Simon in Australien 1 - 3


Simon erzählt euch, wie es überhaupt dazu kam, dass er nach Australien reisen durfte. Es hat etwas mit einem falschen Zwilling und einem amerikanischen Musical zu tun. Und mit einer Radarfalle.


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Daniel Roy, Brühl, Deutschland
Martin Roy, Uetze, Deutschland
Malcolm McGookin, Asterisk *Animations, Brisbane (Queensland), Australien
Ki.Ka, Erfurt, Deutschland

Teil 1 - Simon und der Zwilling

Hi, Mitkids!

An einem Montag früh saßen wir in der Klasse, als unser Biolehrer, Herr Stängelfried, mit einer neuen Mitschülerin hereinkam. Er stellte sie uns vor: "So, ich hatte euch ja schon letzte Woche angekündigt, dass ihr Verstärkung bekommt. Das hier ist eure neue Mitschülerin: Sophie Liebevoll. Ich weiß von ihr, dass sie in Hannover geboren ist, aber bis vor kurzer Zeit mit ihrer Familie in Australien gelebt hat." Oh, interessant. Sophie Liebevoll sah ungewöhnlich aus. Nein, nicht hässlich oder so. Sie war nur etwas eigenartig gestylet: Sie hatte Zöpfe, trug eine weiße Bluse, einen schwarzen Rock und Collegeschuhe. Recht altmodisch eigentlich. Sie sagte: "Hallo. Es freut mich, in eure Klasse zu gehen. Ich hoffe, ich störe euch nicht und ihr habt noch einen Platz für mich frei." He, die war aber vorsichtig! Wir wussten gar nicht, was wir sagen sollten. Die Begrüßung übernahm daher unsere Klassensprecherin Alexandra: "Klar haben wir noch Platz für dich, Sophie. Wir müssen nur'n büsschen zusammenrücken. Sirpa und Simon, bei euch am Tisch ist doch noch Platz für Sophie." Ja, das stimmte. "Sischer dat", antwortete Sirpa Hundelainen, die eigentlich aus Finnland stammt, sich aber in letzter Zeit einen Spaß daraus macht, manchmal Kölsch zu sprechen. "Ja, du kannst dich hierher setzen", pflichtete ich ihr bei. Herr Stängelfried war froh, dass sich diese Frage so schnell geklärt hatte und er mit dem Unterricht anfangen konnte. Er behandelte gerade wieder mal das Thema "Verdauungsprozess bei der Schlupfwespe".

In den Pausen versuchten wir alle, Sophie etwas näher kennen zu lernen. Sophie sprach mit allen und war zu jedem freundlich ... ja, eigentlich sogar richtig höflich. Ganz ehrlich, sie war uns fast unheimlich, weil sie so unglaublich brav war und uns fast wie eine Erwachsene vorkam. Unsere Lehrer waren sehr zufrieden mit ihr, weil sie im Unterricht gut mitarbeitete, viel wusste und richtig gescheit war. "Vorsicht - das ist 'ne Streberin", meinten einige von uns.

An einem Donnerstag Nachmittag waren Sirpa und ich zu Fuß auf dem Weg zum Schreibwarenladen von Frau Stift. Auf dem Weg dorthin fiel uns ein Junge auf. Er hatte ungekämmtes Haar, trug zerrissene Jeans, eine Baseball-Mütze, die er verkehrt herum aufgesetzt hatte, und er hatte einen Baseballschläger dabei. Im Moment ärgerte er ein paar kleine Kinder, denen er den Tretroller - Entschuldigung: das Kickboard - weggenommen hatte. Die Kleinen beschwerten sich und quietschten wie kleine Schweinchen, und der Bengel freute sich. "Was soll das werden, wenn's fertig ist?" fragte ihn Sirpa streng. Der Junge drehte sich um, guckte uns böse an und fragte frech: "Was geht dich das an, Schnitte?" He, das gab's ja nicht: Wir hatten den Jungen noch nie gesehen, aber er kam uns beiden ganz bekannt vor - er ähnelte Sophie. Ich fragte ihn vorsichtig: "Sag mal, kann es sein, dass du eine Schwester hast, die Sophie Liebevoll heißt?" Der Junge grinste: "Kann schon sein." Nachdem er das Kickboard über den nächstbesten Gartenzaun geworfen hatte (und die kleinen Kinder schimpfend hinterher geklettert waren), sagte er uns mit heiserer Stimme: "Sophie ist meine Zwillingsschwester. Kaum zu glauben, dass diese Streberin so 'nen coolen Typen zum Bruder hat, hä?" Stimmt - größer konnte der Unterschied zwischen Zwillingsschwester und Zwillingsbruder wohl nicht sein. Er erklärte uns: "Ich heiße Arnold. Aber alle nennen mich Terminator." Sirpa bemerkte schnippisch: "Okay - WIR nennen dich Arnold." Das machte ihn wütend: "Entweder ihr nennt mich Terminator, oder ich falte euch so zusammen, dass ihr unter dem Teppich Handstand machen könnt!" Sirpa und ich sagten gar nichts mehr, sondern gingen einfach weiter. Arnold schaute uns böse hinterher.

