VON MOLWANIEN NACH PHAIC TAN
von Sombreros, Tofu und Schnurrbärten

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JET  LAG  TRAVELS

[Molwanien] [Phephsi u.a.] [Phaic Tan]

Anhang zu REIF FÜR DIE INSEL

Über drei Jahrzehnte, nachdem Alan Sillitoe "Travels in Nihilon" geschrieben hatte, machten sich drei junge Australier - Santo Cilauro, Tom Gleisner und Rob Sitch genannt - daran, erneut einen Reiseführer in ein imaginäres Land zu verfassen. Aber sie gingen längst nicht so behutsam vor wie ihr Vorgänger - und schon gar nicht mit dem Anspruch der Schreiber früherer Jahrhunderte, die Menschheit insgesamt auf die Schippe zu nehmen, indem sie einen einsamen Menschen herum reisen ließen. Nein, sie drehten den Spieß um und mokierten sich weniger über das bereiste Land - dessen schlechte Eigenschaften lediglich mehr oder weniger übertrieben wurden - als über die Narren, die es in Massen - als Pauschaltouristen - bereisten, obwohl es das doch wahrlich nicht wert war. Sie nannten es "Molwania" - das Land des schadhaften Lächelns, und jeder, der nicht ganz auf den Kopf gefallen war, konnte dahinter leicht eine Mischung aus Rumänien, Moldawien und Bulgarien erkennen. Erinnert Ihr Euch noch, liebe Leser, an jene kurze Fase, als gewisse Reiseveranstalter intensiv versuchten, jene Schwarzmeer-Anrainer als Billig-Urlaubsgebiete in den Reisemarkt zu drücken? Der Versuch endete ziemlich kläglich, denn wer einmal dort war, fuhr nie wieder hin - sowas wollte man nicht mal geschenkt noch einmal haben! Dabei sind die Zoll- und Einreisebestimmungen Molwaniens mit die großzügigsten der Welt: Jeder darf hinein - wenn er nicht gerade Vegetarier oder schwul ist -, Alkohol darf er in beliebigen Mengen mitführen, Zigaretten allerdings nur bis zu 2.500 (Kinder bis zu 1.500) Stück pro Kopf. Die Straßen (zwischen den beiden größten Städten gibt es sogar eine "Autobahn"!) sind immerhin kopfsteingepflastert, und man braucht auch keine Angst vor Verkehrskontrollen zu haben, denn der zulässigen Blutalkoholwert beträgt 1,2 (an Wochenenden sogar 1,5) Promille, und überhaupt sind die Kontrollgeräte (sowjetischer Bauart :-) so schlecht, daß sie vor Gericht nicht als Beweismittel zugelassen werden. Anders als in gewissen überlaufenen Touristen-Hochburgen des Westens gibt es in Molwanien auch keinerlei Probleme mit Unterkunft und Verpflegung, schon gar nicht in der Hauptstadt Lutenblag: Das beste Hotel - gelegen gegenüber einer Fabrik, die Preßpappe herstellt (für Wessis: mit dem Zeug haben die Ossis u.a. ihren "Trabi" gebaut - und die RumänenMolwanier ihren "DaciaSkumpta" :-) - und das beste Restaurant des Landes sind immer gähnend leer, obwohl das Gesundheits-Ministerium das letztere gerade wieder hat öffnen lassen. (Zum Trost: Früher gab es nur ein paar dieser "schmierigen, schummrig beleuchteten und überteuerten" Lokale in der Hauptstadt - heute gibt es sie im ganzen Lande :-) Nationalgericht ist der gesalzene Hering, und Nationalgetränk ist der - schon zum Frühstück servierte - Knoblauchschnaps ("Zeerstum"), den man freilich nur äßerlich anwenden sollte. Schon ein Glas Leitungswasser versorgt den Gast mit 80% des Jahresbedarfs an Schwermetallen und Koli-Bakterien, und es gibt auch ein Stromnetz - die Spannung beträgt immerhin 37 Volt... Vor allem für Naturfreunde wichtig: Es gibt eine Art Urwald, wo man sich an reichlich Moskitos und Blutegeln erfreuen kann - außer Ende Mai, wenn die jährlichen Pestizid-Aktionen (per Flugzeug - alles Gute kommt von oben :-) durchgeführt werden. Die beste Besuchszeit ist wohl der Herbst, wenn die molwanische Drossel "in eindrucksvollem Formationsflug" in ihr Winderquartier fliegt.

