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Die Flunkerts in England, Teil 6 - Die großen Lügen von London

The Flunkert Kids in England, Episode 6 - The Big Lies of London

Simon und Claudia machen gemeinsam mit ihren englischen Freunden Jack und Jill einen Ausflug nach London. Bereits im Zug begegnet ihnen diese hochnäsige Schulklasse aus Süddeutschland. Bei der Stadtrundfahrt treffen sie die wieder. Und da die Kinder aus Bayern einen deutschsprachigen Reiseführer brauchen, sieht Simon seine Chance.

Simon and Claudia make an excursion to London with their English friends Jack and Jill. On the train they encounter those arrogant school-children from Southern Germany. On the sightseeing coach they unfortunately meet them again. And as those children from Bavaria need a German-speaking guide, Simon volunteers. And he tells them "facts" you wouldn't have dreamt of.


Daniel Roy, Bruehl, Deutschland / Germany
Malcolm McGookin, Asterisk, Brisbane (Queensland), Australia / Australien
Ki.Ka, Erfurt, Deutschland / Germany

Hallo, Rübennäschen

Mein Name ist Claudia Flunkert, aber ihr habt bestimmt schon geahnt, dass ich es bin. Also: Mein Bruder Simon und ich waren seit einigen Tagen in Südostengland. Unser Onkel Ole hatte dort sozusagen beruflich zu tun (er nahm an einem Golfturnier für Berufsspieler teil) und war so freundlich, uns mitzunehmen. Während er arbeitete, guckten wir uns England an (in Niedersachsen waren ja gerade auch Sommerferien). England gefiel uns immer mehr.

An einem Freitagmorgen saßen Simon und ich im Zug nach London. Die weltberühmte Hauptstadt, die wollten wir uns natürlich ansehen! Wir fuhren aber nicht allein dorthin, sondern Jack und Jill kamen auch mit. Jack und Jill waren ein Geschwisterpaar aus der Nähe von Manchester in Nordengland. Sie waren ungefähr in unserem Alter, und wir hatten uns im Hotel mit ihnen angefreundet. Die beiden konnten zwar kein Deutsch, aber das war gar nicht so schlimm, denn so konnten wir mit ihnen gut unser Englisch üben. Ich hatte inzwischen gar keine Angst mehr, Englisch zu sprechen. Wenn ich mal einen Fehler machte, hat mich deswegen keiner ausgelacht, und wenn ich mal etwas nicht verstand, sagte ich das und bat denjenigen, den Satz für mich noch mal zu wiederholen - nur beim Fernsehen ging das natürlich nicht.

Wir saßen also zu viert im Zug, und eigentlich hätte es uns gut gehen müssen. War aber nicht so! Als wir in Gillingham in unseren Zug gestiegen waren, saß im selben Großraumwagen schon eine Schulklasse. Diese Kinder sprachen Deutsch beziehungsweise etwas, das sie selbst dafür hielten, nämlich Bayrisch. Wie Simon und ich heraus hörten, war es eine Schulklasse von einem Elite-Gymnasium in Bayern. Sie waren mit ihrer Lehrerin auf Klassenfahrt in der Stadt Canterbury und machten an diesem Tage - wie wir - einen Ausflug nach London.

Was sich die Kids so erzählten, war nämlich einfach nur peinlich. Sie waren ausschließlich damit beschäftigt, über England und die Engländer herzuziehen: "Schauts eich mol die Häuser hier in England an ... Jo, mei, total ärmlich, sixt's? Wie in der Zone! Schiiiebefenster!" - "Und hobts ihr die Autos g'sehn? Fast keine BMWs zu sehen! Könna die sich fei net leisten!" - "Und die Leit hier laufa rum wie die letzta Menscha. Viele hoben net mal Markenklamotterln an." Das Schlimmste war, dass ihre Lehrerin, eine gewisse Frau Schrammelschäuber, auch nicht besser war: "Schaut's, England war früher a Weltreich. Aber durch johrelange Misswirtschaft durch antichristliche Regierungen und viel zu storke Gewerkschaften wurde das Land bees herunterg'wirtschoftet. Wenn mir in Deitschland net aufpassen, schaut dös bei uns bold g'nausso aus. Natürlich net bei uns in Bayern. Mir san fei etwas Besseres, über uns wacht der liabe Herrgott."

Wirklich gut, dass Jack und Jill das Gelaber nicht verstehen konnten. Jack fragte mich arglos, was die so redeten, und ich sagte: "Och, weißt du ... da verpasst du eigentlich nichts." Und Simon erklärte den beiden, dass im Grunde ALLE Deutschen sympathisch und weltoffen sein, nur dass leider VIELE von ihnen das nicht so richtig zeigen könnten.

