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Daniel Roy’s first Simon Flunkert book is available!!!

Endlich:
Daniel Roys erstes Simon-Flunkert-Buch kann gekauft (und GELESEN!!!) werden!!!

Daniel Roy, Hi, Mitkids!
Simon Flunkerts Abenteuer in der Brägenwurstzone,
Norderstedt: BOD, 2005,
240 Seiten, ISBN: 3-8334-2907-0.

Mehr Informationen gibt es hier!


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Ein Sommer in Toronto


Daniel Roy, Bruehl, Deutschland
Malcolm McGookin, Asterisk *Animations, Brisbane (Queensland), Australien
Ki.Ka, Erfurt, Deutschland

Episode 1 - Die Geschichte vor der Geschichte

Hallo, Rübennäschen!

Hier ist eure Claudia Flunkert, und ich bin direkt noch beim Kofferauspacken. Und ich habe mir vorgenommen, euch heute und in der nächsten Zeit von meinen Sommerferien zu erzählen.

Dafür ist aber die Vorgeschichte wichtig, und die begann in der Osterzeit. Zack Zatzicki werden einige von euch schon kennen. Er ist zehn Jahre alt und wohnt seit letztem Jahr in unserer Nachbarschaft.

Eines Tages stand Zack bei mir in der Tür und sagte: "Claudia, ich brauch' eine große Schwester." Von Zack bin ich so manchen komischen Spruch gewohnt, und ich fragte nur gelangweilt: "Für wann?" Überraschenderweise hatte er dafür eine genaue Antwort: "In den großen Ferien." Aha - da schien sich wohl doch mehr dahinter zu verbergen, und ich fragte: "Weshalb, weswegen, wieso, warum, wozu und wofür?"

Und er erklärte: "Meine Eltern fliegen mit mir nach Toronto. Allerdings nicht selbst, sondern wir nehmen das Flugzeug." Ich unterbrach ihn: "Bitte keine Spitzfindigkeiten. Toronto - wo liegt das? Nordafrika?" Er rollte mit den Augen, der kleine Besserwisser: "Nicht in NordAFRIKA, sondern in NordAMERIKA. Genauer gesagt in Kanada. Meine Mutter kommt doch daher." Ach ja - stimmt ja. Deswegen spricht Zack mit seiner Mutter auch immer Englisch. Er wächst zweisprachig auf. Er erzählte mir weiter: "Wir besuchen dort Großtante Donata. Donata MacBaglemuffin ist sehr reich, und das ist gut, weil sie meine Mutter als Alleinerbin eingesetzt hat. Allerdings ist sie auch etwas eigenwillig, und das ist das Problem. Sie hat festgelegt, dass meine Mutter nur dann das viele Geld erbt, wenn sie bis zu ihrem 40. Geburtstag einen Ehemann, einen Sohn und eine Tochter vorweisen kann. Ansonsten geht das Geld an die Stiftung für geschiedene Zimtbrötchenbäcker."

Ich legte meine Stirn in Falten. In unserer Theater AG habe ich gelernt, wie man das am wirkungsvollsten macht. Mir war klar, was das Problem war: "Aha. Ich verstehe. Der Ehemann ist da. Der Sohn auch. Aber die Tochter fehlt." Zack nickte: "Genau. Im Herbst wird Mama vierzig, und wenn sie diesen Sommer bei Tante Donata nicht die Tochter vorweisen kann, die sie immer vorgetäuscht hat, ist Essig mit der Kohle." Und was jetzt kam, überraschte mich nun nicht mehr so: "Claaaaaudiaaa - willst du nicht diesen Sommer meine große Schwester spielen? Ist gar nicht schwer. Du musst nur so tun, als würdest du zur Familie gehören, wenn wir direkt bei Tante Donata sind."

Das gefiel mir überhaupt nicht, denn das wäre ja Betrug. Und das sagte ich ihm auch: "Das gefällt mir überhaupt nicht, denn das wäre ja Betrug." Zack grinste und ließ nicht locker: "Betrug? Och. Ein bisschen vielleicht. Überleg mal: Wie oft warst du schon in Kanada? Noch nie, stimmt's?" Es stimmte, und ich nickte. Er setzte nach: "Toronto ist eine total interessante Stadt, und du hast die Chance, ganz umsonst dort Ferien zu machen. Deine Eltern würden dir das niemals bezahlen." Stimmte ebenfalls. Für den Sommer hatten sie eine Reise in den Ödenwald, äh, Odenwald geplant. Da würde ich statt dessen mitmüssen.

Ich wurde schwach, denn ich würde gerne mal nach Kanada. Aber meine Eltern würden bei dieser Lügengeschichte nicht mitspielen. "Wie soll ich denn meinen Eltern klarmachen, dass ich mit euch eine Reise nach Tonto ... Toro ..." - "Toronto." - "Sage ich doch ... dass ich mit euch umsonst eine Reise nach Kanada machen soll? Wenn sie hören, wozu ihr mich braucht, sagen sie ‚Nix da.'" - "Erzähle denen doch einfach irgendwas", schlug er frech vor. Nee - ich wollte meine Eltern nicht anlügen, und ich stellte Zack eine Bedingung: "Ich will meine Eltern nicht anlügen, und ich stelle dir eine Bedingung. Deine Mutter selbst muss meine Eltern fragen, ob ich mit darf."

Zack war komischerweise sofort einverstanden, und schon am nächsten Abend war Frau Zatzicki bei meinen Eltern, um mit ihnen zu reden. Zack war auch dabei. Die Erwachsenen redeten im Wohnzimmer, und Zack und ich warteten in meinem Zimmer auf das Ergebnis. Dann kamen unsere Mütter zu uns, und Mama sagte: "Claudinchen, die Zatzickis möchten dich im Sommer nach Kanada mitnehmen. Wenn du das möchtest, darfst du mit. Papa und ich sind einverstanden. Und du verdienst sogar ein bisschen Geld dabei." Ich war verdutzt und fast ein bisschen entsetzt und fragte: "Was hat denn Frau Zatzicki erzählt, warum ich mitkommen darf?" Frau Zatzicki lächelte und sagte: "Unser Filmprojekt - weißt du das nicht? Ich arbeite doch jetzt für eine Filmproduktionsfirma als Produzentin. Wir drehen im Sommer in Toronto einige Werbefilme, um deutsche Touristen dorthin zu locken. Dafür brauchen wir ein sportliches, rothaariges Teenagermädchen, das außerdem Deutsch spricht. Da habe ich sofort an dich gedacht. Erspart uns ein aufwändiges Casting, weißt du?" Jetzt war ich ganz von meinen rot-weißen Ringelsocken. Zack grinste. Ich stammelte: "Aber aber aber Zack hat mir erzählt ..." Frau Zatzicki lachte: "Ach - er hat dir wieder irgendeine Lügengeschichte aufgetischt, ich verstehe. Das macht er zu gerne." Ich dachte kurz nach und sagte: "Na klar will ich mit nach Torontoto."

Die Mütter verließen fröhlich mein Zimmer, und ich pfiff Zack an: "Musste diese Lügerei denn sein?" Er grinste: "Nein, sie musste nicht sein. Aber es hat Spaß gemacht, zu sehen, wie du so entsetzt warst." Ich blieb ganz ruhig und sagte: "Okay, okay. Ich freue mich ja auf Kanada. Aber wenn du mich schon gebeten hast, deine große Schwester zu spielen, möchte ich mal eben tun, was eine echte verantwortungsvolle große Schwester jetzt tun würde." - "Was meinst du?" fragte er verdutzt. Nun ... ich fasste ihn sanft an den Schultern und drehte ihn um, so dass er mit dem Rücken zu mir stand. Dann ging ich ein paar Schritte zurück, zielte, nahm etwas Anlauf, und dann trat ich ihm tierisch in den Hintern. "War das denn nötig?" fragte er mit verheulter Stimme, als er sich von dem Schreck und den Schmerzen einigermaßen erholt hatte. "Nein, nötig war das nicht. Aber es hat Spaß gemacht, zu sehen, wie du dir anschließend die Pobacken gerieben hast. Außerdem kannst du froh sein, dass ich nur Socken an habe."

Ich würde also nach Kanada fahren. Ich freute mich darüber. Meine Eltern freuten sich auch für mich. Nur Simon, mein oller Bruder - ich glaube, der war neidisch. Schließlich würde er mit meinen Eltern in den Ödenwald fahren müssen. "Immerhin musste ICH damals hier bleiben, als du nach Australien fahren durftest", sagte ich ihm. "Grummel, grummel, grummel", antwortete er nur.

Na, dann lasst ihn grummeln. Nächstes Mal erzähle ich euch vom Flug.

Es grüßt euch mit ahornsirupsüß

Eure CLAUDIA FLUNKERT


Ein Platz, an dem sich Yonge Street und Dundas Street treffen.




Episode 2 : Über den Wolken

Hallo, Rübennäschen!

Hier ist schon wieder eure Claudia Flunkert. Wenn ihr die vorige Geschichte gelesen habt, dann wisst ihr, dass mich Familie Zatzicki eingeladen hat, sie in den Sommerferien nach Toronto in Kanada zu begleiten. Die Fernsehproduktionsgesellschaft, für die Frau Zatzicki arbeitete, wollte dort ein paar Werbefilme drehen, und in einigen davon sollte ich mitspielen.

Inzwischen war es Juli geworden und die Sommerferien hatten auch in Niedersachsen begonnen - ohne dass es wirklich Sommer war. An einem Dienstag würden wir abreisen. Natürlich mit einem Flugzeug, denn das ist der einzige vernünftige Weg, von Deutschland nach Kanada zu kommen.

Am Tag davor musste ich das erledigen, was immer ganz harmlos anfängt und dann bei mir immer in Stress ausartet: das Kofferpacken. Wobei ich nur einen einzigen Koffer hatte, aber der war Stress genug. Nachdem ich ihn mit größter Mühe überhaupt zugekriegt hatte (ich musste direkt darauf herumtrampeln, damit er zugeht), merkte ich, dass er unheimlich schwer war. Simon sah, wie ich den Koffer über den Flur zerrte, und ließ ganz den großen Bruder raushängen: "Claudia, du weißt, dass der Koffer nicht mehr als zwanzig Kilo wiegen darf, ja? Ansonsten verlangt die Fluggesellschaft von dir eine Extragebühr." Ich wollte etwas Passendes antworten, bekam aber nur "Ächz" und "Stöhn" heraus. "Bist du wirklich sicher, dass du nicht zu viel eingepackt hast?" fragte er, und ehe ich erneut ächzen und stöhnen konnte, hatte er mir den Koffer bereits abgenommen und aufgemacht.

Er staunte: "He, Claudi - ich wusste gar nicht, dass du in Toronto ein Schuhgeschäft aufmachen willst. Wie viele Paar Schuhe hast du denn da eingepackt?" - "Höchstens zwanzig", schnappte ich. Er meinte: "Was willst du denn beispielsweise mit den Moonboots hier?" Ich klärte ihn auf: "Weißt du nicht, dass es in Toronto tierisch kalt werden kann? Dann brauche ich Schneestiefel." Simon feixte: "Im Winter sicher. Aber auch in Kanada ist jetzt Sommer. Also raus damit!", und er schleuderte meine Moonboots in die Ecke. "Und was soll das denn? Ein paar Reitstiefel und gleich zwei Paar Cowboystiefel!" Ich verteidigte mich: "Vielleicht gehe ich in Toronto ja Reiten. Dafür brauche ich passendes Schuhwerk." Simon sagte nur: "Kein Kommentar" und warf vier der sechs Stiefel in dieselbe Ecke wie die Moonboots. Und so machte er weiter, bis nicht viel übrig blieb: "So. 1 Paar Sandalen, 1 Paar Turnschuhe und 1 Paar Cowboystiefel - plus das Paar, dass du morgen anziehen wirst. Das muss reichen." Ich war sauer: "Na toll. Da mache ich schon mal 'ne Weltreise, und mein Bruder zwingt mich, barfuß zu gehen."

Mit meiner anderen Kleidung war er genauso brutal. Wintermäntel, Reiterjacke, Stahlhelm - alles nahm er raus. Aber ich muss zugeben, der Koffer ging hinterher viel besser zu, und leichter war er auch.

Am Dienstag saßen wir schon früh morgens zu viert im Zug nach Frankfurt: Herr und Frau Zatzicki, ihr zehnjähriger Sohn Zack, und natürlich ich. Frau Zatzicki erzählte viel von ihrer eigenen Kindheit in Kanada, und es wurde nicht langweilig. Ich bin gespannt, wie mir Toronto gefallen würde.

Der riesige Frankfurter Flughafen hat ja einen eigenen Bahnhof, und deswegen konnten wir zu Fuß vom Bahnsteig weiter direkt in die Halle. "Unsere Fluggesellschaft ist die Air Ahornblatt, die ist in Halle B", meinte Herr Zatzicki.

Wenn ihr schon mal geflogen seid, dann wisst ihr ja, dass man am Flughafen schon ganz schön viel tun muss, bevor man überhaupt im Flugzeug sitzt. Erst meldet man sich am Schalter der Fluggesellschaft, zeigt dort sein Flugticket und seinen Pass und gibt dort seinen Koffer ab. (Der Koffer fliegt ja im Gepäckraum des Flugzeugs mit, und man bekommt ihn erst am Zielort wieder.) Dann muss man durch die Sicherheitsschleuse, wo geprüft wird, ob jemand Waffen an Bord zu schmuggeln versucht. So etwas tat ich natürlich nicht. Dann werden noch einmal die Pässe kontrolliert, und irgendwann hat man dann den sogenannten Gate (sprich: "Gehjt") gefunden, ab dem das Flugzeug fliegt. Dort am Gate wartet man, bis einen die Fluggesellschaft an Bord lässt. Ja, ihr seht, obwohl alles geklappt hat, waren wir schon ziemlich erschöpft, als wir im Flugzeug saßen.

Jetzt gab es an Bord ein kleines Problem: Ich konnte nicht direkt neben den Zatzickis sitzen. Die saßen im Mittelgang, und ich saß in der Fensterreihe. Na ja, so schlimm war das nicht, der Mann, der neben mir saß, war ganz nett.

Dann begrüßte der Flugkapitän die Passagiere, und zwar auf Englisch und anschließend noch auf Französisch. Das wundert euch vielleicht, denn in Toronto spricht man ja eigentlich nur Englisch. In anderen Teilen Kanadas, vor allem in der großen Provinz Quebec, spricht man aber Französisch, und deswegen wurden im Flugzeug beide Sprachen gesprochen. Als wir zu unserem Startplatz rollten, gab es noch die Sicherheitshinweise: also Richtlinien, wie man sich im Notfall verhalten soll.

Ja, aber dann schien der Kapitän ein Problem zu haben. Er sagte: "Meine Damen und Herren, wir müssen noch eben einige Sicherheitschecks machen", und dann ließ er laut die Turbinen aufheulen. Der Fluggast neben mir bekam daraufhin einen Schweißausbruch. Der Mann schien große Angst zu haben, und ich dachte, ich sollte ihn etwas beruhigen. Deswegen sagte ich ihm: "Keine Sorge, mein Herr. Sie sollten dem Flugkapitän vertrauen. Er wird schon genau wissen, was er tut." Der Mann war aber überhaupt nicht beruhigt, sondern lachte nervös und meinte. "Hast du eine Ahnung! Ich bin selbst Flugkapitän von Beruf, und ICH weiß genau, was der da gerade tut!"

Ääääh ja. Ich muss zugeben, jetzt hatte ich selber etwas Angst. Aber zum Glück ging's nun auch los. Das Flugzeug brauste los, und steil ging es in die Luft. Habt ihr schon mal beim Start aus dem Flugzeugfenster geguckt? Macht das mal, das ist wunderschön, und wenn ihr vorher Angst hattet, dann werdet ihr die nun glatt vergessen.

Also, ich habe den Flug genossen. Obwohl acht Stunden im Flugzeug ganz schön lang sind. Aber ich habe im Flugzeug etwas ferngesehen, Radio gehört (man bekommt da ja so Kopfhörer), in meinem Reiseführer über Toronto gelesen (he, ich konnte es kaum abwarten, auf dem Glasfußboden des CN Tower herumzuspringen), und außerdem gab es ständig etwas zu futtern und zu trinken. Pizza, Nudeln, Orangensaft ... hinterher war ich pappsatt.

Wir sind um 11 Uhr in Frankfurt gestartet und um 13 Uhr in Toronto gelandet. Trotzdem hat der Flug aber nicht ZWEI, sondern ACHT Stunden gedauert. Wundert euch das jetzt? Dann lasst euch sagen, dass es in Toronto sechs Stunden früher ist als in Deutschland. 13 Uhr in Toronto, das war 19 Uhr in Deutschland. Wild, ne?