Aber man muß ja nicht unbedingt durch die Wälder streifen, sondern kann auch etwas für die Kultur tun. Zum Beispiel das "Museum für mittelalterliche Zahnheilkunde" besichtigen (auf dessen Stand man irgendwie stehen geblieben ist :-), den ältesten Atomreaktor Europas oder einige der antiken Ruinen, die noch aus der Römerzeit stammen, allerdings z.T. nicht mehr so ganz in Schuß sind. Woran das liegt? Nun, dafür gibt es jede Menge guter AusredenErklärungen: Beim Amphiteater von Slakoff ist die Baufirma kurz vor Fertigstellung in Konkurs gegangen, weshalb es nicht zuende gebaut werden konnte. Der Wachturm von Grotti hat einen Riß, weil sich einst Buljflap III, "die feiste Fürstin" zu lange oben aufhielt, und die Katabomben von St. Katflaap kann man im Moment nicht renovieren, da sie als Weinlokal genutzt werden. (Der Wein wird übrigens in der Region "Chateau Sultana" angebaut; und wer jemals bulgarischen oder rumänischen Wein gekostet hat, weiß, warum der im Inland verkonsumiert werden muß - selbst die größten Optimisten im Westen haben ihn inzwischen wieder aus ihren Verkaufsregalen verbannt :-) Darf Dikigoros bei der Gelegenheit darauf hinweisen, daß die Australier die Fotos, die ihr Opus reichlich zieren, nicht etwa vor Ort in Osteuropa gemacht haben, sondern viel weiter im Westen, von Portugal bis Sizilien? Und daß ihre Ausführungen über die verrückte Sprache von Molwanien (einer der ersten Sätze im Verzeichnis "nützlicher Redewendungen" lautet: "Es gibt kein Toilettenpapier!" - und das in einem Land, dessen Wappen aus Klobürste, Hammer und Sichel besteht :-) nicht aus Rumänien, sondern aus Kroatien stammen? Dikigoros verblüfft es immer wieder, wie Sprecher des Englischen - und zumal Australier - sich über vergleichsweise einfache Sprachen, wie z.B. das Rumänische, mokieren können. Nicht dagegen verblüfft es ihn, daß die UNESCO den traurigsten Ort Molwaniens - die öde "Große Ebene" - zum "Weltkulturerbe" erklärt hat. Welche Ansammlung von Ruinen, Schrott und verkommener Landschaft wäre inzwischen nicht schon in diesen zweifelhaften Genuß gelangt (von A wie Auschwitz bis Z wie Zips)? Nein, liebe Dresdner, Euch meint Dikigoros nicht (ein paar Ausnahmen müssen ja die Regel bestätigen, aber die UNESCO arbeitet bereits fleißig daran, die wieder von ihrer Liste zu streichen :-); wenn er schon in Deutschland suchen wollte, dann müßte er Köln nennen, dessen berühmter Dom in einer Betonlandschaft eingemauert steht, gegen welche die Betonkulisse von "Lutenblag" Gold ist! Wenn man in letzteres soviel Geld pumpen würde wie etwa in die Altstadt von La Havana, und wenn man die molwanische Ebene ebenso hingebungsvoll wieder aufpäppeln würde wie gewisse Biotope, welche die UNESCO dafür auserkoren hat... aber vielleicht sind die Australier auch nur neidisch, weil sie von allen Kontinenten die wenigsten "Weltkultur"-Erbstücke zugesprochen bekommen haben?!?

