Gutachten gewählt worden, zu dem Irving das Vorwort geschrieben hatte und das bezüglich den offiziellen Versionen zur Judenvernichtung im Dritten Reich zu konträren Ergebnissen kommt. In diesem Zusammenhang ist es erwähnenswert, daß das Bundesministerium der Justiz am 13.3.1990 unter dem Geschäftszeichen II B 1 a - AR - ZB 1528/89 die Meinung vertritt, daß es sich bei dem 'Leuchter-Report' um eine "wissenschaftliche Untersuchung handelt." Eine Woche nach Eingang der Einladung wurde Irving auf Drängen seiner Gesprächspartner und mit Begründung seines Vorwortes in besagtem Gutachten wieder ausgeladen. Der bis zu diesem Zeitpunkt international als renommiert angesehene britische Historiker ist seitdem bei den deutschen Gedankenaufsichtsbehörden in Ungnade gefallen. 1995 sollte im Piper-Verlag die deutsche Übersetzung von John Sacks "An Eye for an Eye" unter dem Titel "Auge um Auge" erscheinen. Der Verlag hatte das Buch des jüdischen Autors bereits in Zeitungsanzeigen beworben, zog es aber dann mit der Begründung zurück, man dürfe, so Verlagsleiter Viktor Niemann, zum 50. Jahrestag der Befreiung von Auschwitz keine Mißverständnisse provozieren. Die 6000 Exemplare der Erstauflage wurde deshalb kurzerhand eingestampft. Dieses beschämende Verhalten fand seinen gerechten Widerhall, z.B. in einem Leserbrief in der FAZ am 21.2.95:

"Die Argumentation des Piper-Verlages zur Nichtauslieferung des Buches von John Sack ist schon eine erstaunliche Konstruktion. Diskussionen müssen also gelenkt werden, und zwar in die richtige Richtung. Geht man davon aus, daß der Bürger durch die tägliche Flut an Berichten zur Vergangenheitsbewältigung inzwischen schon so verwirrt ist, daß er nicht mehr in der Lage sein sollte, historische Fakten zu erkennen und zu beurteilen? Ich denke, daß man das Vorgehen des Piper-Verlages als das bezeichnen soll, was es ist: Zensur."
Das Buch erschien im gleichen Jahr dann im Kabel-Verlag. Daß Anfang 1996 das Buch in einem schlesischen Verlag (Gleiwitz) in polnischer Sprache erschienen ist und in Polen keinen Negativrummel verursachte, ist ein überdeutlicher Indikator für den Grad der Informationsfreiheit in Deutschland. Die politisch korrekten Gesinnungsprüfer haben jegliche Scham verloren und schlagen zwischenzeitlich mit ihrer Faschismuskeule wie wild auf alles ein, was national, sozialpatriotisch, nationalliberal oder konservativ "stinkt".

Im Oktober 1997 hat der Börsenverein des Deutschen Buchhandels der JUNGEN FREIHEIT die Aufnahme in den Verband mit der Begründung verweigert, sie erscheine im Verfassungsschutzbericht Nordrhein-Westfalens. Die Existenz des JF-hauseigenen Buchdienstes dürfte damit ihr Ende gefunden haben. In einem internen Schreiben des Geschäftsführers vom 10.10.97 heißt es: "Wir können deshalb einstweilen unser Angebot nicht aufrecht erhalten [...] da dies nur mit enormem finanziellen und organisatorischen Aufwand verbunden ist. Erst die Aufnahme in den Börsenverein sichert die Vergabe einer 'Verkehrsnummer', die wiederum Voraussetzung ist für die Belieferung der JF durch die großen Buchgrossisten."

Der augenblicklich jüngste gesinnungspolitische Skandal, den sich der freiheitlichste Staat, der jemals auf deutschem Boden existiert hat, leistet, sind Inquisitionsmaßnahmen, die dem alten Metternich vor Rührung die Tränen in die Augen schießen lassen würden.

Das offizielle Verzeichnis deutschsprachiger Verlage aus Köln, im Volksmund kurz Banger genannt, führte seit Jahrzehnten auf rund 1000 Seiten sämtliche Verlage Deutschlands, Österreichs und der Schweiz. Künftig wird ein gehöriger Teil fehlen, denn sämtliche nationale und konservative Verlage werden seit der neuesten Ausgabe nicht mehr aufgenommen. Sie existieren einfach nicht mehr. Eine Begründung bzw. eine Antwort auf die Frage nach der Rechtfertigung dieser Zensurmaßnahmen blieb der Verlag dem Verfasser trotz zweimaligen Nachhakens bis zum heutigen Tage schuldig. Der Schaden für die Meinungsäußerungs- und Informationsfreiheit ist nicht abzusehen, ebensowenig wie der wirtschaftliche Verlust zu beziffern ist, der den Betroffenen zugefügt wird. Und wer sagt, daß es morgen nicht schon archäologische, anthropologische, esoterische oder religiöse Verlage sind, die verboten bzw. negiert werden, weil sie vielleicht kritische Auffassungen gegenüber der Lehrmeinung vertreten?