Was dann am Flughafen stattfand, fand ich nicht so toll. Pass kontrollieren, na gut, das ist normal. Aber dann wurde ich noch an einen Extraschalter gelotst. Da musste ich dann mein Rückfahrticket vorlegen und meinen Hotelgutschein und so, und alle möglichen komischen Fragen beantworten, zum Beispiel: "Bist du zum ersten Mal in Kanada?" oder: "Hast du Verwandte in Kanada?" Und direkt freundlich war diese Beamtin wirklich nicht.

Die Zatzickis fand ich dann in der großen Halle wieder, wo wir unser Gepäck zurückbekamen. Ihr wisst ja, man stellt sich an so Rollbänder, auf die die Koffer geladen werden, und muss sich seinen Koffer herauspicken. Ich hatte mir meinen Koffer extra mit einem Ki.Ka-Aufkleber markiert, und deswegen hatte ich keine Mühe, ihn wiederzuerkennen.

Ich war schon tierisch müde, als wir mit einem Taxi zum Hotel gebracht wurden. Zum großen Teil fuhren wir über die Stadtautobahn. Zack stupste mich begeistert an: "Guck mal, Claudia, der große Chevrolet Le Sabre da. Der würde bei uns in Deutschland in keine Parklücke passen." - "Den fahren bei uns eh nur Zuhä...", wollte ich sagen, da rief Zack schon begeistert: "Guck mal nach links! Guck dir diese Wolkenkratzer an!" Er hatte Recht. Da war sie, die Skyline von Toronto. Der CN Tower war auch da. Und ich hatte das Gefühl, es würden sehr interessante Ferien hier werden.

Es grüßt euch mit einem Muffin zwischen den Zähnen

Eure CLAUDIA FLUNKERT


Den CN Tower kann man nämlich kaum übersehen.




Episode 3: Der Glasfußboden

Hallo, Mitkinder!

Ich heiße Zack Zatzicki, ich bin zehn Jahre alt, und ich wette, ihr wundert euch, dass ich diesmal erzähle. Aber die Claudia-Flunkert-Fans unter euch brauchen sich keine Sorgen zu machen: Claudia ist hier bei mir, und sie hat gesagt, sie wird mir wieder in den Hintern treten, wenn ich etwas schreibe, was ihr nicht gefällt. Und da sie sich wieder ihre Kampfringelsocken angezogen hat, glaube ich, sie meint es ernst.

Egal. Wie ihr wohl wisst, bin ich mit meinen Eltern nach Toronto in Kanada geflogen (meine Mama ist nämlich Kanadierin), und wir hatten Claudia eingeladen, mit uns mitzukommen. Mama ist Produzentin beim Fernsehen, und ihr Fernsehteam wollte ein paar Werbefilme über Toronto drehen. Claudia, die schon vierzehn ist, sollte in denen mitspielen.

Als wir unser erstes Frühstück im Hotel futterten, erklärte uns Mama: "Wir gehen heute zum CN Tower. Wir treffen dort meine Kollegen, um den ersten unserer Werbefilme zu drehen. Claudia, du hast in diesem ersten Filmchen nicht allzu viel zu tun. Du musst nur auf den verschiedenen Aussichtsplattformen des Turms stehen und staunen." Claudia hatte wegen des Zeitunterschieds nicht so gut geschlafen. Außerdem mochte sie die Bagels und Muffins nicht, die sie zum Frühstück hatte. Aber jetzt freute sie sich: "Toll, Frau Zatzicki! Darf ich mich auch auf diesen Glasfußboden stellen?" Mama nickte, und Claudia quietschte: "Super! Ich kann ja darauf herumspringen und dabei etwas in die Kamera sagen." Mama gefiel die Idee: "Ja, das wäre gut. Aber vielen Leuten wird schlecht, wenn sie auf dem Glasfußboden stehen. Hoffentlich nicht dir." Claudia schien direkt beleidigt zu sein: "Mir doch nicht. Ich bin schließlich ein taffes Mädchen!".

Unser Hotel war in der Adelaide Street, und der CN Tower war nicht weit weg. Ich konnte ihn vom Hotelfenster aus sogar gut sehen.


Habt ihr ihn schon entdeckt?


Außerdem hatten wir noch ein bisschen Zeit, also wollten wir zu Fuß zum Turm gehen. Papa wollte nicht mit. Er hat mit Mamas Arbeit nichts zu tun und wollte statt dessen zum Königlichen Museum von Ontario gehen.

Wir gingen die Lower Jarvis Street in Richtung Süden, bis wir eine große Markthalle sahen. "Das ist der Saint Lawrence Market", erklärte uns Mama. "Den liebe ich! Hier gibt es so viel leckeres Essen aus Europa und Asien." Claudia gefiel das: "Sie meinen, hier gibt es richtiges Essen? Nicht nur diese ekligen Bagels? Das ist gut." Claudia schmeckte das kanadische Essen nämlich wirklich nicht.


Der St Lawrence Market

Wir gingen nun die Front Street entlang, und Mama sagte: "Guckt mal, das Gebäude da vorne! Es wird BÜGELEISEN genannt." Claudia vermutete schlau: "Das liegt bestimmt daran, dass es wie ein Bügeleisen aussieht." Mama musste lächeln: "Ja. Übrigens eine typische Männeridee, ein Haus in der Form eines Haushaltsgerätes zu bauen."


Das Bügeleisen ("The Flatiron")

Claudia und ich waren jedenfalls begeistert. Claudia war natürlich zum allerersten Mal in Toronto, und ich war nicht mehr da gewesen, seitdem ich im Kindergarten war. Diese vielen Wolkenkratzer!


Wolkenkratzer in Toronto

Toronto ist eine richtige Großstadt! Nicht so wie Hannover, Köln, München oder Berlin. Claudia meinte: "Cool. Das sieht hier fast so aus wie in Amerika." Ich belehrte sie: "Das hier ist Amerika. Kanada ist der nördliche Teil von Nordamerika. Hast du das nicht gewusst?" Wenn Blicke töten könnten... Als meine Mutter gerade nicht hinhörte, drohte mir Claudia: "Erspare mir dein Streberwissen, wenn dir dein Popo lieb ist, Kleiner."

Wir kamen an der Ruhmeshalle des Eishockeys vorbei (die heißt wirklich so - wir erzählen euch ein anderes Mal davon) und auch am Hauptbahnhof, der Union Station heißt. Ich mag die Union Station, weil es in der Halle so herrlich nach Zimt riecht.


Das ist die Union Station - allerdings von der Rückseite aus gesehen.

Aber ein paar Minuten später standen wir auch schon vor dem Turm, dem CN Tower. "Der ist wirklich hoch", sagte Claudia ehrfurchtsvoll.


Ist der hoch, Mann!

"Ja. Das ist das höchste Gebäude der Welt", erklärte ich ihr. Aber Mama meinte: "Na ja, das kommt darauf an." - "Kommt worauf an?" fragten wir beide verwundert. Mama lachte: "Es kommt darauf an, wer das Maßband hält. Nein, jetzt im Ernst: Der CN Tower ist 553 Meter hoch, und damit ist er höher als alle anderen Gebäude der Erde. Aber sein höchster Punkt, den Menschen betreten können, ist 447 Meter hoch. Die 106 Meter über der höchsten Aussichtsplattform sind unzugänglich. In Malaysia gibt es die Petronas Twin Towers, und Menschen können dort 453 Meter hoch, deswegen argumentieren viele Menschen, das seien die höheren Gebäude. Die Kanadier gegen deshalb auf Nummer Sicher und sagen, der CN Tower sei die höchste frei stehende Struktur der Welt."

Während wir dort standen und staunten, kam auch der Rest vom Fernsehteam: Kevin, der Regisseur, die Kameramänner, die Tontechniker und einige andere. Mama stellte uns vor. Und dann gingen wir rauf auf den Turm.

Wir brauchten keine Eintrittskarten zu kaufen, da wir ja einen Werbefilm über den CN Tower machten. Wir gingen statt dessen gleich rein und mussten durch so einen Sicherheitscheck, wie es ihn an Flughäfen gibt. Wir waren natürlich alle unbewaffnet. Dann begrüßte uns eine junge Frau und brachte uns mit dem Fahrstuhl rauf auf eine Aussichtsplattform. Als wir ausstiegen, sagte Mama: "Dies ist ein Innenaussichtsdeck mit einer Cafeteria, und wir befinden uns jetzt in einer Höhe von 346 Metern." Das Fernsehteam baute seine Geräte auf, und Claudia wurde gesagt: "Alles, was du tun musst, wenn wir filmen, ist aus dem Fenster gucken und sagen: 'Hui, ist das hoch! Ich bin beeindruckt.'"

Ich guckte auch aus dem Fenster und fand's toll. Ich konnte die Downtown, also das Stadtzentrum, und auch die Stadtviertel dahinter sehen.


Toronto Downtown, vom CN Tower aus gesehen

Ich konnte auch den Ontariosee sehen, der war ganz nah, und seine Inseln. Auf einer der Inseln gab es sogar einen kleinen Flughafen.


Der Ontariosee mit den Inseln. Seht ihr den Flughafen?

Kevin stand neben mir und fragte mich: "Weißt du, warum der CN Tower überhaupt gebaut wurde, Zack?" Das wusste ich eigentlich nicht. "Zum Angeben?" vermutete ich. Kevin grinste und meinte: "Nein - na ja, zumindest war das nicht der Hauptgrund. In den sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts wurden immer mehr von diesen großen Wolkenkratzern hier gebaut. Und bald mussten die Leute feststellen, dass die Hochhäuser die Telekommunikation in diesem Gebiet störten. Um Abhilfe zu schaffen, mussten sie einen Turm bauen, der höher war als alle anderen Gebäude hier. Oben am Turm haben sie dann die Antennen befestigt, und das hat funktioniert." - "Ah, ich verstehe", sagte ich und nickte.

Die erste Szene war "im Kasten", wie man das nennt, und Claudia gab an wie'n Sack Seife: "Für eine professionelle Schauspielerin wie mich war das gar kein Problem." Dann brachte uns ein anderer Fahrstuhl auf ein noch höheres Aussichtsdeck. "Dieses Aussichtsdeck hier nennt man Skypod, also 'Himmelskokon' oder so, und wir sind jetzt in einer Höhe von 447 Metern", sagte Mama. "Claudia, diesmal musst du sagen: 'Hui, das ist ja noch höher! Ich bin um so mehr beeindruckt.'"


Stimmt, ist wirklich noch höher.

Während die Szene gedreht wurde, guckte ich über den Ontariosee und sah in der Ferne einen komischen Nebel. "Was ist denn das?" wunderte ich mich, und eine alte Frau, die neben mir stand, antwortete: "Das ist die Gischt von den Wasserfällen. Die Niagarafälle, weißt du?" Heeee - ich konnte von hier aus die Niagarafälle sehen! Und ich wusste, dass wir irgendwann auf dieser Reise noch dorthin fahren würden, und ich freute mich darauf, sie aus der Nähe zu sehen.

Auch diese Szene war im Kasten, und ein Fahrstuhl brachte uns wieder ein Stück nach unten. Claudia war sehr mit sich zufrieden. Wir stiegen wieder aus, und Mama sagte: "Dieses Aussichtsdeck hier befindet sich in einer Höhe von 342 Metern. Es ist also nicht so hoch wie die anderen, aber es hat zwei Besonderheiten: Erstens das Außenaussichtsdeck, von dem diese Etage umrandet ist, und zweitens gibt es hier drinnen noch den Glasfußboden."

Zunächst gingen wir auf dem Frischluftaussichtsdeck spazieren. Es hatte keine Fenster - logisch -, war aber mit einer Art Fliegennetz oder so gesichert.


Das Aussichtsdeck mit dem Fliegennetz



Claudia musste mit der Kamera vor sich gehen und sagen: "Mir gefällt die Aussicht und die frische Luft." Auch das klappte wieder gut, und das ganze Team war glücklich.

Und dann kamen wir zum Glasfußboden. Stellt euch mal vor: Was weiß ich wie viele Quadratmeter Fußboden aus Glas! Wenn ihr euch darauf stellt und runterguckt, glaubt ihr, dass ihr 342 Meter Luft unter euren Füßen habt. Ich ging als Erster drauf, guckte runter, sprang darauf herum und rief so was wie: "Oh, das ist ja cool!"


Auf dem Glasfußboden zu stehen und nach unten zu schauen, das ist wirklich beeindruckend.

Mama meinte: "Ja, genau. Claudia, genau das sollst du auch machen. Das, was Zack gerade gemacht hat. Kamera und Ton laufen schon."

Claudia zögerte. Sie war ganz blass. Dann setzte sie einen Fuß auf den Glasboden, aber guckte dabei nicht runter: "Komisch. Mir ist übel. Wahrscheinlich habe ich etwas Schlechtes gegessen. Das sind bestimmt die Bagels." Ha ha! Ich lachte mich kaputt! Unser taffes Mädchen hatte Höhenangst. Sie atmete ganz schwer. In diesem Augenblick stürmten fünf fette amerikanische Omis den Glasfußboden. Das war zu viel für Claudia. Sie schrie: "Er bricht durch! Er bricht durch! Der Glasboden bricht durch!" Dann wurde sie ohnmächtig. Ich hätte nie gedacht, dass ich das mal erleben würde.

Als sie wieder zu sich kam, standen wir alle um sie herum. Ein Angestellter vom CN Tower beruhigte sie: "Keine Sorge, Mädchen, der Glasboden ist nicht durchgebrochen. Er ist so gebaut, dass er sogar das Gewicht von 14 Nilpferden aushalten könnte. Nicht mal die Damen dahinten sind so schwer." Claudia war immer noch blass, aber der Regisseur sagte ihr: "Du brauchst nicht auf den Glasfußboden zu gehen, wenn du nicht willst. Wir haben Zack gefilmt, wie er fröhlich darauf herumgehüpft ist. Das ist auch gut." Wisst ihr was? Jetzt war ich derjenige, der zufrieden war.


Für manche Menschen ist das einfach zu hoch.

Schließlich gingen wir in das Dreh-Restaurant des Turms. Das ist 351 Meter hoch. Dort sollte die letzte Szene gedreht werden. Das Restaurant braucht übrigens 72 Minuten, um sich einmal um seine eigene Achse zu drehen. Für Claudia war das immer noch zu viel. Als wir das Restaurant erreichten, roch sie Bagels und musste sich übergeben. Ich vertrat sie. Ich musste an einem Tisch sitzen und sagen: "Dieses Restaurant hat den höchsten Weinkeller der Welt. Ich habe mir aber Orangensaft bestellt."

Später gingen Claudia und ich zu Fuß zurück zum Hotel. Mama war noch beim Team geblieben, um die Aufnahmen für die nächsten Tage zu besprechen. Ich hatte einen Stadtplan dabei und staunte: "Schau dir dieses Straßennetz an. Die Straßen sind alle ganz gerade. Kaum eine mit Kurven." Claudia bemerkte: "Wenn sie Kurven hätten, müsste ich jetzt wieder kotzen."

Na, das war wohl nicht Claudias Tag. Jedenfalls nicht der ganze. Hauptsache, ich hatte meinen Spaß.

Beste Grüße

ZACK ZATZICKI

P.S.: Claudia fand wohl nicht so gut, was ich geschrieben habe. Sie hat es gelesen, dann hat sie sich auf mich gestürzt und mich ungefähr eine Million Mal getreten. Autsch, mein Po!


Ein Schiff auf dem Ontariosee




Episode 4 - Die Survival-Stadtrundfahrt

Hallo, Rübennäschen!

Hier ist wieder mal Claudia Flunkert. Letztes Mal habe ich ja Zack erzählen lassen, und ich habe ihn mir in der Zwischenzeit mal vorgeknöpft. Er hat euch zwar nichts vorgeschwindelt, aber er hätte einige Tatsachen weglassen sollen, die mich betrafen.

Na ja, wie ihr wisst, war ich mit Zack und seinen Eltern in den Ferien in Toronto in Kanada. Frau Zatzicki, Zacks Mutter, drehte für ihre Fernsehproduktionsgesellschaft ein paar Werbefilmchen, und ich durfte mitkommen, weil ich in einigen davon mitspielte.

Eigentlich dachte ich ja, ich würde in allen davon mitspielen, aber das war offensichtlich nicht so. Denn eines Morgens beim Frühstück sagte Frau Zatzicki: "Claudia, wir machen heute einen weiteren Werbefilm, aber für den brauchen wir dich nicht." Ich sah wohl ein wenig enttäuscht aus. War ich aber nicht, sondern ich hatte nur mal probeweise am Kaffee genippt und festgestellt, dass ich mit dem Geschmack nichts anfangen konnte. Frau Zatzicki sagte weiter: "Ich schlage vor, ihr zwei macht heute eine Stadtrundfahrt mit dem Bus." - "Wozu?" wollte ich gerade fragen, aber Zack war begeistert: "Mit einem dieser Doppeldeckerbusse? Toll! Das wird lustig!" Ich war nicht so überzeugt, aber ich kannte Toronto noch nicht so gut, deswegen konnte ich auch keinen besseren Vorschlag machen.