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Wie dem auch sei, das Buch wurde in Australien ein großer Erfolg, ebenso sein Nachfolger, der noch unverhüllter ein fast allen Australiern (und nicht nur denen :-) vertrautes Urlaubsgebiet schilderte: Myanmar-Thailand-Kambodja-Vietnam alias "Phaic Tan" - das Land des krampfhaften Lächelns, der Prostitution, des Rauschgifts, der Strände voller Souvenirverkäufer, der versmogten Straßen und des scharfen Essens. Schon mit der Einreise ist es nicht so einfach wie in Molwanien: Die Ausstellung eines Visums kann Monate dauern. (Damit kann jedenfalls nicht Thailand gemeint sein - da dauert es nur bisweilen Monate, bis umgekehrt eine Thai-Nutte ein Besuchsvisum für westliche Länder ausgestellt bekommt, seit die Ausländerbehörden dort die Zügel angezogen haben :-) Haustiere dürfen nur mitgebracht werden, wenn sie zum persönlichen Verzehr bestimmt sind, und Alkohol im Blutkreislauf nur bis zur Menge von einem Liter. (Das kann bei manchen Touristen problematisch werden, wenn Dikigoros sieht, was bei gewissen Airlines schon auf dem Hinflug konsumiert wird :-) Pornovideos dürfen zwar eingeführt werden, aber nur, damit die Zollbeamten sie sich selber anschauen können. (Man beachte: In Thailand ist Pornografie offiziell ebenso verboten wie Prostitution! :-) Aber wozu soll man auch so viele Dinge einführen, wo man sie doch im Urlaubsland viel günstiger bekommt! Anders als etwa Molwanien, wo noch immer Mangelwirtschaft herrscht, ist der Ferne Osten bekanntlich diejenige Region der Welt, in der der man westliche Markenartikel am billigsten bekommt, sei es, daß sie in Lizenz hergestellt oder gleich gefälscht werden - im letzteren Fall sollte man sich auch ein Unechtheits-Zertifikat ausstellen lassen. Das ist boshaft, liebe Leser, und der Treppenwitz liegt darin, daß es sich heutzutage meist gar nicht mehr um "Fälschungen" im Sinne von Imitationen handelt, sondern einfach um abgezweigte Ware aus der Lizenzfertigung oder aus nicht deklarierter Überstunden-Produktion, die um nichts schlechter ist als die offiziellen "Originale". Es handelt sich also eigentlich nur um Betrug an den Lizenzgebern - und die sind es in ihrer Raffgier und dem Bestreben, immer dort produzieren zu lassen, wo es am billigsten ist, letztlich selber schuld. Und da wir gerade beim Thema sind: Am billigsten ist bekanntlich immer noch Kinderarbeit, und Phaic Tan gilt nicht umsonst als besonders kinderfreundliches Land. Nicht nur, daß man sie z.B. beim Motorradverleih als Sicherheit akzeptiert (wo im Westen wäre man so kulant?), man kann sie für die Dauer des Urlaubs (oder auch darüber hinaus :-) in "Kinderclubs" abgeben; allerdings ist es nicht gerne gesehen, wenn sie in der Textilarbeiter-Gewerkschaft sind. Ja, liebe Leser, was glaubt Ihr denn, wer Eure billigen T-shirts aus Fernost herstellt? Und im Gegensatz etwa zu den Teppichknüpfereien in Südasien - über die Dikigoros an anderer Stelle schreibt - gibt es dafür keinen vernünftigen Grund, deshalb sollte man das ruhig einmal im Rahmen einer Satire geißeln, und sei es nur indirekt. Andere Punkte kann Dikigoros, so witzig sie sein mögen, dagegen nicht so recht nachvollziehen: Da wird süffisant bemerkt, daß Phaic Tan das Land mit dem weltweit höchsten Prozentsatz an Amputierten ist, aber noch nie eine Medaille bei den "Paralympics" gewonnen hat. Lassen wir mal dahin stehen, ob es ein Grund zum Stolz für Australien (und gewisse andere Länder, z.B. auch in Mitteleuropa) ist, besonders viele paralympische Medaillen gewonnen zu haben; jedenfalls ist es geschmacklos, den Vietnamesen hämisch ihre vielen Schwerkriegsversehrten vorzuhalten. Mag sein, daß die Chirurgen schlechter ausgerüstet sind als die Verkehrspolizisten, wie Cilauro & Co. schreiben, aber so ganz allein hausgemacht ist das Problem der Amputierten wohl nicht. (Zum Trost: Die Generation des Vietnamkriegs ist bald ausgestorben; und andere Länder, ebenfalls in Asien, haben bereits so weit aufgeholt, daß ein Wechsel an der Spitze jener Statistik abzusehen ist.) Auch daß ausländische Rauschgift-dealerTouristen, die nur mal eine Woche auf Drogentrip vorbei schauen wollten, Gefahr laufen, lebenslang eingesperrt zu werden (ein Problem, das gerade Australier öfter haben, auch in anderen Ländern :-) findet Dikigoros nicht weiter schlimm - wären sie Einheimische, würden sie hingerichtet (und das ist ja auch gut so :-).

