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At last:
Daniel Roy’s first Simon Flunkert book is available!!!

Endlich:
Daniel Roys erstes Simon-Flunkert-Buch kann gekauft (und GELESEN!!!) werden!!!

Daniel Roy, Hi, Mitkids!
Simon Flunkerts Abenteuer in der Brägenwurstzone,
Norderstedt: BOD, 2005,
240 Seiten, ISBN: 3-8334-2907-0.

Mehr Informationen gibt es hier!


Geschwister-Flunkert-Grusel-Trilogie


Daniel Roy, Brühl, Deutschland
Malcolm McGookin, Asterisk *Animations, Brisbane (Queensland), Australien
Ki.Ka, Erfurt, Deutschland

Teil I

Hi, Mitkids!

Hier ist wieder Simon Flunkert. Ich bin aber nicht alleine hier, sondern neben mir sitzt meine kleine Schwester Claudia. In den letzten Herbstferien haben wir gemeinsam ein Abenteuer erlebt, und wir haben beschlossen, euch abwechselnd davon zu erzählen. Mal erzählt Claudia, und dann erzähle wieder ich. Es ist ein etwas gruseliges und ziemlich spannendes Abenteuer. Und es ist so unglaublich, dass ihr es wahrscheinlich nicht glauben werdet, aber hört mal: Nur weil wir mit Nachnamen Flunkert heißen, bedeutet das nicht, dass wir immerzu nur flunkern. Okay, den ersten Teil der Geschichte werde ich euch erzählen, und Claudia kann solange weiter in der Nase popeln. Hee, Claudi, lass das, was soll das? Treten ist gemein!

Also: Dieses Abenteuer, von dem wir euch erzählen, haben wir nicht zu Hause in Sehnde erlebt, sondern in Flandern. Flandern, so nennt man die nördliche Hälfte des Landes Belgien. Während die Leute anderswo in Belgien Französisch und in einem kleinen Teil des Landes sogar Deutsch sprechen, sprechen die Flamen (so nennt man die Einwohner von Flandern) Flämisch. Eigentlich ist das dasselbe wie Holländisch, aber da die Aussprache ein klein bisschen anders ist, nennt man es eben auch Flämisch. Unsere Eltern hatten Claudia und mir erlaubt, in den Herbstferien alleine (also ohne Eltern) zu verreisen. Und da meine Mutter in Flandern in der Stadt Genk geboren wurde, hat sie dort noch eine Tante, und bei der sollten wir solange wohnen.

Die Zugfahrt von Sehnde nach Genk war gar nicht so einfach. Wir mussten nämlich unterwegs VIERMAL umsteigen: Zweimal in Deutschland und zweimal in Belgien. Wenn wir mal gerade nicht umsteigen mussten, sondern tatsächlich im Zug saßen, schaute ich aus dem Fenster, während Claudia meistens in ihrer Mädchen-Illustrierten blätterte. Irgendwann sagte sie mal: "Du, Simon, hier steht, dass sich eine berühmte australische Popgruppe auflösen will." Interessierte mich eigentlich nicht, und ich meinte gelangweilt: "So? Kylie Minogue will sich auflösen?" Das fand Claudia nicht so clever: "Quatsch. Kylie Minogue ist keine Gruppe. Savage Garden ist eine Gruppe, und die will sich auflösen." - "Aha. Na, Hauptsache, die Teletubbies bleiben zusammen." Claudia war sauer, weil sie inzwischen gemerkt hatte, dass ich sie verschei ... veräppelte. Am Nachmittag kamen wir in Genk an. Großtante Margriet war nicht mehr so gut zu Fuß, deswegen hatten wir verabredet, dass Claudia und ich alleine vom Bahnhof zu Tante Margriets Haus laufen würden. Es war schon ziemlich lange her, dass wir das letzte Mal in Genk gewesen waren, aber der Weg war nicht allzu schwierig wiederzufinden: Vom Bahnhof über die Hauptstraße ins Geschäftszentrum, einmal nach links, einmal nach rechts, dann noch zweimal links, und schon waren wir in der Molenstraat, wo Tante Margriet wohnte.