Der Historikerstreit

Im Juni 1986 brach unter deutschen Historikern und anderen Geisteswissenschaftlern ein Streit über grundlegende Methoden bezüglich der Behandlung der jüngsten deutsche Zeitgeschichte aus. Vorweg ist festzustellen, daß das geistige wie politische Leben der BRD - wie bereits oben erwähnt - entscheidend von der Umerziehung der Alliierten geprägt worden ist: Anerkennung der alleinigen Kriegsschuld Deutschlands Alleinschuld + Anerkennung der Massenvernichtung von Menschen in deutschen Konzentrationslagern = Fundament der BRD. Der Historiker Ernst Nolte, Professor an der Freien Universität zu Berlin, veröffentlichte in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG in einem Aufsatz unter der Überschrift Vergangenheit, die nicht vergehen will seine Gedanken einer künftig präziseren Geschichtsschreibung.

In diesem Aufsatz vertrat Nolte eine Meinung, die das bis dahin fast unberührte Tabu der Nachkriegsgeschichtsbetrachtung in Deutschland angriff. Nolte meinte, die jüngste deutsche Vergangenheit sei zu einem Schreckbild gemacht worden, das vor allem durch einseitige Schuldzuweisung und Unberücksichtigung historischer Ereignisse gekennzeichnet sei. Zum Gegenangriff gegen den Ketzer Nolte zu blasen, fühlte sich der neo-marxistische Philosoph Jürgen Habermas berufen. Der letzte noch lebende Gründer der 'Frankfurter Schule', die er gemeinsam mit seinen ebenfalls jüdischen Kollegen Horkheimer und Adorno ins Leben gerufen hatte, eröffnete das Feuer mit seinem in der Zeit am 11.7.1986 veröffentlichen Artikel Eine Art Schadensabwicklung - Die apologetischen Tendenzen in der deutschen Zeitgeschichtsschreibung, den er ausdrücklich als Kampfansage verstanden werden sollte. Verständlich, daß das "Produkt der re-education", als das Habermas sich einmal selbst bezeichnete, den Zweifel an der Grundsubstanz der Umerziehung nicht kampflos geschehen lassen konnte.

Unterstützung fand das Umerziehungsprodukt u. a. in dem SPD-Bundestagsabgeordneten Freimut Duve, der sich noch zehn Jahre zuvor mit Heinrich Böll dafür stark gemacht hatte, Mut zu zeigen und sich zu seiner Meinung zu bekennen. Freilich nur zur 'richtigen' Meinung, wie die Kontroversen im Historikerstreit ans Tageslicht bringen sollten.

Der Nichthistoriker Habermas konnte (natürlich) keine der von Nolte vorgebrachten historischen Gedankengänge widerlegen. Dies überraschte auch nicht; zumal es auch nicht das Wesentliche war, denn Habermas witterte "in erster Linie ein für das bisherige linke geistige Klima in Westdeutschland gefährliches allgemeines System hinter den neuen Tönen der Historiker." Und dieses 'System', die Revision der deutschen Geschichtsschreibung, galt es mit allen Mittel zu bekämpfen. Seine Tirade schloß das Umerziehungsprodukt mit dem Bekenntnis ab: "Wer die Deutschen zu einer konventionellen Form ihrer nationalen Identität zurückrufen will, zerstört die einzige verläßliche Basis unserer Bindungen an den Westen."

Professor Günter Zehm indes erkannte worum es tatsächlich ging: "Habermas und die Marxisten verteidigen nicht nur das Nachkriegsdogma der sogenannten Kollektivschuld, sie möchten auch, daß diese Kollektivschuld auf die kommenden Generationen übertragen wird. Im Grunde geht es in der ganzen 'Diskussion' gerade um diesen Punkt. Da die bisherige 'Schuldgeneration' politisch abtritt und allmählich wegstirbt, versucht man nun, den Enkeln und Urenkeln den Schuldbazillus einzuimpfen [...] Erstens will man die Deutschen durch das Dogma der ewig klein und häßlich halten damit sie weiterhin physisch und psychisch erpreßbar bleiben. Zweitens setzt man auf den Neurotisierungseffekt. Ewiges Schuldbewußtsein macht neurotisch, und Neurosen münden oft in Selbstzerstörungswut. So hofft man über den Umweg deutschen Selbsthasses doch noch endlich zum großen Kladderadatsch zu kommen, in dem man die traditionellen Lebensverhältnisse verbrennen und endlich der 'wahre Sozialismus' entstehen kann." Die erste Folge für Nolte war, daß sich die Deutsche Forschungsgemeinschaft bemüßigt sah, ihn von einem gemeinsam mit dem Jerusalemer Zionistischen Zentralarchiv seit über sechs Jahren laufenden wissenschaftlichen Vorhaben auszuschließen. Damit war die Strafaktion gegen Nolte aber mitnichten abgeschlossen. Am 6. Oktober 1994 ließen sich die Herausgeber der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG, Johann Reißmüller und Günther Nonnenmacher, in beschämender Art und Weise Nolte wissen, daß er sich mit seinen Äußerungen "weiteres Veröffentlichen im politischen Teil der Frankfurter Allgemeinen Zeitung verbaut" habe. Mit anderen Worten ist es in der 'Zeitung für Deutschland' nicht möglich, fundierte Standpunkte für Deutschland zu vertreten. Und es gab noch eine direkte Folge des Historikerstreits. Nachdem der 'Böse' bestraft worden ist, mußte der 'Gute' natürlich seine Belohnung bekommen. Diese ließ zwar einige Jahre auf sich warten, war aber deswegen nicht weniger relevant. Für sein "mutiges und prinzipienfestes Auftreten gegen revisionistische Historiker in Deutschland, die die Einzigartigkeit des Holocaust relativieren wollen, und all seine Bemühungen, das deutsche Geschichtsbewußtsein zu erhalten und zu stärken" wurde das Produkt der Umerziehung, Habermas, im April 1995 von der Universität Tel Aviv zum Ehrendoktor ernannt.