Andere Dinge sind harmloser, zum Beispiel was Unterkunft und Verpflegung anbelangt - und wer mal in Molwanien und anderen Ostblock-Staaten [un-]seligen Angedenkens war, wird die Kritik hier kaum verstehen. Jawohl, in gewissen Luxus-Etablissements wird das Personal für bestimmte Dienstleistungen täglich ausgetauscht - man[n] will schließlich "Frischfleisch" haben, sonst wechselt er womöglich in ein anderes Hotel! Jawohl, das Essen - egal ob im Luxus-Restaurant oder am Straßenimbiß - ist bisweilen so scharf gewürzt, daß man sich noch daran erinnert, wenn die Darmparasiten, die man sich bei seinem Verzehr zugezogen hat, längst wieder verschwunden sind. Nun, das sind zwei paar Schuh, denn die Gewürze führen wohl kaum zur Magen- und Darmverstimmung, beugen ihr im Gegenteil vor, und es macht auch keinen Unterschied, ob nun das Fleisch von Schweinen, Ziegen oder Hunden im Kochtopf landet. (Woran man das erkennt? Bei Cilauro & Co. daran, daß man die Köpfe der letzeren mit einem Tennisball im Maul serviert statt mit einem Apfel :-) Mal im Ernst, liebe Nicht-Vegetarier, glaubt Ihr denn, daß das Fleisch eines sorgfältig gemästeten Pekinesen ungesünder ist als das eines Schweines, das Jahre lang auf den Straßen die Müllabfuhr gemacht hat? (Nur im imaginären Phaic Tan ist es verboten, Abfälle auf die Straße zu werfen - und in Singapur, aber gerade dort hat sich Dikigoros die einzig wirklich schwere Darmerkrankung seines Reiselebens zugezogen :-) Und welchen Grund gibt es dafür, sich über Wegwerf-Eßstäbchen zu mokieren? Die sind allemal hygienischer als immer wieder benutztes Besteck, das zwischendurch allenfalls mal kurz durch eine lauwarme Drecksbrühe namens "Abwaschwasser" gezogen wird, wie in vielen Restaurants Europas. (In den USA - und Australien - ist man wenigstens schon so weit, Wegwerfbestecke aus Plastik zu benutzen; Dikigoros zieht allerdings die asiatischen aus Holz vor.) Die Europäer sind da recht eigen: Über kaum etwas rümpfen sie bei MacDonalds so sehr die Nase wie über das "miese Besteck" (obwohl das doch geruchslos ist - da gäbe es ganz andere Dinge... :-) und die Plastikbecher. Und wenn sie mal nach Asien kommen - ins echte Asien, nicht in ein paar ausgewählte Luxushotels und -restaurants, die von westlichen Unternehmen betrieben werden -, dann wundern sie sich über die "Verschwendung", irdene Teetassen nach nur einmaligem Gebrauch wegzuwerfen; aber zuhause gehen sie in Kneipen, wo die Gläser so gründlich "gereinigt" werden, daß... aber Dikigoros will Euch nicht den Appetit verderben. Er will auch gar nicht bestreiten, daß gereinigt wird; aber die Chemikalien, die dabei verwendet werden, sind wahrscheinlich schädlicher als alle Darmparasiten von Phaic Tan zusammen. (Das gilt übrigens auch für die Getränke, die man zuhause verzehrt, seit statt der segensreichen Aluminium-Dosen zum Einmalgebrauch wieder die Unsitte eingerissen, gläserne Mehrweg-Pfandflaschen zu verwenden, die vor der Wiederverwendung chemisch gereinigt werden müssen - mögen die "Grünen" daran verrecken; Dikigoros kauft so etwas nicht.) Sparen wir uns auch die Seitenhiebe auf die Formalitäten bei der Ausreise; die sind in anderen Ländern nicht besser. (Und wer unbedingt Antiquitäten ausführen will, kann sich ja wie gesagt ein "Unechtheitszertifikat" besorgen :-)