Wir waren froh, als unser Zug den Bahnhof Victoria in London erreichte. Wir ließen erst einmal die Jodelschüler aussteigen, und als die sich verdünnisiert hatten, trotteten auch wir in die Bahnhofshalle. Jack und Jill, die selbst schon ein paarmal in London gewesen waren, hatten vorgeschlagen, dass wir vier zunächst eine Stadtrundfahrt machen. In einem von diesen coolen roten Doppeldeckerbussen, die oben offen sind, ihr wisst schon. Ich wollte natürlich oben sitzen - im ersten Stock sozusagen.

Wir stellten uns in der Tourist Information im Bahnhof in eine lange Schlange und warteten, bis wir an der Reihe waren. Die Frau am Schalter fragte uns, welche der Touren wir nehmen wollten. Ach so, ja, da gab's also verschiedene. Jill meinte: "Wenn wir Geld sparen wollen, nehmen wir eine ohne Reiseführer. Jack und ich kennen die Stadt so gut, wir werden euch die Sehenswürdigkeiten selbst erklären." Wir waren einverstanden und kauften uns vier Tickets. Eines für jeden - irgendwie logisch.

Der Bus wartete in der Nähe des Bahnhofs - und als wir ankamen, erlebten wir eine böse Überraschung. Die Bayern saßen nämlich auch schon drin! Sie würden die Tour mit uns machen! Was noch peinlicher war, die Lehrerin Frau Schrammelschäuber war gerade dabei, in schlechtestem bayrischem Englisch den Busfahrer zur Schnecke zu machen. Sie sei davon ausgegangen, dass es eine deutschsprachige Reiseführung für ihre Schulklasse gebe gebe gebe, dass der Anbieter der Stadtführung eine Schande der ganzen Zunft sei sei sei, dass sie sich dafür einsetzen würde, dass der Busfahrer seinen Job verlieren und Großbritannien aus der Europäischen Union ausgeschlossen werden würde würde würde ... echt megapeinlich, diese Frau!

Und jetzt hatte mein großer Bruder Simon einen seiner seltenen witzigen Einfälle: Er tuschelte zunächst mit Jack und Jill. Sie kicherten. Eigentlich hätte ich gern mitgekichert, aber ich wusste nicht, worum es ging, und die drei hatten es eilig. Als die Frau Schrammelschäuber nämlich fertig war mit Fertigmachen, sprach Jill kurz mit dem Busfahrer. Der nickte mit dem Kopf. Alle Passagiere begaben sich aufs Oberdeck des Busses, wo die Aussicht viel besser war als unten. Nur Jill und mein Bruder Simon waren unten geblieben. Ich selbst hatte keine Ahnung, was sie vorhatten.

Der Bus setzte sich in Bewegung, und plötzlich hörte ich aus dem Lautsprecher Simons Stimme. Er begrüßte die Fahrgäste auf Deutsch: "Verehrte Damen und Herren, ich begrüße Sie zur London-Stadtrundfahrt an Bord der Red Strawberry Line. Mein Name ist Ssaimen Flankert, ich bin Ihr deutschsprachiger Begleiter bei dieser Rundfahrt. Ich werde also Deutsch mit Ihnen sprechen, ich hoffe, Sie haben das schon gemerkt. Im Moment befinden wir uns noch am Bahnhof Victoria Station. Victoria heißt auch dieser Stadtteil. Benannt wurde er nach Victoria Voncampe, die früher als Fernsehansagerin beim ZDF arbeitete und inzwischen im Ruhestand ist." Hä? Was? Ich schaute Jack an. Er grinste. Ich wusste, er hatte von dem, was Simon gerade gesagt hatte, nicht viel verstanden. Aber ich wusste, dass er wusste, was Sache war, und er freute sich. Und deswegen freute ich mich auch.

Als Nächstes fuhren wir am Buckingham Palace vorbei, in dem die englische Königin wohnt. Simon sprach ins Mikrophon: "Als gebildete Menschen werden Sie wissen, dass ham auf Deutsch Schinken heißt. Bevor die Königin in den Buckingham Palace zog, war darin ein großer Schlachthof untergebracht." -"Aaaaah", sagten die bayrischen Kinder. "Mei, do schau her", staunte ihre Lehrerin.

Und so ging es weiter. Als wir an einen runden Platz namens Piccadilly Circus kamen, erzählte "Ssaimen" seinen faszinierten Zuhörern: "Der Piccadilly Circus heißt Piccadilly Circus, weil hier früher das große Zirkuszelt des berühmten Zirkusunternehmens der Familie Piccadilly stand. Der Zirkus ist aber inzwischen pleite." - "Oooooh", sagten die Kinder. "Typisch englische Misswirtschaft", sagte Frau Schrammelschäuber. Über die Statue des Admirals Lord Nelson am Trafalgar Square sagte Simon: "Admiral Lord Klaus-Dieter Nelson war nicht nur ein großer Wassersportler, sondern auch ein hervorragender Ringkämpfer. Nach ihm und seinem ebenfalls ringenden Bruder Karl-Heinz Nelson wurde der Ringkampfgriff Doppelnelson benannt." - "Ahaaaa", hörte ich die Bayern sagen. Bayern verstehen etwas vom Wrestling.

