Zur Druckerversion - Click here for the black-and-white version.

Go to the contents page of the England serial.
Zum Inhaltsverzeichnis unserer Englandgeschichten.

Die Flunkerts in England, Teil 8 - Heul, Baby!

The Flunkert Kids in England, Episode 8 - Cry, Baby!

Inzwischen ist es Sonntag, und Onkel Ole bittet die Kinder, ihn zum Golfturnier nach Sandwich zu begleiten. Aber anstatt ihm zuzugucken, nehmen sie an einem Karaoke-Wettbewerb teil. Ach, hätten sie nur ein anderes Lied genommen!

It is Sunday, and Uncle Ole urges the kids to accompany him to the golf tournament in Sandwich. But instead of watching him play, they take part in a karaoke competition. Oh, I wish they had opted for another song!


Daniel Roy, Bruehl, Deutschland / Germany
Malcolm McGookin, Asterisk, Brisbane (Queensland), Australia / Australien
Ki.Ka, Erfurt, Deutschland / Germany

Hallo, Rübennasen!

Wie ihr inzwischen ja wirklich wissen dürftet, waren mein Bruder Simon und ich seit ein paar Tagen in Kent, der Grafschaft im Südosten von England. Unser Onkel Ole, der sein Leben als Golfprofi fristet, nahm dort an einem großen Turnier für Berufsgolfspieler teil und hatte uns mitgenommen. Da wir Golf aber genauso spannend finden wie trocknende Farbe, ließen wir Onkel Ole in Ruhe zum Golf fahren und machten statt dessen mit unseren englischen Freunden Jack und Jill die Gegend unsicher.

Inzwischen war es Sonntag geworden, und Simon und ich hatten noch keine Pläne für den Tag. Daher hatten wir auch keine passende Ausrede, als Onkel Ole am Morgen beim Frühstück im Hotel sagte: "Heute ist der letzte Tag des Turniers. Ich liege ziemlich gut, ich kann das Turnier sogar noch gewinnen. Ich fänd's toll von euch, wenn ihr zwei heute mal mitkommen würdet." - "Ach du ...", wollte ich sagen, aber Simon unterbrach mich mit seiner Bemerkung: "Das ist doch wirklich nicht nötig, Onkel Ole, du spielst auch ohne uns ausgezeichnet." Onkel Ole lachte, allerdings etwas gequält, und meinte: "Ich weiß, dass ihr euch für Golf nicht interessiert. Ich selbst ja eigentlich auch nicht. Aber ich kann so gut davon leben. Passt auf: Erstens kaufe ich euch etwas Schönes, wenn ich heute ins Preisgeld komme. Und zweitens gibt es beim Turnier auch ein Rahmenprogramm, da ist auch genug für Teenager dabei. Glaube ich jedenfalls. Ihr könnt also mitkommen, müsst aber überhaupt nicht beim Golf zuschauen."

Wir waren nicht wirklich überzeugt, hatten aber keine richtigen Gegenargumente. Außerdem wollten Jack und Jill auch mitkommen. Onkel Ole hatte sie nämlich taktisch gleich mit eingeladen. Engländer scheinen sich von Geburt an für Golf zu interessieren. Andererseits interessieren sie sich auch für Tee.

Anyway (schönes Wort, ne?), also, anyway, eine halbe Stunde später saßen wir zu fünft im Kleinbus von Onkel Ole und fuhren - immer auf der linken Seite der Straße, wie es sich für England gehört - nach Sandwich. Witziger Name, ne? Nee, Sandwich ist nicht nach dem belegten Brot benannt worden, sondern umgekehrt. So viel ich weiß, hat vor langer Zeit der Fürst von Sandwich den Einfall gehabt, sich Wurst aufs Brot zu tun, und erfand somit das belegte Brot. Seitdem heißt so etwas Sandwich. Ob die Geschichte aber wirklich stimmt, weiß ich nicht.

Am Turniereingang kamen wir so durch, dafür hatte Onkel Ole irgendwie gesorgt. Das "Rahmenprogramm", das er uns versprochen hatte, fanden wir dann allerdings nicht so umwerfend. Es sei denn, ihr findet Verkaufsstände für hässliche Hüte, eine Frittenbude oder einen Stand, an dem man für viel zu viel Geld Erdbeeren kaufen konnte, umwerfend. Dann fanden wir aber doch noch etwas interessantes: Einen Karaoke-Wettbewerb für Teenies. "He, cool, da können wir mitmachen, Claudi!", jubilierte Simon. Ich war zuerst nicht so begeistert: "Och nö. Mach du das mal allein. Es reicht, wenn sich einer von uns blamiert." Er überredete mich: "Aber schau mal: Erster Preis: 500 Pfund! Das sind 250 Kilo! Äh, ich meine natürlich: 700 Euro, sogar etwas mehr!" Hmmm, durch zwei geteilt wären das 350 Euro für jeden von uns! Nicht schlecht, 'ne Menge Geld. Ich hatte zwar etwas Angst, war aber einverstanden.