"Molenstraat" heißt auf Deutsch: "Mühlenstraße". Das ist etwas eigenartig, denn in der Molenstraat gab es keine einzige Mühle. Statt dessen aber eine große katholische Kirche namens Sint Martinus. Auf dem Weg zu Tante Margriets Haus fiel mir zum ersten Mal dieses Mädchen auf. Es war ungefähr so alt wie ich, ein bisschen kleiner als ich und hatte schwarze Haare. Sie war gruftymäßig angezogen, mit einem schwarzen Umhang und auch sonst ganz in schwarz. Als sie uns sah, lächelte sie und sagte: "Hallo, ihr zwei." - "Hallo", sagten wir, gingen aber einfach weiter. Schließlich kannten wir sie ja nicht. Dann standen wir vor Tante Margriets Haus. "Margriet van Poppel - 3maal bellen" stand auf einem Schildchen an der Tür. Claudia und ich grinsten uns an - und dann bellten wir beide gleichzeitig ganz laut: "Wau! Wau! Wau!" Da trat auch schon Tante Margriet vor die Tür und begrüßte uns. "Also wirklich! So viel Flämisch wird euch eure Mama doch wohl beigebracht haben, dass ihr wissen müsstet, dass unser bellen in eurer Sprache klingeln heißt." Ja klar. Claudia und ich können einigermaßen gut Flämisch verstehen, und Claudia antwortete: "War nur Spaß, Tante Margriet. Wir wollten dich ein bisschen ärgern." Tante Margriet war aber gar nicht verärgert. Statt dessen ließ sie uns ins Haus, und wir packten erst einmal unsere Koffer aus.

Nachdem wir ein paar belgische Waffeln gegessen hatten, wollten Claudia und ich dann auf Entdeckungsreise gehen. So, und jetzt will erst einmal Claudia weitererzählen.

Claudia: Ja, genau, ihr Rübennasen, jetzt bin ich an der Reihe, Simons nur zwei Jahr jüngere, aber viiiiel hübschere Schwester Claudia. Wir gingen also in Genk auf Entdeckungstour, aber nicht gemeinsam. Genk ist nämlich eine bunte Einkaufsstadt. Dort gibt es drei überdachte Einkaufszentren, und außerdem noch viele andere Straßen und Gassen mit Geschäften. Ich hatte etwas Geld und wollte shoppen gehen. "Kommste mit, oder lässt du mir meinen Spaß?" fragte ich ihn. Er ließ sich nicht anmerken, dass ihn meine Frage ärgerte, sondern sagte: "Nö. Ich gehe lieber rüber zur Sternwarte." Na, zum Glück, freie Bahn für Claudia Flunkert, der Welt beste Shopperin! Ich wetzte los - aber wohin zuerst? Ach ja, in den CD Shop im Einkaufszentrum Nummer 1. Mal reinschauen und reinhören, welche Musik man in Flandern so mag. Die Gruppe K3 zum Beispiel. Das sind drei Frauen, die auf der Bühne rumhopsen wie Gummibälle und Riesenhits hatten wie zum Beispiel. "He Ya Ma Ma" und "Yummi dummi da" - oder so ähnlich. Abgedrehte Texte, und sehr intelligent. Oder die Kreuners. Heißt auf Deutsch "Die Stöhner". So singen sie übrigens auch. Danach flitzte ich ins Schuhgeschäft. Dort gab's im Sonderangebot die beknacktesten Plateauschuhe, die ich jemals gesehen hatte. Und weil sie so beknackt aussahen, habe ich sie natürlich sofort gekauft. Nicht dass ich sie gleich angezogen hätte - ich wollte sie nur für die nächste Karnevalsparty. Und dann lief ich noch rüber in die Parfümerie. Nein, ich habe nicht wieder an Nagellackflaschen genippt - sowas mache ich nie wieder. Ich wollte mir ein gutes Parfüm aussuchen. Eines war besonders widerlich. "Eau de Toilette du Manneken Pis" stand auf der Flasche. Das Zeug war gelb und roch wie .... iiiih! Eeeeeklig! Habe ich natürlich auch gekauft. Während ich so vor mich hin shoppte und lauter nützliche Sachen kaufte, hatte Simon eine ganz seltsame Begegnung. Erzähl' mal weiter, großer Bruder!

