Kinder und Bluttransfusionen:
Die Sorgerechtsfrage

 

Zeugen Jehovas und Bluttransfusionen
Eine zivilrechtliche Betrachtung
Albrecht W. Bender
Justitiar Klinikum Erlangen
260 MedR 1999, Heft 6 (© MedizinRecht)

Vorbemerkung:
Die Sorgerechtsfrage, die sich bei der Behandlung minderjährigen Patienten stellt, wird in Teil IV. des Artikels ("Grenzen elterlicher Fremdbestimmung") diskutiert.


Inhaltsverzeichnis:

 
Einleitung

Jeder Arzt wird während seines Berufslebens sicherlich mehr als einmal vor der Konfliktsituation stehen, daß sein Patient eine indizierte Bluttransfusion ablehnt. Die Gründe hierfür sind vielfältig. Die Plasmaskandale haben die Patienten ebenso wie die Rechtsprechung aufgeschreckt. Der Bundestag hat mittlerweile das Gesetz zur Regelung des Transfusionswesens (TFG) beschlossen, das am 2. 7. 1998 in Kraft getreten ist. Die Wertigkeit der Fremdbluttransfusion ist heute mehr und mehr in Frage gestellt. Häufig wird der Arzt, seiner therapeutischen Verpflichtung gemäß, den Patienten umstimmen können. Gehört sein Patient jedoch der Glaubensgemeinschaft der Zeugen Jehovas an, wird ihm dies kaum gelingen. Über das dann erforderliche Vorgehen sollte sich jeder Arzt vorab Gedanken machen, denn im Ernstfall ist eine sachliche Betrachtung meist nicht mehr möglich.

I. Religiöser Hintergrund und medizinische Behandlung

Zeugen Jehovas sind Anhänger der von Charles Taze Russel im Jahre 1874 in Pittsburgh/PA begründeten Gemeinschaft, die ihren Namen vom Propheten Jesaja herleitet und die bis 1931 die Bezeichnung "Ernste Bibelforscher" führte. Ein essentieller Glaubensimperativ der Gemeinschaft ist die Verpflichtung, sich jeglichen Blutes zu enthalten. Dieses biblische Verbot einer Transfusion wird insbesondere aus nachfolgenden Versen abgeleitet [1]:

"Denn es gefällt dem Heiligen Geist und uns, euch weiter keine Last aufzuerlegen als nur diese notwendigen Dinge: daß ihr euch enthaltet vom Götzenopfer und vom Blut und vom Erstickten und von Unzucht. Wenn ihr euch davor bewahrt, tut ihr recht" (Apostelgeschichte 15: 28, 29).

"Allein esset das Fleisch nicht mit seinem Blut, in dem sein Leben ist" (1. Mose 9: 4). "Ihr sollt auch kein Blut essen, weder vom Vieh noch von Vögeln, überall, wo ihr wohnt. Jeder, der Blut ißt, wird ausgerottet werden aus seinem Volk" (3. Mose 7: 26, 27).

Die Zeugen Jehovas lehnen aber nicht nur die homologe, sondern ebenso die autologe Bluttransfusion ab, denn nach der Bibel müsse jegliches aus dem Körper entwichene Blut "entsorgt" werden [2]. Eine Ausnahme sei nur dann vorgesehen, wenn das Blut zu Kultushandlungen verwendet werden soll:

"Denn des Leibes Leben ist im Blut, und ich habe es euch für den Altar gegeben, daß ihr damit entsühnt werdet. Denn das Blut ist die Entsühnung, weil das Leben in ihm ist. Darum habe ich den Israeliten gesagt: Keiner unter euch soll Blut essen, auch kein Fremdling, der unter euch wohnt. Und wer vom Haus Israel oder von den Fremdlingen unter euch auf der Jagd ein Tier oder einen Vogel fängt, die man essen darf, soll ihr Blut ausfließen lassen und mit Erde zuscharren" (3. Mose 17: 11 bis 14).

"Nur das Blut sollst du nicht essen, sondern auf die Erde gießen wie Wasser" (5. Mose 12: 16 [ebenso 5. Mose 12: 24]).

