Einleitende Gedanken

 

Jehovas Zeugen sind bestrebt, der Bibel als einer unumstößlichen Autorität zu gehorchen. Historisch gesehen stellen wir fest, dass unser Verständnis der heiligen Schrift von Zeit zu Zeit der Korrektur bedarf.

In der jüngeren Vergangenheit hat die Gesellschaft entschieden, dass Jehovas Zeugen nun bestimmte Blutbestandteile, wie z.B. Blutgerinnungsfaktoren (Faktor VIII und Faktor IX), verschiedene Immunglobuline und Albumin erhalten dürfen. Andere Komponenten müssen die Zeugen ablehnen, wie rote und weiße Blutkörperchen, Blutplättchen und Blutplasma. Einige Brüder sind zurecht wegen dieser Bestimmungen verwirrt, besonders im Hinblick auf die Tatsache, dass die Verwendung aller einzelnen Bestandteile des Blutplasmas mit Ausnahme von Wasser erlaubt ist. Überdies erfordert die Verwendung anderer Blutbestandteile das Sammeln, Lagern und Verarbeiten einer beträchtlichen Anzahl von Blutspenden.

Könnte es sein, dass so, wie unser Verständnis über die Richtigkeit von Organtransplantationen und Impfungen in den vergangenen Jahrzehnten berichtigt wurde, so auch unser Verständnis über das Gebot, „sich des Blutes zu enthalten“, einer Überprüfung bedarf? Viele denken so.

Was genau sagt die Bibel über den medizinischen Gebrauch von Blut? Jehovas anfängliche Gesetze, die das Blut betreffen, wurden Noah und seiner Familie gegeben, und diese werden manchmal als der „ewige oder immerwährende Bund“ bezeichnet. In 1.Mose 9:3-7 werden drei Gebote hervorgehoben:

  1. Sie durften kein Fleisch von unausgebluteten Tiere essen
  2. Sie durften kein Menschenblut vergießen (morden); Mörder sollten zu Tode gebracht werden.
  3. Sie sollten fruchtbar sein (viele Kinder haben).

Es wird behauptet, dass diese Gebote für alle Menschen, die von Noah und seinen Söhnen abstammen, nach wie vor Gültigkeit haben. Diese Ansicht bringt aber einige grundlegende Probleme mit sich.

Erstens: Wie kann die Gesellschaft im Hinblick auf das dritte Gebot nicht nur das Ledigsein, sondern auch Kinderlosigkeit unter verheirateten Zeugen fördern? Mit welcher Befugnis können wir uns aus dem „immerwährenden Bund“ das heraussuchen, was wir befolgen wollen?

Zweitens: Wie man aus den Worten, in die das Verbot gegen Mord gekleidet war („Menschenblut vergießen“), schließen kann, ist es einleuchtend, dass es nicht um das buchstäbliche Blut geht. Mord durch Vergiften ist natürlich genauso falsch wie Mord durch Erstechen, auch wenn kein Menschenblut vergossen wird. Da außerdem selbst ein sehr gründlich ausgeblutetes, geschlachtetes Tier noch rund 50% seines Blutes im Körper hat, wird klar, dass Blut als Metapher - als ein Symbol für Leben - gebraucht wird.

Drittens: In diesen Versen wird kein direktes Verbot gegen das Essen von Blut ausgesprochen, obwohl man vielleicht sagen könnte, dass sich dies logischerweise ergeben würde. Wie bereits hervorgehoben wurde, wird „Blut“ als ein Symbol für Leben verwendet. Noah wurde gesagt: „Nur Fleisch mit seiner Seele - seinem Blut - sollt ihr nicht essen“. Eine Reihe von Bibelkommentatoren haben daraus geschlossen, dass dies in erster Linie ein Gebot gegen das Essen von lebenden Tieren ist. Das mag für uns heute bizarr, ja absurd klingen, aber jemand, der weitgereist ist, speziell in einigen Teilen Asiens und Afrikas, kann bescheinigen, dass dies selbst heute noch eine gängige (und grausame) Praxis ist.