Also gingen Zack und ich wieder runter zur Front Street West. Wieder kamen wir an der Ruhmeshalle des Eishockeys und am Bahnhof Union Station vorbei, und dann sahen wir ... nein, nicht einen, sondern drei dieser Doppeldeckerbusse, die offenbar alle unterschiedlichen Firmen gehörten. "Komisch. Die sehen aus wie die in England. Also, in der Hauptstadt von England, meine ich ..." - "London", half mir Zack weiter, und jubilierte: "Wau, kuck die dir an! Komm, wir nehmen den in der Mitte und setzen uns nach oben. Ha, die haben echt gar keine Dächer."

Wir gingen also zum Bus, bestiegen ihn und nahmen die Treppe nach oben. "Wo wollen wir uns hinsetzen?" fragte mich Zack, und ich antwortete: "Hier rechts." Ich hatte keinen besonderen Grund, das zu sagen, aber Zack hatte mich schließlich gefragt. Wenn ich gewusst hätte, was ich später wusste, hätte ich statt dessen gesagt: "Dort links."

Ein dicker junger Mann mit einem komischen Hut, den er mit einer Art Riemen unter seinem Kinn befestigt hatte, kam her zu uns und sagte: "Hallo, wie geht's euch? Zwei Kinder offensichtlich, das macht dreißig Bucks." Was er sagen wollte, war dass zwei Tickets für Jugendliche dreißig kanadische Dollar kosteten, und er wollte, dass wir gleich bezahlten. Ich konnte ihm nur zwei Zwanzig-Dollar-Scheine geben, und nun machte er etwas Sonderbares. Er meinte: "Du bekommst von dem einen Schein die Hälfte zurück", und er riss einen Schein in zwei Hälften und gab mir eine Hälfte zurück. Ist das normal in Kanada?

Als der Bus losfuhr, war er halb leer (oder "halb voll", wie Zack sagen würde). Der dicke Mann mit dem albernen Hut und der komischen Mathematik schnappte sich sein Mikrophon und hieß uns willkommen. Er erzählte uns: "Ich heiße Shane Diddlemouse, ich bin heute ihr Reiseführer." Alle klatschten ihm Beifall. Er erzählte weiter: "Eigentlich ist das für mich ein Studentenjob. Allerdings bin ich nun gar kein Student mehr, denn ich habe gestern meine Abschlussprüfung bestanden." Wieder klatschten wir alle, und er fügte hinzu. "Ich muss zugeben, dass ich dann gestern noch ein bisschen gefeiert habe, und, ja, ein bisschen Alkohol gab es auch. Wenn ich also heute einige seltsame Sachen erzähle oder tue, wissen Sie auch warum." Diesmal klatschte nur Zack, und eine andere Mikrophonstimme - anscheinend gehörte sie dem Busfahrer unten - sagte: "Glauben Sie mir, meine Damen und Herren, er war voll wie eine Haubitze, als er heute Morgen zur Arbeit kam. Zuerst wollte ich ihn sogar nach Hause schicken."

Dann riet uns Shane: "Eine Warnung an alle von Ihnen, die einen Hut auf haben - das betrifft dich, Mädchen ..." - er deutete auf mich, da ich außer ihm die einzige war, die einen auf hatte - "Der Wind neigt dazu, den Leuten hier oben die Hüte vom Kopf zu pusten, daher solltest du ihn besser abnehmen." Er hätte das schon früher sagen sollen, denn meine Baseballmütze, die ich mir im Laden vom CN Tower gekauft hatte, war schon weggeflogen, ehe er den Satz beendet hatte. "Macht nichts", meinte Shane. "In Toronto gibt es viele Geschäfte, die Mützen verkaufen."

Nun gut, ich hätte ihn dafür treten können, aber ich beschloss, statt dessen die Rundfahrt zu genießen. Zunächst fuhr der Bus an der Ruhmeshalle des Eishockeys vorbei, und Shane erklärte: "Jeder, der Eishockey liebt, sollte die Ruhmeshalle des Eishockeys besuchen. Dort sehen Sie den echten Stanley Cup, den Pokal der nordamerikanischen Eishockeyliga. Die Besucher versammeln sich dort, um ihn anzubeten. Außerdem gibt es Ausstellungen, Multimedia, und man kann Spiele spielen." - "Spiele spielen? Cool!", fand ich. "Menschen, die einen Pokal anbeten? Beknackt", fand Zack. Jedenfalls nahm ich mir vor, mir die Ruhmeshalle an einem der nächsten Tage anzusehen.

Dann fuhr der Bus nach Norden, und Shane sagte: "Diese hübsche Kirche dort ist Saint James ..."


Dir Kirche St. James Church in der King Street East

Ich fand: "Die sieht fast so aus wie die Kirche, die wir vom Hotel aus sehen können." Zack meinte: "Das ist die Kirche, die wir vom Hotel aus sehen können." - "Oh, ich sehe."


Zack hatte Recht - ausnahmsweise mal.

Der Busfahrer sagte derweil. "Oh, wie schön! Wunderschön! Umwerfend!" Shane erklärte: "Unser Fahrer meint nicht etwa die Kirche, sondern die hübsche blonde Dame, die dort über die Straße geht."

Wir kamen noch an einer anderen Kirche vorbei, aber was mich mehr interessierte, war das Eaton Centre. Das ist ein großes Einkaufszentrum, wo man, wie Shane sagte, praktisch alles kaufen kann, sofern sie es dort in den Geschäften vorrätig haben. (?) Ich machte Pläne: "Ich werde dort später einige Einkäufe machen." - "Ein paar neue Schuhe?", grinste Zack. "Woher weißt du das?", wunderte ich mich.

Shane zeigte uns viele andere Gebäude - manche gefielen mir, andere nicht so.



Einige Gebäude in Toronto

Und dann wurde es gefährlich. Wir waren jetzt in The Annex, einem Viertel nördlich der Downtown. Der Bus musste unter einer Brücke durch, und die Brücke war so niedrig, dass wir uns auf dem Oberdeck alle ducken mussten. Ansonsten hätte uns die Brücke glatt geköpft! Und danach war es immer noch gefährlich. Die Äste der Bäume hingen so tief, dass wir, die auf der rechten Seite saßen, uns schon wieder ducken mussten, um die Äste nicht ins Gesicht zu kriegen.

Dann hielt der Bus vor einem eigenartigen Haus. Es sah aus wie ein kitschiges Schloss. Nicht so kitschig wie Schloss Neuschwanstein in Bayern, aber nahe dran. "Sieht aus wie ein riesiges Spielzeug", bemerkte ich. Shane hat das gehört und sagte: "Das ist es in gewisser Weise auch. Diese Villa heißt Casa Loma. Ein gewisser Sir Henry Pellatt ließ sie sich 1914 bauen. Ganz in der Nähe ist hier auch noch ein Pferdestall, der fast genauso aussieht. Sir Henry hat diesen Besitz allerdings zehn Jahre später wieder verloren, als sich ein gelangweilter Finanzbeamter dachte, er könnte mal einige Nachforschungen in Sir Henrys finanzielle Angelegenheiten anstellen."


Die Casa Loma

Als der Bus zurückfuhr, mussten wir Passagiere wieder den Ästen ausweichen, und als wir zur Brücke zurückkamen, riet uns Shane: "Nicht den Kopf verlieren, meine Damen und Herren. Ducken Sie sich einfach."

Später kamen wir an einigen Museen vorbei. Ich bin ja nicht so scharf auf Museen, aber eines davon interessierte mich wirklich. Shane erklärte uns: "Das ist das Bata Shoe Museum. Es ist das einzige Museum in Nordamerika, das Schuhen gewidmet ist." Ich war fasziniert: "Ein Schuhmuseum. Interessant. Eine coole Idee." - "Ein Museum für alte Latschen. Langweilig. So eine Idee kann nur eine Frau gehabt haben", maulte Zack. Aber ich rächte mich. Als wir am Königlichen Museum von Ontario vorbeikamen, erwähnte Shane, dass es darin eine Dinosaurierausstellung gibt. Zack strahlte: "Eine Dinosaurierausstellung? Die will ich sehen!" Aber ich machte mich über ihn lustig: "Eine Ausstellung alter Knochen? Wie langweilig. So eine Idee kann nur ein Mann gehabt haben."

Während ich das sagte, guckte ich zur Seite und nicht nach vorn, und dann ist es passiert: Ich hatte den Ast gar nicht kommen gesehen. Er hat mich voll erwischt, und als ich wieder zu mir kam, HING ICH IM BAUM! DER BUS WAR WEG, UND ICH HING IN DIESEM AHORNBAUM!


Ungefähr hier muss das passiert sein.

Mensch, war das verrückt: Um mich herum sangen die Vögel. Ein schwarzes Eichhörnchen war so überrascht, mich dort zu sehen, dass es mich anstarrte und gar nicht auf die Idee kam, abzuhauen. Dann hörte ich eine Stimme. Es war Zack: "Claudia, geht's dir gut? Wir retten dich gleich." Und eine andere Stimme - die von Shane - sagte: "Bleibe noch eine Minute so hängen, Claudia. Es kommt gleich jemand mit einer Leiter." Ich weiß nicht, wer dieser Jemand war, aber dieser Jemand kam dann auch, stieg die Leiter herauf und half mir, vom Baum hinunterzusteigen.

Wir bestiegen wieder den Bus, aber diesmal setzten wir uns auf die linke Seite. Die Rundfahrt dauerte noch eine gute Stunde, aber ich war zu benommen, um Shanes Kalauern und Zacks Gekicher zuzuhören.

Schöne Grüße trotzdem

Eure CLAUDIA FLUNKERT




Das hier ist nicht Shane, sondern Kenny. Kenny ist ein anderer Reiseführer (mit einem anderen komischen Hut) und macht für eine andere Reisegesellschaft Stadtrundfahrten in Toronto. Wenn ihr mit Kenny fahrt, werdet ihr euch keine Minute langweilen.




Episode 5 - Holen wir uns den Pokal

Hallo, alle miteinander!

Wie geht's euch? Hier ist wieder Zack Zatzicki. Wie ihr wisst, war ich in diesem Sommer mit meinen Eltern und mit Claudia Flunkert in Toronto in Kanada. Mama arbeitet für eine Fernsehproduktionsgesellschaft. Sie drehte Werbefilme für Toronto, und Claudia, die vierzehn ist (vier Jahre älter als ich, aber lange nicht so clever wie ich - g), war ausgewählt worden, in den meisten davon mitzuspielen.

Auf den Tag, von dem ich euch heute berichten will, hatte sich Claudia tierisch gefreut. Wir - das heißt: sie - würden so ein Filmchen in der "Ruhmeshalle des Eishockeys" drehen. Natürlich wollte ich mitkommen, wenn auch nur, weil ich sehen wollte, wie Claudia alles durcheinanderbringen würde. Das hatte sie ja auch auf dem CN Tower gemacht.

Wie ich schon sagte, Claudia freute sich wie eine Schneekönigin, als wir zwei vom Hotel zur Hockey Hall of Fame gingen. Mama und ihre Kollegen waren schon dort, um die nötigen Vorbereitungen zu treffen. Ich fragte Claudia: " Weißt du eigentlich, in was für einer Straße wir gerade sind?" Claudia zuckte mit den Achseln: "Hmm ... nö ... äh ... doch ... die heißt Yonge Street." Ich nickte: "Stimmt. Und weißt du auch, was an der Yonge Street so besonders ist?" Sie zuckte schon wieder mit den Achseln: "Eigentlich nicht. Es gibt hier natürlich eine Menge cooler Läden." Ich hatte gewusst, dass sie es nicht wissen würde, und triumphierte: "Yonge Street ist die längste Straße der Welt! Sie ist 1896 Kilometer lang!" Claudia staunte: "Ich wusste, das Toronto groß ist. Aber ich wusste nicht, dass es soooo groß ist." Jetzt lag sie schon wieder daneben, und ich erklärte ihr: "Nein, soooo groß ist Toronto nun auch wieder nicht. Schau mal, Yonge Street beginnt da unten am Ontariosee, ein paar hundert Meter von hier. Sie geht hier lang bis zum Norden der Stadt und schlängelt sich dann durch die Provinz Ontario und endet irgendwo in der Nähe der Grenze zu Minnesota. Minnesota ist ein Bundesstaat der USA."


Yonge Street

Wir gingen weiter nach Süden bis zum Eingang der "Hockey Hall of Fame", Yonge Street Nummer 30. Wisst ihr, wenn Kanadier von "Hockey" reden, reden sie nicht richtiges Hockey (das man auf Rasen spielt), sondern von Eishockey. Kanadier lieben Eishockey!


Die Ruhmeshalle des Eishockeys (oder vielmehr das Gebäude, in dem sie drin ist ... oder drunter ... oder so)

Als wir das Gebäude betraten, waren wir noch nicht direkt in der Hockey Hall of Fame, sondern in so einem Geschäfts- oder Einkaufszentrum. Das wussten wir, weil Mama uns das gesagt hatte. Wir müssten von hier aus eine Treppe hinunter. Dann würden wir in ein anderes Einkaufszentrum kommen, aber wenn wir uns umdrehen würden, würden wir den Eingang der Ruhmeshalle sehen. Sie hatte Recht. "Da ist sie. Komm, wir gehen direkt rein", schlug Claudia vor. Aber ich hatte noch etwas anderes entdeckt: "Momentle noch! Da ist eine Fressalienzone. Ich geh' und kauf' mir 'ne Dose Pixie Cola." Claudia war einverstanden: "Ja, gut. Bring' mir auch eine mit!"

Nachdem ich zwei Dosen gekauft hatte, gingen wir zum Eingang. Claudia sagte der jungen Frau am Empfang: "Hallo. Wir beide brauchen nicht zu bezahlen, weil wir hier Reklame für euch machen." Die junge Frau grinste und antwortete: "Ich verstehe. Ihr seid Claudia und Zacharias." (Ich hasse es, wenn mich die Leute bei meinem vollem Namen nennen.) Und sie sagte noch: "Ja, ihr könnt rein, aber ich stempele euch eure Hände trotzdem." Und dann machte sie uns einen blauen oder schwarzen Stempel auf unsere rechten Handrücken. Autsch! War die bescheuert?

Wir gingen hinein und guckten uns um. Claudia war begeistert: "Das ist also die Hockey Hall of Fame. Ach, ich liebe ja Eishockey!" - "Hast du schon mal Eishockey gespielt?" wollte ich von ihr wissen. Sie dachte einen Augenblick nach und antwortete: "Na ja ... nicht wirklich ... aber zu Hause spiele ich Rugby." Ich lachte, und sie verteidigte sich: "Okay. Ich würde Eishockey spielen, wenn ich die Gelegenheit dazu hätte ... öh ..." Ich begriff: "Du kannst ganz einfach nicht Schlittschuh laufen", sagte ich und lachte, und ich setze nach: "Aber ich, ich kann das. Das ist in meinem Erbgut. Ich bin schließlich der Sohn einer Kanadierin." Claudia beugte sich zu mir und flüsterte mir ins Ohr: "Na gut, stimmt. Ich kann nicht Schlittschuh laufen. Aber ich warne dich, wenn du das jemandem verrätst, werde ich dir mit meinem Cowboystiefel diesmal so feste in deinen Hintern treten, dass du ohne Flugzeug von Kanada nach Deutschland zurückfliegst." Claudia kann einem manchmal richtig Angst machen, und ich versuchte, sie zu beruhigen: "Überredet, ich erzähle es nicht weiter. Und wenn du willst, werde ich dir das Schlittschuhlaufen im Winter beibringen." Sie lächelte und meinte: "Okay. Ist'n interessantes Angebot."

Dann kam Mama zu uns und holte uns ab: "Claudia, unsere erste Szene drehen wir in diesem Teil der Hall of Fame. Hier ist eine Ausstellung zum Thema 'Eishockey in der ganzen Welt'."

Sie begannen zu filmen, aber ich hatte keine Lust, ihnen zuzugucken. Statt dessen guckte ich mir die Schaukästen an. Eishockeyanzüge aus Lettland, Eishockeyschläger aus der Tschechischen Republik, Eishockeyhelme aus Schweden ... Für mich eigentlich nicht so spannend. Dann kam ich in einen Raum mit einer Videoleinwand. Da gab's so'n Gerät, mit dem man sich Videoclips zum Ansehen aussuchen konnte. Da ich alleine war, konnte ich mir in Ruhe aussuchen, was ich sehen wollte. Ich guckte mir Clips über Eishockey in Australien an, in Brasilien, in England - alles Länder, von denen ich gedacht hatte, da gibt's kein Eishockey.

Nach einer Weile kam Deborah rein, die Regieassistentin. "Ach, ich dachte mir schon, dass du HIER bist", sagte sie. "Deine Mutter sucht dich. Wir werden jetzt in der MCI Great Hall drehen."

Während Deborah und ich dort hingingen, fragte ich sie: "Wo wurde Eishockey eigentlich erfunden? In Toronto?" Sie dachte kurz nach und antwortete: "Nein, das nicht. Manche Menschen meinen, es sei zuerst in Montreal gespielt worden. Andere sagen, das sei vorher schon in Halifax gewesen. Und wieder andere behaupten, das erste Spiel habe in Kingston stattgefunden. Aber alle diese Orte sind in Kanada, somit ist es ganz sicher, dass Eishockey zuerst hier in Kanada gespielt worden ist. Aber wahrscheinlich nicht in Toronto."