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Es hat nicht an Versuchen gefehlt, diese Bücher auch außerhalb Australiens populär zu machen - und sie hätten es wohl verdient; aber in gewissen Ländern - vor allem in der BRD - gab und gibt es gutmenschliche Bedenkenträger, die alles vermeiden wollen, was z.B. die Regierungen in Bukarest oder Bangkok verärgern könnte - immerhin hat man Rumänien und Bulgarien aus unerfindlichen Gründen ja sogar in die EU aufgenommen, und die Thais haben schon immer verschnupft reagiert, wenn man die traurige Wahrheit über ihr besch...önes Land allzu breit tritt, denn dann könnte der Strom der Valuta-Touristen versiegen, von dem sie ja hauptsächlich leben. Die Australier reagierten mit Verblüffung - wurde ihr eigenes Land nicht auch ständig auf die Schippe genommen, als Kontinent der Hinterwäldler, der Kängurus, der Koalabären und der Krokodil-DandiesDundees? Regten sie sich darüber auf? Kaum. Aber wenn sie selber es mal wagten... Glaubten ihre Kritiker etwa, daß sie etwas gegen ganz bestimmte Länder hätten? Nicht doch: Sogleich kündeten sie weitere Bände der Reihe "Jet Lag Travels" an, damit jeder sein Fett weg bekam. Allerdings versuchten sie diesmal, die Spuren etwas zu verwischen durch irreführende Hinweise: So spielt "Viva San Sombrero" vordergründig in Mexiko, schildert jedoch eigentlich Kuba. "Aloha Takki Tikki" spielt angeblich in Französisch-Polynesien, tatsächlich aber im englisch-sprachigen Teil jener Inselwelt - über die traurigen Zustände dort sind wir ja schon seit dem einschlägigen Reisebuch Paul Theroux' informiert. "Bongoswana" gilt offiziell als "Belgisch Ost-Kongo", also Ruanda und Burundi - aber dorthin dürfte sich noch nie ein Tourist verirrt haben. Ganz anders Botswana, seit einigen Jahren das Lieblingskind der westlichen Entwicklungshelfer, in dessen Puffs auch gut betuchte Touristen aus Südafrika (wo es freilich Gegenden gibt, die auch nicht mehr viel besser aussehen) gerne mal vorbei schauen. "Moustaschistan" ist angeblich ein Staat zwischen der Ex-Sowjetunion und Persien - dafür käme also eigentlich nur Aserbeidjan in Frage -, aber gemeint sind die fünf Turk-Republiken Zentralasiens, die bekanntlich auch ziemlich empfindlich auf satirische Kritik reagieren; man denke nur an die diplomatische Affaire, die ein alberner Film wie "Borat" in Kazakhstan ausgelöst hat (ebenso in MolwanienRumänien, wo er gedreht wurde :-), den doch wahrlich niemand ernst nehmen konnte. Die "Meerengen von SyphilisSyphollos" liegen im östlichen Mittelmeer; und jeder, der die bevorzugten Destinationen der Angelsachsen dort kennt, weiß, daß damit nur Rodos gemeint sein kann, wo es inzwischen zugeht wie in den Bars von ThailandPhaic Tan und Riga.