Jehova machte Gebote über das Blut zum Bestandteil des mosaischen Gesetzes, und diese sind in 3.Mose 17:10-16 und 5.Mose 12:15-25 aufgezeichnet, mit der zusätzlichen Anordnung, dass das Blut wie Wasser auf die Erde ausgegossen werden musste. Die Heiligkeit des Lebens war ein zentraler Grundsatz im mosaischen Gesetz. Gottesfürchtiger Respekt vor dem Leben erforderte, dass das Blut eines geschlachteten Tieres ausgeschüttet wurde; das bedeutet, dass das Leben Jehova zurückgegeben wurde, und jeder, der absichtlich das Blut eines geschlachteten Tieres aß, wurde vom Leben abgeschnitten.

Bitte bedenke jedoch, es war das Leben selbst, welches heilig war. Das Blut eines getöteten Tieres wurde als heilig betrachtet, weil es das Leben symbolisierte, welches ausgelöscht worden war. Respekt vor dem Geschenk des Lebens war der wichtigere Grundsatz, um den es hier ging. Der medizinische Gebrauch von Blut erfordert die bereitwillige Blutspende einer Person, die weiterlebt, und die Blut spendet, um Leben zu retten, und nicht zu nehmen. Das Symbol für Leben in einem völlig anderen Sinn zu verehren, in einer Art und Weise, dass es nicht mehr zum Erhalt dessen, was es veranschaulicht, gebraucht werden kann, erscheint einem als eine Art Götzendienst.

3.Mose 17:15 zeigt, dass ein Israelit, wenn nötig, ein unausgeblutetes Tier essen durfte, sofern er nicht selbst dessen Leben genommen hatte. Die Folge war lediglich eine zeremonielle Unreinheit, die eine Waschung erforderte. Ein anderer Punkt, auf den sich die Gesellschaft beruft, ist das Gebot des mosaischen Gesetzes, dass Blut ausgegossen werden musste. Eine typische Schriftstelle hierfür finden wir in 5.Mose 12:16:

„Nur das Blut sollt ihr nicht essen. Auf die Erde solltest du es ausgießen wie Wasser.“

Die Gesellschaft verbietet allein auf der Grundlage dieser einen Schriftstelle Transfusionen mit Eigenblut (autologe Transfusionen). Wer jedoch diesen Aspekt des mosaischen Gesetzes in diesem erweiterten Umfang anwendet, muss seinen Sinn vor einer Reihe von Tatsachen verschließen.

ERSTENS und allem voran, WIR SIND HEUTE NICHT MEHR UNTER DEM MOSAISCHEN GESETZ. Die Bibel sagt uns dies in unmissverständlicher Weise (siehe Römer 10:14, Galater 3:23-25,Epheser 2:15). Außerdem gibt dies die Gesellschaft freimütig zu, wenn es um etwas anderes geht als um Blut.

ZWEITENS, der biblische Kontext. Genau wie im eigentlichen Gebot Jehovas bezüglich des Blutes, ist im Kontext vom Schlachten eines Tieres zu Ernährungszwecken die Rede.

DRITTENS, die hauptsächliche Absicht des Gesetzes war es, in erster Linie sicherzustellen, dass das Blut nicht mitgegessen wurde, aber auch nicht mehr. Das wird auch schon beim flüchtigen Lesen offensichtlich.

Blut wurde durch Ausgießen entsorgt. Das war und ist immer noch die schnellste und praktikabelste Methode in Verbindung mit dem Essen von Fleisch ohne Blut. Dass die Gesellschaft selbst nicht wirklich glaubt, dass dies für uns heute bindend ist, wird durch die Tatsache belegt, dass viele Praktiken, die die Aufbewahrung von Blut erfordern, als Gewissensangelegenheit erlaubt sind.