Dann waren wir in der Great Hall, also in der Großen Halle. Manche Leute sagen dazu auch die "Kathedrale des Eishockeys", und da ist wohl auch etwas dran. Als wir hineinkamen, standen dort Menschen vor den Bildern der großen Eishockeystars und vor den großen Trophäen des Eishockeys in Nordamerika, und mir kam es vor, als würden die Leute gerade beten. Na ja, irgendwie jedenfalls. Und die wenigen Menschen, die redeten, flüsterten eigentlich nur - so wie in einer echten Kirche. Dann kam Claudia zu mir. Sie lächelte selig, nahm mich an die Hand, wie es eine richtige große Schwester tut, und führte mich zu den Pokalen. "Guck dir das an, Zack!" sagte sie. "Das ist der Stanley Cup. Das ist der begehrteste Eishockeypokal in Nordamerika. Es gewinnt ihn die Mannschaft, die das Meisterschaftsfinale der Nordamerikanischen Eishockeyliga gewinnt. Dieses Jahr hat ihn eine Mannschaft aus Tampa Bay in Florida gewonnen." Ich musste kurz überlegen und fragte dann: "Wenn er von einer Mannschaft aus Tampa Bay gewonnen wurde, warum steht er dann immer noch hier in Toronto?" Beängstigenderweise beantwortete mir nicht nur Claudia diese Frage nicht, sondern die Leute um uns herum wussten das auch nicht. Oder es war so offensichtlich, dass es alle anderen wussten, nur ich nicht.

Dann kam Claudias großer Augenblick. Sie durfte den Stanley Cup aus dem Schaukasten nehmen und halten. Normalerweise dürfen das die Besucher nicht tun. Claudia durfte es ja nur, weil sie dabei gefilmt wurde. Für diesen Werbefilm, ihr wisst schon.

Während das Team von meiner Mutter weiter herumfilmte, wanderte ich allein durch die Teile der Hockey Hall of Fame. Es gab da eine Menge Schaukästen, die für Eishockeyfans bestimmt interessant waren, aber für mich irgendwie nicht so. Mir gefiel aber das Hartland Molson Theatre. Das war wie ein Kino, aber man konnte kommen und gehen, wenn man wollte. Ich setzte mich da hin, trank meine Pixie Cola und guckte mir einen Film über die berühmten kanadischen Eishockeyspieler Patrick Roy, Wayne Gretzky und Mario Lemieux an. Ich sah mir auch eine Ausstellung über die Grand Old Houses ("Große alte Häuser") des Eishockeys an: Das sind die berühmtesten Eishockeystadien wie der Madison Square Garden in New York oder das Montreal Forum. Ich ging auch in den Video Dressing Room. Da haben sie die Umkleidekabine der Montreal Canadiens nachgebaut. So viel ich verstehe, sind die Canadiens eine wichtige Mannschaft in Kanada, obwohl sie heute nichts mehr gewinnen.

Was mir wirklich Spaß gemacht hat, war die "Sei ein Spieler Zone". Da konnte man sich einen Hockeyschläger nehmen und den Puck auf ein virtuelles Tor schießen. Ein falscher Torhüter stand da, und man musste an ihm vorbeischießen.

Aber am besten gefiel mir die "Sendezone" mit den "Sendepulten". Da hatte man einen Bildschirm vor sich und konnte einen Spielausschnitt wählen. Und man hatte da ein Mikrophon und konnte den Spielausschnitt mit eigenen Worten kommentieren, UND DAS WURDE AUFGENOMMEN. Fragt mich nicht, was das für ein Spiel das war, das ich kommentierte. Das habe ich vergessen. Aber was ich sagte, war ziemlich cool. Ich glaube, wenn sie die Aufnahme abgehört haben, haben sie sie gleich gelöscht. Hi hi hi. Ich hoffe, die konnten kein Deutsch.

Claudia kam zu mir, als sie gerade Pause machte. Sie grinste und fragte mich: "Hast du noch meine Cola?" - "Klar, habe ich noch." Sie sagte mir: "Gut. Komm mit!"

Ich ging ihr hinterher, bis wir wieder in der "Kathedrale" waren. Außer uns war gerade keiner da. "Sehr gut", flüsterte sie. "Guck, die haben vergessen, den Schaukasten wieder abzuschließen, nachdem ich den Stanley Cup hatte. Jetzt werde ich tun, was ich schon die ganze Zeit tun wollte." Sie machte die Tür vom Schaukasten auf, nahm den Stanley Cup heraus und hielt ihn mit beiden Händen fest! Keine Alarmanlage zu hören, zum Glück! Ich hatte trotzdem Angst, denn was sie da machte, war rechtlich nicht ganz einwandfrei. Aber Claudia sah glücklich aus. Sie sagte mir: "Mach die Coladose auf und gieß die Cola in den Stanley Cup." Ich wusste, wie kräftig Claudia zutreten kann, und sie hatte ja diese schweren Cowboystiefel an, deswegen gehorchte ich ihr. Nachdem ich ihr eingeschenkt hatte, führte sie den Pokal an ihre Lippen und trank die Cola aus. Sie war wirklich happy und prahlte: "Ich wette, nicht mal Wayne Gretzky hat das getan. Jedenfalls nicht mit Cola." Sie stellte den Pokal zurück in den Glaskasten und machte die Tür zu, und wir schlichen davon. Sie ermahnte mich: "Niemand darf jemals erfahren, was wir da gerade getan haben."

Also, ich würde Claudia wirklich nicht als typisches Mädchen bezeichnen.

Bis dann

Euer ZACK


Witzig, 'ne? Die Rückseite des alten Hauses ist im Inneren des modernen Gebäudes. Der Eingang zur Ruhmeshalle des Eishockeys ist ein Stockwerk tiefer.




Episode 6 - Niagara

Hallo, all ihr Rübennasen!

Hier ist wieder Claudia Flunkert, und ich werde euch nun den nächsten Teil unserer Geschichte erzählen. Glaubt mir, es war ein Fehler, Zack auch mal erzählen zu lassen.

Nu gut. Ich war also seit einigen Tagen mit den Zatzickis in Toronto in Kanada. Frau Zatzickis Fernsehteam nahm deutschsprachige Toronto-Werbefilme auf, und in den meisten davon spielte ich mit.

Der Tag, von dem ich euch heute berichten will, war allerdings etwas anders. Wir würden zum ersten mal außerhalb von Toronto filmen.

Zack Zatzicki war den ganzen Morgen sehr aufgeregt, und ich fragte ihn, während ich meinen Muffin zum Frühstück hatte: “Warum bist du denn so aufgeregt? Wir fahren doch schließlich nur aufs Land, oder?” Zack schüttelte den Kopf: “ Du hast mal wieder keine Ahnung. Wie immer. Wir fahren nicht nur auf’s Land, sondern wir fahren zu den Niagarafällen.” Ich musste einen Augenblick nachdenken – sehr hart nachdenken – und ich wusste, ich hatte den Namen irgendwo schon mal gehört. “Niagarafälle? Das sind Wasserfälle, ne? Gehören die nicht zu den siebenundsiebzig Weltwundern? Aber bist du dir wirklich sicher, dass wir heute nach Afrika fahren?” Zack rollte mit den Augen und runzelte die Stirn. Ich könnte ihm eine runterhauen, wenn er das tut. Der Affe! Er erklärte mir: “Ja, ja, ja und nein. Ja, ich sagte Niagarafälle, das sind berühmte Wasserfälle, sie gehören zu den Weltwundern, aber sie sind hier in der Provinz Ontario und nicht in Afrika. Du verwechselst sie wohl mit den Viktoriafällen. Die sind nämlich in Afrika.”

Nach dem Frühstück bestiegen wir mit dem Filmteam einen Bus. Das war kein normaler Bus, sondern einer von diesen lustigen nordamerikanischen Schulbussen. So einer, mit dem Bart und Lisa Simpson immer zur Schule fahren.

Als wir schon fuhren, zeigte uns Frau Zatzicki eine Landkarte vom südlichen Ontario und erklärte uns: “Schaut mal her, Kinder! Hier seht ihr den Großraum Toronto, und im Süden davon liegt der Ontariosee. Um zu unserem heutigen Ziel zu kommen, fahren wir zunächst ans westliche Ende des Ontariosees, und von dort fahren wir dann in südöstlicher Richtung weiter. So kommen wir in das Niagaratal südlich des Ontariosees.” Ich war ein wenig verwirrt: “Niagaratal? Ich dachte, wir fahren zu den Niagarafällen.” Sie nickte: “Das tun wir ja auch. Der Niagara ist ein Fluss. Das Tal, durch das er fließt, heißt Niagaratal, und seine berühmten Wasserfälle heißen Niagarafälle.” Wir brauchten ungefähr zwei Stunden, bis wir da waren, und unsere Regieassistentin Debbie erzählte mir: “Das Niagaratal ist berühmt für seine landwirtschaftlichen Erzeugnisse. Eine Menge Obst kommt aus dem Niagaratal. Deswegen wird es auch Speisekammer der Welt genannt.” Hmmm – ich konnte mich nicht daran erinnern, zu Hause jemals einen Apfel aus dem Niagaratal gegessen zu haben, deswegen fragte ich sie: “Bist du sicher, dass es nicht nur die Speisekammer Ontarios ist?” Damit war sie nicht so richtig glücklich, aber immerhin gelang es mir, sie auf die Speisekammer Nordamerikas runterzuhandeln, obwohl ich bei mir glaubte, dass es höchstens die Speisekammer Kanadas war.

Dann kamen wir in eine hübsche kleine alte Stadt. Der Bus hielt an und wir stiegen aus. “Niedlicher Ort”, sagte ich, “aber wo sind die Wasserfälle?” – “Nicht hier”, sagte mir Debbie. “Wir sind hier in Niagara-on-the-Lake. Wir werden dich filmen, wie du durch die Straßen gehst und in einige der Geschäfte hineingehst und so.”

Okay, ich kann euch also schnell erzählen, was wir dort machten. Die Crew filmte mich, wie ich durch die Straßen ging und in einige der Geschäfte hineinging und so. Ein britischer Laden, der britische Waren verkaufte, eine italienische Eisdiele, ein griechischer Imbiss ... ich sah sogar eine Pferdekutsche in der Straße. “Hübsch”, sagte Debbie. “Das ist hier ein bisschen wie in Europa, ne?” Zack runzelte wieder mal die Stirn, und er fragte Debbie: “Macht das Sinn, einem Publikum in Europa einen Werbefilm für eine kanadische Stadt zu zeigen, die ein bisschen so aussieht wie Europa?” Jetzt runzelten die Erwachsenen in unserem Team die Stirn, und Frau Zatzicki sagte: “Egal. Jedenfalls ist es hier schön, und wir sind schließlich immer noch in Kanada.”

In einem Spielzeuggeschäft kaufte sich Zack einen Teddy, und den schien er sehr lieb zu haben. So ein Baby! Ich hatte gar nicht gewusst, dass er soooo kindisch sein kann.



Niagara-on-the-Lake



Immer noch Niagara-on-the-Lake

Wir stiegen wieder in unseren Bus und Ralph, unser Fahrer, startete den Motor and weiter ging’s. Ich las in einer Zeitschrift, die ich mir in Niagara-on-the-Lake gekauft hatte, während Zack weiter mit seinem Teddy schmuste. Baby! Ich hatte die ganze Zeit gelesen, als Zack laut brüllte: “Die Fälle! Die Fälle! Die Fälle die Fälle die Fälle!” – “Was für Felle? Bärenfelle?” fragte ich. “Nicht in deinem Käseblatt”, meckerte er. “Guck doch mal aus dem Fenster!” Oh richtig. Da waren sie, die Niagarafälle. Oh ja. Ja. Ja, ich muss zugeben: Sie waren eindrucksvoll. Es waren auch wirklich mehrere und nicht nur einer.

Sie waren gar nicht mal so hoch, aber dafür sehr breit. Frau Zatzicki sagte: “Die kanadischen Niagarafälle sind 51 Meter hoch und 800 Meter breit.” Wir stiegen aus, und während das Team die Ausrüstung vorbereite, gingen vier von uns (Debbie, Zack, Zacks Teddy und ich) schon mal vor zum Flussufer und guckten uns die Wasserfälle an.

“Du hast doch deinen Badeanzug dabei, Claudia, oder etwa nicht?” fragte mich Debbie. “Ja”, sagte ich, “aber man hat mir nicht gesagt, wozu ich ihn mitnehmen sollte.” Und ich witzelte: “Ihr wollte doch wohl nicht, dass ich die Niagarafälle hinaufschwimme oder?” Debbie lachte: “Nein. Oh nein. Nein nein. Die Niagarafälle hinaufschwimmen darf man nur sonntags.” Das gab mir jetzt zu denken. Ich dachte immer noch herum, als Debbie sagte: “Nein, wir gehen gleich an die Stelle, wo die Fälle zu fallen anfangen. Deine Aufgabe wird sein, dort den Fluss bis ans andere Ufer zu durchschwimmen, ohne die Fälle hinunterzufallen..” – “Waaaas?!” schrie ich. Aber Debbie versuchte, mich zu beruhigen: “Na ja, ein klein wenig gefährlich ist das schon. Aber du sagst doch schließlich immer, du bist ein taffes Stuntgirl. Dann sollte das doch für dich kein Problem sein.” – “O ... o ... okay”, stotterte ich, und wir gingen rauf zu der Stelle, von der sie gesprochen hatte.



Die Niagarafälle

Langsam machte ich meine Tasche auf und holte den Badeanzug heraus. Ich hatte mir bereits meine Cowboystiefel ausgezogen, als Debbie und Zack laut lachten. “Was jetzt?” fragte ich sie sauer. “ Ach nichts”, versicherte mir Debbie. “Zieh dir die Stiefel wieder an, deine Socken werden kalt. Keiner wird gezwungen, so nah an den Fällen zu schwimmen. Du wirst hier überhaupt nicht schwimmen. Ich hab’ nur Spaß gemacht.” Zack lachte weiter wie eine Hyäne. Er lachte und lachte, bis ich ihm den Teddy wegnahm und Zack drohte: “Wenn du jetzt nicht die Klappe hältst, reiße ich deinem Teddy den Kopf ab und trete den volley in den Fluss.” Debbie war erschrocken: “He, Claudia. Ich dachte, du kannst Spaß verstehen.” Zack erklärte er: “Schon, aber wenn sie dir mit Tritten droht, meint sie’s ernst.”

Später filmte mich das Team, während ich da stand und die Niagarafälle bestaunte. Keine aufregende Szene, und ganz sicher kein Stunt.

Erst als wir wieder im Bus saßen, fiel mir auf, dass hier auch eine Stadt war. “Wie heißt die denn?” fragte ich, und Debbie sagte: “Niagara Falls. Wie die Wasserfälle selbst. Praktisch, ne? Und dahinten ist die Grenze. Die Gebäude, die du da jenseits des Flusses siehst, stehen schon in einer anderen Stadt, die aber auch Niagara Falls heißt. Aber jene Stadt liegt bereits in den USA.” Und dann sahen wir noch ein paar Wasserfälle, und sie meinte: “Das sind die US-amerikanischen Niagarafälle. Nicht so breit wie die kanadischen, aber ein paar Meter höher. Aber für die machen wir keine Werbung, denn dafür werden wir nicht bezahlt.”

Später an dem Tag besuchten wir noch eine Winzerei im Niagaratal. Das mag euch erstaunen, dass man in diesem Teil von Kanada Wein anbaut. Frau Zatzicki sagte uns, es wäre nicht so geschickt, wenn Jugendliche in einem Werbefilm für eine Winzerei mitspielen, deswegen nahmen sie dafür eine erwachsene Schauspielerin.



Inniskillen Winery

Während sie an dem Werbefilm arbeiteten, schaute ich mir mit Zack die Regale mit den Flaschen an. “Igitt”, würgte er. “Wein! Würde ich niemals trinken.” Aber ich, ich entdeckte etwas Interessantes, und ich kaufte es mir, als er gerade nicht dabei war.

Als wir wieder draußen waren, zeigte ich ihm, was ich gekauft hatte: “Schau mal. Die haben nicht nur Wein. Ich habe mir zwei Gläser Marmelade gekauft. Willste mal probieren?” Er hatte Hunger und ich einen Löffel in der Tasche, und er probierte: “Oh, das ist total lecker!”, meinte er begeistert. “Kann ich noch was haben?” Und er probierte ein zweites Mal. Und ein drittes Mal. Und ein viertes. Und ein fünftes. Und dann begann er zu tanzen und sang dabei: “So ein Tag, so wunderschön wie heute, so ein Tag, der dürfte nie vergeh’n...” Komisch. War eigentlich gar nicht seine Art. Ich guckte auf das Etikett von dem Glas, und darauf stand: Weingelee. Es war also doch Wein, nur halt zum Essen. Seine Mutter würde nicht allzu begeistert sein.