Revisionismus und praktizierte Meinungsfreiheit

Neue Erkenntnisse werden nicht nur in allen geisteswissenschaftlichen, sondern vor allem auch in naturwissenschaftlichen und technischen Bereichen beinahe täglich gewonnen. Greifen wir uns ein stellvertretendes Beispiel aus der Paläontologie. Im September 1995 legten argentinische Paläontologen im Nordwesten Patagoniens die versteinerten Überreste einer bislang unbekannten Dinosaurierart, den Giganotosaurus carolinii, frei, der noch größer als der Tyrannosaurus rex ist und vor rund 70 Millionen Jahre in der Kreidezeit lebte. Doch wer sich nunmehr im Besitz "der Wahrheit" glaubte und meinte als historische Tatsache verkünden zu können, daß der Gigantosaurus der größte fleischfressende Saurier, der jemals auf der Erde gelebt hat, gewesen sei, wurde bereits im Mai 1996 eines besseren belehrt: In Marokko entdeckten Wissenschaftler den um 20 Millionen Jahre älteren und noch größeren Carcharodontosaurus saharicus - was natürlich alle notwendigen revidierenden Konsequenzen mit sich zog. Was für Paläonthologen oder Gentechniker oder irgendwelche andere Forscher gilt, gilt selbstverständlich auch für den Historiker: Zu Beginn seines Forschens bezweifelt oder überprüft er nämlich die Ausgangslage, die bisherigen Erkenntnisse.

Demnach ist aber nach Auffassung der politisch Korrekten und der Verfassungsschützer jeder Historiker bereits bei Beginn seiner Untersuchungen ein Straftäter, da seine Studie über einen bestimmten Sachverhalt, dem er eben zunächst kritisch gegenübersteht, bereits mit der staatsanwaltlichen Auffassung der Strafwürdigkeit kollidiert. Nur ist es so, daß wissenschaftliche Forschung gar nicht auf andere Weise betrieben werden kann, als vorgegebene Prämissen zu untersuchen und Ergebnisse nicht vorwegzunehmen. Nur auf diese Weise hat Forschung den geistigen Erkenntnisbereich des Menschen erweitert. Revisionisten hin, politische Aktivsten in der außerparlamentarischen Opposition her - Für den Innenminister Brandenburgs, Alwin Ziel (SPD), sind sie Gesindel. Ziel zeichnet schon ein merkwürdiges Demokratieverständnis aus: Selbst schwere Verstöße gegen das Wahlgeheimnis, die eher in der Tradition der SED stehen dürften als Kennzeichen eines freiheitlichen Staatssystems zu sein, sind für Ziel keine Unmöglichkeiten. Bürger, die mit ihrer Unterschrift die Teilnahme an Wahlen von nationalen Parteien oder Kandidaten befürworteten, ließ Ziel 1995 geheimdienstlich registrieren. Auch Sondergesetze in Form von Vereins- und Versammlungsverbote erfreuen sich in Brandenburg zunehmender Beliebtheit, ungeachtet mahnender Worte aus gewiß unverdächtiger Ecke: DER SPIEGEL beispielsweise hat die Gefahr erkannt. In seiner Ausgabe 24/1995 warnt das Magazin, daß derartige Vorhaben in der modernen europäischen Gesetzgebung ein beispielloses Gesinnungsstrafrecht schaffen könnten.