Der Brief des apostolischen Konzils, welcher in Apg. 15:23-29 aufgezeichnet ist, ist die einzige wichtige Stelle, die die Gesellschaft gebraucht, um ihre Sicht über den medizinischen Gebrauch von Blut zu unterstützen, da dies die einzigen Verse sind, die in dem Sinne ausgelegt werden könnten, dass die Bibel Bluttransfusionen verbietet. Die Verse 28 und 29 sind von besonderem Interesse:

„Denn der heilige Geist und wir selbst haben es für gut befunden, euch keine weitere Bürde aufzuerlegen als folgende notwendigen Dinge: euch von Dingen zu enthalten, die Götzen geopfert wurden, sowie von Blut und von Erwürgtem und von Hurerei.“

Da der Rahmen, in welchem diese Aussage getroffen wurde, ein Disput war, der wegen der Frage, ob sich Heidenchristen gemäß dem mosaischen Gesetz beschneiden lassen müssen, ist das Essen von Blut, dessen Verbot ebenfalls im mosaischen Gesetz verankert war, hier ohne Zweifel ebenfalls die Frage, um die es geht. Das ist der Grund, dass die „Today's English Version“ diese Stelle wie folgt übersetzt:

(*) „Esst keine Speisen, die Götzen geopfert wurden; esst kein Blut; esst kein Tier, das erwürgt wurde; und haltet euch fern von Unmoral.“

Die „Phillips Modern English Übersetzung“ drückt es folgendermaßen aus:

(*) „meidet, was Götzen geopfert wurde; Blut zu probieren; Fleisch von Erwürgtem zu essen; und sexuelle Unmoral.“

Wäre es richtig, diesen Kontext auf alles auszudehnen, was irgend etwas mit Blut zu tun hat? Diese Verse im Endeffekt sagen zu lassen: „Enthaltet euch in jeder Form, in jeder Art und Weise des Blutes“? Dass die Gesellschaft glaubt, dies sei die richtige Betrachtung von Apg.15:29, kommt in Aussagen wie dieser zum Ausdruck:

„Und so bedeutet auch das Gebot, 'sich des Blutes zu enthalten', überhaupt kein Blut in den Körper aufzunehmen“ Paradiesbuch S.216

In Apg. 15:29 haben wir es mit dem singularen Infinitiv eines Verbs zu tun, das auf vier verschieden Satzteile anzuwenden ist. Es liegt in der Natur der Satzstruktur, dass das Wort „enthalten“ sich gleichermaßen auf alles, was aufgelistet wird, bezieht. Aus diesem Grund würde das Zitat aus dem Paradiesbuch dann und nur dann zutreffen, wenn die folgende Aussage ebenfalls zuträfe:

„Und so bedeutet auch das Gebot, 'sich der Dinge zu enthalten, die Götzen geopfert wurden', überhaupt keine Dinge, die Götzen geopfert wurden, in den Körper aufzunehmen.“

Diese Aussage ist jedoch eindeutig falsch, da sie im Widerspruch zu 1.Korinther 8 und 10 sowie Römer 14 steht.

Die Art und Weise, wie die Gesellschaft versucht, diese Verse mit Apg. 15:29 zu harmonisieren, verrät einiges. In der Ausgabe des Wachtturms vom 1.Mai 1979, S.31 behauptet die Gesellschaft, dass das, was mit der Redewendung „sich der Dinge enthalten, die Götzen geopfert wurden“, das aktive Teilnehmen an heidnischen religiösen Zeremonien, in denen Opferungen vorkommen, gemeint war, und nicht lediglich das Essen dieses Fleisches. Im Endeffekt wird damit diese Aussage verwässert und heruntergespielt auf „sich des Götzendienstes enthalten“. Was hat das jedoch für eine Auswirkung auf die Blutfrage? Wenn Fleisch, das Götzen geopfert wurde, guten Gewissens gegessen werden konnte, dann kann man gemäß der eigenen Argumentation der Gesellschaft sehen, dass Apg. 15:29 keine mögliche, über das mosaische Gesetz hinausgehende Anwendung hat, da es selbst im eigentlichen Sinne des Gesetzes keine volle Anwendung hatte. Es ist daher außerordentlich unaufrichtig, zu versuchen, den Kontext einer Schriftstelle nach eigenem Gutdünken selektiv und willkürlich zu ändern. Apg. 15:29 KANN NICHT über den biblischen Kontext hinaus ausgedehnt werden, zumindest nicht NUR DANN, wenn es um die Blutfrage geht.