Einschränkungen [3] seien jedoch bei der Hämodialyse und dem Einsatz der Herz-Lungen-Maschine zu machen, solange es zu keiner Zwischenlagerung des Blutes komme, denn dann sei die äußere Schlauchleitung nur eine Erweiterung des Kreislaufsystems, durch die das Blut ein künstliches Organ passieren könne. Es komme also nicht zu einer vollständigen Entfernung, sondern nur zu einer Umleitung des Blutes. An dieser Betrachtung ändere sich selbst dann nichts, wenn der Fluß des autologen Blutes kurzzeitig angehalten werde, denn auch bei einem Herzstillstand müsse das Kreislaufsystem des Betreffenden deswegen nicht geleert und sein Blut beseitigt werden. Die Zustimmung zur intraoperativen Blutverdünnung und dem Einsatz des Hämo-cellsavers hänge im wesentlichen von dem jeweiligen technischen Verfahren, das zur Anwendung kommen soll, sowie der eigenverantwortlichen Entscheidung des einzelnen Zeugen Jehovas ab [4].

Das Risiko einer Bluttransfusion ist demgegenüber nur ein "vorgeschobenes" [5], wenn auch ein nicht zu vernachlässigendes [6], Argument, um die religiöse Überzeugung für die Öffentlichkeit nachvollziehbarer zu machen, denn selbstverständlich müßten die Zeugen Jehovas auch die risikolose Bluttransfusion ablehnen, falls es denn eine solche jemals geben sollte.

Das Veto des Zeugen Jehovas klammert aus dem zur Verfügung stehenden Behandlungsspektrum des Arztes nur die Transfusion von Blut oder Blutprodukten aus. Hiervon abgesehen wünscht jeder Zeuge Jehovas die optimale ärztliche Behandlung [7]. Deshalb haben die Zeugen Jehovas ein weltweites Netz von Krankenhausverbindungskomitees aufgebaut. Die örtlichen Krankenhausverbindungskomitees fungieren als Mittler zwischen dem Patienten und solchen Ärzten, die sich bereit erklärt haben, ein den Geboten der Glaubensgemeinschaft entsprechendes partielles Behandlungsverbot unter allen Umständen zu respektieren. Darüber hinaus kommt den Verbindungskomitees als Informationsdrehscheibe eine zentrale Bedeutung zu. Sie vermitteln nicht nur dem interessierten Arzt medizinische Informationen über blutlose Alternativbehandlungen, sondern auch dem einzelnen Patienten. Hierdurch wird versucht, die Kompetenzkluft zwischen Arzt und Patient zu verkleinern, um jenen in eine stärkere Verhandlungsposition zu heben. Nach Übernahme der Behandlung wird die Zusage des Arztes kontrolliert und notfalls deren Einhaltung rechtlich erzwungen.