Ein Herrn Ziel artverwandtes eigenartiges Verständnis bezüglich Demokratie und Meinungsfreiheit ließ beispielsweise auch die PDS-Vizechefin Angela Marquardt in einem Interview im WOCHENBLATT am 24.8.95 erkennen: "Marquardt: Die Reps sind für mich Leute, die nicht das Recht haben zu tagen. Frage: Ist das demokratisch? Marquardt: Natürlich. Die Veranstaltung zu verhindern, ist eine demokratische Meinungsäußerung. Der Schönhuber will Faschismus, und deswegen werde ich mich dafür einsetzen, solche Veranstaltungen zu verhindern. Frage: Ist es legitim, gegen Leute, die Sie für undemokratisch halten, undemokratisch vorzugehen? Marquardt: Ja, im Sinne der Verhinderung ihrer Propaganda und ihrer Angriffe auf Menschen. Frage: Ist es legitim, solchen Leuten eins auf die Nase zu hauen? Marquardt: Das muß jeder für sich selbst entscheiden. Ich würde es nicht machen. Aber ich weine bestimmt nicht, wenn ein Fascho eins aufs Maul kriegt. Frage: Wie finden Sie es, wenn Brandanschläge auf die Druckerei der rechtsgerichteten Zeitung Junge Freiheit stattfinden? Marquardt: Ich halte es für legitim, zu verhindern, daß die Junge Freiheit gedruckt werden kann." Im Mai 1996 wurde mittels einer Anzeige in einer großen deutschen Tageszeitung der Appell der 100 - Die Meinungsfreiheit ist in Gefahr! veröffentlicht. In diesem Aufruf, der von 100 prominenten Wissenschaftlern, Publizisten, Verlegern und Buchhändlern unterschrieben wurde, heißt es unter anderem: "Wir, die Unterzeichner, haben in letzter Zeit mit Besorgnis zur Kenntnis nehmen müssen, daß in Deutschland in zunehmendem Maße Sondergesetze und strafrechtliche Verfolgung gegen Verleger, Redakteure und Autoren - auch gegen Wissenschaftler - wegen deren begründeter Äußerungen zu bestimmten Fragen der Zeitgeschichte eingesetzt werden. Insbesondere grenzt die seit einigen Jahren geübte juristische Praxis, mit dem Prinzip der 'Offenkundigkeit' alle seitens der Verteidigung vorgetragenen neuen Beweise für solche Äußerungen ohne Behandlung abzulehnen, an Rechtsbeugung, verstößt gegen die Menschenrechte und ist eines freiheitlichen demokratischen Rechtsstaates unwürdig. Dadurch werden die wissenschaftliche Forschung und die öffentliche Diskussion dieser gerade für Deutschland wichtigen Fragen unerträglich eingeengt, und der notwendige Prozeß der Wahrheitsfindung wird verzögert oder ganz verhindert. Ohne zum Inhalt der strittigen Fragen Stellung nehmen zu wollen, weisen wir als verantwortungsbewußte Staatsbürger in großer Sorge um die grundgesetzlich garantierte Meinungsäußerung wie die der Forschung und Lehre auf diese gefährlichen Zustände hin und wenden uns an alle Verantwortlichen und an die Öffentlichkeit im In- und Ausland, dafür einzutreten, daß derartige Verletzungen sowohl der Menschenrechte als auch der freiheitlich-demokratischen Grundordnung in Zukunft unterbleiben."

Es gibt freilich eine andere Form der Meinungsfreiheit, die nahezu uneingeschränkt zulässig ist. Nach dem Wahlerfolg in Sachsen-Anhalt im April 1998 beispielsweise hieß es in geradezu verdächtiger Einträchtigkeit in den meinungsmachenden Medien: Gerhard Frey sei ein "brauner Abzocker", die "Nazis marschierten wieder" und das Ansehen der Bundesrepublik sei nunmehr ernsthaft gefährdet. Die Schlagzeile der BILD vom 28.4.98 spricht Bände: "Geldgierig & faul! So betrog die DVU ihre Wähler". Hier waren "derbe" Meinungsäußerungen und Schläge unter die Gürtellinie erlaubt, ja sie waren sogar erwünscht, um einen politischen Gegner zu diskreditieren. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, daß der Ausruf "Soldaten sind Mörder" nicht etwa eine Ehrbeleidigung, sondern vielmehr von der Meinungsfreiheit gedeckt sei, spricht diesbezüglich Bände. Es gibt dergestalt eine Vielzahl von Beispielen, wo die Meinungsäußerungsfreiheit offensichtlich staatlich sanktioniert ist, um entweder ihren Beitrag zur allgemeinen Verdummung des Volkes zu liefern und damit ihren Obolus zur geistigen Dekadenz zu leisten oder aber schlichtweg das Wesen eines pluralistischen, freiheitlichen Staatswesens, in dem nicht mit zweierlei Maß gemessen werden kann, nicht begriffen haben. Auf die Frage beispielsweise, warum der Ausruf "Deutsche raus aus Deutschland" im Gegensatz zur Äußerung "Ausländer raus" den Tatbestand der Volksverhetzung erfüllt, gab der Bundestagsabgeordnete Dietrich Austermann, Vorsitzender der Landesgruppe Schleswig-Holstein der CDU/CSU-Fraktion am 3.1.1995 folgende Erklärung: "Wer 'Ausländer raus' fordert, will erkennbar die Ehre sämtlicher in Deutschland lebender Ausländer angreifen. Ein derartiges Verhalten ist menschenunwürdig. Wer die Forderung 'Deutsche raus' aufstellt, meint offensichtlich in einer Reaktion auf den Ruf 'Ausländer raus' Ausländer schützen zu müssen. Da es sich im Zweifel um einen Deutschen handelt, der ähnliches an Wände schmiert, trägt die Forderung erkennbar den Charakter der Nichternsthaftigkeit in sich." 1993 taten Journalisten im Saarland das, was man von ihnen - und dies gilt für den gesamten Berufsstand - wohl erwarten darf: sie recherchierten und trugen durch eine Vielzahl von Artikeln zur Meinungsbildung des Volkes bei. Nur auf diese Weise wurde beispielsweise bekannt, daß der saarländische Ministerpräsident Oskar Lafontaine doppelte Pensionssätze bezieht. Recherchierende Journalisten entdeckten zudem aber auch, daß sich der rote Oskar gern in Stripperbars, Nachtklubs und in ähnlichen roten Etablissements amüsiert. Was des Normalbürgers gutes Recht ist. Nur steht Lafontaine als Ministerpräsident eines Bundeslandes und Bundesvorsitzender der SPD durchaus im Interesse des öffentlichen Lebens. Wesentlich jedoch ist, gerade wenn bei Politikern und nicht nur diesen, der dringende Verdacht besteht, daß sie nicht mehr genügend zwischen dem von ihnen bekleideten Amt und ihren privaten Interessen zu unterscheiden vermögen, mündige Bürger sehr wohl ein Recht haben, Näheres zu erfahren. Privates Verhalten von Repräsentanten des Staates beschäftigen die Medien zu Recht dann, wie der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts Ernst Benda urteilt, "wenn es um die Ausnutzung einer amtlichen Stellung zum Erlangen privater Vorteile geht". Genau dies taten die Journalisten und deckten auf. Der rote Oskar fand das nun weniger lustig. Vielmehr behauptete Lafontaine, daß die Presse einen "Schweinejournalismus" betreibe und regte im Saarland aus diesem Grunde ein neues Pressegesetz an.