Am nächsten Tag sprachen Sirpa und ich Sophie in der großen Pause an. Sophie saß mit ihrem Erdkunde-Atlas auf der Schulhofmauer und schrieb sich etwas heraus. "Hallo, Sophie. Wir haben gestern deinen Zwillingsbruder getroffen", erzählte ich ihr. Sophie schaute etwas erschrocken und errötete leicht: "Ihr habt Arnold kennen gelernt? Ich hoffe, er hat euch nicht allzusehr Angst gemacht." Sirpa lächelte verlegen: "Na ja - so höflich wie du ist er nicht gerade." Sophie war das offensichtlich peinlich. Sie sagte: "Ich muss mich für meinen Bruder entschuldigen. Er ist irgendwie aus der Art geschlagen und ganz anders als der Rest unserer Familie." - "Geht er auch in unsere Schule? Ich habe ihn hier noch nicht gesehen", wollte ich wissen. Sophie wurde immer verlegener: "Nein, du wirst ihn hier auch nicht sehen. Er geht in eine Schule für schwer erziehbare Kinder - das heißt, wenn er mal geht." Es tat uns leid, dass wir sie auf ihren Bruder angesprochen und sie so in Verlegenheit gebracht hatten.

Am Nachmittag sah ich Arnold wieder. Ich war allein unterwegs, um für meine Eltern ein paar Sachen im Supermarkt einzukaufen. Arnold ärgerte diesmal keine kleinen Kinder, sondern vertrieb sich damit die Zeit, mit seinem Baseballschläger einige leere Konservendosen zu plätten. Er erblickte mich und raunzte mich frech an: "He, wo ist denn deine mutige Freundin heute? Die Schnitte hat wohl Schiss vor mir." Ich überlegte mir schnell eine Antwort: "Nö, glaube ich nicht Arn ... Terminator. Sirpa ist nämlich deutsche Jugendmeisterin im Taekwondo." Arnold nickte anerkennend: "So, so. Hätte ich der Schnitte gar nicht zugetraut." Klar - stimmte ja auch gar nicht. Dann drohte er aber gleich wieder: "Na und? Glaubt die Schnitte etwa, mit ihrer orientalischen Trampelkunst etwas gegen meinen Baseballschläger ausrichten zu können?" Ehe ich mir eine Antwort überlegen konnte, rief eine Frauenstimme von irgendwo aus einem Fenster: "Sophie - Zeit für die Theaterprobe! Hörst du mich, Sophie?" Arnold zuckte zusammen. Er sagte, ja befahl mir geradezu: "Geh' ja nicht weg, Kleiner!" Ich sah, wie Arnold blitzschnell im Gebüsch verschwand. Ich blieb stehen und ging vorsichtig zurück, um zu sehen, was er da im Gebüsch trieb. Es raschelte und raschelte, und ich hatte den Eindruck, als würde sich Arnold umziehen. Dann war er fertig, und aus dem Gebüsch kam ganz hastig - Sophie! Es war Sophie, so wie sie immer aussah! Sie grinste und sagte: "Reingefallen, Simon!" Ich war vielleicht erstaunt. Sie erklärte: "Ich hatte euch noch nicht verraten, dass ich in meiner Freizeit Schauspielerin bin. Manchmal verkleide ich mich als mein Bruder Arnold, den es natürlich gar nicht gibt - das ist eine sehr gute Übung." Ich sagte mitleidig: "Na ja - jeder braucht wohl ein Hobby." Sie lachte: "Ich seh' schon, du hältst mich für bekloppt. Ich muss jetzt aber nach Kleefeld zu meiner Theatergruppe. Wir üben das Musical ANNIE ein - auf Englisch. In den Osterferien werden wir in Australien auftreten, wir sind nämlich eingeladen worden. He, Simon, du magst doch auch Geschichten und Theater. Willst du nicht bei uns mitmachen?" Ich überlegte kurz und antwortete: "Na ja, bei Gelegenheit kann ich's mir ja mal angucken." Und daraufhin schlug mir Sophie vor, dass sie mich in der darauffolgenden Woche mal mitnehmen würde.