Wir beschlossen, gemeinsam als Duo aufzutreten, und meldeten uns für den Wettbewerb an. Jack und Jill machten auch mit. Allerdings nicht als Duo, sondern beide als "Solisten". Fand ich ganz schön mutig von ihnen.

Gut fand ich an sich, dass man sich das Lied, das man singen würde, auf einer Liste aussuchen durfte. Wir bekamen eine Liste mit Duetten, weil wir ja als Duo auftreten wollten. Das Problem war aber, dass wir die Songs, die auf der Liste standen, entweder nicht mochten oder aber nicht kannten. Dann entdeckte Simon aber doch etwas: "Hier, das hier könnten wir nehmen. 'Cry Baby'. Habe ich schon mal gehört. Ist nicht gerade toll, aber einfach. Das schaffen wir so gerade eben noch." Wir bekamen die Gelegenheit, uns das Lied mal anzuhören und zu üben. Es war wirklich nicht toll. Die Musik war primitiv, und der Refrain ging: "Bye bye baby, you lied to me, baby, I must have been crazy, baby, bye bye, cry, cry baby, you lied to me, baby, I'll survive without you, baby, baby, bye, baby, bye bye." Wenn man das ins Deutsche übersetzt, klingt es noch intelligenter: "Tschüss, tschüss, Säugling, du hast mich angelogen, Säugling, ich muss bekloppt gewesen sein, Säugling, tschüss, tschüss, heul, heul, Säugling, du hast mich angelogen. Säugling, ich werde ohne dich überleben, Säugling, Säugling, tschüss, Säugling, tschüss, tschüss." Ein echter Heuler, ne?

Aber Simon hatte Recht gehabt. Das Lied war so einfach, das hätte auch ein Kübelböck singen können. Außerdem hatten wir keine Zeit mehr, noch ein anderes Lied auszuprobieren, also nahmen wir dies. Dann wurden die Startnummern ausgelost. Wir hatten die 25 - damit würden wir als Letzte starten. Taktisch nicht schlecht, aber je länger wir warten mussten, um so aufgeregter wurden wir.

Im Publikum standen mindestens zweihundert Leute. Fast alle Teenager wie wir. Jack und Jill waren logischerweise vor uns an der Reihe mit Auftreten.. Jill hatte die Startnummer 4 und sang 'Jenny from the Block'. Sie änderte den Text aber etwas ab und sang: "Jilly from the Block". Jack trug eine Art (Anti)-Kriegsschlager vor mit dem Titel: 'Stop the Cavalry'. Auch er änderte den Text etwas ab, denn da, wo er den Namen "Winston Churchill" hätte singen müssen, sang er "Tony Blair".

Als Letzte kamen wir dran. Wir waren tierisch aufgeregt, aber als die Musik losging, wurden wir ganz ruhig und legten los mit 'Cry Baby'. Wie gesagt: "Tschüss, tschüss, Säugling, du hast mich angelogen, Säugling, ich muss bekloppt gewesen sein, Säugling, tschüss, tschüss, heul, heul, Säugling, du hast mich angelogen. Säugling, ich werde ohne dich überleben, Säugling, Säugling, tschüss, Säugling, tschüss, tschüss", allerdings auf Englisch. Also, es klappte, und ich muss sagen: Ich fand uns gut. Simon meinte später, er habe uns auch gut gefunden. Aber damit waren wir wohl allein. Als die Musik zu Ende war, klatschte niemand! Aber: Es buhte auch niemand! Viel schlimmer: Es herrschte Totenstille! Die Zuschauer standen wie angewurzelt mit verschränkten Armen da und sagten nichts. Sie bewegten sich auch nicht.

