HIRAM  BINGHAM

(19.11.1875 - 06.06.1956)

[Hiram Bingham]

Tabellarischer Lebenslauf
zusammengestellt von
Nikolas Dikigoros

1875
19. November: Hiram Bingham III wird als Sohn des Missionars Hiram Bingham II und seiner Ehefrau Clara, geb. Brewster, in Honolulu (Hawaii - damals noch ein unabhängiges Häuptlingtum "Königreich") geboren.


1882-92
Bingham besucht das O'ahu College in Honolulu.

1892-94
Bingham besucht die Phillips Academy in Andover (Massachusetts).

1894-98
Bingham studiert an der Yale University bis zum Bachelor of Arts [B.A.].

1898-1900
Bingham studiert an der U.C. Berkeley Lateinamerikanische Geschichte und schließt mit einem Master of Arts [M.A.] ab.

1900
Juli: Bingham wird Lektor für Geschichte an der Harvard University.
November: Bingham heiratet Alfreda Mitchell, die Enkelin - und Erbin - des Milliardärs Charles L. Tiffany. (Aus der Ehe gehen sieben Kinder - lauter Söhne - hervor.)


1905
Bingham habilitiert sich in Harvard für das Fach Lateinamerikanische Geschichte.
(Der US-amerikanische "Ph. D." entspricht nicht dem deutschen "Dr. phil.", sondern dem früheren "Dr. habil" in der BRD bzw. dem "Dr. II" in der DDR.)
Bingham geht an die Princeton University als Oberassistent bei Professor Woodrow Wilson, dem späteren Präsidenten der USA.

1907
Bingham wird Dozent für Lateinamerikanische Geschichte in Yale.

1908
Nach staubigen eingehenden Forschungen in Biblotheken und Archiven veröffentlicht Bingham "Die Möglichkeiten für Feldforschungen in Südamerikanischer Geschichte".
Dies trägt ihm eine Einladung zum 1. Panamerikanischen Wissenschaftskongreß in Santiago de Chile ein.
Auf dem Rückweg bereits er mehrere südamerikanische Länder - u.a. Perú - und veröffentlicht seinen Reisebericht unter dem Titel "Durch Südamerika von Buenes Aires über Potosi nach Lima."

Die nächsten Jahre verbringt Bingham damit, für eine Expedition nach Perú zu trommeln, welche die "verlorene" letzte Hauptstadt der Inca (nach dem Fall von Cuzco) aufspüren soll.*


1911
Die Yale University ist schließlich bereit, ihm die Expedition zu finanzieren.
Juli: Bingham entdeckt auf einem Berg in einigen Meilen Entfernung von Cuzco die Ruinen von Machu Picchu. In ihnen sieht er die gesuchte Hauptstadt und zugleich ein wichtiges religiöses Zentrum.**

[Machu Picchu]

1912-1915
Auf vier weiteren Reisen nach Machu Picchu - zusammen mit seinem Kollegen Harry Ward Foote, einem Professor für Chemie (!) in Yale - läßt Bingham die Ruinen nach und nach frei legen.
Dabei findet er ca. 4.000 Stücke und Stückchen Knochen, Keramik u.a. Überreste, die er der Yale University überläßt (wohl eine Bedingung für die Finanzierung).***

1917
April: Die USA treten in den Ersten Weltkrieg ein.
Bingham - bis dahin Captain [Hauptmann] d.R. in der Heimatwehr ["National Guard"] von Connecticut - wird zunächst als Trommler Werbe-Offizier an Universitäten für die Fliegerabteilung der U.S. Army eingesetzt. [Eine U.S. Air Force als eigene Waffengattung gibt es noch nicht.]


1918
Bingham wird nach Frankreich versetzt als Kommandeur einer Militärfliegerschule im Range eines Oberstleutnants.


1920
Bingham veröffentlicht "Ein Entdecker im Luftwehrdienst".

1922
November: Bingham wird als Kandidat der Republicans zum Vize-Gouverneur von Connecticut gewählt.

1924
November: Bingham wird zum Gouverneur von Connecticut gewählt.
Dezember: Bingham wird zum Senator für Connecticut gewählt.
Da in den USA eine solche Ämterhäufung unzulässig ist, tritt er nach nur 1-tägiger (!) Amtszeit als Gouverneur zurück und geht als Senator nach Washington D.C.****
Präsident Calvin Coolidge - der Binghams WK-I-Buch gelesen hat - macht ihn zu seinem Berater in Fragen der Luftfahrt.