Im Mai 1995 beschloß die im Saarland herrschende politische Klasse das Gesetz zur Änderung des Saarländischen Pressegesetzes. Damit können in Zukunft Betroffene in eigener Sache Gegendarstellungen ohne Rücksicht auf ihren Wahrheitsgehalt in Medien veröffentlichen, ohne daß die Redaktionen dazu ausreichend dazu Stellung nehmen dürfen. Die Kollegen von der CDU fanden an den von der SPD ins Leben gerufenen Maßnahmen Gefallen. So beschloß Hamburger CDU-Parteitag bereits einige Wochen später ein neues Grundsatzprogramm, in dem die gewagte Forderung aufgestellt wird, daß alle Bürger einen gesetzlich geregelten Auskunftsanspruch gegen Presseorgane, Rundfunk und Fernsehen über die ihn betreffenden gesammelten Informationen erhalten müsse. Natürlich ging es hierbei wieder einmal weniger um das Wohlbefinden des Bürgers, sondern um die Absicherung der Vertreter der herrschenden Klasse, denn, nach dem christdemokratischen Gesetzesentwurf, können beispielsweise Politiker, die ahnen (sic!), daß über sie berichtet werden soll, schon bei einer Anfrage durch einen Journalisten Rechtsmittel einlegen und die Redaktionsarbeit blockieren. Ein zur Darstellung der praktizierten Meinungsfreiheit in Deutschland bemerkenswerter Fall ereignete sich im April 1992. Es ging um die Veröffentlichung einer universitären Studie über Heinrich Böll. Was sich innerhalb von 21 Tagen abspielte, gleicht mittelalterlicher inquisitorischer Willkür: Am 6. April 1992 schrieb der Inhaber des Bielefelder Aisthesis Verlag, Detlev Kopp, einem jungen Autor, der ihm ein akademisches Manuskript über Heinrich Böll zur Veröffentlichung angeboten hatte, daß nach "gründlicher Lektüre" der Arbeit "wir zu der Auffassung gelangt" sind, daß "uns die Arbeit" inhaltlich zusagt. Sollte sich der Autor mit einer stilistischen "Überarbeitung einverstanden erklären, steht dem Erscheinen der Studie in unserem Verlag nichts im Weg". Man wurde sich einig. Am 16. April unterzeichnete der Verlagsinhaber, am 24. April der Autor den Vertrag. Bis dahin war das Geschehen ein ganz normaler Prozeß seriöser Verlagspolitik. Am 27. April schrieb Verlagsleiter Kopp jedoch: "[Zu] meinem großen Bedauern muß ich Ihnen leider mitteilen, daß Ihre Böll-Studie doch nicht im Aisthesis Verlag erscheinen kann. Dem Votum des Lektorats, Ihre Arbeit unter der Voraussetzung einer gründlichen stilistischen Überarbeitung in unserem Verlag zu publizieren, kann ich mich unter keinen Umständen anschließen. Ich bedauere es sehr, Ihnen eine Zusage gemacht zu haben, bevor ich selbst die Arbeit geprüft hatte und möchte mich dafür entschuldigen." Dies ist seltsam, hatte Kopp doch 14 Tage vorher festgestellt, daß "wir", d. h. Kopp und sein Lektorat, die Studie nicht nur gelesen, sondern sogar einer "gründlichen Lektüre" unterzogen hatten. Was also ist der Grund? Kopp selbst gibt die Antwort: "Ihre Studie [...] ist [...] inhaltlich in vielerlei Hinsicht bedenklich." Aha. Nur ist diese Begründung merkwürdig, angesichts der Tatsache, daß ihm zwei Wochen zuvor die Arbeit inhaltlich noch zugesagt hatte. Schließlich läßt Kopp die Katze aus dem Sack: "Dies gilt ganz besonders für Ihre Ausführungen zum Nationalsozialismus und die Beurteilung der Kontinuitäten 'Drittes Reich' - BRD durch Böll. Sie würden sich keinen Gefallen tun, wenn Sie die Studie in der vorliegenden Form veröffentlichen würden. Ich rate deshalb ab." Sprach's und vernichtete das in Kraft getretene Vertragspapier. Es sind ausschließlich politische Gründe, die den Verlagsleiter dazu veranlaßt hatten, gesetzeswidrig, zudem unprofessionell, vom Vertrag zurückzutreten. Dabei vergißt Verlagsleiter Kopp in seinem letzten Satz nicht, den politisch korrekten Zeigefinger zu erheben.