Simon: Ich bin's wieder, Simon. Wie ich Claudia gesagt hatte, war ich zum Planetarium von Genk gegangen. Das war nicht sehr schlau gewesen, denn jetzt am späten Nachmittag hatte es bereits geschlossen. Na ja, war nicht schlimm, es war ja erst unser erster Ferientag in Genk. Also spazierte ich langsam zurück zu Tante Margriets Haus. Es wurde auch schon langsam finster.

Auf dem Weg kam ich wieder an der alten Kirche Sint Martinus vorbei. Nicht dass ich hineingehen wollte. Trotzdem schlenderte ich mal zur Eingangstür. Plötzlich sprach mich jemand an: "Gefallen dir alte Kirchen?" Ich drehte mich um. Es war das Mädchen, das wir schon am Nachmittag gesehen hatten. "Och ja, geht so", meinte ich etwas verlegen. Sie grinste: "Sind sie dir vielleicht zu unheimlich?" - "Neeee, das natürlich nicht", behauptete ich. Da sie nicht locker ließ, kamen wir ins Quatschen, und eigentlich fand ich sie ganz nett. "Ich heiße übrigens Ineke", sagte sie. Wie wir uns so unterhielten, gingen wir immer weiter, und ehe es mir bewusst wurde, standen wir auf dem Friedhof neben der Kirche. Inzwischen war es stockfinster. Ineke schien mich wirklich zu mögen, und sie fragte mich plötzlich ganz direkt: "Hast du schon eine Freundin?" Also, das war mir jetzt wirklich peinlich. Und außerdem fühlte ich mich unbehaglich - auf einem dunklen Friedhof in Flandern mit einem Mädchen, das ich kaum kannte. "Na ja, ich bin mit meiner Klassenkameradin Sirpa befreundet", antwortete ich zögerlich. "Schade - du wärst mein Typ gewesen", sagte Ineke. Und dann passierte etwas noch Unglaublicheres. Sie gab mir einfach so einen Kuss. Und zwar nicht auf dem Mund oder die Wange oder die Stirn - sondern auf meinen Hals. Danach rannte sie ganz schnell davon.

Ich war wie erstarrt. Dieses fremde Mädchen hatte mich .... nein - es war kein normaler Kuss. Denn als der Schreck nachließ, spürte ich einen Schmerz im Hals. Ich betastete meinen Hals mit der Hand, und - aua! Ich spürte Blut! Dieses eigenartige Mädchen hatte mir in den Hals gebissen! Ich war angeknabbert worden! Echt, Mitkids: Diese blöde Kuh hatte mich angefressen! Was für ein Mädchen war das bloß? Was war nur passiert?

Nun, wenn ihr das wissen wollt, müsst ihr hier demnächst den zweiten Teil der Geschichte lesen.

DIE FLUNKERTS

P.S. von Claudia: Ich hab gar nicht gepopelt! P.P.S. von Simon: Hast du doch!



Teil II

Hallo, Rübennasen!

Hier meldet sich Claudia Flunkert mit dem zweiten Teil der Geschwister-Flunkert-Grusel-Trilogie. Diesen bescheuerten Titel hat sich übrigens mein großer Bruder Simon ausgedacht. Wie ihr euch vielleicht erinnert, verbrachten Simon und ich einige Tage bei Großtante Margriet in Flandern, also in Belgien. Wir waren am Nachmittag angekommen, und während ich in den großen Einkaufszentren von Genk so vor mich hin shoppte, spazierte Simon durch die Altstadt. Dabei lernte er an der alten Kirche Sint Martinus das gruftimäßig gekleidete Mädchen Ineke kennen. Ineke schien ihn komischerweise zu mögen, und beim Abschied knutschte sie ihn. Aber eigentlich war das gar kein echter Kuss ...