1926
November: Bingham wird erneut zum Senator gewählt.
Er wird Vorsitzender des Ausschusses für Kolonien "Territorien und Inseln".
Zu diesen Inseln zählen vor allem diejenigen, welche die USA - die ja offiziell keine Kolonien haben und ganz entschieden gegen jede Art von "Kolonialismus" zu Felde ziehen - Spanien im Krieg von 1898 abgenommen hatten (u.a. die Philippinen) und Hawaii, welches sie 1899 annektiert hatten.

1929
Politische Gegner versuchen, Bingham einen Skandal anzuhängen: Er habe einen Lobbyisten angestellt, der den Finanzausschuß in Sachen Zolltarife ausspioniert habe, ein ganz abstruser Vorwurf, der im Sande verläuft. Als Bingham jedoch danach äußert, er sei einer "Hexenjagd" ausgesetzt gewesen, erhält er dafür einem formellen Tadel - ein frühes Beispiel politisch motivierter Schmutzkampagnen im US-Senat.

1932
November: Bei den Präsidentschafts- und Gouverneurswahlen gelingt den Democrats unter Franklin Delano Roosevelt ein Erdrutschsieg. Zu den Republicans, die nicht wieder gewählt werden, gehört auch Bingham.
Danach verläßt ihn seine Frau und reicht die Scheidung ein.

1937
Bingham heiratet in 2. Ehe Suzanne, geb. Hill.

1939
03. September: Großbritannien erklärt dem Deutschen Reich den Krieg, der sich bald zum (Zweiten) Weltkrieg ausweitet.

1941
September 11: Die USA treten durch die Shoot-on-sight-order von Präsident Roosevelt an der Seite Großbritanniens in den Zweiten Weltkrieg ein.
(Wovon sie die Welt mit ihren "Liberator"-Bombern befreien wollen, ist und bleibt strittig.)


Bingham ist jedoch mit 66 Jahren schon zu alt, um noch einmal reaktiviert zu werden. Er beschränkt sich auf Gastvorträge an einigen Marinefliegerschulen.

1948
Bingham veröffentlicht "Verlorene Stadt der Incas". Das Buch wird zum Bestseller mit mehreren Neuauflagen - ebenso die dadurch inspirierte Disney-Zeichentrickgeschichte "Verloren in den Anden" [Alternativtitel für Lateinamerika (und Italien): "Das Geheimnis der Incas"] von Carl Barks aus dem selben Jahr, die sogar verkurzfilmt wird.


Das führt zu einem ungeahnten Aufschwung des Fremdenverkehrs in Perú - vor allem durch zahlungskräftige US-Touristen, die Machu Picchu sehen wollen.

[Touristen in Machu Picchu]

(Der Hotel- und Gaststättenverband von Cuzco - wo die nächsten den Ansprüchen jener Touristen genügenden Etablissements liegen - weiß, wem er das zu verdanken hat und bewahrt Bingham ein ehrendes Andenken :-)


Der Tourismus wird zu einem der wichtigsten Wirtschaftszweige Perús, an dem sich das marode Land auf Jahre hinaus gesund stoßen sanieren kann.*****


1956
06. Juni: Hiram Bingham stirbt in Washington D.C.
Er erhält ein Begräbnis auf dem Nationalfriedhof von Arlington.

[Arlington, Friedhof] [Arlington, Sonnenaufgang]

(Ursprünglich als "Heldenfriedhof" konzipiert, kann dort heute jeder Soldat oder Politiker begraben werden, der im Todeszeitpunkt das richtige Parteibuch hatte sich nichts hat zuschulden kommen lassen.
In den USA gibt es inzwischen eine dreistellige Anzahl solcher Friedhöfe - Tendenz steigend.)

* * * * *

1986
Interessierte Kreise setzen das Gerücht in die Welt, Bingham habe als Vorbild für den Titelhelden in der australischen Filmkomödie "Crocodile Dundee" von und mit Paul Hogan gedient. (Dikigoros hält das für ziemlich abwegig.)

2007
Die Universität Yale gibt politischem Druck nach und erklärt sich bereit, die 4.000 von Bingham in Machu Picchu gesammelten Fundstücke entschädigungslos an die peruanische Regierung "zurück" zu geben. (Als ob sie der jemals gehört hätten!)