Die große Mehrzahl der Bibelkommentatoren, und auch Charles Taze Russel selbst, haben aus diesem Grund gefolgert, dass der Brief des apostolischen Konzils im wesentlichen eine vorübergehende Maßnahme war, um in der noch jungen christlichen Versammlung die enormen Differenzen in Herkunft und Erziehung zwischen jüdischen und nichtjüdischen Christen zu glätten. Apg. 15:29 ist auch nicht unter Aufbietung aller Phantasie eine „ fundamentale ethische Norm für Christen“, denn es gehören weit mehr Dinge dazu, Jehova wohl zugefallen, die genauso wichtig sind, wenn nicht noch wichtiger als diese vier. (vergleiche 1.Kor. 6:9-10).

Interessanterweise benutzt Paulus in 1.Kor.8:4 dasselbe griechische Wort „eudolothutos“ wie Jakobus in Apg. 15:29 in Verbindung mit „Dingen die Götzen geopfert wurden“. Anders als die meisten Übersetzer entschied sich die Gesellschaft, diesen Ausdruck unterschiedlich zu übersetzen, wodurch sie es erschwert festzustellen, dass Paulus und Jakobus dasselbe Thema besprachen. Es anders auszulegen, würde gemäß der eigenen Argumente der Gesellschaft den Anschein erwecken, dass Paulus ein Abtrünniger war. Dass er nämlich den apostolischen Erlass ablehnen würde, indem er Christen die Erlaubnis gab, Fleisch zu essen, das Götzen geopfert wurde, anstatt sich davon zu enthalten. In Wahrheit verstand er sehr genau, dass die Bemerkung des Jakobus zwar eine nachdrückliche Empfehlung war, aber kein christliches Gesetz.

Aus Apg. Kapitel 21 geht hervor, dass die Spannungen zwischen jüdischen und nichtjüdischen Christen nicht mit dem sogenannten Erlass des apostolischen Konzils von Apg. Kapitel 15 endeten. Im Gegenteil, als Paulus einige Zeit später nach Jerusalem zurückkehrte, befand er sich erneut inmitten derselben Diskussion. Jakobus sagte ihm:

Apostelgeschichte 21:20-22: „... Du siehst, Bruder, wie viele Tausende es unter den Juden gibt, die gläubig sind; und sie alle sind Eiferer für das GESETZ. Sie haben aber das Gerücht über dich gehört, dass du alle Juden unter den Nationen Abfall von Moses gelehrt hättest, indem du ihnen sagtest, sie sollten weder ihre Kinder beschneiden noch den [feierlichen] Bräuchen gemäß wandeln. Was also ist diesbezüglich zu tun?“

Offensichtlich war es für viele, insbesondere für neubekehrte Juden schwierig, dies so hinzunehmen, obwohl Jakobus und die ganze Jerusalemer Versammlung bestimmt hatten, dass dem tatsächlich so ist. In der Tat war es schon hart genug, dass die nichtjüdischen Christen der Torah nicht zu folgen brauchten, aber die zwingende Schlussfolgerung, dass die jüdischen Christen dies ebenfalls nicht zu tun bräuchten, war so heikel und kontrovers, dass Jakobus es nicht wagte, dies zur Sprache zu bringen. Jakobus hob im Gegenteil zwei Dinge hervor, wie verfahren werden sollte, um die sogenannten Gerüchte zu zerstreuen, dass Paulus gegen Moses spräche:

Paulus sollte ein wohlbekanntes jüdisches Ritual vollziehen: sich zusammen mit vier sehr gesetzestreuen jüdisch-christlichen Männern „zeremoniell reinigen“. Das würde bei den Juden den Eindruck erwecken, dass die Gerüchte falsch waren, und dass Paulus „ebenfalls das Gesetz befolgte“.