War sie dann auch nicht, und Zack brauchte einige Zeit, um wieder nüchtern zu werden, aber sie glaubten mir, dass ich ihn nicht absichtlich betrunken gemacht hatte. Hatte ich ja schließlich nicht. Oder?

Na jedenfalls, see you later, alligator

Eure Claudia Flunkert





Noch einmal die Niagarafälle




Episode 7 - Auf den Inseln

Tach, ihr!

Hier ist wieder Zack Zatzicki, und ich will euch von einem weiteren Tag erzählen, den wir in Toronto in Kanada verbracht haben.

Wir saßen mal wieder beim Frühstück im Hotel (und Claudia beschwerte sich mal wieder über das kanadische Essen - das tat sie stääändig!), und ich fragte meine Mutter: "Was machen wir denn heute?" Ihr erinnert euch sicher daran, dass Mamas Fernsehteam deutschsprachige Werbefilme für Toronto drehte, und in den meisten davon spielte Claudia mit. "Wir sind heute auf den Inseln." - "Was denn für Inseln?" fragte Claudia. "Mallorca? Gagalapagos?" Wer von euch Claudia Flunkert kennt, wird wissen, dass sie zwar sportlich ist, aber nicht besonders helle. Ich glaube, Mama fand das auch, aber das würde sie niemals zugeben. "Nein, nein", begann Mama zu erklären. "Wir werden auf den Inseln von Toronto sein. Die Toronto Islands sind kleine Inseln im Ontariosee, und sie sind gar nicht so weit vom Hafen entfernt. Auf den Inseln gibt es Wohnhäuser und einige exklusive Jachtclubs, aber es gibt auch Möglichkeiten für Leute, die einen Ausflug machen und ein bisschen Spaß haben wollen." - "Ein bisschen Spaß macht mir Spaß", meinte Claudia. Und Mama meinte: "Eigentlich müsstet ihr die Inseln schon vom CN Tower aus gesehen haben." Ich lachte: "Ich hab' die gesehen, ja. Aber Claudia kann sich wohl nur noch daran erinnern, wie sie den Fußboden voll gegöbelt hat." Es wird euch nicht erstaunen, dass mich Claudia dafür unter dem Tisch getreten hat.



Die Inseln vom CN Tower aus gesehen.

Mama sagte, dass sie mit ihrem Team am Morgen erst einige Szenen ohne Claudia drehen würde. Wir vereinbarten, dass Claudia und ich zu Fuß zum Hafen gehen und von dort eine kleine Fähre zu den Inseln nehmen würden. Dort würde uns das Team erwarten.

Auf unserem Weg kamen wir am Saint Lawrence Market vorbei, und Claudia hatte einen lichten Moment: "Sagte deine Mutter nicht mal, dass man hier gute Lebensmittel aus Europa und Asien kaufen kann?" Ich nickte, aber ich erinnerte sie daran: "Na ja, aber wir sollen doch um elf auf dem Schiff sein." Claudia argumentierte: "Das werden wir ja auch. Ich brauche nur eine Minute, um mir etwas zum Mittagessen zu besorgen. Ich hab' echt genug von diesen Pappkarton-Bagels, den Waschpulver-Muffins und den Plastik-Donuts. Jetzt komm schon, Zack!"

Mama hatte Recht gehabt, der Markt war cool. Was ich ungewöhnlich fand, war, dass viele Stände in zwei großen Hallen untergebracht waren. Und man konnte dort viele gute Sachen kaufen, und es gab nicht nur Lebensmittel dort.



Einer der langen Gänge im Erdgeschoß des Südgebäude. Unterirdisch gibt's auch noch Läden.

Claudia kaufte sich ein paar ukrainische Würstchen, und ich entschied mich für einen großen dänischen Käse. Aber die Verkäuferin warnte mich: "Hmm tja. Du kannst den natürlich gerne haben, aber ich muss dich darauf hinweisen, dass er ziemlich ... tja ... pikant ist." Ich zuckte mit den Achseln: "So? Na ja. Das macht nichts, ich mag das so." Die Marktfrau war nicht so recht überzeugt: "Nun, ich wollte vielmehr sagen, er ist ... tja ... geruchsintensiv. Also - er stinkt tierisch." Wir lachten laut, aber ich meinte: "Och, das macht nichts. Wenn Sie ihn gut einpacken, riechen wir schon nichts." - "So lange du ihn nicht wieder auspackst", meckerte Claudia.

Die Käsetante hat den Käse sehr sehr gut eingepackt (ihr hättet das ganze Papier sehen sollen, das sie dafür verbraucht hat), und wir beeilten uns, um rechtzeitig zum Hafen zu kommen. "Da ist unser Boot, die Watermelon", rief Claudia. Ja, es war so ein Boot für ... na ja, vielleicht so vierzig Personen. Wir gingen zum Kapitän und stellten uns vor. "Ja, das ist in Ordnung", sagte er. "Eine Frau vom Fernsehen hat für euch schon zwei Fahrkarten gekauft. Willkommen an Bord!"

Wir setzten uns irgendwo in der Mitte des Schiffchens hin, und es waren nicht viele Fahrgäste an Bord. Dann startete der Kapitän die Maschine und setzte die Segel. Na ja, nicht wirklich Segel ... Jedenfalls legte das Boot ab.

Die Aussicht vom Boot auf Toronto gefiel mir sehr.



Die Skyline, die Skyline, die Skyline ...

Ich liebe diese Wolkenkratzer, aber das wisst ihr ja schon. Claudia las in einer Zeitschrift (das tut sie immer, wenn es etwas Interessantes zu verpassen gibt), als ich hörte, wie hinter uns eine Frau in einer komischen Sprache redete. Ich drehte mich um und sah, dass es eine junge Frau war, und dass sie alleine war. Sie führte aber keine Selbstgespräche, sondern sie sprach in ein Mikrofon und zeichnete das auf einem Tonband auf.

Ich geb's ja zu, ich war neugierig, und deswegen ging ich, als sie fertig war, zu ihr hin und fragte sie: "Entschuldigung. Welche Sprache war das denn eben?" Sie lächelte und sagte: "Oh, hallo. Wie geht's dir? Setz dich doch." Ich setzte mich also, und sie erklärte mir: "Die Sprache nennt man Afrikaans. Sie wird in Südafrika gesprochen, und es ist meine Muttersprache, weißt du? Ich bin Yvette, und wer seid ihr?" Ich erzählte, wer wir waren und was wir in Toronto machten. Und Yvette erzählte mir, dass sie zu Hause in Südafrika eine Radiomoderatorin sei. Sie würde gerade durch Kanada reisen und dabei Sendungen fürs Radio machen. Ich fand sie sehr nett. Ich erzählte, was ich in Toronto schon gesehen hatte, und sie erzählte mir, was sie schon gesehen hatte, und mir war gar nicht aufgefallen, dass das Boot die Inseln bereits erreicht hatte, bis es anlegte.



Gleich sind wir da.

Wir gingen also von Bord. "Hat Spaß gemacht, mit dir zu quatschen, Zack", sagte Yvette. "Ich habe das, was du mir erzählt hast, übrigens auf Tonband aufgenommen. Vielleicht verwende ich es ja für meine Sendungen. Ich hoffe, wir sehen uns noch." Ich sagte "Goodbye" und schaute ihr hinterher. Claudia stupste mich an, und als ich zu ihr hochguckte, grinste sie: "He, kleiner Mann - du hast dich doch nicht etwa in das 'große Mädchen' aus Südafrika verknallt?"- "Öh ... nö, natürlich nicht." Claudia kicherte, und ich wurde rot, glaube ich.

Zum Glück wartete schon das Filmteam auf uns, und Claudia würde etwas Anderes zu tun haben als mich zu ärgern. Mama erklärte uns: "Das hier ist Central Island, aber das ist nicht die interessanteste der Inseln. Wir können aber viele von den anderen Inseln leicht erreichen. Sie sind durch Brücken miteinander verbunden." Dann drehte sie sich zu mir um und schlug vor: "Zack, wenn du willst, kannst du mit uns kommen, aber du musst nicht." Eigentlich hatte ich tatsächlich keine Lust dazu. Deswegen gab sie mir eine Karte von den Inseln und noch ein paar Dollars und sagte mir: "Du musst aber um fünf wieder hier am Bootsanlegeplatz sein."

Ich hatte also viel Zeit. Zuerst ging ich an die Südspitze von Central Island. Unterwegs hatte ich mir etwas zu trinken gekauft (Ingwerbier). Ich setzte mich auf eine Bank und trank das Bier, das aber eigentlich nur eine Limonade ist. Ich konnte auf das Wasser des Ontariosees gucken und auf die Strände.



Wie ich schon sagte ...

Soooo aufregend fand ich das nun aber auch wieder nicht, und ich ging zurück. Ich ging über eine Brücke



Ich ging also über eine Brücke ...

...und war nun auf einer anderen Insel. Die hieß: Hanlan's Point. Ich war dort nicht das einzige Kind. Es gab dort wirklich viele Familien mit kleinen Kindern, und logo gab es auch einen großen Spielplatz.



Die Schwäne sind keine Schwäne, sondern Tretboote für Kinder.

Ich musste lachen, als ich Mamas Team beim Filmen entdeckte. Claudia saß auf einer kleinen Spielzeugeisenbahn mit lauter Hosenschei ... Kleinkindern, und sie sah überhaupt nicht glücklich aus. Ihr Gesicht wurde auch nicht fröhlicher, als sich der Zug in Bewegung setzte und die Kinder laut quietschten.

Ich ging auf Hanlan's Point spazieren. He, es gab dort auch Polizei, und die Polizisten hatten auch Polizeiwagen. Das waren aber keine normalen Polizeiautos, sondern so Elektrowägelchen, mit denen normalerweise fußkranke Geldsäcke auf Golfplätzen herumfahren.

Ich hatte immer noch eine Menge Zeit, also ging ich noch auf eine andere Insel ...



Dabei sah ich dieses Ausflugsboot.

... und kam irgendwann zu einer Kirche. Es war niemand in der Nähe, und da die Kirchentür offen war, ging ich hinein. Drinnen war auch keiner. Mir fiel auf, dass ich Hunger hatte. "Kein Problem", dachte ich mir. Ich setzte mich auf eine Bank und packte den Käse aus. Oh ... ooooh ... oooooooh ... der war aber wirklich ... äh ... pikant. Deswegen aß ich ihn auf, so schnell ich konnte. Na ja, er hat zwar bestialisch gestunken, aber auch toll geschmeckt. Aber nachdem ich ihn aufgefuttert hatte, konnte ich ihn immer noch riechen, deswegen ging ich ganz schnell wieder aus der Kirche raus an die frische Luft.

Aber jetzt waren da Leute vor der Kirche. Ziemlich viele sogar. Und da war auch Yvette, die Radiofrau aus Südafrika. "Hallo, Zack, wie geht's?", begrüßte sie mich. "Was machen denn die ganzen Leute hier?", wunderte ich mich. Yvette grinste und antwortete: "Na ja, guck sie dir an, und dann frag noch mal!" In Ordnung: Ich sah einen Pastor und einen jungen Mann in einem teuer aussehenden schwarzen Anzug und eine junge Frau in einem weißen Kleid mit Schleier und noch andere Leute mit festlichen Klamotten. "Die beiden da wollen heiraten", bemerkte ich clever, und Yvette grinste weiter: "Bravo! Das ist mein Junge!" Warum hatte ich das Gefühl, dass sie mich veräppelte? Aber ehe ich sie das fragen konnte, erklärte sie mir: "Dieses Kirchlein hier ist für Hochzeiten sehr beliebt, und daher gibt es eine laaaange Warteliste. Ich habe mit dem Brautpaar gesprochen, und die beiden haben mir erzählt, dass sie ihre Hochzeit hier schon vor zwei Jahren angemeldet haben." Oh, das war aber wirklich eine lange Wartezeit. Yvette sagte noch: "Wenn du also hier später mal heiraten willst, lieber Zack, dann sehe ich da zwei Möglichkeiten. Entweder deine Freundin und du, ihr meldet euch hier an, und dann habt ihr zwei Jahre Zeit, um herauszufinden, ob ihr wirklich heiraten wollt oder besser doch nicht. Oder du meldest dich schon mal an, wenn du noch Single bist, und dann hast du zwei Jahre Zeit, eine Braut zu finden. Die zweite Möglichkeit ist natürlich ein bisschen riskant."

Aber da fiel mir etwas ein: "Auweia. Die gehen jetzt gleich da in die Kirche rein, oder?" - "Ja, kann nicht mehr lange dauern. Wieso?" - "Oh oh. Wenn das mal gut ist." Sie gingen wirklich rein, und eine halbe Minute später waren sie auch schon wieder draußen. Sie husteten oder beschwerten sich oder taten beides. "Ich verstehe das nicht", sagte der Herr Pastor, "als ich vor einer Stunde da drin war, hat's da noch nicht so gestunken!" - "Wie - gestunken?" wunderte sich Yvette, und ich druckste herum: "Ja ... äh ... da riecht es so komisch drin. Tat es schon, als ich da drin war. Keine Ahnung, was das für'n Geruch ist oder woher er kommt." Yvette schaute mich an und runzelte die Stirn.

Ich hatte Schuldgefühle. Diese beiden Leute hatten zwei Jahre darauf gewartet, endlich heiraten zu können, und nun würden sie noch mal zwei Jahre warten müssen, nur weil ich zu Mittag Käse gegessen hatte. Aber zum Glück hatte der Pastor eine gute Idee: "Heute scheint so wunderbar die Sonne. Was meinen Sie - wie wäre es, wenn wir die Hochzeit dort auf dem Rasen abhalten? Den Altar und die Orgel stellen wir unter den großen Ahornbaum. Das wird eine denkwürdige Hochzeit. Auch für mich."

Das fanden alle gut, und ich war erleichtert. Yvette sprach auf Band, was sie sah ("Dis Yvette direk van die Torontoeilande vir Radio Vrystaat FM in Bloemfontein, Suid-Afrika, en ek sien hier dalk die eerste ..."). Ehe die Hochzeit zu Ende war, war auch Mamas Filmteam da und filmte ein bisschen von der Hochzeit.

Als wir wieder auf dem Boot waren, saß ich genau zwischen Claudia und Yvette, und Claudia fragte mich: "Hast du eigentlich den Esrom gegessen, den du dir auf dem Markt gekauft hast?" Oh oh ... Yvette hat das natürlich gehört, und jetzt wollte sie es wirklich wissen: "Esrom? Was ist denn ein Esrom? Ach - ich glaube, ich weiß, was das ist." Sie grinste böse, und dann sagte sie zu Claudia: "Ja, Claudia, ich denke, er hat seinen Käse gegessen, und ich weiß sogar, wo er ihn verputzt hat." Claudia guckte ein wenig verwundert, aber glücklicherweise fand sie das wohl doch nicht interessant genug, um nachzuhaken. Und Yvette stupste mich einfach nur an und lachte.

Mit käsigen Grüßen

Euer Zack





Ein Springbrunnen auf Central Island.




Episode 8 - Alte Schuhe und alte Knochen

Hallo, Kartoffelköpfchen!

Ich bin Claudia Flunkert, und dies hier ist ein weiterer Teil unseres „Kanada-Abenteuers“. Ich war immer noch in Kanada mit dem kleinen Zack Zatzicki und seinen Eltern. Für mich war das ja eine Art „Arbeitsurlaub“, weil Frau Zatzicki Werbefilme über Toronto machte, und ich habe in denen mitgespielt.

Heute erzähle ich euch von einem „Arbeitstag“, auf den ich mich wirklich gefreut hatte. Obwohl es dabei um Museen ging. Aber das erste von den beiden war ein ganz besonderes Museum. Jedenfalls für mich, weil ich ja eine Frau bin. Na ja, ein Mädchen, um genau zu sein. Es ging um das Bata-Schuhmuseum.

Als wir vor diesem Museum in der westlichen Bloor Street standen, staunte ich über seine besondere Form. „Guckt euch das an!“, freute ich mich. „Das Museumsgebäude sieht aus wie ein Schuhkarton.“ Zack war nicht so begeistert wie ich, und er sagte gelangweilt: „Das ist also das einzige Museum in Nordamerika, in dem es nur um Schuhe geht. O Sohle mio.“ Und seine Mutter erklärte uns: „Die Sammlungen des Museums stammen aus dem Besitz einer Sonja Bata. Bata ist eigentlich ein Familienunternehmen, das ursprünglich schon in Tschechien Schuhe hergestellt hat. Da Frau Bata ein besonderes Interesse an Schuhen hatte, sammelte sie Schuhe aus aller Welt und aus allen möglichen Epochen. Als sie mehr als zehntausend Schuhe zusammen hatte, wurde beschlossen, ein Museum für die Schuhe zu bauen. Der Architekt Raymond Moriyama hatte die Idee, das Gebäude wie einen großen Schuhkarton aussehen zu lassen.“

Der Werbefilm war für mich ganz einfach. Ich ging durch die Ausstellungsräume des Museums und guckte mir all die Schuhe an, und das Filmteam kam mir einfach hinterher und filmte mich beim Gucken. Die Schuhe kamen wirklich von überall und aus ganz verschiedenen Zeiten. Es gab dort antike ägyptische Sandalen, Holzschuhe zum Kastanienzertrampeln, chinesische Schuhe für zusammengebundene Füße ... eine ganze Menge dieser Schuhe würde ich mir niemals anziehen wollen, aber sie mir anzugucken, fand ich interessant. Eine besondere Ausstellung war über die Fußbekleidung der Eskimos. Da gab’s nicht allzu viele Sandalen zu sehen, wie ihr euch vorstellen könnt.