Als wir zum ersten Mal über den Fluss Themse fuhren, wusste Simon zu berichten: "Die Themse ist nicht nur einer der berühmtesten Flüsse der Welt, sondern auch einer der längsten. Die Themse entspringt in einer Quelle in Tschechien und fließt unter dem Namen Elbe unter anderem durch die deutschen Städte Dresden, Magdeburg und Hamburg. Bei Cuxhaven fließt die Elbe in die Nordsee, setzt ihren Weg durch die Nordsee zielsicher in Richtung Westen fort, tauft sich unterwegs in Themse um und erreicht dann irgendwann England und London. Aber damit nicht genug: Am Flughafen London-Heathrow besteigt die Themse ein Flugzeug, fliegt damit nach Amerika und setzt dort ihren Flusslauf unter dem Namen Mississippi noch gute 6000 Kilometer fort. ... Das Riesenrad, das Sie dort unten sehen, heißt London Eye, zu deutsch: Das tote Auge von London. Es ist erst seit wenigen Jahren hier und stand früher im Wiener Vergnügungspark Prater. Wie Sie sicherlich wissen, ist der Prater 1998 bei einer Schneckenhausexplosion nahezu vollständig zerstört worden. Nur das berühmte Riesenrad konnte unter den Trümmern fast komplett geborgen werden und wurde bei einer Versteigerung von der Stadt London für 800 Trilliarden britische Pfund erstanden." - "Aaaaah", sagten die Kinder wieder. "Ssehr lehrreich", sagte die Lehrerin verzückt.

Dann fuhren wir über die vielleicht berühmteste Brücke der Welt, die Tower Bridge. Simon erklärte seinem faszinierten Publikum: "Was viele nicht wissen, die Tower Bridge stammt eigentlich aus Australien und hieß ursprünglich Sydney Harbour Bridge. Als die ersten englischen Sträflingsschiffe im Jahre 1788 den Ort erreichten, wo heute die australische Millionenstadt Sydney steht, fanden sie im dortigen Hafen neben einigen Imbissständen und einer verwahrlosten U-Bahnhaltestelle nur diese Brücke vor, die von den australischen Ureinwohnern in wochenlanger Feinarbeit mit bloßen Händen errichtet worden war. Der Befehlshaber über die englischen Schiffe berichtete dem englischen König von seinem Fund sogleich in einer E-Mail, und der König befahl, die Brücke abzubauen, per Schiff nach London zu bringen und sie an dieser Stelle hier wieder aufzubauen. Meines Wissens hat Sydney inzwischen eine neue Hafenbrücke." - "Meeeeeei", staunten die Kinder und ihre Lehrerin.

Wir fuhren ein paar Meter weiter, und Simon erzählte wichtig: "Und hier links sehen Sie den Tower, nach dem die Tower Bridge benannt ist. Der Tower wurde schon vor über tausend Jahren erbaut. In ihm befanden sich damals zunächst die Sendestudios der BBC, dem ältesten Radio- und Fernsehsender der Welt. Im Laufe der Jahrhunderte waren verschiedenste Einrichtungen im Tower untergebracht: Gefängnisse, Büros, Installationsbetriebe, Fahrradständer, Exekutionsräumlichkeiten für Touristen aus dem Reich Bavaria ... alles! Heute beherbergt der Tower ein chinesisches Restaurant, einen orientalischen Massagesalon und eine Vertragswerkstatt der Firma BMW." - "Meeeei", sagten die Kinder wieder, und ihre Lehrerin meinte stolz: "Mei ... mir Bayern san holt überoll auf dera Welt."

Nachdem Simon noch von einer öffentlichen Toilette behauptet hatte, sie sei die Royal Albert Hall, und die St. Paul's Cathedral als größtes Waffeleisen der Welt gepriesen hatte, sagte Jill in Englisch über den Lautsprecher: "Und hier eine Nachricht für Claudia und Jack. Kommt schon einmal unauffällig herunter, ehe die Herrschaften merken, dass wir sie die ganze Zeit über veräppelt haben." Das taten Jack und ich, und wirklich so unauffällig wie möglich. Als wir unten ankamen, erzählte Simon gerade über den Hyde Park, dass dort Jack the Ripper noch heute jede Nacht Touristen aus Deutschland aufschlitzen würde. "Huuuuch, mei!", hörten wir die Leute oben entsetzt schreien.

Als der Busfahrer eine kurze Pause machte, um eben auszutreten, sagte Simon noch ins Mikrophon: "Unsere Reisebegleitung wechselt nun, ich darf mich von Ihnen verabschieden. Sie waren das bescheuertste Publikum, das ich jemals hatte." Und - schwupp - ergriffen wir die Flucht. Wir hatten noch einen schönen Tag in London, woran ihr erkennt, dass wir diese Schulkasse nicht mehr gesehen haben.

Es grüßt euch

Eure Tourismusexpertin Claudia Flunkert

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Bildquelle:Darlington Networld

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