Nicht selten ist die blutlose Alternativbehandlung kostenintensiver, da andersartige Leistungen erbracht werden müssen. Es drängt sich daher die Frage auf, ob der Kostenträger oder der Patient diese Mehrkosten zu tragen hat. Ausgangspunkt für deren Beantwortung ist neben § 27 Abs. 1 SGB V, der voraussetzt, daß die erbrachte Leistung medizinisch notwendig ist, das Wirtschaftlichkeitsgebot des § 12 SGB V. Sieht man sich die Rechtsprechung des BVerwG an, nach der Art. 4 GG ein Verbot entnommen werden könne, durch staatliche Eingriffe die Ausübung des Bekenntnisses zu stören, aber kein Gebot dahingehend, die Gemeinschaft müsse dem einzelnen Mittel zur Verfügung stellen, damit er in die Lage versetzt wird, sich zu bekennen [8], so könnte man auf den Gedanken kommen, die Mehrkosten auf den Zeugen Jehovas abzuwälzen. Dieser Gedanke ist unabhängig von einem mittelbaren Zwang zur "Glaubensprobe" oder dem Verhältnis des Art. 4 GG zu der verfassungsimmanenten Schranke der finanziellen Funktionsfähigkeit der staatlichen sozialen Sicherungssysteme aus Art. 74 Nr. 12 GG bereits deshalb abzulehnen, weil die Kostenträger schon immer das wirtschaftliche Risiko einer medizinisch unvernünftigen Entscheidung ihrer Versicherten zu tragen haben. Die blutlose Alternativbehandlung ist damit eine Regelleistung der Kostenträger. Insoweit kann auch auf § 2 Abs. 3 SGB V verwiesen werden, der bestimmt: "Bei der Auswahl der Leistungserbringer ist ihre Vielfalt zu beachten. Den religiösen Bedürfnissen der Versicherten ist Rechnung zu tragen." Deshalb ist es anerkannt, daß religiöse Gründe zwingende Gründe i.S.d. § 39 Abs. 2 SGB V sein können, die den Versicherten berechtigen, ein weiter entferntes Krankenhaus in Anspruch zu nehmen [9]. Schlägt die religiöse Grundüberzeugung auf die sog. Hotelleistungen durch, so muß dies erst recht für den Kernbereich der ärztlichen Tätigkeit gelten. Die blutlose Behandlung ist damit kein Luxus [10], der von den Kostenträgern nicht zu erstatten wäre. Sie zählt zu den allgemeinen durch die Pflegesätze abgegoltenen Krankenhausleistungen und ist damit nach § 22 Abs. 1 BPflV einer Wahlleistungsvereinbarung mit dem Patienten nicht zugänglich.

II. Das Selbstbestimmungsrecht des Patienten

1. Bereits das RG [11] kam zu dem Schluß, daß bei einem Widerstreit zwischen dem Wohl und dem Willen des Patienten der Satz gelte: Voluntas aegroti suprema lex. Demgemäß gibt es auch bei vitaler Indikation keine Therapiegewalt des Arztes. Dieser muß das Behandlungsveto des Patienten respektieren, und zwar auch dann, wenn es nur einen Teilaspekt der Therapie, vorliegend die Bluttransfusion, betrifft. Da es allein auf die Entscheidung des Patienten und nicht dessen dahinterstehende Motivation ankommt, kommt der religiös begründeten Entscheidung eines Zeugen Jehovas gegen eine Bluttransfusion keine Sonderstellung im Arztrecht zu [12]. Dem Arzt steht es nicht an, die Motive seines Patienten zu erforschen oder zu bewerten. Seine therapeutische Pflicht zwingt ihn lediglich, dem Patienten die Notwendigkeit und Dringlichkeit sowie die Folgen der Weigerung eindrücklich vor Augen zu führen [13].

2. Keine Probleme tauchen deshalb insoweit auf, als dem Patienten zu Beginn der Behandlung die alleinige Entscheidungskompetenz sowohl auf vertraglicher Ebene als auch auf der Ebene der Einwilligung in den Heileingriff zusteht [14]. Die Bedingungslosigkeit des Willens, mit dem eine Bluttransfusion abgelehnt wird, zeigt sich insbesondere dann, wenn der Zeuge Jehovas nachfolgende Empfehlung seiner Gemeinschaft [15] vertraglich umsetzt: "Um jeden Zweifel zu beseitigen, sollten wir auf das Aufnahmeformular deutlich schreiben, daß Blut aus religiösen und medizinischen Gründen unter keinen Umständen gewünscht oder gestattet ist." Der Arzt kann sich hier nicht mit Eintritt der Entscheidungsunfähigkeit des Zeugen Jehovas, z. B. aufgrund der eingeleiteten Narkose, über dessen Veto hinwegsetzen. Es gilt – selbstverständlich nicht nur dann, wenn der Patient zur Überwachung der Einhaltung der vertraglichen Pflichten des Arztes diverse Vollmachten erteilt hat [16] – der alte lateinische Grundsatz: pacta sunt servanda. Aus rechtlicher Sicht bedarf es dieser ausdrücklichen vertraglichen Fixierung, die selbstverständlich auch mündlich vereinbart werden kann, nicht, denn der Arzt ist ohnehin vertraglich verpflichtet, sich mit seiner Behandlung ausschließlich im Rahmen der Einwilligung des Patienten zu bewegen. Diese Bindung besteht selbst dann, wenn er zuvor das Angebot des Zeugen Jehovas auf Abschluß eines modifizierten Behandlungsvertrages abgelehnt hatte.