2008
Wenn man jemandem den kleinen Finger gibt... Die peruanische Regierung reagiert darauf mit der Behauptung, Bingham habe nicht 4.000, sondern 40.000 Fundstücke "gestohlen", deren Rückgabe sie nunmehr verlange. (Niemand wagt, dieser Chuzpe offen zu widersprechen; aber die 36.000 fehlenden Preziosen haben sich bis heute nicht "wieder" gefunden :-)


*Man macht sich heute kaum eine Vorstellung von den Schwierigkeiten - vor allem finanzieller Art - die eine solche Forschungsreise damals bereitete. Wer kein eigenes Geld zur Verfügung hatte, wie z.B. Heinrich Schliemann, war darauf angewiesen, daß Universitäten und/oder Museen etwas von ihrem schmalen Etat abzweigten. (Nein, Binghams Frau war nicht bereit, einen solchen "Unsinn" zu finanzieren :-) Der Sachse Friedrich Max Uhle (1856-1944), der einst als "Vater der südamerikanischen Archäologie" galt, verbrachte über 40 Jahre hauptsächlich mit der Suche nach Mitteln für Forschungsreisen - mit bescheidenem Erfolg. Gewiß, er buddelte überall und nirgends - vor allem in Perú und Bolivien - etwas herum, aber der große Wurf - wie etwa die spektakuläre Entdeckung von Machu Picchu, über die er sechs Jahre später schrieb - war nicht dabei; deshalb ist er auch weitgehend in Vergessenheit geraten - selbst Dikigoros widmet ihm ja keine eigenes Webseite, sondern nur diese Fußnote. Warum? Nun, Uhle war bestimmt ein kompetenter Akademiker und Museumsleiter, aber er war mehr Schreibtischtäter als Entdecker. (Gewiß, erstere müssen auch sein. Wer hätte etwas davon, wenn jemand etwas entdeckt, dessen Wert er nicht erkennt und es daher achtlos beiseite legt? Aber es genügt schon, wenn er es irgendwie richtig einordnet - etwaige Fehler in der Interpretation können spätere Generationen von sesselpupsenden Besserwessis ja dann in aller Ruhe korrigieren :-) Pachacamac hat er nicht entdeckt - das kannte jeder, denn es lag ja frei zugänglich unweit von Lima. Nazca und Moche wirken nur "richtig" aus der Luft; und von Tiahuanaco war er schon damals ebenso enttäuscht wie Dikigoros ein Menchenalter später. (Es wurde ja überhaupt erst richtig bekannt durch den Schweizer Erich von Däniken und dessen zwar höchstwahrscheinlich unzutreffende, aber immerhin interessante These, daß es einst von "Göttern", d.h. außerirdischen Astronauten, welche die Erde besuchten, erbaut wurde. Und während Uhles zahlreiche wissenschaftliche Bücher zu diesen Themen in geringer Auflage in irgendwelchen Bibliotheken verstaubten, wurden die "populärwissenschaftlichen" Dänikens zu Millionensellern :-)

[Pachacamac, Perú, um 1900] [Tiahuanaco, Bolivien] [Tiahuanaco, Sonnentor mit Dänikens 'Astronauten']

**Dikigoros und seine Mitreisenden - die M.P. in den 1970er Jahren besucht haben -, teilen diese Auffassung, entgegen der unter sesselpupsenden Schreibtisch-Archäologen heute herrschenden Meinung, wonach Vilcabamba die letzte Hauptstadt war und M.C. lediglich eine Art Wochenend-Residenz irgendwelcher Inca-Häuptlinge. Diese Annahme ist völlig abwegig, denn dafür war die Anlage viel zu schwer zugänglich, viel zu groß und viel zu stark befestigt. Es dürfte schon eine Art Alpenfestung Andenfestung gewesen sein, gedacht als letzter Zufluchtsort vor den spanischen Eroberern (und deren einheimischen Kollaborateuren). Für eine Theokratie selbstverständlich, gab es dort auch Tempel o.ä. Sakralbauten.

***Dafür wurde und wird Bingham scharf kritisiert - wie so viele seiner Zeitgenossen: Das sei "Kunstraub" oder zumindest "kulturelle Appropriation" gewesen. Doch darüber kann man trefflich streiten. Tatsache ist, daß viele Überreste, die aus der "Dritten Welt" nach Europa oder in die USA gebracht wurden, dadurch vor der Vernichtung bewahrt wurden.

****Hätte sich Bingham das nicht vorher überlegen können? Nein - der Posten in Washington D.C. war völlig überraschend vakant geworden, nachdem Senator Frank Bosworth Brandegee Selbstmord begangen hatte. Bingham entschied sich für den Senat, obwohl diese Wahl nur noch für Brandegees Restmandat galt, während er als Gouverneur eine volle Amtszeit hätte genießen können.

*****Nein, das sind bloß Blechmünzen, auch wenn sie - jedenfalls solange sie prägefrisch sind - hübsch anzusehen sind und "Sol de Oro [Gold-Sol]" drauf steht. Echte Goldmünzen gab es zwar auch, aber nicht aus jener ärmlichen Zeit, sondern halt erst wieder, nachdem sich Perú am Tourismus saniert hatte:


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