Nach der Filmerei sagte Frau Zatzicki zu uns: „Das Team und ich gegen jetzt ins Königliche Museum von Ontario. Aber es wird ein bisschen dauern, bis wir alles vorbereitet haben. Kinder, wenn ihr wollt, könnt ihr hier noch ein bisschen zwischen den Schuhen bleiben. Hauptsache, ihr seid um halb drei drüben im Königlichen Museum.“

Natürlich wollte ich noch bleiben, und Zack blieb bei mir – allerdings etwas widerwillig, glaube ich. Ich schaute mir weiter die Schuhe an, und dann kamen wir zu diesem ‚Walk of Fame‘. Wir waren da nicht allein, sondern da war auch noch eine Gruppe japanischer Touristen, die fotografierten. „Guck dir mal den Schaukasten an!“, sagte ich zu Zack. „Das sind Schuhe von ganz berühmten Leuten. Siehst du das nicht? Die Stöckelschuhe gehörten Marilyn Monroe. Und das da ist John Lennons Beatle-Schuh. Und diese Schuhe da hinten gehörten dem Maler Pablo Picasso, dem Zigarrenraucher Winston Churchill und dem früheren kanadischen Primelminister Pierre Trudeldidudeldideau.“ – „Ja, genau. Trudeldidudeldideau“, wiederholte Zack. Kein Wunder, warum er das tat. Dann murmelte er so etwas wie: „Ist das albern!“, und ehe mir klar wurde, dass er etwas vorhatte, spürte ich eine Hand unten an meinem Fuß. „He, Zack, was machst du da?“, beschwerte ich mich. „Lass meine Schuhe in Ruhe! He, gib meinen Stiefel wieder her!“

Zack hatte mir meinen Cowboystiefel geklaut, und als ich mich umdrehte, sah ich, dass er ihn auf einen leeren Tisch gestellt hatte – so als würde er zur Ausstellung gehören. Die japanischen Touristen drehten sich jetzt auch um und sie fingen an, den Stiefel auf dem Tisch zu fotografieren. Das Schlimmste aber war, dass Zack jetzt zu ihnen sagte: „Lillies and Gentlepants, ich heiße Zack, ich bin Ihr Führer. Hier auf diesem Tisch sehen Sie einen linken Westernstiefel, der früher Königin Elisabeth der Zweiten von England gehörte. Sie trug ihn anlässlich ihrer Krönung im Jahre 1952. Sie war damals 26 und war gerade von einem Rodeo in Muskogee, Oklahoma, zurückgekehrt, wo sie sich den Stiefel in Jacinta‘s Booty Store kaufte.“ – „Aaaaah“, sagten die Japaner, und: „Ooooh“, aber ich, ich sagte: „Duuuuuu!“. Ich holte mir meinen Stiefel und erklärte den Leuten: „Meine Damen und Herren, ich muss mich bei Ihnen entschuldigen. Dieser junge Mann hält sich für einen Komiker. Wenn Sie erlauben, lasse ich die Strafe auf dem Fuße folgen.“ Folglich trat ich Zack ordentlich in den Hintern. Die Touristen glaubten wohl, dass alles sei eine geplante Vorstellung und applaudierten uns. Sie klatschten immer noch, als wir aus dem Museum rannten. (Irgendwie schaffte ich es, mir den Stiefel im Lauf wieder anzuziehen.)

Im Königlichen Museum von Ontario wartete Frau Zatzicki schon auf uns, und sie erklärte uns: „Das hier ist natürlich ein ganz anderes Museum. Irgendwie traditioneller.“ „Wie schade!“, sagte ich. „Zum Glück“, sagte Zack. Frau Zatzicki sagte weiter: „Meine Kollegen bauen noch ihre Geräte in der Abteilung mit den Rüstungen auf. Ihr zwei könnt euch ja in der Zwischenzeit die Dinosaurierausstellung angucken.“

Zack war da offensichtlich scharf drauf. Ich nicht, aber ich wusste nicht, wo ich sonst hingehen sollte.

Wir gingen also zu dieser Ausstellung und wurden dort von einem großen Dinosaurier begrüßt. Natürlich war das kein lebendiger Dinosaurier ... ha ha ha ha ... sondern nur ein Dinosaurierskelett. Wie ihr euch sicher vorstellen könnt, war Zack ganz begeistert. „Guck mal, der Tyrantosaurier! ... Guck mal, der Phantastisaurier! ...Guck mal, der Gurkensaurier! ...“ (Ich bin mir nicht sicher, ob die jetzt wirklich genau sooo hießen.)

Für jedes Skelett gab es ein Schild, auf dem stand, was es war und wo die Knochen gefunden worden waren. „Ich würde gerne wissen, wie alt dieser Dinosaurier hier genau ist“, meinte Zack. Es waren nicht sehr viele Leute in der Ausstellung, aber ein Museumsangestellter war da, und der hatte Zack gehört. „Nun, mein Junge, der Dinosaurier ist genau vierzig Millionen und acht Jahre alt.“ Wir beide waren verblüfft. „Woher wissen Sie das so genau?“, fragte ich ihn. „Och“, meinte er, „das ist ganz einfach. Als ich hier zu arbeiten begann, sagte man mir, er sei vierzig Millionen Jahre alt. Und das ist jetzt acht Jahre her.“ Zack und ich müssen ziemlich komisch geguckt haben. Dann lachte der Mann und sagte: „War nur Spaß. Keiner kann das ganz genaue Alter eines Dinosaurierknochens sagen. Sie sind so alt, dass es auf 1 Million Jahre mehr oder weniger auch nicht mehr ankommt.“ Und dann sagte er uns: „Vielleicht habt ihr gesehen, dass die meisten dieser Skelette in den USA gefunden wurden.“ – „Ja“, meinte Zack und wollte wissen: „Warum ist das denn so?“ – „Oh, das liegt daran, dass sich zwei Amerikaner nicht leiden konnten.“ Wir waren schon wieder verwirrt. „Verstehe ich nicht,“ meinte ich.

Und er erzählte uns: „Im neunzehnten Jahrhundert waren da zwei amerikanische Paläontologen, die sich für alte Knochen interessierten – ein Herr Cope und ein Herr Marsh. Am Anfang kamen sie eigentlich sehr gut miteinander aus. Aber aus nicht überlieferten Gründen begannen sie irgendwann, einander zu hassen. Und ich meine: richtig hassen. Einmal zum Beispiel machten sie ihre Ausgrabungen gleichzeitig am selben Ort, und sie müssen sich so böse gestritten haben, dass sie sich gegenseitig mit Steinen bewarfen. Kein Witz. Und da keiner von beiden dem anderen den Ruhm gönnte, gruben sie wild um die Wette. Als sie mit den Ausgrabungen begonnen hatten, waren der Menschheit nur acht Dinosaurierarten bekannt. Aber bei ihren wilden Ausgrabungen fanden die beiden zusammengerechnet 150 weitere.“

Zack war immer noch fasziniert und starrte auf die alten Knochen. Offensichtlich befand er sich im Geiste gerade in einer Zeit, in der die Dinos noch lebten. Ich konnte nicht widerstehen: Ich schlich mich von hinten an und dann BRÜLLTE ich ihm ins Ohr. Er hättet mal sehen sollen, wie er sich erschrocken hat. Herrlich!

Aber eher wir aus der Dino-Ausstellung wieder herausgehen, sagte Zack zu dem Angestellten: „Vielleicht werde ich ja später mal Paläontologe.“ – „Na großartig“, sagte ich. „Du könntest natürlich auch Briefmarken sammeln.“ – „Herzlichen Dank!“, erwiderte der Angestellte. „Ich bin selber Paläontologe.“

Mit steinigen und verknöcherten Grüßen

Eure CLAUDIA FLUNKERT






Ein anderes Filmteam in Toronto. Die Szene soll in New York spielen, aber gedreht wird sie in der φstlichen Front Street in Toronto.




Episode 9 - Der große Wurf

Hallo, Kinder!

Ich heiße immer noch Zack Zatzicki, und ich erzähle euch immer noch von unserer Reise nach Toronto in Kanada. Ihr wisst ja von diese Werbefilmen, die Mama mit Claudia machte.

Auf den Sonntag, von dem ich euch heute erzählen will, hatte sich Claudia wirklich tierisch gefreut, deswegen war sie morgens beim Frühstück im Hotel ganz aufgeregt. Sie gab Dinge von sich wie: „Oh, das wird toll ... es wird wunderbar ... ich liebe dieses Spiel ... ich liebe das Stadion ... ich werde diesen Tag niemals vergessen ...“ Aber überraschenderweise war Mama noch aufgeregter als Claudia. Sie kam zu uns und jubelte: „Oh, Claudia, ich habe gerade erfahren, dass du heute den ersten Ball für die Blue Jays werfen darfst.“ Und darum wurde Claudia NOCH aufgeregter und stotterte Sachen wie: „Oooooh ... aaaaah .... das glaubste echt nich ... gargl ... unvergesslich ... gugu ...“

Ich wette, ihr seid jetzt etwas verwirrt, aber das ist in Ordnung. Keine Sorge, ich werde euch schon noch aufklären.

Nach dem Frühstück gingen wir zu Fuß zum SKYDOME.

„Skydome“ heißt zwar „Himmelskuppel“, aber er ist nicht wirklich eine Kirche, obwohl bestimmt manche Leute dort das Beten anfangen. Der Skydome ist gleich neben dem langen CN-Turm und ist ein riesiges Sportstadion. Dort spielen die Blue Jays (die sind Torontos wichtigstes Baseballteam) und auch die Toronto Argonauts. Die Argonauts spielen Canadian Football, der fast genauso aussieht wie American Football. Kanadier werden euch allerdings erzählen, dass Canadian Football ganz anders ist als American Football und mit American Football nichts zu tun hat. Gut, wenn sie euch das erzählen, nickt einfach, als würdet ihr ihnen glauben.

Aber im Skydome gibt es auch andere Veranstaltungen. Popkonzerte zum Beispiel.




Das dicke Ding mit dem Dach, das ihr hier vom CN Tower aus seht - das ist es.


Nach dem Frühstück gingen wir also zum Skydome. So viel ich weiß, wurde der Skydome 1989 gebaut und hat Platz für sechzigtausend Zuschauer. Claudia war so aufgeregt, dass sie kaum sprechen konnte – deswegen brauche ich sie hier auch nicht zu zitieren.

Als wir am Skydome ankamen, wurde sie von einer Angestellten in Empfang genommen, die mit ihr ins Fitness Centre des Skydomes ging. Dort würde man Claudia sagen, was sie zu tun hätte, und sie würde sich dort vorbereiten können. „Wie viel habt ihr eigentlich dafür bezahlt, dass Claudia das tun darf?“ fragte ich meine Mutter. Die lachte: „Keinen Cent. Unser Kameramann hat das zufällig in einer Tombola gewonnen, und wir fanden, das wäre eine gute Szene für unsere Werbefilme.“

Ich wusste nicht so richtig, was ich anfangen sollte, also lief ich ein bisschen herum. Der Skydome ist wirklich riesig. In ihm gibt es sogar ein ganzes Hotel. Es gibt Anlagen, die das Fernsehen und das Radio für ihre Übertragungen brauchen, ein sogenanntes „Erlebnistheater“, sieben Restaurants und Bars, und ich habe achtundachtzig Toiletten gezählt. (Ehrlich gesagt, ich habe die gar nicht gezählt, sondern irgendwo gelesen, dass es achtundachtzig sind.) Ich habe mir dann noch etwas zu essen gekauft und wartete ab, was noch passieren würde.

Ein paar Stunden später saß ich in einer der ersten Reihen des Stadions. Danke, Mama! Es sollte ein Baseballspiel stattfinden. Die Blue Jays aus Toronto sollten gegen die Homerun Papas aus Honolulu spielen. Es war ein Match in einer der wichtigsten Baseballligen Nordamerikas.

Kennt ihr Baseball? Möglicherweise ja nicht. Also, Baseball ist ein Spiel, bei dem man erst zuschlägt und dann wegläuft. Ein Baseballfeld hat die Form eines Diamanten. In der Mitte steht der Kamerad Werfer, und der Werfer wirft den Ball zu seinem Kameraden Fänger, der den Ball fangen soll. Aber beim Fänger steht ein Schlagmann, und der gehört zur gegnerischen Mannschaft, und der versucht, den Ball mit seinem Baseballschläger weg zu schlagen, ehe der Fänger ihn fangen kann. Wenn er den Ball getroffen hat, versucht er, einmal um das Feld herumzulaufen, während die Jungs von der Mannschaft des Werfers versuchen, den Ball wiederzukriegen und ... ach, eigentlich habe ich nicht richtig Lust, euch das zu erklären. Wenn ihr einmal die Gelegenheit habt, euch ein Baseballspiel anzugucken, dann guckt es euch an und versucht herauszufinden, ob es euch gefällt oder nicht. Claudia gefällt es jedenfalls, aber sie mag ja so ziemlich alle Sportarten.

Dann kamen die beiden Mannschaften und die „Offiziellen“ auf das Feld. Claudia war auch dabei, und sie trug die Kleidung der Blue Jays. Und dann machte der Lautsprecher eine Ansage: „Meine Damen und Herren, dies ist heute ein besonderes Spiel, weil wir besondere Gäste haben.“ Claudia wurde rot, und dann winkte sie den Zuschauern zu. Aber die Lautsprecherstimme meckerte sie an: „Doch nicht du, Mädel! Es gibt hier wichtigere Leute als dich. Meine Damen und Herren, bitte erheben Sie sich von Ihren Plätzchen ... Plätzen und begrüßen Sie mit mir Königin Elisabeth die Zwote von England sowie Schorsch Dabbeldi Dumm, Präsident der Vereinigten Staaten von Irwistshonnwat.“ He, das war ja eine Überraschung! Ich hatte mich wohl zu sehr auf meine Doughnuts konzentriert, deswegen hatte ich die beiden vorher gar nicht bemerkt. Da waren sie: Zwei der prominentesten Menschen der Welt! Ganz nahe – nur ein paar Meter von mir! Wir standen alle auf und hörten uns die Nationalhymnen an: Eine für die Königin, eine für den Präsidenten und die kanadische Hymne für uns selbst. (Ich bin nämlich Halbkanadier, denn meine Mutter ist ja Ganzkanadierin. Ihr versteht?)

Dann machten sich die Spieler warm, und Claudia auch. Der Lautsprecher erklärte: „Meine Haare und Gedärm ... meine Damen und Herren, in wenigen Augenblicken wird unsere Wettbewerbsgewinnerin, Fräulein Claudia Flunkert aus Sehnde in Deutschland, unserem Catcher Lionel Getmeman den ersten Ball des Spiels zuwerfen. Nicht dass der Ball zählen würde. Ist nur symbolisch und wegen dieser Tombola, Sie wissen schon.“

Aber ehe Claudia dazu kam, begann es zu regnen, und die Baseballspieler weinten: „Bei diesem nassen Regen können wir doch nicht spielen.“ Aber das war kein Problem. Wisst ihr, das Skydome hat ein Dach, das man auf- und wieder zumachen kann. Im Moment war es gerade offen, aber die zuständigen Leute beschlossen, es zuzumachen.

Sie brauchten ungefähr zwanzig Minuten, um das Dach ganz zu schließen, und zwischendurch kam Claudia zu mir. „Ich bin ja ein taffes Mädchen, aber im Moment bin ich voll nervös“, gab sie zu. „Don’t worry, be happy“, sagte ich ihr – weil mir etwas Besseres gerade nicht einfiel.

Das Dach war also zu, und Claudia ging zu diesem kleinen Hügel, auf dem der Werfer beim Wurf stehen muss. Sie wartete einen Moment und konzentrierte sich. Dann war sie den Ball – und verfehlte den Fänger TOTAL. Der Ball flog voll ins Publikum – und traf den Präsidenten!

Tja, ich will euch jetzt nicht sagen, wo er ihn getroffen hat, aber es hat dem Präsidenten ganz schön weh getan. Er war ganz benommen, und das Erste, was er sagte, war: „Neue Bälle, bitte.“ Aber dann wurde er sehr wütend, und ich hörte ihn brüllen: „Ergreift sie! Dieses Mädchen ist eine internationale Terroristin. Meine Sicherheitsberater haben mir gesagt, dass sie in ihren Hosentaschen Massenvernichtungswaffen versteckt hat.“ Claudia war ganz blass. Aber es kam niemand, um sie festzunehmen.

