Hi, Mitkids!
WE ARE ONE, BUT WE ARE MANY, AND FROM ALL THE LANDS ON EARTH WE COME ... In letzter Zeit erwischt ihr mich immer dabei, wie ich australische Folk Songs singe. Wie bitte? Ihr wollt, dass ich lieber mal einen deutschen Schlager singe?! Na gut. Ihr habt's so gewollt: WER LIEBE LEEEEBT, DER WIRD UNSTEEERBLICH SEIIIIIN ... Oh, nee, Mitkids, das kann nicht euer Ernst sein. Von solchem Dreck werden die Ohren ja ganz taub!
Also: Wie ihr vielleicht wisst, war ich mit einer englischsprachigen Theatergruppe aus Hannover in die australische Großstadt Sydney eingeladen worden. Wir sollten dort in einigen Schulen das Broadway Musical ANNIE aufführen. Ich spielte eines der Waisenkinder im Stück. Genauer gesagt: ein Waisenmädchen. Tja - manchmal muss ein Mann Opfer bringen, wenn er eine Weltreise unternehmen möchte.
Als erstes sollten wir an einer Schule im Stadtteil Bondi Junction auftreten. Bondi Junction liegt im Osten von Sydney, und von dort ist es ganz nah zum Strand, dem berühmten Bondi Beach. Vom Strand sahen wir aber erst einmal gar nichts. Wir begannen an unserem zweiten Tag in Australien mit den Proben. Und da war es wieder: Ein Problem, das wir schon in Hannover hatten. Zwei der Mädchen, die mitspielten, waren Cousinen: Rebekka Rübenkoller und Veronika Wasserlasser. Das heißt aber nicht, dass sie auch Freundinnen waren. Im Gegenteil: Rebekka und Veronika konnten sich nicht ausstehen und machten sich ständig gegenseitig an. Als sich Veronika bei den Proben in Bondi Junction mal versprach, meckerte Rebekka: "Nie kannst du dir deinen Text merken, du dämliche Kuh! Soll ich ihn dir nochmal vorlesen? Selber kannst du ja nicht lesen!" Das konnte Veronika natürlich nicht auf sich sitzen lassen: "Und du, du Schlampe?! Du singst wie eine Ente und tanzt wie eine Dampfwalze!" Daraufhin gab Rebekka Veronika einen Kinnhaken, Veronika trat Rebekka in den Bauch, dann wälzten sie sich auf dem Bühnenboden, und noch ehe wir anderen Schauspieler eingreifen konnten, rissen die zwei das Bühnenbild um! "So kann ich nicht arbeiten, wenn ihr euch gleich am ersten Tag wieder in die Fresse haut!" rief unser Regisseur Steven Playmountain entsetzt. Das Peinlichste war, dass bei den Proben ein paar erwachsene Frauen und Männer zusahen, die sich das Lachen nicht verkneifen konnten. Es hieß, das seien australische Schauspieler, die mal sehen wollten, wie wir Deutschen das so machten.
Nach dem Unfall berieten die Erwachsenen in unserer Theatergruppe, was zu tun sei. Es hieß, wegen der schrottreifen Bühnenausstattung müssten die Proben bis 17 Uhr verschoben werden. Schade - an sich hätten wir ja abends frei gehabt. Jetzt war es erst halb elf vormittags. Wir berieten, wie wir uns die Zeit vertreiben konnten. Einige von den Mädchen wollten zum Strand gehen, um den Surfern zuzusehen. Na typisch! Sophie Liebevoll hatte eine bessere Idee. Sie hatte nämlich lange in Sydney gelebt und kannte sich hier immer noch sehr gut aus. Sie meinte: "Wir könnten mit der S-Bahn zum Rathaus fahren. Von dort ist es nicht weit zum Darling Harbour. Da könnten wir uns das Aquarium mit den ausgefreakten Fischen ansehen." Interessante Idee. Ich wollte mitkommen. Sirpa Hundelainen, die ich schon seit vielen Jahren kenne, ebenfalls, und auch Jasmin Jubeltrupp sowie unsere Betreuerin, die Frau Meier-Meyer.
Vorher wollte ich aber noch meine Eltern in Deutschland anrufen und ihnen sagen, dass es mir sehr gut ging und wie cool ich Australien fand. Ich hatte mir eine Telefonkarte gekauft und ging an ein öffentliches Telefon. Ich wählte die Nummer - und in dem Moment, als sich meine Mutter meldete, wusste ich, was ich vergessen hatte: Die Zeitverschiebung. Bei uns war es halb elf vormittags. Aber in Deutschland war es erst halb drei Uhr nachts, und meine Mutter war gar nicht richtig wach. "Wie geht's dir denn? Schnarch ..." fragte sie. "Super. Australien ist wunderbar!" jubelte ich. "Das ist schön - schnarch" meinte Mama etwas teilnahmslos. Ich erzählte ihr, was ich alles erlebt hatte, und Mama sagte nichts. Wahrscheinlich war sie mit dem Hörer am Ohr wieder eingeschlafen. Ich legte leise auf, um sie nicht aufzuwecken, und ging wieder zu den Anderen.