Auf dem schnellsten Weg ging ich zu Sirpa und erzählte ihr, was ich erlebt hatte. Sirpa lächelte mich an: "Simon, du heißt mit Nachnamen Flunkert - warum sollte ich dir glauben?"

Es grüßt euch theatralisch
Euer
SIMON FLUNKERT


Noch ahnt Simon nicht, dass ihn Sophie in die Oper von Sydney bringen wird.

Teil 2 - Simon oder Simone

Hi, Mitkids!

Erinnert ihr euch noch an Sophie Liebevoll? Sophie war neu in unserer Schulklasse, nachdem sie zuvor mit ihren Eltern einige Jahre in Australien gelebt hatte. Am Anfang hatte sie Sirpa und mich damit verwirrt, dass sie sich nachmittags als ihr böser Zwillingsbruder Arnie, genannt: Terminator, verkleidete. Dann klärte sie alles auf: Sophie erzählte mir, dass sie Mitglied einer Theatergruppe in Hannover sei, die Stücke in englischer Sprache aufführte. Und sie lud mich sogar ein, sie einmal zu den Proben zu begleiten.

Als ich meiner finnischen Klassenkameradin Sirpa Hundelainen, mit der ich schon sehr lange befreundet bin, erzählte, dass ich Sophie zu den Theaterproben begleiten würde, sagte Sirpa sofort: "Da komme ich mit! Wenn du da hingehst, geh' ich da auch hin!" Hi hi. Wisst ihr was? Ich glaube, Sirpa war eifersüchtig. Sie dachte wohl, Sophie sei in mich verknallt und habe mich deswegen zur Theatergruppe eingeladen. War Sophie aber bestimmt nicht. Und als wir ihr am Freitagmorgen sagten, dass Sirpa am Nachmittag gern mit zum Theater kommen wollte, strahlte Sophie sogar und sagte: "Cool. Je mehr, um so besser. Vielleicht bekommt ihr beide ja sogar Lust mitzuspielen. Ich schlage vor, wir treffen uns um drei an der Bushaltestelle an der Kreuzung Peiner Straße / Lehrter Straße." Und so machten wir es dann auch.

Wir fuhren mit dem Bus nach Hannover-Kleefeld, wo die englische Theatergruppe ihre kleine Bühne hatte. Im Bus erzählte uns Sophie: "Wir proben zur Zeit das amerikanische Musical ANNIE, das wir demnächst in Hannover aufführen wollen." Sirpa wurde neugierig. "Musical? Also ein Stück, in dem die Schauspieler nicht nur sprechen, sondern auch singen, ja?" Sophie nickte: "Ganz genau. Es wird sogar ziemlich viel gesungen." - "Musst du da zwischendurch auch mal 'was trällern, Sophie?" fragte Sirpa weiter. "Ja, ein paarmal sogar", antwortete Sophie. Und Sirpa hakte nach: "Was für eine Rolle hast du denn in dem Stück? Irgendwas, wo du auch mal was sagen musst?" Sophie nickte erneut: "Ja, ja, schon. Ich spiele nämlich die Hauptrolle in dem Stück - die Annie." Wir staunten nicht schlecht - und Sirpa schien sogar ein bisschen neidisch zu sein.

Wir kamen ein bisschen zu früh. Als wir ankamen, schloss eine ältere Frau die Tür auf. "Hi, Annie" wurde sie von Sophie begrüßt. Sirpa wollte wissen: "Wieso? Ich dachte, du spielst die Annie, Sophie." - "Tut sie ja auch", antwortete die ältere Frau, und meinte: "Ich heiße mit Vornamen zufällig genauso wie das Stück. Annie. Ich bin hier aber nur die Beleuchterin. Mit Nachnamen heiße ich Lampe."

Sophie führte uns das kleine Theater. Sie zeigte uns die Umkleideräume, das WC, die Teeküche und natürlich die Bühne und den Zuschauerraum. "Ich hatte mir das alles viel größer vorgestellt", musste ich zugeben. "Ja, das sagen alle", meinte Sophie.