Unsere Geschichte geht weiter: Am Abend stand ich in Tante Margriets Gästezimmer und probierte die zwölf paar Socken an, die ich mir gekauft hatte. He, witzig, ich schaffte es, mir alle zwölf gleichzeitig anzuziehen! Leider passten meine Füße damit nicht mehr in die Schuhe, aber egal, man kann nicht alles haben. Jedenfalls, plötzlich stand Simon in der Tür. Hab' ich mich vielleicht erschrocken: Er war kreidebleich, total blass und voll käsig im Gesicht. Und man konnte sehen, dass er am Hals eine Wunde hatte - er hatte geblutet. "Ist dir eine Laus über die Leber gelaufen oder hat dich ein Trecker überfahren?" fragte ich ihn. Er jammerte: "Nein, noch viel abgedrehter. Erinnerst du dich noch an diese komische Gruftibraut, die wir heute Nachmittag gesehen haben. Sie hat mich an der alten Kirche angelabert. Erst war sie ganz freundlich. Dann hat sie mich auf den Friedhof gelotst. Sie fragte mich, ob ich eine Freundin hätte, und als ich ja sagte, hat sie mir in den Hals gebissen und ist weggerannt. Die Zicke heißt übrigens Ineke."

Tja, nun - wirklich abgedreht. Aber da meinem Bruder immer solche bekloppten Dinger passieren, wundert mich schon lange nichts mehr. Dachte ich da jedenfalls noch. Dann taten wir erst einmal etwas sehr Unvernünftiges: Wir gingen früh zu Bett. Ja, ehrlich, wir waren so müde von der Zugfahrt, dass wir freiwillig um acht Uhr schlafen gingen. Es war übrigens das erste Mal seit Jahren, dass ich mit Simon im selben Zimmer schlafen musste. Brrr.

Aber am frühen Morgen wurde ich früh geweckt. Ich hörte eine Alarmanlage. Und als ich mich umschaute, merkte ich, dass das gar keine Alarmanlage war, sondern mein Bruder Simon, der vorm Spiegel stand und brüllte wie am Spieß. Total krass! "He, Simon. So hässlich ist selbst dein Spiegelbild nicht, dass du so schreien musst." Simon sagte mit zitternder Stimme: "Es ist nicht mehr da. Ich habe kein Spiegelbild mehr." - "Wie, du hast kein Spiegelbild mehr?" fragte ich stinkig und trat neben ihn. Ach, du meine Güte! Es stimmte. Selbst konnte ich mich im Spiegel problemlos sehen. Aber an der Stelle, wo Simons Spiegelbild hätte sein müssen, war nichts. Nur Luft. "Cooler Trick", meinte ich. Simon drehte sich zu mir: "Das ist kein Trick. Ich habe kein Spiegelbild mehr. Und da ist noch etwas." Er machte den Mund auf, und an den Seiten wurden zwei hervorstechende Eckzähne sichtbar, die er vorher nicht hatte: Vampirzähne. Mein Bruder hatte sich in einen Vampir verwandelt. "Raaaaaaaah!" Jetzt schrie auch ich ganz laut.