Politische Korrektheit

Politische Korrektheit ist die Diktatur von Tabus und Meinungen. Der politisch korrekt denkende Mensch glaubt zu wissen, was moralisch, richtig und gut ist und erhebt seine Ansicht zum Dogma der Rechtsgläubigen. Andere Meinungen werden als unkorrekt ausgeschlossen. Damit wird die freie Diskussion eingeschränkt und dafür Denkverbote errichtet. Betrachten wir uns anhand einiger Beispiele die praktische Umsetzung der Political Correctness und ihre Auswirkung auf die freie Meinungsäußerung. Wie heißt die Hauptstadt der Tschechei? Prag. Und die Hauptstadt Polens? Warschau. Und die Schlesiens? Breslau. Und die Ostpreußens? Königsberg. Alles falsch! Jedenfalls im politischen korrekten Sinne. Die überholte Verwendung deutscher Bezeichnungen signalisiert nämlich Ewiggestrigkeit, Uneinsichtigkeit gegenüber historischen Realitäten oder gar einen Sinn für Revanchismus. Wer Breslau sagt, unterminiert den polnischen Herrschaftsanspruch auf Ostdeutschland. Die richtigen Antworten wären im Zuge der gutmenschlichen Völkerverständigung Wroclaw und Kaliningrad gewesen. - Nur warum sagen dann noch nicht einmal die selbst ernannten Gutmenschen Praha und Warszawa? Und - Hand aufs Herz! - wer sagt schon zu Auschwitz Oswiecim? Der politisch korrekte Schwachsinn zieht unaufhörlich seine Kreise. Im schleswig-holsteinischen Ministerium für Wirtschaft, Technik und Verkehr war man sich nicht zu blöde, im Frühjahr 1996 die Gemeinde Lutterbek bei Kiel darauf hinzuweisen, den Begriff 'Fremdenverkehr' von nun an durch 'Tourismus' zu ersetzen, da das Wort 'fremd' negativ besetzt sei und 'man' an Fremdenfeindlichkeit denke. Hieraus schlußfolgernd sollte sich die gesamte Hotel- bzw. Pensionsbranche überlegen, ob es noch zeitgemäß ist, 'Fremdenzimmer' anzubieten - nachdem es keine Fremden mehr gibt und wir alle eine große Völkerfamilie sind. Seit Mitte April 1995 bespitzelt der Berliner Verfassungsschutz erstmals eine Publikation der ostdeutschen Landsmannschaften. Beobachtet wird die Zeitung FRITZ der Jugendorganisation der Landsmannschaft Ostpreußen.

