Der Brückenlockdown als semantischer Höhepunkt

von Rainer Bonhorst (Die Achse des Guten, 06. April 2021)

Bilder, Links und Anmerkugen: Nikolas Dikigoros

Das Virus wirkt sich nicht nur auf den Zustand des Menschen aus, sondern auch auf den Zustand der Sprache. Ehe ich auf mein heutiges Hauptthema, den neu entwickelten "Brücken-Lockdown" komme, hier erst einmal – zur Erinnerung - eine kleine Entstehungsgeschichte der Lockdown-Kreationen. Ihr gemeinsamer Zweck: Verzierung, Verniedlichung, kunstvolle Verhüllung.

Der Lockdown in seiner einfachen Form ist die zentrale Kreation. Er gibt vor, schlicht und ungekünstelt zu sein, vermeidet aber kunstvoll das unangenehm deutliche Wort "Verbot", ob als Ein- und Verkaufsverbot, als Arbeitsverbot, Begegnungsverbot oder Ausgehverbot. Diese potenzielle deutsche Überdeutlichkeit wird englisch umschifft und zugleich internationalisiert. Der Lockdown sagt: Schaut her, die Verbotsorgie findet nicht nur bei uns statt, sie ist ein weltweites Phänomen, sozusagen ein Stück moderner Globalisierung. Wir sitzen alle im gleichen Lockdown-Boot.

Aus dem Ursprungs-Lockdown hat sich der Lockdown light entwickelt, der zwischendurch mal zum Atemholen eingeräumt wird. Er ist dem Teil-Lockdown vorzuziehen, weil die Doppeldeutigkeit des Wortes "light" den zusätzlichen Charme hat, ein Licht aufscheinen zu lassen, im Zweifel ein Licht am Ende des Tunnels. Interessanterweise gibt es keinen Lockdown heavy. Warum nicht? Weil er selbst in der englischen Verkleidung die Schwere der allgemeinen Ratlosigkeit und Verbotsfreude durchschimmern ließe.

Bundes-Lockdown suggeriert preußische Ordnung

Was die Politiker sprachlich vermeiden, riskieren die Virologen, die in unverkleidetem Deutsch gelegentlich einen harten Lockdown empfehlen. Ein weicher Lockdown geht ihnen nicht über die Lippen. Weich klingt einfach - nun ja - zu weich. Da hat die englische Variante der Politik, der Lockdown light, einen feineren Klang.

Im Zentrum des Lockdown-Geschehens befindet sich, eingeschlossen auf der Insel Berlin, Angela Merkel. Um als Herrin der Lage zu erscheinen, dringt die Bundeskanzlerin - natürlich - auf einen Bundes-Lockdown. So ein Bundes-Lockdown suggeriert preußische Ordnung und Kontrolle, wo beides nicht herrscht und auch nicht erstrebenswert ist. Als Gegenstück zum Bundes-Lockdown gehört noch der Lockdown-Rebell Boris Palmer ins Bild. Der grüne Tübinger Oberbürgermeister hat sich mit seinem liberalen Sonderweg auch unter grünen Lockdown-Freunden den Ruf eines Lockdown-Weicheis eingebrockt. Eine große grünschwarzrote Lockdown-Koalition versucht mit allen Mitteln, ihn hart zu kochen.

Ob Bundes-Lockdown, ob Tübinger Freiheit: Das Lockdown-Geschehen hängt eng mit dem Impfgeschehen zusammen. Auch auf diesem Gebiet ist eine interessante Sprachentwicklung festzustellen. So drückt Armin Laschet in beeindruckend optimistischem Ton die Hoffnung aus, dass in naher Zukunft bereits 20% der Deutschen geimpft sein dürften. Im klassischen Sprachgebrauch sind 20% keine sehr eindrucksvolle Größe. Auch im Vergleich mit anderen hochprozentigen Ländern sind unsere angestrebten zwanzig sehr bescheiden.