Großtante Margriet hatte unser Geschrei auch gehört und kam nun ins Zimmer. Sie wusste aber nicht, was das für Schreie waren, und fragte: "Sagt mal, Kinder, muss das sein, dass ihr am frühen Morgen schon so laut Volksmusik macht?" Wir starrten sie an, und Simon stammelte: "Wir haben ein Problem, Tante Margriet. Ich bin jetzt ein Vampir." - "Ach, du meine Güte, so ein Pech!" meinte sie. Sie nahm es gefasster auf, als ich erwartet hatte. Aber Großtante Margriet ahnte sofort, was passiert war: "Es war Ineke, stimmt's?" Simon nickte. Tante Margriet war enttäuscht: "Ineke! Ineke de Baissman! Sie hatte es so versprochen, nie wieder zu beißen. Damals, 1792. Ich muss euch das erklären." Sie setzte sich und erklärte: "Ineke ist der letzte Vampir hier in der Stadt. Obwohl sie aussieht, als wäre sie dreizehn, ist sie schon siebenhundert Jahre alt. Früher hat sie jeden Jungen gebissen, den sie mochte, der aber nicht ihr Freund sein wollte. Bis 1792. Damals hat ihr der Zahnarzt gedroht, er würde bei ihr keine Wurzelbehandlungen mehr durchführen, wenn sie nicht endlich mit dieser unappetitlichen Beißerei aufhört. Und seitdem war sie trocken ... also, ich meine, sie hat keinen mehr gebissen. Bis Simon kam. Und jeder, der von einem Vampir gebissen wird, wird selbst zum Vampir. Eigentlich schade!"

"Und was machen wir jetzt?" fragte Simon ziemlich nervös. Großtante Margriet überlegte: "Keine Sorge, das kriegen wir schon hin. Irgendwie. Zunächst mal musst du dich vor dem Tageslicht verstecken. Vampire überleben das Tageslicht nicht. Außer Ineke, die hat sich beizeiten gegen ihre Tageslichtallergie impfen lassen. Mal überlegen: Wir bräuchten einen Sarg, in den du dich hineinlegen kannst." - "Das ist nicht dein Ernst!" schrie Simon. Sie beruhigte ihn: "Ganz ruhig, Jongetje. Ich hab' sowieso keinen Sarg im Haus. Aber hier - die große Wäschetruhe." Also kletterte Simon in die Wäschetruhe, und wir machten den Deckel zu. "Gebt mir wenigstens etwas zu lesen!" beschwerte er sich, und Großtante Margriet gab ihm eine Fachzeitschrift für Metzger. "Ich habe auch Hunger und Durst. Gebt mir Blutwurst und Blutorangen! Und Tomatensaft!" motzte er. Irgendwie bedenklich!

Dann beratschlagten Großtante Margriet und ich. Sie sagte: "Claudia, du musst sofort rüber zur Praxis von Doktor van der Goedegeest. Er hat alle behandelt, die von Ineke gebissen wurden. Also damals vor 1792." - "Kannst du ihn nicht einfach schnell anrufen?" warf ich ein. Sie schüttelte den Kopf: "Nein, unmöglich. Doktor van der Goedegeest ist auch schon mehrere hundert Jahre alt. Und wenn jemand so alt ist, will er von modernen Kommunikationsmitteln wie Telefon, Fax, Email oder Trommeln nichts mehr wissen. Du musst schon zu Fuß zu ihm hin, um ihn zu alarmieren." Dann beschrieb sie mir den Weg: "Der Doktor wohnt in der Klabauterstraat. Du gehst an der alten Kirche vorbei, dann rechts in die Blutlaan, dann sofort links in die Skeletstraat ..." Das konnte ich mir merken.