Grund der Beobachtung waren natürlich "rechtsextremistische Tendenzen". Die Zeitung hatte nämlich die Unverfrorenheit besessen, Neger als Neger zu bezeichnen. In Deutschland ist es selbstverständlich nicht mehr korrekt, vom Zigeuner zu sprechen. Hiervon unbeeindruckt zeigen sich natürlich die europäischen Nachbarn der Deutschen. Der Franzose beispielsweise nennt den Zigeuner selbstredend weiterhin 'tzigane', der Brite 'gypsy', der Isländer bezeichnet ihn als 'sígauni', der Norweger 'sigøyner', der Spanier 'gitano' usw. Nur im Deutschen heißt es jetzt korrekt 'Roma und Sinti', wobei diese Bezeichnung vollkommen inkorrekt ist, da es sich hierbei lediglich um die zwei Hauptstämme der Zigeuner handelt. Im Grunde genommen ist die generalisierende Bezeichnung 'Roma und Sinti' sogar rassistisch, da sie die kleineren Zigeunerstämme, wie z. B. die Lalleri, die Manusch, die Joneschti, die Polatschia, die Sikligars, die Boschi oder die Calè, ignoriert und damit ausgrenzt. Und das in Deutschland! Der Satz "Gestern habe ich mich mit einem Zigeuner unterhalten", ist in der BRD gesellschaftlich nicht länger akzeptabel. Politisch korrekt muß es jetzt heißen: "Gestern habe ich mit einem Sinti und Roma unterhalten", was offensichtlich nicht gerade geistreich ist. Steht künftig im Verdacht ein Rassist zu sein, wer zum Lied "Lustig ist das Zigeunerleben" schunkelt? Vielleicht sollte man auch die deutschen (und österreichischen!) Speisekarten unter dem Stichwort Schnitzel redigieren sowie die deutschen (und österreichischen!) Opern- und Operettenführer säubern. Sollte man in Zukunft, will man gesellschaftlich nicht an den Pranger gestellt werden, im Gasthaus nur noch Romaschnitzel oder Sintispieß bestellen? Und Johann Strauß ist selbstredend durch seine Operette "Der Roma-und-Sinti-Baron" weltberühmt geworden. Probleme gibt's natürlich auch beim Negerkuß und Mohrenkopf; jetzt heißen sie politisch korrekt schokoladeüberzogenes Zuckerschaumgebäck. Und was sagt schließlich der Sarotti-Mohr dazu, wenn fröhliche Kinder ihr Lied von den "Zehn kleinen Negerlein" singen? Und kann man - gerade als Deutscher! - wirklich noch ohne Scheu Bier der Vorarlberger Mohren-Brauerei trinken? Nicht zu vergessen sind Witze. Ja, Witze sind besonders gefährdet - und gefährlich. Die korrekte Spaßhaftigkeit findet da nämlich besonders schnell ihre Grenzen. Sicherlich ist es noch möglich über Ostfriesen, Österreicher und Sachsen zu lachen. Aber über Neger, Türken und Juden? Dann ist freilich auch der Autowitz "Kaum gestohlen, schon in Polen" unstatthaft, kollidiert er doch mit dem Völkerverständigungsgedanken. Es geht freilich nicht darum, die Political Correctness zu bekämpfen, weil man nicht auf Negerwitze verzichten möchte. Nicht jeder, der über einen Judenwitz lachen kann, ist aber notwendigerweise gleich ein Verbrecher, genauso wenig, wie nicht jeder, der einen Judenwitz gar nicht spaßig findet, gleich ein politisch Korrekter sein muß. Es geht darum, gegen Denkverbote anzukämpfen. Das Fatale an der Political Correctness für die Meinungsäußerungsfreiheit ist, daß manche Auseinandersetzungen und Diskussionen von vornherein nicht oder nur in Form einer Diffamierungskampagne oder eines Schauprozesses stattfinden können. Denn sobald jemand von der Faschismuskeule getroffen oder beispielsweise als Nazi oder Sexist erfolgreich verunglimpft worden ist, hat er die asoziale Krätze. Und mit einem derart Aussätzigen spricht man nicht. Ein Gutmensch gibt sich mit ihm erst gar nicht ab. Er wird nicht zu Diskussionsrunden eingeladen. Mit ihm redet man nicht. So einer bekommt keine Gelegenheit, seinen Standpunkt darzustellen. Er stinkt halt, wie Dieter E. Zimmer einmal in der ZEIT feststellte, und deshalb geht man so einem aus dem Weg. Political Correctness kann für einen freiheitlichen Staat nur tödlich ausgehen. Nährboden findet diese Krankheit jedoch, wie es Reiner Kunze nennt, in der gnadenlosen Ideologisierung des geistigen Lebens in Deutschland und diese wiederum ist für Steffen Heitmann Ausdruck eines seelisch kranken Volkes. Und man braucht kein Psychiater zu sein, um hierin dem sächsischen Justizminister zuzustimmen.

Etiam diabolus audiatur!