Nach und nach trafen die anderen Mitglieder der Theatergruppe ein: Mehrere Schauspieler, einige Helfer, und dann stellte uns Sophie dem Regisseur des Stücks, Steven Playmountain, vor. "Kennt ihr zwei das Musical eigentlich?" fragte er Sirpa und mich. "Nö - nicht so richtig", meinte ich. "Eigentlich gar nicht", gab Sirpa zu. Steven klärte uns auf: "Stellt euch vor, ihr seid im New York der dreißiger Jahre des letzten Jahrhunderts. Die Wirtschaft ist kaputt, und den Menschen geht es gar nicht mal so gut. Annie wurde als kleines Baby von ihren Eltern ausgesetzt, weil sie zu arm waren, um sie großzuziehen. Annie ist nun elf Jahre alt und lebt im Waisenhaus. Dort gibt es die gemeine Direktorin Miss Hannigan, die Annie und die anderen Waisen tyrannisiert, malträtiert, terrorisiert und übel traktiert. Außerdem behandelt sie die Kinder schlecht. Einmal läuft Annie sogar mal weg, um nach ihren Eltern zu suchen - die Polizei bringt sie aber zurück. Dann entschließt sich der alleinstehende, stinkreiche und eigentlich ziemlich hartherzige Milliardär Oliver Warbucks, Weihnachten irgendein Kind aus dem Waisenhaus zu holen, damit es in seinem Hause feiern kann - er will halt mal etwas Gutes tun. Deshalb kommt seine Sekretärin Grace Farrell ins Waisenhaus und nimmt ausgerechnet Annie mit. In den nächsten Tagen gewinnt Warbucks das Waisenkind Annie wider Erwarten lieb und möchte es adoptieren. Annie mag Warbucks auch, möchte aber lieber ihre richtigen Eltern finden. Der Milliardär und Grace helfen ihr auch bei der Suche nach den Kindern (sogar der amerikanische Präsident macht dabei mit), aber am Ende stellt sich heraus, dass Annies Eltern schon lange tot sind. Dann adoptiert der Milliardär Annie doch noch, und ganz am Schluss bekommt Annie sogar ihren Hund Sandy zurück, der ihr mal zugelaufen war und dann doch wieder verschütt ging. Am Ende sind alle netten Menschen und der Hund in dem Stück glücklich und zufrieden, and they live happily ever after, wie wir Amerikaner das so schön sagen."

Ich runzelte die Stirn und bemerkte: "Äh ... tja. Ziemlich kitschiger Quark, oder?" Das hatte ich eigentlich als Beleidigung gemeint, aber der Regisseur Steven empfand das nicht so. "Ja. Ein wunderschöner Schmalz, nicht wahr?" Sirpa schien die Geschichte auch zu gefallen: "Cool, und so sentimentaaaal!" Sophie grinste und erzählte Steven: "Simon und Sirpa haben übrigens auch Theatererfahrung. Sie haben an ihrer Schule vor zwei Jahren mal ROMEO UND JULIA aufgeführt. Dabei ist zwar einiges schiefgelaufen, und am Ende der Aufführung lag die Bühne in Schutt und Asche und drei Kinder hatten eine Gehirnerschütterung, aber es soll trotzdem ein voller Erfolg gewesen sein." Oh, meine Güte, das stimmte! Woher wusste denn Sophie von dieser peinlichen Sache? "Und wie ist ihr Englisch?" wollte Steven von Sophie wissen. Sophie fand: "Ganz gut. Nichts Besonderes, aber ganz gut. Das mit dem Singen geht auch so." He, was sollte das denn heißen - nichts Besonderes? Steven machte Sirpa und mir einen Vorschlag: "Wir müssen noch die Rollen der beiden ältesten Waisenkinder besetzen, die sind beide dreizehn Jahre alt. Was haltet ihr davon, wenn ihr in unserem Stück mitspielt?" - "Cool, machen wir", antwortete Sirpa sogleich. Fand ich übrigens interessant, dass sie für mich gleich mitantwortete. Der Regisseur sagte: "Dann herzlich willkommen im Team. Ich schlage vor, Sirpa spielt die Duffy, und Simon spielt die July. Ihr bekommt gleich mal eure Textbücher. Übrigens sind einige von den Schauspielern arbeitslose Englischlehrer. Wenn ihr Probleme mit der Aussprache habt, bringen die euch das schon bei. Und das Singen lehren euch unsere arbeitslosen Musiklehrer." Einen Augenblick mal! Hatte er eben gesagt: Simon spielt die July? Was sollte das denn? Ich beschwerte mich: "Was, ich soll ein Mädchen spielen? Also, ich weiß nicht, aber ich als Tunt...." Sophie merkte wohl, dass ich einen Rückzieher machen wollte, und erklärte mir: "Wenn mit der Aufführung alles klappt, fahren wir bald alle zu einem Gastspiel nach Australien." Ach so. Nach Australien? Das Land der Kängurus, des Bumerangs und einer Sache, die man Vegemite nennt? "Gut, spiele ich eben ein Mädchen." Sirpa und ich riefen vom Theater aus unsere Eltern an und fragten, ob wir mitmachen dürften. Die waren einverstanden. An diesem Nachmittag schauten wir noch bei den Proben zu, und schon das nächste Mal sollten wir mitproben. Aber davon erzähle ich euch ein anderes Mal.