Der Ehemann der Königin kam ihr nämlich zu Hilfe. Er ging zum Präsidenten, klopfte ihm auf die Schulter und sagte zu ihm: „Beruhige dich, Schorsch. Ihre Majestät und ich sind höchst amüsiert. Und ich bin davon überzeugt, dass es gar nicht so doll weh getan hat, alter Junge.“ – „Es tut weh wie Hölle ...“, jammerte der Präsident, aber der Prinz empfahl ihm, sich ein paar Eiswürfel draufzutun. Dann dreht er sich zu Claudia und fragte sie: „Hast du noch einen Ball? Dann wirf noch einen!“

Ja, Claudia hatte noch einen Ball. Sie atmete tief durch ... sie konzentrierte sich ... und warf ... und verfehlte den Fänger schon wieder. Und wieder traf der Ball den Präsidenten! Diesmal traf er ihn am Kopf. Auweia! Was jetzt?! Er würde Claudia in den Kerker werfen lassen, dachte ich. Ich rechnete mit dem Schlimmsten.

Aber nö – diesmal sagte der Präsident nur: „Diesmal hat es überhaupt nicht weh getan. Hat mich ja nur am Kopf getroffen. Das Spiel fängt an, mir zu gefallen.“

Einen dritten Versuch bekam Claudia nicht mehr. Statt dessen sagte ihr der Lautsprecher: „In Ordnung, Mädel, du hast deinen Spaß gehabt. Jetzt geh und lass die großen Jungs auch mal spielen.“

Eine Sache hat gestimmt: Wir würden diesen Tag niemals vergessen.

Es grüßt euch

Euer ZACK






Das hier oben ist kein Sport, sondern Kunst - glaube ich. Diese ... äh ... Stücke stehen am Westeingang des Air Canada Centre, in dem die Eishockeymannschaft Toronto Maple Leafs spielt. Also doch Sport.

Und das Photo unten zeige ich euch, weil ich's so cool finde.




Episode 10 - Verstehen Sie Wurst?

Hallo, ihr Würstchen!

Ich weiß, ich weiß, das ist keine besonders freundliche Form der Anrede. Aber ich meine es ja gar nicht so, und außerdem passt es ganz gut zum Rest der Geschichte.

Ich bin übrigens Claudia Flunkert, und wie ihr euch vielleicht erinnert, war ich mit Zack Zatzicki und seinen Eltern in Toronto in Kanada. Frau Zatzicki drehte ja diese Toronto-Werbefilme, in denen ich der "Star" war. In den letzten Wochen hatten wir also diese Filmchen gemacht. Zack und ich haben euch ja von einigen erzählt (nicht von allen, denn einige von den Tagen waren einfach zu normal, damit hätten wir euch nur gelangweilt.)

Mir war gar nicht aufgefallen, wie schnell die Zeit in Toronto vergangen war, und ich war ganz schön erschrocken, als es Samstagmorgen war und mir klar wurde, dass wir am Montag abreisen würden. "Oh, ich muss heute wirklich noch zum Shopping ins Eaton Centre", sagte ich den Zatzickis. "Du brauchst bestimmt ein paar neue Schuhe", vermutete Zack. "Ja", antwortete ich und fragte zurück: "Woher weißt du das?"

Aber Frau Zatzicki sagte: "Claudia, du kannst heute den ganzen Nachmittag shoppen. Aber vor dem Mittagessen müssen wir noch unseren letzten Werbefilm abdrehen. Wir machen ihn am Saint Lawrence Market." Samstagsarbeit? Ich grummelte, aber mir klar, dass Widerstand zwecklos gewesen wäre.

Ich kannte diesen Sankt-Lorenze-Markt bereits ganz gut. Ich war mit Zack schon mal dort gewesen, und er hatte sich da einen tierisch stinkigen Käse gekauft. Vielleicht erinnert ihr euch noch daran. Ach, eigentlich gefiel mir dieser Markt, und ich war nicht allzu sauer, dass wir dort arbeiten sollten.

Wenn ich Zack wäre (was ich zum Glück nicht bin), würde ich euch nun mit total langweiligen Fakten, Fakten, Fakten anöden. Ich würde euch zum Beispiel erzählen, dass der Markt aus dem Nordmarkt und dem Südmarkt besteht. Der Nordmarkt ist mehr als zweihundert Jahre alt und wird auch "Bauernmarkt" genannt, und man kann dort sonntags auch Antiquitäten kaufen. Den Südmarkt (auf der anderen Seite der Front Street, direkt gegenüber) gibt es seit 1901, und der ist in einem Gebäude untergebracht, das im neunzehnten Jahrhundert das Rathaus von Toronto war. Und ich würde euch erzählen, dass es in diesem Gebäude auch eine Galerie gibt, in der Ausstellungen zur Geschichte Torontos gezeigt werden. Aber schließlich bin ich nicht Zack, und deswegen werde ich auch kein Wort darüber verlieren.

Der erste Teil der Filmaufnahmen war für mich wieder mal ganz einfach. Das Team von Frau Zatzicki filmte mich dabei, wie ich von den Marktleuten auf dem Nordmarkt Sachen kaufte. Dann machte ich das gleiche "Fernsehshopping" auch noch in der Halle des Südmarkts. Der Südmarkt gefiel mir besonders gut. Ich kaufte mir Ahornsirup im Andenkenladen, Honig in der "Honigwelt", extrascharfen Senf im "Senf-Emporium", Lachs bei Mike in seinem Fischmarkt, Birnen im "Goldorcharden-Delikatessengeschäft" und so weiter. Ich liebe frisches Essen - im Gegensatz zu Zack, der scharf ist auf typisch nordamerikanisches Essen. Er kaufte sich Bagels bei "Bagels des Heiligen Urbanus", Muffins in der "Bäckerei der Zukunft" und Donuts bei "Peters gesunde Nahrungsmittel".




Was möchtet ihr zu Mittag?


Als ich dachte, dass ich meine Arbeit schon erledigt hätte und nun jetzt im Eaton Centre richtig interessant einkaufen könnte, konfrontierte mich Frau Zatzicki mit der schrecklichen Wahrheit: "Wir müssen nun noch eine allerletzte Szene schießen, und die wird etwas schwerer, Claudia." Schwerarbeit? Schluck!

Mir wurde gesagt, ich sollte eine Verkäuferin spielen. Ich würde dabei gefilmt, wie ich an einem Stand mit dem Namen "Tante Mathildes deutsches Wurstwunder" den Kunden Wurst und Fleisch verkaufen würde. Das wirklich Schlechte daran war, dass ich vor den Filmarbeiten richtig arbeiten müsste: Während das Filmteam nämlich noch mit der Ausrüstung herumhantierte, sollte ich die Kunden bedienen, wie das eine richtige Verkäuferin machen würde - sozusagen, um ein Gefühl für die Rolle zu bekommen. Zum Glück war diese Tante Mathilde sehr nett. Sie erklärte mir, was ich zu tun hatte, und es war schließlich nicht allzu schwer. Allerdings auch nicht allzu leicht. Ich müsste die Kunden fragen, was sie wünschen. Ich müsste außerdem die Waren abwiegen, den Preis ermitteln, das Geld entgegennehmen und auch das Wechselgeld ausgeben - also wie eine echte Verkäuferin so etwas tut.

Aber ihr könnt mir glauben: Ich bin nicht nur ein Star in der Werbung, sondern auch im Würstchenverkaufen. Tante Mathilde war mit mir absolut zufrieden und bot mir sogar einen festen Arbeitsplatz an. Den musste ich natürlich ablehnen.

Nach einer Weile (die Fernsehfuzzis machten immer noch an ihren Apparaten rum), sagte mir "Tante" Mathilde: "Entschuldige bitte. Ich muss mal eben schnell für kleine Fleischfachverkäuferinnen." Ich wunderte mich noch, was denn Fleischfachverkäuferinnen außer Fleisch verkaufen noch so müssten, aber ehe ich etwas sagen konnte, war sie auch schon weg. Und ich war allein mit all ihren Mettwürsten, Knackwürsten, Wienerschnitzeln und Kunden.

Der erste Kunde, der mich ansprach, nachdem Tante Mathilde verschwunden war, war ein älterer Herr. Er sagte: "Diese Leberwurst habe ich hier gestern gekauft." Okay. Fand ich jetzt eigentlich nicht besonders interessant, aber ich setzte ein nettes Lächeln auf und meinte: "Das war eine sehr gute Wahl. Deutsche Leberwurst ist sehr gut für Ihre ... äh ... Leber." Er wurde sauer: "Diese hier ganz bestimmt nicht! Die ist total versalzen!" Als gute Verkäuferin schüttelte ich mit dem Kopf und sagte: "Ich bin sicher, dass sie das nicht ist. Darf ich mal probieren?" Er grinste und gab mir die Wurst. Ich aß ein bisschen davon und musste fast ko... musste mich fast übergeben: "Rrrrrah! Die ist ja echt total versalzen! Da muss jemand ein ganzes Kalibergwerk in der Wurst verarbeitet haben", musste ich zugeben. Ehe ich mich für die salzige Wurst entschuldigen konnte, brüllte er: "Das ist die letzte Wurst, die ich jemals bei Ihnen gekauft habe", und schon war er weg. Ich fühlte mich schuldig. Obwohl ich ja eigentlich völlig unschuldig war.

Aber das war nicht mein letzter "Problemkunde". Eine ältere Dame sprach mich an und sagte: "Entschuldigung, junge Dame. Ich habe hier gestern diese bajuwarische Weißwurst gekauft und ..." Ich dachte, ich verstünde: "Ach so. Sie ist versalzen", vermutete ich. Die Dame schüttelte den Kopf: "Nein, ist sie nicht. Oder ... na ja, vielleicht ist sie das ja auch. Ich kann das nicht sagen, weil ich die Wurst gar nicht essen kann. Sie ist aus Gummi!" Das konnte ich mir nun wirklich nicht vorstellen, und ich sagte ihr: "Das kann ich mir nun wirklich nicht vorstellen." Sie wurde böse, schrie: "Dann werde ich es dir beweisen", und dann ohrfeigte sie mich mit der Wurst, die tatsächlich aus Gummi war! Klatsch klatsch klatsch klatsch klatsch! Ich konnte es gar nicht glauben, aber nun musste ich das ja wohl. Bevor ich mich entschuldigen konnte (für eine weitere Sache, die ich gar nicht zu verantworten hatte), sagte die Oma wütend: "Das ist die letzte Wurst, die ich jemals bei Ihnen gekauft habe", und sie ging rechtzeitig, ehe ich Worte fand, um sie wüst zu beschimpfen.

Ich hatte mich noch gar nicht von dem Schrecken erholt, als eine junge Frau an mich herantrat. Zum Glück - die kannte ich! "Hi", begrüßte ich sie. "Du bist doch Yvette, die Reporterin aus Südafrika, ne?" Sie guckte verdutzt und antwortete: "Nein. Nein, ich fürchte, die bin ich nicht. Ich bin Tanya aus Toronto, und ich habe hier gestern diese Salami gekauft." Na toll! Was war's denn diesmal? Ich fragte die Frau: "Zu viel Salz? Zu viel Kautschuk?" Sie schüttelte den Kopf und erklärte mir: "Keines von beiden. Zu viel Pfeffer. Die ist so scharf, dass sie jeden Augenblick explodieren könnte." Das hielt ich schlichtweg für unmöglich, und ich sagte ihr recht unfreundlich: "Das halte ich schlichtweg für unmöglich." Ich schnappte mir die Wurst - und die Wurst explodierte in meiner Hand! Peng!

Die Explosion war nicht heftig genug, um mich zu verletzen, aber sie reichte aus, mich halb zu Tode zu erschrecken. Ich kam jedoch schnell wieder zu mir, und als ich Tanyas Gesicht sah, sagte ich: "Ich will mal raten. Das ist ... oder war ... die letzte Wurst, die Sie jemals bei uns gekauft haben." Aber jetzt sah ich, dass sie grinste, und dann sagte sie: "Goeiedag, Claudia. Du hattest Recht, ich bin Yvette aus Südafrika. Und das da hinten war eine versteckte Kamera, und ... lass dich überraschen! ... du bist gerade bei Verstehen Sie Spaß?, Ausgabe Kapstadt."

Jetzt sah ich, dass alle lachten: Yvette, Tante Mathilde, Frau Zatzicki und ihre Kollegen und all die Passanten, und natürlich Zack. Ich lächelte und winkte in die versteckte Kamera. Und dann trat ich Zack schwungvoll in den Hintern. "Warum immer ich? Ich hab' doch gar nichts gemacht!", beschwerte er sich. "Du bist kleiner als die anderen, also kann ich dich am leichtesten treten", erklärte ich ihm. "Das ist logisch", sah er dann auch ein.

Aber immerhin hatte ich noch genug Zeit, um ins Eaton Centre zu gehen.

Es grüßt euch

Eure CLAUDIA FLUNKERT






Dies ist die südliche Seite des Nordmarktes. Sie befindet sich auf der nördlichen Seite der östlichen Front Street. Ihr könnt mir folgen?




Episode 11 - Von Menschen und Mäusen und Katzen und Hunden

Sehr geehrte Mädchen und Jungen!

Ich bin Zack Zatzicki, und ich mache mit unseren Toronto-Geschichten genau da weiter, wo Claudia letztes Mal aufgehört hat. Sie hatte den letzten Toronto-Werbefilm am Saint Lawrence Market abgedreht und war dann von Yvette (das ist unsere Bekannte aus Südafrika) für "Verstehen Sie Spaß?" mit der versteckten Kamera hereingelegt worden.

Es war Samstag. Am Montag mussten wir zurück nach Deutschland, und Claudia sagte: "Wenn ihr mich entschuldigen würdet ... Ich will jetzt nämlich ins Eaton Centre. Ich muss dort einige wichtige Einkäufe machen." - "Schuhe", sagte ich und lachte. Yvette entschuldigte sie nicht, sondern meinte: "Ins Eaton Centre? Prima Idee! Ich muss da selbst noch etwas besorgen. Und wir könnten dort zu Mittag essen. Wenn du nichts dagegen hast, komme ich mit." Mir kam es vor, als hätte Claudia tatsächlich etwas dagegen (sie war etwas sauer wegen dieser Sache mit der versteckten Kamera), aber sie fand wohl nicht die Worte, Yvette das zu sagen, ohne sie gleich zu beleidigen. Daher antwortete sie ihr: "Gut. Wenn du nichts dagegen hast, habe ich nichts dagegen ... äh ..." - "Schön", sagte Yvette, und dann fragte sie mich: "Kommst du auch mit, Zack?" Ehrlich gesagt, nur mit Claudia wäre ich nicht mitgekommen, aber Yvette würde ja dabei sein. Also wollte ich auch mit. Yvette hatte ja auch von Mittagessen gesprochen, und ich hatte Hunger.

Wenn ihr schon einmal selbst in Toronto oder in einer anderen kanadischen Großstadt gewesen seid, dann wird euch aufgefallen sein, dass die da Riesengebäude mit Einkaufszentren haben. Kanadier lieben die nämlich! Viele davon sind sogar unter der Erde, wie die unteren Etagen des Eaton Centres. Und wenn ihr euch fragt, warum die Kanadier die so lieben, dann denkt mal an den Winter in Kanada! Da gibt's dann so viel Schnee und es ist so kalt, dass es für die Kanadier viel gesünder ist, wenn sie viele Sachen drinnen erledigen können. Auch Einkaufen. Meine Mutter kennt in Toronto einen Mann, der in einem großen Wohnblock wohnt. Von der Etage, auf der er seine Wohnung hat, kann er mit dem Fahrstuhl direkt runter zur nächsten U-Bahn-Station fahren. Von dort fährt er mit der U-Bahn zur Station Queen, und von dort geht er zu Fuß zum Eaton Centre, ohne auch nur einmal nach draußen gehen zu müssen. Er muss sich also gar keinen Mantel anziehen, wenn er einkaufen will. Nicht mal im Winter.

Das Eaton Centre ist nicht das einzige Einkaufszentrum in Toronto, aber es ist das berühmteste. Deswegen wollten Yvette und Claudia ja auch dahin. Wir nahmen den Eingang neben dem großen Kaufhaus der Hudson's Bay Company. Die Hudson's Bay Company ist eine ganz wichtige Firma. Ihr gehörten einmal große Teile des Landes, ehe die Teile von Kanada wurden. Und ich meine wirklich: GROß. Klingt komisch, ne?