Jakobus und die anderen hatten bereits einen Brief mit Anweisungen geschickt, darauf zu achten, die Gefühle der jüdischen Christen nicht zu verletzen. (siehe Apg. 15:22-29)

Diese beiden Dinge wurden also unternommen, um zu verhindern, dass die Gefühle der Judenchristen verletzt werden. Der Kontext und die Botschaft dieser beiden einzigen Vorkommnisse in Verbindung mit dem Gesetz gegen die Verwendung von Blut in den christlich-griechischen Schriften zeigen klar, dass sie also ausschließlich dazu dienten, zu verhindern, dass jüdische Brüder und Schwestern zum Straucheln gebracht werden. Es handelte sich um kein universelles Gesetz für alle Menschen, sondern ausschließlich um eine Frage des Respektes vor dem Gewissen der jüdischen Christen. Eine sorgfältige Analyse dieser Verse vermittelt eine Fülle an Verständnis für den historischen Zusammenhang, und eine richtige Einschätzung der Umstände, die diese Empfehlungen nötig machten.

Wäre es richtig, wenn wir die Bibel so auslegen, dass es den Anschein hat, sie würde etwas aussagen, was sie in Wirklichkeit gar nicht tut? Sicher nicht. Das wäre eine reine Manipulation, ein Versuch, der Bibel eine vorgefasste Meinung aufzudrücken, die niemals geäußert wurde, noch sonstwie darin enthalten ist. Wie sind jedoch Aussagen wie diese anders zu verstehen?:

„Wiederholt wies das mosaische Gesetz darauf hin, dass der Schöpfer es verbot, Blut zu sich zu nehmen, um Leben zu erhalten“. Blutbroschüre S.4.

NIRGENDWO in der Bibel wird das Gesetz Jehovas über Blut in solche Worte gefasst. An keiner Stelle in der Bibel finden wir eine Unterscheidung darüber, zu welchem Zweck jemand Blut zu sich nehmen könnte. Es spielte keine Rolle, ob jemand damit sein Leben erhalten wollte, oder nicht, da die Wendung „Leben erhalten“ gar nicht zur Disposition stand. In ähnlicher Weise ist der Ersatz des Wortes „essen“ mit „zu sich nehmen“ völlig bedeutungslos, ja sogar irreführend, denn nirgendwo in der Bibel gibt es einen Hinweis dafür, dass man Blut auf eine andere Weise als durch Essen zu sich nehmen könnte, und aus diesem Grund steht die erweiterte Bedeutung von „zu sich nehmen“ ebenfalls nicht zur Disposition. Die Tatsachen beweisen, dass die Transfusion eines Blutproduktes nicht dasselbe ist, wie das Essen von Blut.

Es ist interessant zu bemerken, dass Bluttransfusionen erstmals in der Ausgabe des Wachtturms vom 1.Juli 1945 (englisch) verurteilt wurden. In den darauffolgenden Jahren wurde die Gesellschaft mit Fragen zu diesem Thema überschwemmt. Aus den Antworten, die gegeben wurden, wurde bald offensichtlich, dass die Schlussfolgerungen der Gesellschaft auf einem folgenschweren Missverständnis über die tatsächliche Funktion von Blut im Körper beruhten. Dieses Missverständnis kann weit zurückverfolgt werden, bis zu den Lehren von Claudius Galen, und sie finden sich ebenso in den Schriften einiger frühen Forscher auf dem Gebiet der Transfusionen, einschließlich Sir William Harvey, Richard Lower und Jean Babtiste Denys.

Fälschlicherweise wurde angenommen, dass das Blut selbst die Nahrung sei, mit der der Körper am Leben erhalten würde, und erst im 20. Jahrhundert stellte man fest, dass das Blut lediglich das Transportmedium ist, welches die Nahrung befördert, und nicht die Nahrung selbst. Aus Gründen, über die heute nur noch spekuliert werden kann, war die Gesellschaft noch lange, nachdem bekannt war, dass sich um einen Irrtum handelte, von diesem Missverständnis beeinflusst. Das kann man aus folgender Feststellung ersehen, die im Wachtturm von 1961, S. 719 getroffen wurde:

„Wenn eine Bluttransfusion vorgenommen wird, ist das nichts anderes, als wenn man sich auf einem kürzeren Weg als gewöhnlich Nahrung zuführt, das heißt, man lässt den Venen schon fertiges Blut zukommen, statt Nahrung aufnehmen, aus der erst nach mehreren Umwandlungen Blut entsteht.“