Es grüßt euch mit Lampenfieber
Euer SIMON FLUNKERT

Teil 3 - Simon und die Radarfalle

Hi, Mitkids!

Erinnert ihr euch noch an meine letzte Geschichte? Ich bekam bei einer Theatergruppe, die Stücke in englischer Sprache aufführt, eine Nebenrolle in einem Musical. Was heißt: Ich bekam eine Rolle? Ich hatte mich von meiner Klassenkameradin Sirpa Hundelainen und Sophie Liebevoll und dem amerikanischen Regisseur des Stückes Steven Playmountain regelrecht überrumpeln lassen, da mitzuspielen. Mensch, war das peinlich!

Ihr werdet euch fragen, warum mir das so peinlich war, in diesem Musical mitzuspielen. Klar: Gegen Theaterspielen und ein bisschen Herumsingen habe ich ja an sich auch gar nichts. Aber ich musste in diesem Stück eines von sieben Waisenmädchen spielen. Ihr habt richtig gelesen: Ich, Simon, musste ein MÄDCHEN spielen. Nun stand ich hier auf der Bühne bei den Proben und fühlte mich wie Charlies Tante: Total bescheuert! Ich trug ein Kleidchen und Schuhe, wie es arme Mädchen in Amerika 1930 wohl getragen haben (das Stück spielt nämlich im New York der dreißiger Jahre), und ich muss euch sagen: Mein Hüfthalter hat mich fast umgebracht! Oh, war der unbequem! Zum Glück musste ich in dem Stück nicht viel sagen, weil ich die schüchterne July spielte, und schüchterne Kinder sagen nun einmal nicht viel. Aber genau wie die anderen Kinder musste ich tanzen und dazu singen. Zum Beispiel das Lied "It's a Hard Knock Life", was so viel heißt wie .... äh ... ja, was heißt das denn eigentlich? "Es ist ein hartes Klopf-Leben" oder so. Ihr werdet euch fragen: Wat is dat bloß für ein seltsames Stück, in dem der Simon da mitgespielt hat? Wisst ihr: Es war wirklich ein sehr seltsames Stück - eigentlich nur etwas fur Mädchen. Und jetzt werdet ihr euch logischerweise fragen: Warum ist der Simon da denn nicht einfach ausgestiegen, wenn es ihm gar nicht gefiel? Ganz einfach: Weil wir mit dem Stück auf Tournee nach Australien reisen würden. Wann kommt man sonst schon mal nach Australien? Ich hätte nämlich wer weiß was gegeben, um mal nach Australien zu kommen. Im schlimmsten Falle sogar mein Taschengeld.

Aber eigentlich wollte ich euch gar nicht von den Proben erzählen, sondern von einer Sache, die an einem der Probentage passiert ist. Unsere Beleuchterin Frau Lampe, die übrigens mit Vornamen genauso heißt wie das Stück, nämlich: Annie, kam etwas zu spät zu den Proben. Sie hatte aber nicht die Zeit vertrödelt, sondern war aufgehalten worden. Sie erzählte aufgeregt: "In der Kirchröder Straße ist wieder mal ein Fußgänger überfahren worden, und zwar vor meinen Augen." Das war ja wirklich nicht schön. Annie Lampe erzählte weiter: "Dabei war der Fußgänger sogar auf dem Zebrastreifen. Das Auto ist mit einem Affenzahn herangebraust, und da der Autofahrer offensichtlich nicht so schnell gucken und denken wie fahren konnte, kam sein Wagen auch nicht mehr rechtzeitig zum Stehen. Der Fußgänger ist dann mit dem Krankenwagen abtransportiert worden. Den Polizisten habe ich hinterher die Meinung gesagt. Ich hab' denen gesagt: 'Ihr müsst hier viel häufiger Radarkontrollen machen.' Aber das Auge des Gesetzes hat nur mit einem Ohr hingehört und dann den Kopf geschüttelt und gemeint: 'Die Polizei kann doch nicht den ganzen Tag aufpassen, dass die Autos nicht zu schnell fahren.'"