Bevor Yvette und Claudia mit ihrer Einkaufsorgie begannen, aßen wir in einem Food Court zu Mittag. Ein Food Court ist ein Platz mit Tischen und Stühlen in der Mitte, und drum herum sind verschiedene Imbissstände, an denen man sich etwas zu mampfen kaufen kann. Ich ging an einen Stand mit dem Namen: "New Yorker Friten", weil ich mal Poutine probieren wollte. Poutine ist eine kanadische Spezialität: Pommes, die in Bratensoße ertränkt worden sind und dann mit einer Käsesoße beerdigt wurden. Schlürf! So etwas liebe ich! "Björk", würgte Claudia. Yvette wunderte sich: "Björk? Ist das nicht eine isländische Sängerin?" Claudia nickte: "Ja, aber die meinte ich jetzt nicht." Yvette überredete mich, die Poutine nicht zu nehmen. Statt dessen ging sie mit uns an einen japanischen Stand, und wir bestellten uns alle Reis mit Krabben und Hühnchen. Komische Mischung, aber es war lecker. Und interessant war's auch, weil die zwei Köche unser Essen vor unseren Augen frisch zubereiteten.




Das Eaton Centre von innen und von unten nach oben gesehen.


Während wir aßen, lud uns Yvette ein, sie nach dem Einkaufen in ihrer kleinen Wohnung zu besuchen. "Ist nur ein paar hundert Meter von hier." Ich war überrascht: "Ich dachte, du machst hier einen Arbeitsurlaub, Yvette. Wohnst du nicht im Hotel?"

Yvette schien das ein wenig unangenehm zu sein. Aber dann erklärte sie uns: "Das ist etwas komplizierter. Wisst ihr, ich bin in Südafrika nicht nur eine Moderatorin beim Rundfunk, sondern ich bin auch Sängerin. Mein Manager meinte, es wäre gut für meine internationale Karriere, wenn ich mal am Grand Prix Eurovision teilnehme. Südafrika kann daran aber nicht teilnehmen. Deswegen hat er mich für die nationale Vorentscheidung in Großbritannien angemeldet." Auweia! Das war ja schrecklich! "United Kingdom, no points", sagte Claudia, und ich sagte dazu: "Wenn du für England singst, ist deine internationale Karriere schon vorbei, ehe sie überhaupt angefangen hat." Yvette stimmte mir zu: "Ich danke euch für euer Verständnis. Mein Manager hat keine Ahnung, wo ich gerade bin. Ich verstecke mich hier in Kanada, bis der Grand Prix vorbei ist." Arme Yvette!

Ja, wir wollten gern noch mit zu ihr kommen. Aber vorher kam ja noch der Einkauf. Wenn euch Claudia diese Geschichte erzählen würde, würde sie ein Dutzend Seiten darüber voll schreiben, was sie in den Läden alles gesehen und gekauft hat. Ich liefere euch hier die Kurzfassung:

Zunächst war sie in drei verschiedenen Schuhgeschäften. Erst kaufte sie sich bei Bata ein Paar Stiefel. Dann kaufte sie sich bei Aldo ein paar Stiefel. Und anschließend kaufte sie sich bei Calderone ein Paar Stiefel. "Wir haben Sommer", erinnerte ich sie. "Was willst du mit so vielen Stiefeln?" - "Bla bla bla", meinte sie. "Jetzt haben wir zwar Sommer, aber im Winter haben wir ... äh ... Winter. Ich will für Eis und Schnee gewappnet sein. Außerdem sind Sandalen für Warmduscher." (Das sagte sie natürlich, weil ich Sandalen trug.)

Sie hatte wirklich eine Menge Geld zum Ausgeben, denn meine Mutter hatte sie bereits für die Werbefilme bezahlt. In bar! Also kaufte sie und kaufte und kaufte. (Oder heißt es: "kuf"?) Sie kaufte Kosmetika in einem Laden namens "Großer amerikanischer Rückenschrubber", einen Haufen Andenken bei "Carlton-Karten", eine chinesische Uhr mit dem Wort "Kanada" auf dem Zifferblatt, CDs von Boy Groups in der "Musikwelt" und Hüte, T-Shirts und Hosen bei Sears. Ich hatte in Toronto nicht gearbeitet, also hatte ich nur etwas Taschengeld dabei. Davon kaufte ich mir ein Buch über die berühmtesten Verwandlungskünstler der Welt. Der Buchladen hieß komischerweise: "Die großen kanadischen Nachrichten". Yvette kaufte sich auch etwas. "Kyk", sagte sie. (Ich nehme an, das war wieder mal Afrikaans.) "Ich habe typisch südafrikanisches Essen gekauft. Biltong und Melktert. Lecker."

Es wunderte mich, dass es noch nicht Mitternacht war, als Claudia mit ihrer ganzen Einkauferei fertig war. Als wir zu Yvettes Wohnung kamen, sagte Yvette: "Ihr werdet hier zwei Freunde von mir kennen lernen. Koos und Piet - meine beiden Pekinesen. Ich habe die beiden Hündchen aus Südafrika hier eingeschmuggelt. Aber verratet das niemandem!"

Als wir zu ihrer Wohnungstür kamen, saß da eine Katze auf der Fußmatte. "Ach, da ist Miss Mieliepap", sagte Yvette. "Sie ist zwar gar nicht meine Katze, aber sie besucht mich ab und zu. Goeieaand, Miss Mieliepap." Yvette schloss die Tür auf und bat uns herein - einschließlich Miss Mieliepap. Dann machte die Katze ihr Maul auf, und heraus sprang eine lebendige Maus. "Guckt euch das an!", rief Yvette. "Miss Mieliepap wollte mir die Maus schenken. Och, wie süß!"

Aber jetzt hatten wir ein Problem. Die Maus rannte weg, und die Katze rannte der Maus hinterher. Als Yvettes Hunde merkten, was los war, rannten sie der Katze hinterher, die der Maus hinterher rannte. Yvette rannte nun den Hunden hinterher, die der Katze hinterher rannten, die der Maus hinterher rannte. Und da wir Yvette helfen wollten, rannten Claudia und ich Yvette hinterher, die den Hunden hinterher rannte, die der Katze hinterher rannten, die der Maus hinterher rannte.

Fünf Minuten und fünfhundert Dollar Sachschaden später gelang es der Maus, sich hinter einem Kleiderschrank zu verstecken. Da Yvette ein netter Mensch ist, versuchte sie, die Maus zu retten. Sie schaffte es, die Maus am Schwanz zu packen, aber als sie die Maus in der Hand hielt, wurde sie von der Maus gebissen. Yvette zuckte zusammen und ließ die Maus vor Schreck fallen. Die Katze fraß die Maus, und dann wurde die Katze von den Hunden gebissen.

Nachdem wir die Katze vor den Hunden gerettet hatten, sagte Yvette: "Ich gehe besser erst einmal zum Arzt und lasse mir eine Tetanusspritze geben. Kommt doch morgen zum Mittagessen wieder vorbei." Sie guckte ihre Pekinesen an und schlug vor: "Es gibt dann Hot Dogs."

Es grüßt euch herzlich

Euer ZACK ZATZICKI






Wollt ihr euch eben schnell eine Zeitung ziehen?

Das Gebäude auf dem Foto unten ist nicht das "Flatiron" - obwohl es genauso wie ein Bügeleisen auszusehen scheint wie das echte Flatiron.




Episode 12 - Der falsche Knopf zur falschen Zeit

Hallo, Kürbisse!

Hier ist wieder Claudia Flunkert. Ich habe euch erzählt, wie die Zatzickis und ich damals nach Toronto geflogen sind, und nun werde ich euch auch erzählen, wie wir wieder nach Deutschland zurückgekommen sind. Oder auch nicht ... wie auch immer.

Der Sonntag vor dem Montag, an dem wir zum Lester Pearson Airport (so heißt der internationale Flughafen von Toronto) fahren würden, war seit langer Zeit der erste Tag, an dem ich keinen dieser Werbefilme drehen musste. Wir hatten den letzten ja am Tag davor gedreht.

Yvette hatte Zack und mich zu sich nach Hause zum Mittagessen eingeladen. Sie hatte uns einige Hamburger gemacht. Eigentlich mag ich ja Fast Food überhaupt nicht, aber ihre selbstgemachten Hamburger schmeckten sehr gut.

"Wo sind eigentlich deine Pekinesen?" fragte ich sie, als ich gerade meinen dritten Hamburger aufaß. "Weg", antwortete sie nur. Sie wollte offensichtlich nicht darüber sprechen. Sie schien auch gar keinen Appetit zu haben, denn sie aß keinen einzigen ihrer Hamburger selbst.

Nach dem Mittagessen gingen wir zu dritt noch ein letztes Mal durch die Straßen von Toronto. In einem Park bei der Kirche St. James entdeckte Zack ein schwarzes Eichhörnchen.




Wenn ihr euch gut konzentriert, könnt ihr es auf dem Foto oben finden.


Wir mussten ihn davon überzeugen, dass es nicht klug wäre, es einzufangen und als Haustier mit nach Deutschland zu nehmen.

Euch ist vielleicht schon aufgefallen, dass ich ein wenig traurig bin, während ich dies hier gerade schreibe. An jenem Nachmittag wurde mir nämlich klar, wie wohl ich mich in Toronto gefühlt hatte. Obwohl ich das kanadische Essen nicht mochte, Zack mir ständig auf die Nerven gegangen war und es auch "Unfälle" gegeben hatte, hatte ich nun das Gefühl, dass ich Toronto liebte und am liebsten dort geblieben wäre. Aber das ging nun mal nicht.




Spaziergang in Toronto




Toronto ist ganz sicherlich keine Urinstadt. Urinetown ist nur der Name eines Musicals, fόr das da Werbung gemacht wird.


Yvette war nachdenklich: "Wisst ihr, was mir in Toronto am besten gefällt?" Das wussten wir nicht. Wir antworteten aber auch nicht, da wir wussten, dass sie es uns sowieso erzählen würde. "Die U-Bahn", sagte sie. Meinte sie das ernst? "Ja, ich meine es ernst. Die Züge fahren alle paar Minuten. Sie sind unheimlich lang. Täglich fahren Abertausende von Menschen damit, und trotzdem bekommt man immer einen Sitzplatz. In Südafrika, wo ich her komme, ist es ein echtes Abenteuer, öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen. Aber kein schönes Abenteuer. In unserer größten Stadt Johannesburg gibt es nicht mal öffentliche Verkehrsmittel."

Also fuhren wir mit der U-Bahn - einfach nur so zum Spaß.




Diese U-Bahn-Station befindet sich am Königlichen Museum von Ontario. Im Hintergrund seht ihr typische kanadische Schulbusse.


An irgendeiner Station stiegen wir aus und kamen in ein Viertel, in dem ich noch nicht gewesen war. "Das hier ist Torontos griechisches Viertel", erklärte Yvette. "Hier hätten wir im Juni sein müssen, als Griechenland Fußballeuropameister wurde. Die Leute sollen hier eine ganze Woche durchgefeiert haben. Gyros umsonst für alle, oder so." Dann wurde sie schon wieder nachdenklich: "Ich muss mich berichtigen. Das Allerbeste an Toronto ist, dass es so multikulturell ist. Menschen aus allen Teilen der Welt haben sich hier angesiedelt, und sie kommen prima miteinander aus. Hier scheint noch nicht einmal jemand daran zu denken, dass es anders sein könnte."

Später fuhren wir mit der U-Bahn zurück zur Union Station, dem Hauptbahnhof von Toronto, und gingen noch einmal um den CN Tower herum.




Rauf guckt es sich leichter als runter.


Ich musste mich daran erinnern, wie ich mich mutig auf den gläsernen Fußboden gestellt hatte. (Halt die Klappe, Zack!)

Dann aßen wir noch einen Happen. Zack wollte doch noch mal Poutine probieren, und wie ich es geahnt hatte: Poutine ist genau die Art Essen, die Zack liebt.




Zwischen dem Hudson's Bay Department Store und dem Eaton Centre begegnete uns diese lebendige Elvis-Presley-Statue. Konnte übrigens gut tanzen.


Anschließend ging Yvette mit uns noch in ein "nichtkommerzielles Kino", wo wir uns einen südafrikanischen Film anguckten. Leider war er auf Afrikaans, sodass Zack und ich nicht viel verstanden haben, aber Yvette hat sich gut amüsiert und viel gelacht.

Der Tag verging - und wir waren alle ganz schön traurig.

Am Montag hatten weder Zack noch ich große Lust, viel zu reden oder zu unternehmen. Nach dem Mittagessen brachte ein Taxi die Zatzickis und mich zum Flughafen. (Dafür fährt man ziemlich lange über die Autobahn, der dort Expressway oder so genannt wird.) Zack und ich, wir hätten heulen können. Aber das taten wir natürlich nicht.

Die Prozedur am Flughafen war so wie immer (also nervig), aber ein paar Stunden später saßen wir dann doch im Flugzeug. Frau Zatzicki war klar, dass Zack und ich deprimiert waren, und dann - noch ehe das Flugzeug abhob - fragte sie uns beide: "Habt ihr zwei eigentlich schon Pläne für die Herbstferien?" Ich nicht, und das sagte ich ihr auch, und Zack beschwerte sich sogar bei ihr: "Mama, du solltest doch wirklich selbst wissen, dass ich noch keine habe." Ich, ich beschwerte mich nicht, aber ich wollte wissen, warum sie das wissen wollte. Und sie erklärte: "Ich muss im Herbst für die sogenannte Postproduktion noch einmal hierher. Hättet ihr zwei Lust, mich dann wieder zu begleiten? Ich könnte euch für Tonaufnahmen gebrauchen. Das heißt, ihr würdet euch beide ein paar kanadische Dollar dabei verdienen." Die Vorstellung gefiel uns sehr. Also hatten wir jetzt doch schon Pläne für die Herbstferien, und plötzlich waren wir bester Laune und hätten vor Freude abheben können. Ein paar Augenblicke später hoben wir dann wirklich ab, und zwar mit dem Flugzeug.

Nach unserer ersten Mahlzeit im Flugzeug machte der Kopilot eine Ansage: "Ich habe hier die Passagierliste, und ich sehe, dass unser jüngster Passagier heute Zacharias Zatzicki aus Sehnde in Deutschland ist. Zacharias, wenn du Lust hast, darfst du uns für einen Augenblick hier im Cockpit besuchen. Ich glaube, das könnte für einen zehnjährigen Jungen ganz spannend sein." Wenn wir zwei also bester Laune gewesen waren, war Zack jetzt noch ... äh ... besterer Laune. Er beklagte sich noch nicht einmal darüber, dass er Zacharias genannt worden war. (Das ist sein richtiger Vorname, und er mag ihn nicht besonders.) Er schnallte sich ab, und eine Flugbegleiterin namens Jacinta nahm ihn mit zum Cockpit. (Er hätte sich eigentlich selbst denken können, dass das vorne sein müsste, oder?)

Ich zog mir meine Cowboystiefel aus und machte ein Nickerchen. Ich gebe zu, ich war etwas eifersüchtig auf ihn. Warum war nicht ich der jüngste Mensch an Bord? Als Zack wieder zurückkam, strahlte er von einem Ohr bis weit über das andere hinaus und erzählte uns alles, was er erlebt hatte.

Der Flug dauerte noch eine ganze Weile. Wir sollten am frühen Morgen in Frankfurt am Main landen.

Dann endlich bereiteten wir uns auf die Landung in Frankfurt vor. Der Landeanflug hatte begonnen. Wir hatten uns fest angeschnallt, unsere Sitze wieder hochgestellt, und jeder wartete geduldig auf das Aufsetzen auf der Landebahn. Aber plötzlich machte der Kapitän eine ungewöhnliche Durchsage: "Meine Damen und Herren, ich fürchte, dass wir einige Probleme mit unserem Navigationssystem haben. Wenn Sie aus dem Fenster schauen, werden Sie selbst sehen, dass das da unter uns unmöglich Frankfurt am Main sein kann. Wir brechen nun unseren Landeanflug ab. Wenn von Ihnen jemand eine Straßenkarte im Handgepäck hat, wären wir sehr dankbar, wenn wir uns die mal eben borgen könnten."

Ich schaute aus dem Fenster und sah den Eiffelturm.



Wir waren in Paris! Oder genauer gesagt: über Paris. "Wie konnte das denn passieren?" wunderte ich mich. Und als ich Zack ansah, wurde er rot. "Na ja", sagte er, "vielleicht hat das ja etwas mit dem Knopf im Cockpit zu tun, den ich gedrückt habe, als gerade keiner hin guckte."

Wenn ihr denkt, dass ich ausgerastet bin, irrt ihr euch. Statt dessen sagte ich zu Zack: "Keine Angst. Ich werde es niemandem verraten, und ich werde dir diesmal auch nicht in den Hintern treten." - "Nein?" fragte er mich, und er schien sich zu entspannen. Ich versicherte ihm: "Nein, das werde ich nicht. Aber nach der Landung werde ich dir den Kopf abreißen und das ganze Stroh auf der Landebahn verteilen."

Das habe ich dann allerdings nicht getan. Und ihr werdet niemals erfahren, was ich statt dessen mit ihm gemacht habe, denn die Geschichte ist hiermit zu Ende.

Vielen Dank fürs Lesen

Eure CLAUDIA FLUNKERT











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