Ich wetzte sofort los. Junge, Junge, das war vielleicht ein verrückter Morgen. Als ich an der Kirche Sint Martinus vorbeikam, hörte ich eine Stimme: "Na, Kleine. Wie geht's denn deinem süßen Brüderchen?" Ich drehte mich um und sah Ineke, die an der Kirchenmauer lehnte. Sie grinste so breit, dass ich ihre Vampirzähne sehen konnte. Aber ich ließ mich nicht einschüchtern und meckerte sie an: "Na, warte, du alte Blutsaugerin! Dafür wirst du büßen. Ich habe den schwarzen Gürtel in ... im ... im In-den-Hintern-treten. Ich werde dir derart in den Allerwertesten treten, dass du bis nach Transylvanien fliegst!" - "Dazu musst du mich erstmal erwischen", kicherte Ineke und rannte davon. Ich ihr nach. Sie vorneweg, und ich immer hinterher. Durch die Zombiestraat, durch die Dodelaan, an der Geistergracht vorbei ... und dann flüchtete Ineke ausgerechnet in einen Copy Shop. Ja, in einen Laden, in dem man Fotokopien machen kann. Ich hinterher. Dort im Laden stand sie vor mir und konnte nicht an mir vorbei. Aber das schien ihr keine Angst zu machen. Sie meinte: "Du glaubst bestimmt, Vampire hätten keine Ahnung von moderner Technik. Dann pass mal auf!" Ineke hob den Deckel eines der Kopiergeräte an, legte ihre linke Hand auf die Glasfläche, drückte mit der rechten Hand die Taste "9" und dann die Taste "Start". Und puff - plötzlich standen sage und schreibe zehn Inekes vor mir. Ineke hatte sich neunmal selbst kopiert. Alle zehn Inekes grinsten und sagten im Chor: "Wenn du jetzt einer von uns in den Hintern trittst, dann werden dir gleichzeitig neun andere in den Hintern beißen."

Okay, das hatte ich begriffen. Ich rannte auf und davon. Direkt zu Doktor van der Goedegeest, um ihn um Hilfe zu bitten. Und wenn ihr wissen wollt, wie's ausgeht, müsst ihr hier demnächst den letzten Teil der Geschichte lesen.

DIE FLUNKERTS


Teil III

Hallo, Rübennasen! Hi, Mitkids!

Hier meldet sich Claudia Flunkert mit dem dritten Teil der Geschwister-Flunkert-Grusel-Trilogie. Wie ihr euch vielleicht erinnert, verbrachten mein großer Bruder Simon und ich einige Tage bei Großtante Margriet in Genk. Das liegt in Belgien. Am ersten Abend lernte Simon das Mädchen Ineke kennen. Ineke lotste Simon auf den Friedhof an der Kirche Sint-Martinus. Dort hat sie ihn angebaggert. Aber als er sagte, dass er schon eine Freundin zu Hause in Sehnde habe, hat sie ihm in den Hals gebissen. Und am nächsten Morgen merkten wir dann, dass sich Simon in einen Vampir verwandelt hatte. Er hatte Vampirzähne, und er hatte kein Spiegelbild mehr. Typische Kennzeichen eines Vampirs eben. Tante Margriet begriff sofort, was passiert war, und sie erklärte es uns: Ineke sah zwar aus wie ein dreizehnjähriges Mädchen, war in Wirklichkeit aber ein siebenhundert Jahre alter weiblicher Vampir. Früher hatte sie öfters Leute gebissen, aber in letzter Zeit hatte sie sich es abgewöhnt - seit 1792 hatte sie niemanden mehr angefressen. Bis sie sich nun unglücklich in meinen Bruder verknallt und ihn aus Rache gebissen hatte - so dass er nun selbst zum Vampir geworden war.

Da Simon als Vampir kein Sonnenlicht vertrug, legte er sich erst einmal in Tante Margriet Wäschetruhe. Mich hingegen schickte Tante Margriet zum alten Doktor van der Goedegeest, der schon früher Menschen gegen Vampirbisse behandelt haben soll. Ganz abgehetzt kam ich in seiner Praxis an. Glücklicherweise traf ich ihn selbst im Vorzimmer, so dass ich ihm sogleich erklären konnte, was geschehen war: "Großtante Margriet schickt mich - euer Vampirmädchen hat zugebissen - meinem Bruder voll in die Gurgel - ist jetzt auch ein Vampir - keuch!" Zum Glück verstand mich Doktor van der Goedegeest sofort. Er runzelte die Nase und rümpfte die Stirn - äh, umgekehrt - und antwortete: "Ineke, diese Göre. Jetzt ist guter Rat teuer. Apropos teuer: Ist dein Bruder denn überhaupt krankenversichert?"