3. Für den Fall, daß der Patient z. B. aufgrund seiner Bewußtlosigkeit seinen Selbstbestimmungswillen nicht vertraglichabsichern kann, trägt jeder Zeuge Jehovas ein "Dokument zur ärztlichen Versorgung" bei sich. Diese antezipierte Behandlungsanweisung hat nachfolgenden Wortlaut: "Ich, …, erkläre hiermit mein limitiertes Einverständnis, als Patient nach den Regeln der ärztlichen Kunst versorgt zu werden. Die Limitierung ergibt sich aus den von mir im voraus verfügten folgenden Anweisungen, die auf meiner unumstößlichen Entscheidung beruhen. Ich ordne an, daß mir keine Bluttransfusionen (von Vollblut, roten Blutkörperchen, weißen Blutkörperchen, Blutplättchen oder Blutplasma) gegeben werden. Diese Verfügung gilt unter allen Umständen, selbst wenn Ärzte zur Erhaltung meines Lebens oder meiner Gesundheit die Gabe von Blut für erforderlich halten sollten. Mit blutfreien Plasmaexpandern (wie Dextran, Kochsalzlösung, Ringer-Laktat-Lösung oder Hydroxyäthylstärke) und anderen blutfreien Behandlungsmethoden bin ich einverstanden."

Die Rechtsverbindlichkeit derartiger Behandlungsanweisungen wird vornehmlich für das Patiententestament diskutiert. Dort geht die h. M. davon aus, das Patiententestament enthalte "lediglich gewisse Fingerzeige auf den Patientenwillen" [17]. Dahinter steht insbesondere die Erwägung, der Patient könne mit seiner Regelung den zukünftigen medizinischen Sachverhalt in seiner Individualität nicht erfassen. Im übrigen sei es nie auszuschließen, daß sich der Patient zwischen der Abgabe der Erklärung und dem Zeitpunkt ihres "Wirksamwerdens" anders besonnen habe. Die zwischen diesen beiden Punkten liegende Zeitspanne wird häufig viele Jahre betragen. Möglicherweise ist dem Patienten sein Leben nun mehr wert als in gesunden Tagen. Die Frage nach der Rechtsverbindlichkeit antezipierter Behandlungsanweisungen stellt sich jedoch bei der Behandlung von Zeugen Jehovas nicht, denn deren Veto betrifft ausschließlich einen konkreten ärztlichen Eingriff, die Bluttransfusion, es liegt also keine Ungewißheit bei Abgabe der Erklärung vor. In dem "Dokument zur ärztlichen Versorgung" wird insoweit ausgeführt:

"Auch im Fall meiner Bewußtlosigkeit und Handlungsunfähigkeit hat meine vorstehende Verfügung unverändert Gültigkeit. Der Zustand der Bewußtlosigkeit ist für mich keine unvorhergesehene Situation, in der jemand über eine mögliche Änderung meines Willens Mutmaßungen anzustellen hätte. Um weiter zu gewährleisten, daß die von mir verfügte Limitierung beachtet wird, habe ich eine Vertrauensperson bevollmächtigt, für den Fall meiner Bewußtlosigkeit beziehungsweise Handlungsunfähigkeit meinen Willen durchzusetzen."

Es verbleibt damit nur das zweite Gegenargument, der Patient könne sich zwischenzeitlich anders entschieden haben. Solange der Zeuge Jehovas das "Dokument zur ärztlichen Versorgung" bei sich führt, muß der Arzt die "limitierte Einwilligung" beachten und seinen Therapieplan hieran ausrichten. Dies gilt selbst dann, wenn die im "Dokument zur ärztlichen Versorgung" vorgesehene Wiederholung der Unterschrift von Zeit zu Zeit nicht erfolgt ist. Führt der Zeuge Jehovas seine antezipierte Behandlungsanweisung nicht bei sich, so ist diese, selbst wenn eine Unterschrift neueren Datums fehlt, so lange rechtsverbindlich, als er Mitglied der Glaubensgemeinschaft ist, denn das Verbot der Bluttransfusion ist ein essentieller Glaubensimperativ, dessen Mißachtung zum Ausschluß aus der Gemeinschaft führen kann [18]. Die antezipierte Behandlungsanweisung des Zeugen Jehovas kennt damit kein Verfallsdatum [19].