Im Impf-Wettbewerb sind wir Brasilien

Aber die politische Sprachgärtnerei sorgt für eine deutlich verschönerte Perspektive, fast so, als hätte Brasilien seinerzeit (2014) nach der 1:7-Niederlage gegen Deutschland einen relativen Erfolg bejubelt anstatt realistische Tränen zu vergießen. Im Impf-Wettbewerb sind wir heute das Brasilien von damals. Nur weinen wir nicht wie damals die Brasilianer. Uns wird die Pleite schöngeredet.

Sprachliche Unverblümtheit ist in der Politik nie erwünscht, im Lockdown schon gar nicht. Man hat es lieber hübscher. Das aktuellste Beispiel dafür ist der eingangs versprochene, von Armin Laschet erfundene Brücken-Lockdown.

Eine Brücke ist von Hause aus etwas Wunderbares. Sie verbindet über tosende Gewässer oder klaffende Täler hinweg. Sie führt zusammen, was eigentlich getrennt ist. Ein Brücken-Lockdown kann also nur etwas Schönes sein. Handelt es sich um eine Brücke, die den tosenden Lockdown-Abgrund überbrückt und hinüber in bessere Zeiten führt?

Wie lange halten diese sprachlichen Eselsbrücken?

Naja. Laschets Brücken-Lockdown ist unausgesprochen, aber in Wahrheit ein Lockdown heavy, ja sogar extra heavy. Er wird scheinbar erträglich gemacht mit der Aussicht auf ein Licht am Ende des Tunnels. Gemeint ist also eigentlich ein Tunnel, durch den wir nochmal hindurchgehen sollen, mit ungewissem Lichtblick am Ende.

Also ein Tunnel-Lockdown? Das wäre der korrektere Begriff, aber für die aufpolierte politische Sprache kommt so ein dunkler Tunnel nicht in Frage. Er wirkt und ist einfach zu düster. Richtig gerne geht man da nicht durch. Höchstens schnell mal mit dem Auto auf dem Weg nach Italien. Da hat die unter freiem Himmel elegant schwebende Brücke doch eine ganz andere Ausstrahlung. So eine Lockdown-Brücke vermittelt den Eindruck von Leichtigkeit, auch wenn sie heavy ist. Wir betreten sie frohen Herzens und spüren erst zu spät, dass uns damit wieder etwas Schweres aufgebrummt wird.

Die Frage ist: Wie lange halten diese sprachlichen Eselsbrücken? Erste Wahlen und Umfragen deuten an, dass sie einsturzgefährdet sind. Die normative Kraft des Faktischen bringt sie ins Wanken. Wenn bei der Bundestagswahl im September die ganz schweren Gewichte aufgefahren werden, werden wir sehen, ob die Lockdown-Brücke und die anderen Sprachkreationen halten, was sie versprechen sollen.


LESERPOST
(ausgewählt von Dikigoros)

Bechlenberg Archi W. / 06.04.2021
"Wenn einer, der mit Mühe kaum /gepurzelt ist von einem Baum / schon glaubt, dass er jetzt jemand wär' / so irrt sich der." (frei nach Wilhelm Busch)

Dieter Kief / 06.04.2021
Der Berliner Medizinstatistiker Betram Häussler am Wochenende im Interview in Die weLT: Es gibt keine guten Gründe für einen Lockdown. Die Sterbeziffern gehen runter und die Intensivbettenbelegung ist Gott sie Dank unproblematisch. - Also: Die "dritte Welle" ist eine soziale, keine biologische Realität. - Sehr erfreulich, aber wahr!

Wolfgang Hoppe / 06.04.2021
Preisfrage: Was ist am Ende der Brücke in 3 Wochen? Antwort: Dann ist in 2 Wochen Ramadan. Und wir wollen doch zwischen den Kulturen Brücken schlagen. Oder?