Ja, das war er wohl. Und der Doktor kam zum Glück auch sofort mit mir mit. Schließlich war es ja ein ganz ungewöhnlicher Notfall. Als wir bei Tante Margriet ankamen, lag Simon nicht mehr in der engen Wäschetruhe, sondern er hatte es sich in der finsteren Speisekammer gemütlich gemacht. So, und den Rest der Geschichte wird euch nun Simon selbst erzählen. Du bist dran, Simon, altes Bruderherz!

Simon: Ja, danke, Claudi, du junge Schwesterniere. Na gut. Als der Doktor in die Speisekammer trat (Tante Margriet und Claudia kamen auch mit dazu), aß ich gerade ein großes Stück Blutwurst. Ich hatte einfach Heißhunger auf Blutwurst; wahrscheinlich, weil ich ein Vampir war und Vampire auf Blutiges stehen. Der Doktor wollte genau wissen, wie das mit dem Vampirbiss gewesen war. Ich erzählte ihm alles und meinte dann noch. "Dumm gelaufen, ne?" Der Doktor nickte: "Tja, allerdings. Das kann man sagen. Wenn du kein Vampir bleiben willst, und das willst du doch sicher nicht, oder ...?" - ich schüttelte den Kopf mit Schallgeschwindigkeit, und er fuhr fort: "... dann werde ich dich operieren müssen. Allerdings ist diese Operation sehr umständlich und gefährlich. Erstens kann man dem Patienten bei dieser Operation keine Vollnarkose verabreichen, da Vampire keine Vollnarkose vertragen. Sie bekommen davon starkes Zahnfleischbluten. Und Pickel. Und zweitens kann es passieren, dass sich der Patient, wenn die Operation schiefläuft, in einen Kobold verwandelt. Das ist das sogenannte Pumuckl-Syndrom." Mir wurde bang und banger. Ich wollte mir aber nicht anmerken lassen, dass ich ein Bangemann war, und fragte sachlich: "Gibt es keine andere Möglichkeit?" Man konnte dem Doktor ansehen, wie er nachdachte, denn auf seiner Halbglatze schimmerte ein Fragezeichen. Dann fragte er: "Welches Jahr haben wir eigentlich?" Ich hätte fast gelacht, aber antwortete dann höflich: "2001". Er strahlte: "Dann geht es. Sint Martinus sei Dank." Auch Tante Margriet freute sich. "Stimmt ja. Der alte Glockenturm." Der Doktor erklärte uns Kindern: "Die Glocke unserer Kirche ist nicht einfach nur eine Glocke. Sie ist auch eine Zeitmaschine. Das ist nämlich so: Einmal in jedem Jahrhundert kann ein Jüngling, wenn er die Glocke von Sint Martinus läutet, die Zeit um 24 Stunden zurückdrehen. Also um genau 1 Tag. Wann genau hat dich Ineke gebissen, Simon?" - "Gegen sieben Uhr abends", antwortete ich. Er meinte: "Dann gehen wir zwei heute um halb sieben in den Glockenturm, und du wirst die Glocke läuten." Claudia lachte: "Eine Glocke, die die Zeit zurückdreht? Das glaube ich nicht." Tante Margriet schimpfte mit ihr: "Wenn sich dein Bruder in einen Vampir verwandeln kann, kann eine Glocke auch die Zeit zurückdrehen."