Sophie und Sirpa mussten lachen, weil sie sich vorstellten, wie ein Auge mit einem Ohr hinhört und dann mit dem Kopf schüttelt, aber ich fand, dass Annie Lampe Recht hatte. Die Autos fuhren viel zu schnell, und eigentlich müsste man mal etwas dagegen unternehmen. Aber was?

Während der Proben gab es dann eine kleine Panne. Einer der Scheinwerfer, der auf die Bühne leuchtete, ging kaputt. Er machte PENG, blitzte dabei nochmal kurz auf und ging dann aus. Während das Licht des Scheinwerfers ausging, ging Annie ein Licht auf. Sie strahlte wie ein frischgeputzter Mülleimer und rief: "Ich hab's!" Allerdings behielt sie solange für sich, was "sie hatte", bis die Proben vorbei waren. Dann kam sie mit einem Blitzlicht, wie man es auf Fotoapparate aufschrauben kann, zu uns und erklärte: "Wenn die Polizei in der Kirchröder Straße keine Radarfalle machen kann, machen wir sie eben selbst. Wir stellen uns an den Straßenrand und blitzen jedes Auto, das offenbar zu schnell fährt, mit diesem Blitzlicht hier. Wer von euch macht mit?" Den anderen Kindern war das nicht geheuer, und sie wollten nicht mitmachen. Ich jedoch fand, dass das ganz interessant werden könnte, und wollte mit Annie mitkommen.

Ihr wisst sicher, was eine Radarfalle ist. Dabei stellt sich die Polizei am Straßenrand auf und misst mit dem sogenannten Radargerät die Geschwindigkeit der vorbeifahrenden Fahrzeuge. Wenn eines schneller ist als erlaubt, wird der Wagen mit seinem Nummernschild und auch dem Fahrer (oder der Fahrerin) fotografiert, und der Mensch muss dann hinterher eine Strafe bezahlen. Vielleicht habt ihr schon einmal mit im Wagen gesessen, wenn eure Eltern zu schnell gefahren und dabei in einer Radarfalle "geblitzt" worden sind. Eure Eltern rufen dann ein Wort, das mit "Sch" beginnt, weil sie wissen, dass sie erwischt worden sind und dafür Knete abdrücken ... äh, Strafe zahlen müssen.

Annie und ich gingen zu Fuß in die Kirchröder Straße. Annie meinte: "Wir positionieren uns hier im Gebüsch. Zum Glück ist es schon dunkel. Was wir hier tun, ist nämlich rechtlich nicht ganz einwandfrei, fürchte ich." Dann brauste auch schon unser erstes Opfer heran - äh, ich meine, es kam ein Auto, das viel viel schneller unterwegs war als mit den erlaubten fünfzig Kilometern pro Stunde. Als es in unserer Nähe war, löste Annie das Blitzlicht aus (BLITZ!), und der Autofahrer bremste ganz hart ab ... und fuhr sehr viel langsamer weiter. Annie freute sich: "Der hat bestimmt geglaubt, dass diese Radarfalle echt war. In der nächsten Zeit fährt er bestimmt viel langsamer und wartet jeden Tag auf den Strafzettel, der gar nicht kommt." Dann kam der nächste schnelle Hirsch herangerast. BLITZ! - und auch diesmal quietschten die Reifen, und der Wagen fuhr langsamer weiter. Das machten wir noch fünfmal und hatten viel Spaß dabei. Beim achten schnellen Auto hätten wir allerdings besser aufpassen müssen. Während das Blitzlicht blitzte (BLITZ!), lasen wir auf der Autotür: "POLIZEI". Wir hatten einen Polizeiwagen geblitzt. Die Polizisten bremsten und fuhren zurück, um nachzuschauen, was da wohl los gewesen war. Da waren Annie und ich allerdings schon unterwegs. Diesmal waren wir schneller als fünfzig Kilometer pro Stunde! Und zwar zu Fuß! Denn wir rannten und rannten und rannten davon.

Es grüßt euch atemlos

Euer SIMON FLUNKERT

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