Alle Länder - und Tourismus-Minister -, die sich von "Jet Lag Travels" auf den Schlips getreten fühlen, könnten freilich ganz unbesorgt sein, denn eines haben deren Macher mit den großen Satirikern der Vergangenheit gemeinsam: Es scheint sie niemand ernst zu nehmen. In Australien soll es massenhaft Anfragen beim Verlag gegeben haben, wo denn jene famosen Länder liegen und wie man am besten hinkommt. Jeder Verriß ist halt auch eine Reklame, die durch die Hintertür kommt, und das bisweilen wirksamer (und billiger :-) als "ernsthafte", positive Reklame-Kampagnen à la "Besucht das Land des freundlichen Lächelns!" (Ihr wißt doch, liebe deutsche Leser, daß es bei Euch auch Anfragen nach "Portunesien" gegeben hat, und das nicht zu knapp. Dagegen sind die groß angelegten Werbefeldzüge, die z.B. Malaysia, Kroatien und Indien in den letzten Jahren vor allem in der angelsächsischen Welt geführt haben, um spendable "Qualitäts-Touristen" anzulocken, kläglich gescheitert, weil sie ins gegenteilige Extrem verfallen sind, alles als übertrieben gut und schön darzustellen, und sich irgendwie doch herum gesprochen hat, daß in Kroatien nicht alles billig ist, in Indien nicht alles sauber, und daß Malaysia alles andere ist als das Land der religiösen Toleranz und des multi-ethnischen und multi-kulturellen Zusammenlebens in Friede und Freundschaft. Dikigoros darf das schreiben, denn er ist trotz alledem ein Freund jener Länder - wie auch die drei Australier, die sie wohl deshalb "verschont" haben - und schadenfreut sich über jeden mit falschen Versprechungen betrogenen und vergraulten Massen-Touristen :-) Beschwichtigende Kommentatoren haben - genau wie bei Swift, Voltaire, Szathmári, Sillitoe usw. - behauptet, das sei doch alles "völlig frei erfunden"; aber das ist es gerade nicht, noch viel weniger als bei den Vorgenannten. Man muß sich doch wirklich wundern, daß es in manchen Ländern überhaupt noch so etwas wie "Tourismus" gibt. Ein paar individuelle Abenteuer, gut, die gibt es überall, aber die haben meist eh keine großen Ansprüche in Bezug auf Unterkunft und Verpflegung, und sie kommen auch nicht, um "Markenware" billig einzukaufen, wie überhaupt die Massenreisenden, die nur auf den Pfennig schauen, dort nie richtig Fuß gefaßt haben - dafür sorgen schon die Reiseveranstalter, die nicht drauf zahlen wollen, denn westliche Ansprüche in solchen armen Ländern zu befriedigen, ist meist teurer, als wenn man gleich an der Nordsee urlaubt. Aber wenn Ihr Euch mal die Hochglanz-Prospekte der Luxusreise-Veranstalter anschaut, die ihrer exklusiven Kundschaft etwas bieten wollen, das eben nicht schon jeder Normalverbraucher gesehen hat, dann könnte man meinen, daß sie sich just auf Länder wie die hier geschilderten spezialisiert hätten. Und damit die Nachfrage nie abreißt, wird den Leuten halt immer wieder eingehämmert, daß "Traumreisen" in die Karibik, in die Südsee, in die Ägäis, ans Schwarze Meer, in den afrikanischen - oder südamerikanischen oder süostasiatischen - Dschungel oder entlang der "Seidenstraße" durch Zentralasien führen müssen, möglichst in Verbindung mit dem persönlichen Kennenlernen der ach-so-edlen Eingeborenen mit ihrem - schadhaften, falschen oder wie auch immer gearteten - Lächeln. Manche dieser Reiseunternehmen geben schon eigene Reiseführer heraus, die diese verlogene Botschaft unters tumpe Volk bringen sollen. Da mal ein wenig mit den Waffen des Satirikers gegen zu halten - und sei es auch mit so drastischen Hinweisen wie dem, daß in solche Länder früher allenfalls Entwicklungshelfer gereist wären oder Unterhändler, um entführte Geiseln wieder frei zu bekommen -, kann, wenn Dikigoros sich diese abschließende Bemerkung erlauben darf, nicht schaden.

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Nachtrag. Südafrika haben die Autoren von "Jet Lag Travels" nie auf die Schippe genommen - dabei geht es dort inzwischen schlimmer zu als im Kongo, Ruanda und Burundi zusammen. Aber Dikigoros will seinen Lesern einen Zeitungs-Artikel nicht vorenthalten, der im März 2010 im Hinblick auf die anstehende Fußball-Weltmeisterschaft am Kap der Hoffnungslosigkeitguten Hoffnung erschien, und der wörtlich - auch im Hinblick auf die überflüssigen Anglizismen - einem JLT-Band entnommen sein könnte: "Fit zur WM - Tipps für die Reise nach Südafrika. Menschenmassen in den Stadien und beim Public Viewing sowie Gedränge in den Bussen und Bahnen: Damit müssen zur Fußball-WM in Südafrika reisende Fans rechnen. Touristen sollten sich deshalb rechtzeitig einen Impfschutz gegen Masen, Meningokokken-Hirnhautentzündung und Grippe aufbauen lassen. Das rät das Centrum für Reisemedizin (CRM). Südafrika berichte derzeit über auffallend viele Masernfälle, so die Experten. Auch die durch Meningokokken hervorgerufene Hirnhautentzündung komme in Südafrika häufiger vor. Wer in den Nordosten des Landes reisen will, benötigt eine Malaria-Vorbeugung. Das gelte insbesondere für Ausflüge in die Provinzen KwaZulu-Natal und Limpopo." Wobei die JLT-Autoren sich wahrscheinlich auch noch über die hohe Kriminalitätsrate - die weltweit höchste bei Schwerverbrechen und bei Straftaten gegen Touristen - auslassen und ferner darüber, daß Südafrika das Land mit der weltweit höchsten AIDS-Rate ist - ein Punkt, der den Keksperten jenes obskuren CRM offenbar unbekannt ist oder von ihnen schamhaft verschwiegen wird.


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