DER FALL WERNER MÖLDERS

Fregattenkapitän gibt seinen Orden zurück

Bundeswehr-Soldaten protestieren gegen Bewertung
des Weltkriegs-Fliegers Mölders als NS-Anhänger

Neue Kritik am Gutachten des Militärhistorischen Forschungsamtes

von Hans-Jürgen Leersch (Die WELT, 22. April 2005)

Seinen letzten Einsatz flog das Jagdgeschwader "Mölders" am 1. Mai 1945. Der Luftkampf der deutschen Maschinen über dem Schweriner See gegen eine britische Übermacht war zugleich das Ende des Geschwaders. 60 Jahre später ist der Name Mölders aus der Tradition der Bundeswehr getilgt. Das Jagdgeschwader 74 in Neuburg an der Donau und die Kaserne in Visselhövede haben ihre Bezeichnungen verloren. Doch Ruhe kehrt für Verteidigungsminister Peter Struck (SPD), der die Umbenennung durchsetzte, nicht ein.

Seine Mitarbeiter haben das Zählen der Protestbriefe längst aufgegeben. Inzwischen ziehen Soldaten sogar weitergehende Konsequenzen. Franz Lüders, Fregattenkapitän der Reserve, ist so ein Fall. Er schickte Struck aus Protest gegen den Namensentzug das ihm 2002 verliehene "Ehrenkreuz der Bundeswehr in Gold" wieder zurück - zusammen mit einem geharnischten Protestbrief: "Auf eine Auszeichnung durch einen Staat, deren Vertreter sich um die Belange ihrer Untergebenen beziehungsweise der Bevölkerung einen Dreck scheren und nur der Durchsetzung ihrer eigenen Ideologien frönen, verzichte ich."

Kapitän Lüders meinte damit die Reaktion auf den Widerstand zahlreicher ehemaliger Offiziere, darunter zwei frühere Luftwaffeninspekteure, gegen die Umbenennung. Struck hatte sich auf einen Beschluß des Bundestages aus dem Jahre 1998 berufen, in dem die Regierung anläßlich des 60. Jahrestages der Bombardierung der spanischen Stadt Guernica durch die deutsche Legion Condor aufgefordert wird, Angehörigen der Legion kein ehrendes Andenken zu gewähren. Zur weiteren Begründung schob Struck ein Gutachten des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes nach, in dem dem 1941 bei einem Unfall ums Leben gekommenen Jagdflieger Werner Mölders Nähe zum NS-System bescheinigt wird. Mölders gehörte zwar zur Legion Condor, war aber an der Bombardierung von Guernica nicht beteiligt.

In Neuburg wurden inzwischen selbst die Servietten im Casino ausgetauscht, weil sie den Namen Mölders trugen, in Visselhövede ein Bild des Jagdfliegers, der Erfinder der Vierfingerschwarmformation war und als Vorbild in der Menschenführung galt, abgehängt.

"Die Geistesverwandtschaft der Verantwortlichen dieser Namenstilgung hat leider fatale Ähnlichkeit mit den Gedankengängen der Urheber der Bilderstürmereien, Bücherverbrennungen und Namensänderungen in Deutschland nach 1933, beziehungsweise der damaligen Sowjetischen Besatzungszone nach 1947", schreibt Lüders. Weiter heißt es: "Der ,Staatsbürger in Uniform' hat also die ,Schnauze' zu halten, sobald es nicht nach der ,Schnauze' einer würde- und gewissenlosen Politikerkaste geht." Damit bezieht sich Lüders auf die öffentlich geäußerte Verärgerung des Ministers über die Kritik ehemaliger Generäle.

Auch das Gutachten seines Forschungsamtes bereitet Struck nur Probleme. Weite Strecken sind dem Schriftsteller Fritz von Forell gewidmet, der bereits 1941 eine Mölders-Biographie herausbrachte. Von Forell wird in dem Gutachten als regimetreuer Zeitgenosse beschrieben. Mit diesem Kunstgriff gelingt es, eine veränderte Neuauflage des Buches, die nach dem Krieg erschien und Mölders' Distanz zum NS-Regime beschreibt, als Rechtfertigungsliteratur abzutun. Dagegen wehrt sich die Tochter des Schriftstellers. In einem Brief an Struck weist Dagmar von Gersdorff darauf hin, daß Fritz von Forell seit Sommer 1944 zum Widerstand gehörte. Er sei, nachdem er für das sofortige Ende des Krieges plädiert hatte, wegen Wehrkraftzersetzung verhaftet worden und sollte erschossen werden, kam aber in ein Lager und überlebte das Kriegsende. Das ganze Gutachten sei "unsachlich und tendenziös". Forell sei ein "charakterlich einwandfreier, aufrechter und in schwieriger Zeit mutiger Mann" gewesen, schreibt seine Tochter.

Heinz Radlauer war einer der letzten Piloten des Mölders-Geschwaders im Zweiten Weltkrieg. "Auch Friedenssoldaten sollten eine Motivation haben", verteidigt der 82jährige die Mölders-Tradition bei der Bundeswehr. Struck habe diese Motivation stark gemindert. Radlauer überstand den Luftkampf am Schweriner See mit seiner Maschine unbeschadet. Er flog kurz danach allein nach Schleswig-Holstein, wo er nach der Landung in kanadische Kriegsgefangenschaft geriet. Mit damaligen Kriegsgegnern hält er engen Kontakt, war regelmäßig zu Treffen in Großbritannien: "Mölders ist dort sehr bekannt und wird geehrt", erzählt Radlauer.