4. Entgegen weit verbreiteter Ansicht macht es rechtlich keinen Unterschied, ob die Bluttransfusion als selbständige Behandlungsmaßnahme oder als Nebeneingriff im Rahmen einer Operation verweigert wird [20]. Das Veto ist stets bindend.

Im zweiten Fall stellt sich jedoch für den Arzt zum einen die medizinische Frage, ob damit die Indikation für den Eingriff insgesamt entfällt, und zum anderen die ethische Frage, ob er bereit ist, den Patienten trotz faktischer Rettungsmöglichkeit, wie "vereinbart", sterben zu lassen. Bei der Frage, ob mit dem limitierten Behandlungsveto die Indikation für den Eingriff insgesamt entfällt, ist maßgeblich, mit welcher Wahrscheinlichkeit die Transfusion erforderlich sein wird, um das Leben des Zeugen Jehovas zu retten oder ihn vor schweren gesundheitlichen Beeinträchtigungen zu bewahren. Sicherlich gibt es bei den Blutwerten keinen absoluten Grenzwert, ab dem die Transfusionsindikation unausweichlich ist. Auszugehen ist von den medizinischen Notwendigkeiten bei der Standardtherapie sowie der Art des Eingriffs und der Konstitution des konkreten Patienten. Die aufgrund der Standardtherapie ermittelte Transfusionswahrscheinlichkeit bedarf jedoch bei Zeugen Jehovas der Korrektur nach unten, denn während herkömmlicherweise für den klinischen Alltag Hb-Werte um 8 g/dl bei intakten kardialen Kompensationsmechanismen akzeptiert werden, ohne daß Blut transfundiert werden muß [21], wurde an Zeugen Jehovas gezeigt, daß auch erheblich darunter liegende Hb-Werte ohne Dauerschäden überlebt werden können. Freilich handelt es sich bei derartigen Behandlungen um individuelle Heilversuche [22]. Ausgehend von diesen Grundsätzen wird man folgende allgemeine Aussagen treffen können [23]:

l Wird der Eingriff nicht ohne Blut durchgeführt werden können, so darf der Arzt den Eingriff nicht vornehmen. Andernfalls haftet er wegen eines Behandlungsfehlers [24].

ll Indikation und Transfusionswahrscheinlichkeit verhalten sich wie zwei miteinander kommunizierende Röhren. Je dringlicher der Eingriff ist, um so höher muß die Transfusionswahrscheinlichkeit sein, um den Eingriff per se als Behandlungsfehler ansehen zu können. Vital indizierte Eingriffe darf der Arzt zur Wahrung einer kleinen Überlebenschance auch bei sehr hoher Transfusionsprognose durchführen [25].

Dem Arzt steht es aber in aller Regel frei, den Eingriff aus ethischen Gesichtspunkten abzulehnen. Entschließt er sich dennoch freiwillig für den Eingriff, so hat dies präjudizierende Wirkung in dem Sinne, daß er entgegen Schlund [26] und Weißauer [27] selbst dann keine Bluttransfusion applizieren darf, wenn er präoperativ der Auffassung war, er komme ohne Blut aus, und wenn er intraoperativ alles unternommen hat, um eine solche zu vermeiden. Denn der Arzt konnte und mußte bei seiner Gewissensentscheidung, ob er den Eingriff überhaupt durchführt, auch diese Möglichkeit berücksichtigen. Anders mag dann zu entscheiden sein, wenn dem Arzt ein Wahlrecht, wie bei der Notfallbehandlung, nicht zustand. Aber auch dort kann es eigentlich nicht die Aufgabe des Arztes sein, seinen Patienten u. U. in ein lebenslanges emotionelles Unglück zu stürzen; insbesondere dann, wenn man mit der WHO die Gesundheit nicht als das Freisein von Krankheit oder Gebrechen definiert, sondern als einen Zustand völligen körperlichen, seelischen und sozialen Wohlbefindens [28]. Bei dieser Betrachtungsweise muß der Arzt, der das Wohl seines Patienten im Auge hat, auch die – bei der Behandlung von Zeugen Jehovas sogar bekannten – außermedizinischen, vorliegend die religiösen, Faktoren berücksichtigen.