Die Gesellschaft ihrerseits zitierte als Beweis wiederum Jean Babtiste Denys, der im Jahr 1961 bereits seit 257 Jahren tot war. Dass die Gesellschaft dieses Zitat benutzte, zeigt einen schwerwiegenden Mangel an Verständnis für grundlegende biologische Vorgänge. Blut besteht aus lebendem Gewebe, das bestimmte Funktionen im Körper erfüllt. Eine dieser Funktionen ist es, Nahrung zu den anderen Körperzellen zu transportieren, vergleichbar mit der Hand, die Nahrung zum Mund befördert. Eine Bluttransfusion ist kein Essen, sondern eine Transplantation von lebendem Gewebe, im wesentlichen also eine Organtransplantation. Eine Bluttransfusion ernährt den Körper nicht, sie kann es naturgemäß auch nicht, und sie wird niemals angewandt, weil der Patient Nahrung benötigt, eine Tatsache, die die Gesellschaft gezwungenermaßen in kleinen Schritten zugeben musste.

Statt dessen wurde in jüngerer Zeit eine raffinierte Verbindung zwischen Bluttransfusionen und dem Essen von Blut konstruiert. Zum Beispiel wurde im Unterredungsbuch auf Seite 77 versucht, eine Verbindung mit Hilfe einer Veranschaulichung herzustellen:

„Wie verhält es sich zum Beispiel mit jemandem, dem der Arzt dringend geraten hat, sich des Alkohols zu enthalten? Würde er den Rat befolgen, wenn er zwar aufhören würde, Alkohol zu trinken, ihn sich aber statt dessen direkt in die Venen spritzen würde?“

Bei Substanzen wie Alkohol oder diversen Drogen macht es keinen Unterschied, wie sie dem Körper zugeführt werden, denn das Endergebnis, die Absorption durch den Körper, ist dasselbe. Was aber, wenn das Ergebnis nicht dasselbe wäre? Wäre es fraglich, ob es demjenigen auch verboten sei, eine Mundspülung oder einen Hustensaft, die Alkohol enthalten, zu benutzen? Wäre es ihm verboten, ein äußerliches Desinfektionsmittel oder ein Aftershave zu benutzen? Diese Vorstellung ist lächerlich, denn die Auswirkung ist eine völlig andere. Dass diese Veranschaulichung irreführend ist, kann mit einer weiteren, ähnlichen Veranschaulichung gezeigt werden:

„Stell dir einen Mann vor, dessen Arzt ihm das Essen von Fleisch verboten hat. Würde er dem Verbot gehorchen, wenn er zwar kein Fleisch mehr äße, aber in eine Nierentransplantation einwilligen würde?“

Offensichtlich sind Essen und Empfangen eines Organtransplantates zwei völlig unterschiedliche Dinge, genauso wie das Essen von Blut und eine Bluttransfusion nichts miteinander zu tun haben.

Heute beschränkt sich die Gesellschaft darauf, die Bibel umzuformulieren und Missverständnisse über Blut zu verwenden, um ihre Ansicht zu stützen. Sie versucht noch nicht einmal mehr zu erklären, weshalb eine Bluttransfusion mit dem Verbot des Essens von Blut gleichzusetzen sei, denn es ist unmöglich geworden, mit den ursprünglichen, falsch verstandenen Voraussetzungen weiterzumachen. Die Wissenschaft bietet für die Blutdoktrin der Gesellschaft keine Unterstützung.

Im Bestreben, ihre Doktrin zu untermauern, hat die Gesellschaft die Risiken, die bei einer Bluttransfusion auftreten können, in höchstem Maße übertrieben dargestellt. Zum Beispiel liegt das Risiko einer AIDS-Infektion durch eine Bluttransfusion bei etwa 1 zu 500.000. Vergleiche dies mit der Wahrscheinlichkeit, an Komplikationen nach einer Vollnarkose oder einer Behandlung mit Antibiotika zu sterben, die bei etwa 1 zu 15.000 bis 1 zu 30.000 liegt. Eine Bluttransfusion ist im Wesentlichen eine Organtransplantation. Sie birgt wirklich Risiken; diese sind aber minimal, verglichen mit der Wahrscheinlichkeit als Folge eines massiven Blutverlustes zu verbluten, und Ärzte sind sehr wohl in der Lage, diese Risiken gegen den Nutzen einer Transfusion abzuwägen.