Geschockt traten Simon und ich von der Bühne und verkrümelten uns in das Zelt der Teilnehmer zu Jack und Jill. "Habt ihr das eben miterlebt?" fragte ich die beiden. "Das Publikum scheint nach unserem Auftritt richtig unter Schock zu stehen." Jack und Jill offenbar auch, aber zum Glück sprachen sie doch noch mit uns. Jill erklärte blass: "Wisst ihr - dieses Lied 'Cry Baby' hat im Original das Duo Jemini gesungen." Jack fügte hinzu: "Die beiden haben damit vor zwei Monaten unser Land, das Vereinigte Königreich von Großbritannien und Nordirland, beim Eurovision Song Contest, dem Grand Prix, vertreten. Sie haben dafür null Punkte bekommen. United Kingdom: no points! Letzter Platz! Das war uns vorher noch nie passiert!" Und Jill erklärte. "Indem ihr dieses Lied gesungen habt, habt ihr den Zuschauern die so ziemlich größte nationale Demütigung unseres Landes ins Gedächtnis zurückgerufen, an die sie sich noch erinnern können."
Wir waren etwas betreten. Das hatten wir nicht gewusst, denn Gruselsendungen wie den Grand Prix gucken wir nicht. Simon fragte Jack und Jill: "Ja, WARUM haben die denn null Punkte bekommen?" Jack zuckte mit den Achseln: "Darüber gibt es verschiedene Theorien. Die einen vermuten, das liege darin, weil unser Land am Irakkrieg teilgenommen hat und uns in Europa jetzt deswegen keiner leiden kann." Jill fügte hinzu. "Andere sagen, das sei eine Verschwörung der anderen Teilnehmerländer. Sie sind neidisch, weil wir den Song Contest schon so oft gewonnen haben, und wollten uns eins auswischen." Ich wand ganz vorsichtig ein: "Könnte es nicht auch sein, dass euer Land null Punkte bekommen hat, weil der Komponist eine musikalische Fehlzündung hatte, der Texter betrunken war, die beiden von Jemini gesungen haben wie die Teletubbies und das Lied einfach totaler Müll ist?" - "Ja, das kann natürlich auch sein", meinte Jill. "Richtig", stimmte Jack zu.

Dann kam die Punkteverteilung. Ziemlich spannend, wie beim richtigen Grand Prix. Jill bekam 85 Punkte und wurde Sechste. Jack bekam 114 Punkte und wurde Vierter. Wir bekamen null Punkte und wurden Letzte, aber das war uns ja inzwischen schon klar gewesen. Gewonnen hat übrigens ein gewisser Kevin aus Coventry mit seinem Vortrag von: 'It's going home, it's going home, it's going, football's going home."

Nach dem Wettbewerb gingen Simon und ich traurig über das Gelände - wir hatten ja schließlich nicht teilgenommen, um Letzte zu werden -, als uns Onkel Ole freudestrahlend entgegenkam. In der Hand hielt er einen Pokal, und ihm folgte eine ganze Schar von Fotografen, Kameraleuten und Reportern. "Ratet mal, wer das Turnier gewonnen hat?", fragte er uns triumphierend. "Blöde Frage - du offensichtlich", sagte ich gelangweilt, denn das war ja wirklich offensichtlich. "Ja, genau", jubelte er stolz. "Herzlichen Glückwunsch", sagten Simon und ich genervt.

Unsere Reaktion schien Onkel Ole etwas zu enttäuschen: "He, ich dachte, ihr würdet euch für mich freuen. Ich habe euch auch, wie versprochen, ein Geschenk gekauft. Schließlich bekomme ich ein sechsstelliges Preisgeld." Na, immerhin - der Tag könnte doch noch gut werden. Was es wohl war? Flugtickets nach Kanada? Mofas? Pferde? Nun, Onkel Ole bat einen Reporter, kurz den Pokal zu halten. Onkel Ole nahm den Deckel ab und holte daraus - eine Schachtel Erdbeeren. "Voilà, die habe ich gerade für euch gekauft." Aha. Erdbeeren. Unglaublich. "Kommst du zufällig aus Schottland, Onkel Ole?" fragte Simon. "Schottland? Ich? Nö. Aus Sehnde, genau wie ihr - wisst ihr doch!" Auch noch naiv. Und um das Ganze für uns noch schlimmer zu machen, fragte er uns arglos: "Und was habt ihr hier Schönes erlebt?"

Am nächsten Tag fuhren wir nach Hause. Alles in allem fanden wir England aber trotzdem cool. Ich soll euch auch von Simon grüßen.

Bis dann

Eure Claudia Flunkert

Hier geht es zur Liste der Episoden unserer Englandserie.
Click here for the list of all episodes of our England serial.

Bildquelle:Darlington Networld

Schickt uns doch mal 'ne Mail!



Klickt hier oder auf das Bild, wenn ihr zum allgemeinen Inhaltsverzeichnis zurückwollt.
Click this or the picture to get back to the general contents page.

Aber klickt hier, wenn ihr zur Hauptseite zurückwollt.
And click this to get back to the main page. 1