Anschließend besprachen wir noch, wie wir's genau machen würden. Der Doktor verabschiedete sich und versprach, mich pünktlich abzuholen. Ihr werdet verstehen, dass ich unheimlich aufgeregt war. Schließlich ging es darum, ob ich den Rest meines Lebens als Vampir verbringen musste oder wieder ein normaler Teenager sein durfte. Glücklicherweise kam der Doktor wirklich zur vereinbarten Zeit. Es war draußen zum Glück schon ziemlich düster, denn das Tageslicht hätte ich als Vampir ja nicht vertragen. Der Doktor hatte den Kirchendiener, Herrn de Kyster, eingeweiht. Der schloss uns auf, als wir kamen, und führte uns hoch hinauf in den alten Glockenturm. Dort erblickte ich die riesengroße Glocke, die ich nun läuten sollte. Oh Mann, sowas wollte ich eigentlich schon immer mal tun. Doktor van der Goedegeest sagte: "Verlieren wir keine Sekunde. Beginne zu läuten, dann wird die Zeit um 24 Stunden zurückgedreht."

Ich begann zu läuten. Bimm Bamm! Nichts passierte! Bimm Bamm! Bimm Bamm! Noch immer nichts! Bimm Bamm! Bimm Bamm Bimm Bamm Bimm Bamm - Bäng! Aha! Es hatte wohl geklappt. Im Nu war ich nicht mehr im Glockenturm, sondern unten auf der Molenstraat. Genau wie 24 Stunden vorher. Heute war gestern! Ich tastete mit der Hand mein Gebiss ab. Die Vampirzähne waren verschwunden! Hervorragend! Schnell Claudis Taschenspiegel hervorholen - hurra, mein Spiegelbild war auch wieder da! Juchhu, ich war wieder ich und kein Vampir mehr!

Das heißt aber nicht, dass alles schon ausgestanden war. Wenn Ineke mich nun finden und wieder beißen würde, wäre ich sofort wieder ein Vampir. Diese Gefahr hatten wir bedacht. So schnell ich konnte, rannte ich zum Haus von Doktor van der Goedegeest in die Klabauterstraat. Durch mein Glockenläuten war ja auch er an den Ort "zurückgebeamt" worden, an dem er 24 Stunden zuvor gewesen war. Also in seiner Praxis. Er erwartete mich schon an der Eingangstür. "Hier, wie vereinbart, eine Riesenknolle Knoblauch. Nimm und beeile dich! Und denke dran: Nur diejenigen Menschen, die in dein Glockenläuten eingeweiht waren, wissen von dem Zeitsprung rückwärts. Für alle anderen ist es jetzt so, als hätte es die letzten 24 Stunden nie gegeben." Ich bedankte mich fix für den Knoblauch und lief auf direktem Wege zur Kirche Sint Martinus. Dort angekommen, hatte ich doch noch etwas Zeit zum Verschnaufen und um mich zu konzentrieren. Es durfte nichts schiefgehen. Dann begab ich mich zur Eingangstür der Kirche.

Mir stockte das Blut, und der Atem gefror mir in den Adern. "Gefallen dir alte Kirchen?" fragte mich eine Mädchenstimme - genau wie 24 Stunden zuvor. Ineke war wieder da. Ich drehte mich um und sagte: "Ja. Sie gefallen mir sogar sehr. Aber was ist mit dir? Gefällt dir mein Knoblauch?" Und sogleich hielt ich ihr den Knoblauch unter die Nase. Ineke erschrak und schrie laut auf. Mag sein, dass sich einige von euch auch vor Knoblauch ekeln, Mitkids. Aber Vampire ekeln sich einfach nicht nur vor Knoblauch, sondern er ist für sie lebensbedrohlich. Ineke schrie voller Angst: "Weiche von mir, du Satan!" Satan? Frechheit! Aber nicht ich wich, sondern sie wich. Sie rannte unglaublich schnell davon, und ich bedauerte, dass ich keine Stoppuhr dabei hatte. Wahrscheinlich hatte Ineke gerade einen neuen Weltrekord im 100-Meter-Lauf aufgestellt.

Claudia und ich waren noch mehrere Tage bei Tante Margriet, aber Ineke wurde nie wieder gesehen. Und so ging das vielleicht spannendste Abenteuer in Claudias und meinem Leben zu Ende. Es grüßen Euch

DIE FLUNKERTS

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