Die Gesellschaft erkennt eine Studie an, die zeigt, dass auf 13.000 Bluttransfusionen ein Todesfall kommt. Das ist ein geringfügig größeres Risiko als bei einer Behandlung mit Antibiotika oder bei einer Vollnarkose. Die Gesellschaft anerkennt eine Studie, die zeigt, dass die Sterblichkeit bei Operationen, bei denen eine Bluttransfusion abgelehnt wurde, um ungefähr 1% zunimmt. Dies bedeutet, dass jedesmal, wenn ein Zeuge „blutlos“ operiert wird, seine Wahrscheinlichkeit zu sterben, um 1% höher liegt als im Durchschnitt. Auf jeweils 100 Operationen kommt, anders ausgedrückt, ein zusätzlicher unnötiger Todesfall. Multipliziere dies mit den entsprechenden Jahren und Abertausenden von Operationen, zähle die dazu, die durch massiven Blutverlust infolge eines Unfalles sterben, und die es gar nicht bis zum Operationstisch schaffen, und zähle dazu die Leukämieopfer und Opfer ähnlicher Krankheiten, und das Ergebnis ist der unnötige Tod von Tausenden und Abertausenden Zeugen Jehovas.

Berücksichtige überdies, dass Zeugen in weniger entwickelten Ländern nicht von den fortschrittlichen „blutlosen“ Operationstechniken und hochentwickelten Techniken profitieren können, weil sie für sie oft nicht zugänglich sind. Die Sterblichkeitsrate ist dementsprechend in diesen Staaten wahrscheinlich noch viel höher.

Obwohl es keine direkte Auswirkung auf die schriftgemäßen und moralischen Aspekte von Bluttransfusionen hat, ist es hilfreich, die Atmosphäre zu berücksichtigen, die innerhalb der Organisation in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts vorherrschte. Heute empfinden wir das als eine besonders unangenehme Episode unserer Geschichte. Diese Information wird nicht vorgebracht, um die Gesellschaft zu diskreditieren, sondern um die damalige Geisteshaltung zu zeigen, die das Blutverbot hervorbrachte. Dies sind einige der Ansichten, die wir jahrelang unterstützt haben:

Tollwut existiert nicht - G(olden Age) 23 1/1 S. 214 (englisch)

Keime verursachen keine Krankheit - G24 1/16 S. 250 (englisch)

Impfungen sind nutzlos - G31 2/4 S. 294 (englisch)

Ärzte sind Vertreter Satans - G31 8/5 S. 727,728 (englisch)

Impfungen verursachen Dämonismus - G31 2/4 S. 293 (englisch)

Aspirin verursacht Herzkrankheiten - G35 2/27 S. 343,344 (englisch)

Impfungen sind grausamer Schwindel - G39 5/31 S. 3 (englisch)

Blut ist Nahrung - W517/1 S. 415 (englisch)

Erbmerkmale werden durch Transfusionen weitergegeben - W61 1.12. S. 724f (deutsch)

Das Blutverbot war ein Produkt dieser Ära. Es hatte seine Ursachen in einem tiefen Misstrauen gegenüber der modernen Medizin, und in schlichter Ignoranz. Diese Tatsachen, verbunden mit der faktischen Nichtexistenz einer schriftgemäßen Grundlage, wirft heute einen tiefen Schatten über die Blutfrage, denn sie stellt in erster Linie die Fähigkeit der Gesellschaft in Frage, eine kluge Entscheidung getroffen zu haben. Dies muss jedoch nicht auf unbestimmte Zeit so bleiben. Impfungen und Organtransplantationen wurden letztlich aus denselben Gründen wie heutzutage Bluttransfusionen verurteilt, und diese Verbote gibt es heute nicht mehr.

Wenn der Wille dazu da wäre, könnte die Gesellschaft mit der Zeit auch das Blutverbot verwerfen. Wir können hoffen und beten, dass die Glieder der leitenden Körperschaft den Mut aufbringen, die Angelegenheit richtigzustellen.


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letzte Aktualisierung: 28. 12. 1998
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