Mit der S-Bahn waren wir schnell am Rathaus, und von dort waren es zu Fuß nur ein paar Minuten zum Darling Harbour. Harbour heißt Hafen. Sophie erzählte: "Früher war dies ein schmuddeliges Hafenviertel. Dann begann man, hier eine Mischung aus einer Einkaufszone und einem Freizeitpark zu bauen. Da hinten ist ein Schifffahrtsmuseum, zu dem auch die Schiffe hier vorne gehören, dahinter ist das Spielcasino, in dem es auch ein Theater gibt - echt jetzt -, und da vorne ist das IMEX-Kino, das riesengroße 3D-Leinwände hat." Auf dem Hafenkai mussten wir übrigens aufpassen, weil Lokomotiven auf Rädern und mit Elektromotor Wägelchen mit asiatischen Kindern hinter sich her zogen.
So sieht es am Darling Harbour aus.
Jetzt waren wir am Sydney Aquarium. Das ist nicht einfach ein einzelner Glasbehälter, in dem ein paar Goldfische herumschwimmen, sondern eine Art Zoo, aber nur mit Fischen und anderen Wassertieren. An der Kasse wurde Frau Meier-Meyer ganz blass, als sie die Eintrittspreise sah. "Na ja - hoffentlich kann ich das auf die Spesenrechnung setzen", seufzte sie. Wir bekamen keine Eintrittskarten, sondern die Kassiererin stempelte uns allen ein Seepferdchen auf den Handrücken. Cool - das habe ich dann zwei Tage lang nicht abwaschen können.
Das erste Tier, was wir sahen, ist vielleicht das verrückteste Tier, das es gibt. Es heißt auf Deutsch: Schnabeltier. Es ist eine Mischung aus einem Reptil und einem Säugetier, lebt aber meistens im Wasser. Es hat einen Entenschnabel, ein Fell wie ein Seehund, Schwimmflossen, einen Biberschwanz und einen giftigen Stachel am Hintern. Außerdem legt es Eier, obwohl es ein Säugetier ist. Ein totales Mischmasch! Toll, 'ne? Dann kamen viele Aquarien mit Fischen, die in australischen Seen und Flüssen leben. Zum Beispiel der Barramundi. Habt ihr auch noch nie was von gehört, oder? Ich habe ihn inzwischen sogar schon mal gegessen, aber das ist eine andere Geschichte. Dann kamen wir an ein Becken, in dem ein sechs Meter langes Salzwasser-Krokodil lag - eines der gefährlichsten Tiere der Welt! Ich wollte es photographieren, aber es lag größtenteils unter Wasser. Schade - deswegen wollte ich später noch einmal zurückkommen.
Danach waren wir erst noch bei den niedlichen Seehunden, die aber angeblich ganz tierisch beißen können.
Bei schwimmenden Hunden und Löwen im Aquarium am Darling Harbour.
Na, deswegen heißen sie wohl auch Hunde. Anschließend begann der Bereich mit den Meeresfischen. Wir mussten lange Gänge hinuntergehen, um zum sogenannten "Ozeanbecken" zu kommen. Durch die Glasscheiben konnte man die Fische genau sehen. "Ich hätte nicht gedacht, dass es im Meer heute noch Tiere gibt, die so aussehen, als wären sie schon lange ausgestorben", meinte Frau Meier-Meyer. Stimmt. Ihr glaubt nicht, was für ausgeflippte Fische dort herumschwammen. Tja, und dann kamen wir zum Haifischbecken. Wisst ihr, Mitkids - ich bin ja kein Angsthase. Aber mir standen genauso wie den Anderen die Haare zu Berge, als der große weiße Hai namens Josephine ganz nah an die Glasscheibe kam und sich uns genau anschaute. "Was für leckere Appetithäppchen! Schade, dass die Scheibe dazwischen ist. He, wollt ihr nicht zu mir ins Becken kommen, ihr Leckerbissen?" dachte sich Josephine wohl.
Nun wollte ich aber doch noch mal das Krokodil knipsen, und ging deswegen allein zurück zum Krokodilbecken, während die Frauen schon im Souvenirladen waren, der zum Aquarium gehörte. Aha - man konnte eine Treppe hochgehen und aus ein paar Metern Höhe das Kroko von oben sehen. Das machte ich auch. "Bitte keine Gegenstände in das Krokodilbecken werfen!", stand auf einem Warnschild. Hä? Ach so. Über dem Becken war kein Glasdach oder so was, sondern man konnte direkt hineingucken und im schlimmsten Fall hineinfallen. Warum stand denn dann da kein Warnschild: "Bitte nicht ins Krokodilbecken springen!"? Na, okay. Ich nahm den Fotoapparat, beugte mich etwas über den Rand der Balustrade - und da passierte es. Mir rutschte der Fotoapparat aus der Hand, und - platsch - plumpste er ins Krokodilbecken. Das Krokodil war plötzlich hellwach, wirbelte herum, und fraß die teure Spiegelreflexkamera, die mir Papa für die Reise geliehen hatte. Das würde er mir nie glauben! Während einige Wachleute herbeisprangen, um das Krokodil im Zaum zu halten, machte ich mich ganz geschockt vom Acker. Im Souvenirladen traf ich die Anderen wieder. "Wo ist denn dein Fotoapparat?" fragte Sirpa. "Vom Krokodil gefressen", antwortete ich. "Ach so", meinte sie nur. Also, ein bisschen mehr Anteilnahme hätte ich schon erwartet.
Dann führen wir zurück nach Bondi Junction. Wir mussten ja noch proben.
Es grüßt euch bis zum nächsten Mal
Euer SIMON FLUNKERT
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