Die zunehmend sanktionierte Aufhebung der Meinungsfreiheit und die Stabilisierung eines Gesinnungsstaates in Deutschland hat inzwischen auch zu internationalen Protesten vor deutschen Botschaften und Konsulaten im Ausland geführt. In Südafrika beispielsweise kam es zu einem Protest, der seinen weltweiten Widerhall in der internationalen Presse fand. Die parteiunabhängige Organisation Friends of Freedom of Speech demonstrierte am 28. Mai 1997 unter anderem vor der deutschen Botschaft in Pretoria, schaltete eine Anzeigenkampagne in Tageszeitungen und reichte bei diplomatischen Vertretungen Petitionen ein. In der Protestnote heißt es unter anderem: "Das geistig-politische Klima ist unerträglich geworden. Wir sind über die gravierenden Einschränkungen des einst grundgesetzlich verbürgten Rechts auf Meinungsfreiheit zutiefst erzürnt. Wir fordern die diplomatischen Vertretungen Deutschlands in Südafrika auf, sich für die Abschaffung der vor allem politisch motivierten Maulkorbgesetze einzusetzen. Insbesondere rufen wir dazu auf, alle politischen Gefangenen unverzüglich freizulassen." Dr. Uwe Kästner, seines Zeichens deutscher Botschafter in Südafrika, wies die Anschuldigungen als unbegründet und unsachlich zurück. Ein Professor für Buch- und Verlagswesen aus München schrieb dem Verfasser im Februar 1996 unter anderem, daß von Textzensur in Deutschland nicht die Rede sein könne. "Jeder kann entsprechend unserer Verfassung reden und schreiben was er will [...] Wenn von Zensur geredet werden kann, dann allenfalls von einer Verhinderung des Disqualifizierten." Hans-Adolf Jacobsen meinte einmal, die Meinungsäußerungsfreiheit in Deutschland durch die Behauptung belegen zu können: "Nach wie vor gibt es in Deutschland für fast jede Richtung ein Organ, in dem u. a. die unsinnigsten Behauptungen aufgestellt werden können." Den beiden Professoren können wir nur entgegnen, daß es in einem freiheitlichen Staat doch nicht darum geht, den größten Mist sagen und schreiben zu dürfen! In einem freiheitlichen Staat geht es darum, eine kritische Haltung gegenüber anderen Meinungen - auch und erst recht gegenüber der Lehrmeinung der herrschenden politischen Klasse - vertreten und frei äußern zu können! Das demokratische Staatssystem der BRD kann seinen Anspruch, als freiheitlich und pluralistisch zu gelten, nur dann wiederherstellen, wenn die Meinungs- und Willensbeiträge aller Bürger in den Parlamenten repräsentiert werden und die politischen Entscheidungen aus der Arbeit und dem Wirken von allen politischen Parteien bzw. Interessenvertretungen hervorgehen und auch diejenigen gehört werden, die nicht in Parlamenten, Institutionen, Organisationen und sonstigen Zusammenschlüssen erfaßt sind. Sollte es sich in Zukunft allerdings beweisen, daß die Belange Deutschlands lediglich von einer etablierten politischen Clique vertreten werden, die obendrein alle wichtigen Positionen in der Wirtschaft und Kultur beherrscht, ist der "freiheitliche pluralistische Rechtsstaat" einer Oligarchie gewichen. Diese Clique übt damit das aus, was bislang lediglich totalitären Staatsformen vorgeworfen wurde, nämlich Meinungs- und Volksvertretung durch einen absoluten Wahrheits- und Herrschaftsanspruch ersetzen zu wollen. Und einen solchen Staat nennt man einen Gesinnungsstaat. Soll der politische Willensprozeß, der gesellschaftliche Meinungsbildungsprozeß frei, d. h. freiheitlich verlaufen, darf das Bilden, Haben, Äußern und Verbreiten von Meinungen, unter Berücksichtigung der berechtigten dargelegten Ausnahmen des Jugend- und Ehrenschutzes, nicht behindert werden. Die Denk- und Gedankenfreiheit beinhaltet das Recht, sich mit den Gedanken Dritter zu befassen. Eine vollständige Entfaltung und Verwirklichung des Menschen ist aber nicht möglich, wenn ihm die Aufnahme oder die Teilhabe an Gedanken Dritter verwehrt wird, da eine Vertiefung der eigenen Gedanken ohne Quellen nicht möglich ist. Aus diesem Grunde ist dem Menschen der Zugang zu geistigen Werten nicht zu verschließen. Zensur wird als Zwangsmittel immer dann angewandt, wenn eine Obrigkeit oder Autorität oder Macht oder Gewalt ihren geistigen, wirtschaftlichen und/oder existentiellen Bestand einer Gefahr ausgesetzt sieht. Dies ist in der BRD offensichtlich der Fall. Der Mitherausgeber der Monatsschrift NATION & EUROPA, Harald Neubauer, ist in seiner großartigen Rede "Die tägliche Gehirnwäsche. Medien - Meinungen - Manipulationen", die er auf dem eingangs bereits erwähnten Kongreß der Gesellschaft für Freie Publizistik im April 1998 in Gera gehalten hat, darauf eingegangen, daß wir selbstredend in keinem autoritären Staat, sondern in einer wehrhaften Demokratie lebten, in der weder Meinungseinschränkung noch Informationskontrolle, sondern antifaschistische Wachsamkeit vorherrsche und natürlich auch nicht politisch Andersdenkende, sondern Volksverhetzer und Verfassungsfeinde verfolgt würden. Tatsächlich sitzen heute Hunderte von Menschen in deutschen Gefängnissen oder sind zu hohen Geldstrafen verurteilt worden, weil sie eine falsche Meinung geäußert haben. Der WELT vom 7.4.1997 zufolge handelt es sich sogar um 5.800 Menschen, die wegen unstatthafter Meinungsäußerungen - vor allem zu zeitgeschichtlichen Themen - strafrechtlich verfolgt werden. Demokratie, erst recht wenn sie sich freiheitlich und pluralistisch schimpft, lebt vom freien Austausch aller Meinungen und vom ungehinderten Engagement seiner Bürger. Ein freies Staatssystem braucht die freie Meinungsäußerung des einzelnen, wie das Parlament die Opposition. Gegensätzliche Ansichten beleben die Auseinandersetzung in einem pluralistischen Gesellschaftssystem, sie gehören nicht bestraft.


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