R. Schürmann / 06.04.2021
So so, Laschet, der Klausurenspezialist, hat also über Ostern nachgedacht. Offenbar ist er ja gar nicht dumm, er hat nur sehr viel Pech beim Denken.

Lilith Diess / 06.04.2021
Tübinger Freiheit? Wo ist da Freiheit? Unser Bankkaufmann sinniert ja auch laut über Freiheiten für Geimpfte (und bekommt Zustimmung?!) - und den ungeimpften tätowiert man dann zur Identifikation einen Virus auf's Handgelenk. Sowas ähnliches hatten wir doch schon mal...

Sam Lowry / 06.04.2021
Was war noch außer einem neuen Wort für den nächsten potentiellen Verlust der Menschenrechte? Trotz steigender "Infizierten-Zahlen" in Koblenz sinkt der Inzidenzwert, was ich mathematisch nicht begreife, trotz Mathe-IQ 168. Darauf gönnte ich mir jetzt mal mehrere Tetrapäck Sangria und Dösen Bier und habe mal wieder gut einen im Tee. Meine Ex verschwand soeben mit den Worten "Ich muss mal versuchen, alleine klar zu kommen." Ich weiß, dass sie morgen um 16 Uhr nach der Arbeit anruft und Kaffee fordert. "Hunger, Stängchen?" Meine Antwort: "Ja, aber nur eine." So Laugen-Aufbackstangen aus dem Kühlregal REWE. Butter und Schinken druff, fertisch. Heute gabs Pizza, war im Angebot, auf den Extra-Mozarella hatte ich mal keinen Bock. Dann legte ich alte "Logo"-Musik auf, ehemalige Stamm-Disse, wo wir uns kennenlernten. Kam gerade aus Thailand zurück. Todmüde, aber geil drauf. Den schönsten Traumstrand verlassen, um wieder in meiner Disse sein zu können, und dann gleich Sabine kennen gelernt. "Brücken-Lochdown" hätte damals niemand für ein existierendes Wort gehalten, den Erfinder hätte man in die Klapse gesteckt, und gut wärs gewesen, vor allem richtig. Ich werde irgendwann sterben, aber sicher nicht als Geldbringer für irgendwelche asozialen Politiker oder Krankenhaus-Betreiber. Die können sich ihr Corona, Impfungen und ihre Beatmungsgeräte sonstwohin stecken. Wer diesen Betrug mitmacht oder unterstützt, der schickt auch Frauen und Kinder ins Gas[...]

Johannes Fritz / 06.04.2021
Laschet ist doch sowieso toll. Kam der doch glatt wieder mit einer gewissen Sylvesternacht zu Köln und - Zack - tauchen die ganzen alten Fuckenmann-Memes wieder in den bösen sozialen Medien auf. Der hat Potential, der Laschet

Kay Ströhmer / 06.04.2021
Er will es ihr irgendwie recht machen und windet sich wie ein Wurm. Meine Güte, Armin, steh mal gerade, Brust raus, Schultern breit. Ist ja nicht auszuhalten, dieser erbärmliche Anblick. Immer diese Bück-Haltung, immer dieses Buckeln. Und wenn du das nicht hinbekommst: Geh einfach nach Hause und bleib da. Fällt gar nicht auf.


Der Narrengruß: Covidioten bleiben zuhause und machen den
Aluhut. Eine Aktion des Bundesministeriums für Verblödung

Boris Kotchoubey / 06.04.2021
Eine Eselsbrücke /dtsch/: Eine Brücke, die von Eseln gebaut wird. [Anm. Dikigoros: falsch! Eine Brücke, die für Esel gebaut wird!]

Peter Reindl / 06.04.2021
Laschet ist selbst für diesen Haufen an Bildungsfernen [Anm. Dikigoros: wieder falsch! Das sind keine Bildungsferne, sondern Bildungsfeinde!] sehr schlicht. Reicht aber für die CDU. Bleibt eine Frage. Wie lebt es sich ohne Rückgrat und Eier?


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