Anm. Dikigoros: Da ist - wie so oft - auf allen Seiten ein gerüttet Maß Heuchelei im Spiel, eine Mischung aus Unwissenheit, nicht Wissenwollen und Arroganz. Gewiß hat Lüders Recht mit seiner Kritik am "Demokratie"-Verständnis unserer Politikerkaste im allgemeinen und an der Knebelung der Meinungsfreiheit innerhalb der Truppe - ausweislich nicht nur der Aufzeichnungen eines Werner Mölders war letztere selbst im "Dritten Reich" und seiner Wehrmacht (wo er ungestraft gegenüber Hitler eine tolerantere Behandlung der Kirchen anmahnen durfte) weiter ausgeprägt als in der BRDDR und ihrer Bundeswehr. Aber das ist nicht der Punkt: Was Leersch verschweigt ist, daß der Angriff auf Guernica - im Gegensatz zu den Bombardements der Alliierten im Zweiten Weltkrieg auf deutsche Städte - kein "Terrorangriff" war, sondern eine militärische Notwendigkeit, bei der die Zivilbevölkerung des strategisch wichtigen Verkehrsknotenpunkts der "Rojos" im Baskenland in höchstmöglichen Maße geschont wurde, mithin in keiner Weise als "Kriegsverbrechen" bezeichnet werden kann. Dieser Diskussion feige auszuweichen und statt dessen lediglich zu argumentieren, daß Mölders ja nicht persönlich dabei war, muß man auch seinen Freunden und Verwandten vorwerfen. Das "Militärgeschichtliche Forschungsamt" hat in der Sache gar nicht so Unrecht - allerdings hat es die falsche Frage vorgesetzt bekommen, und aus falschen Fragestellungen können nun mal keine richtigen Antworten entstehen: Die Frage ist doch nicht, ob Mölders "für die Nazis" gekämpft hat. Er hat für Deutschland gekämpft. (Wie sagte vor noch nicht ganz 200 Jahren der US-Admiral Stephen Decatur - nachdem in den USA bis heute nicht nur einzelne Einheiten, sondern ganze Ortschaften benannt sind - zur Rechtfertigung seiner Kriegsverbrechen: "Right or wrong, my country!") Und als gläubiger Katholik - was ihm wohl niemand ernsthaft absprechen will - hat er sowohl im Spanischen Bürgerkrieg als auch im Zweiten Weltkrieg aus tiefer innerer Überzeugung gegen den gottlosen Kommunismus/Bolschewismus gekämpft. Dasselbe Feindbild hatte die Bundeswehr - seit ihrer Entstehung bis zum Untergang des letzteren - doch auch; deshalb gibt es insoweit überhaupt keinen Grund, Mölders Namen aus der Geschichte der Bundeswehr zu streichen. [Eine andere Frage ist, ob ein Sauhaufen, wie es die heutige Bw ist, das moralische Recht hat, den Namen eines der größten Soldaten des 20. Jahrhunderts für ihre Propagandazwecke zu ge- bzw. mißbrauchen - aber die stellt sich nicht nur in der BRDDR, sondern bei allen Namensgebungen für Einheiten, die selber keine großen Namen mehr vorzuweisen haben und sich deshalb mit fremden Lorbeeren längst Verstorbener schmücken.] Doch inzwischen haben sich die Aufgaben der Bundeswehr gewandelt: Sie muß das Vaterland am Hindukusch verteidigen - da böte sich doch eine Benennung nach James Bond an, der das in einem der 007-Filme auch getan hat. Und sie muß Wahlurnen im Kongo bewachen - hat dort nicht auch Cassius Clay mal um die Weltmeisterschaft geboxt? Also, warum nicht ein "Muhammad-Ali-Geschwader"? Und in Bosnien, in den Schluchten des Balkans? Warum nicht einen Zerstörer nach Carl May benennen, den verdienstvollen Chronisten von Kara Ben Nemsi und anderen "Helden"? Spaß beiseite. Da schon Dagmar v. Gersdorff zu Worte gekommen ist: Dikigoros hätte auch gerne gewußt, wie sein eigener Vater - Oberstleutnannt der Reserve und großer Bewunderer von Mölders - reagiert hätte, wenn er nicht wenige Tage vor dessen Ächtung das Zeitliche gesegnet hätte. Er ist ziemlich sicher, daß er sein "Ehrenkreuz der Bundeswehr in Gold" nicht zurück gegeben hätte. Nicht, daß ihm an dem Ding viel gelegen hätte - er trug es nie, denn es erinnerte ihn allzusehr an den "Goldbonbon", das "Deutsche Kreuz in Gold" der Nazis -; aber er hätte wohl argumentiert, daß es ihm nicht von einer SPD-Regierung verliehen wurde, weshalb es gar keinen Grund gab, es ausgerechnet dem "Lakaien" Struck zurück zu schicken.


zurück zu Werner Mölders

zurück zu Des Teufels General

heim zu Reisen durch die Vergangenheit