In jedem Fall ist der Arzt verpflichtet, die präoperativ von ihm bestimmte Transfusionswahrscheinlichkeit intraoperativ einer permanenten kritischen Überprüfung zu unterziehen, um notfalls bei einer unvorhergesehenen Risikoverschiebung den Eingriff zu beschränken oder ganz abzubrechen, solange dieses Abweichen von dem ursprünglichen Operationsplan keine größere Lebensgefahr oder Gefahr schwerer gesundheitlicher Schäden in sich birgt [29].

5. Setzt sich der Arzt über die Grenzen der (mutmaßlichen) Einwilligung hinweg, so sieht er sich vertraglichen und deliktischen Schadensersatzansprüchen seines Patienten ausgesetzt [30]. Es ist nicht nur auf das eher seltene Risiko eines Transfusionszwischenfalles hinzuweisen [31], sondern in erster Linie auf die Mißachtung des Selbstbestimmungsrechts des Patienten, die bereits als solche einen Schmerzensgeldanspruch rechtfertigt. Hinzu kommt sicherlich ein emotionelles Trauma, das weitgehende Auswirkungen bis hin zur Erwerbsunfähigkeit haben kann [32]. Für die Einkommensverluste muß der Arzt in voller Höhe aufkommen, denn die Primärverletzung ist weder eine Bagatelle, die aus der Sphäre der mitmenschlichen Kommunikation kommt, noch läßt sich angesichts des religiösen Hintergrundes die psychische Kausalität mit dem Argument verneinen, die Erwerbsunfähigkeit habe ihren Ursprung allein in der Begehrensvorstellung des Zeugen Jehovas [33]. Bei diesem Haftungsrisiko mag mancher Arzt geneigt sein, die Gabe von Blut und Blutprodukten zu verheimlichen. Dies wird ihm aber nur dann gelingen, wenn er die Krankengeschichte insoweit manipuliert, denn aufgrund der Behandlungsinformationspflicht, die letztlich das Selbstbestimmungsrecht des Patienten schützen soll, muß der Arzt den Gang der Behandlung detailliert und umfassend dokumentieren [34]. Die Aufzeichnung der Verwendung von Blut kann geradezu als Paradebeispiel der aus der Behandlungsinformationspflicht fließenden Dokumentationspflicht bezeichnet werden. Weitergehend ist die Neuregelung in § 14 Abs. 1 TFG [35], die vorsieht, daß der Arzt nicht nur "jede Anwendung von Blutprodukten", sondern ebenso "die Aufklärung und die Einwilligungserklärungen" zu dokumentieren hat. Über das dem Patienten oder dessen Hinterbliebenen zustehende Einsichtsrecht [36] kann deshalb kontrolliert werden, ob sich der Arzt an das Veto des Patienten gehalten hat.

III. Die Freizeichnung

Die ärztliche Tätigkeit steht zunehmend unter dem Diktat außermedizinischer Faktoren. Unter den Ärzten geht die – freilich unbegründete – Angst vor der zivilrechtlichen Haftung um, denn diese will allein Qualitätsmängel in Geld ausgleichen. Ein subjektives, pönalisierendes Element ist ihr grundsätzlich fremd. Dieser Sorge wollen die Zeugen Jehovas Rechnung tragen, indem ihr Zusatz zu dem Behandlungsvertrag abschließend folgenden Passus enthält:

"Ich befreie die behandelnden Ärzte, das Krankenhaus und das Krankenhauspersonal insoweit von der Haftung für jegliche Schäden, die bei kunstgerechter Versorgung auf meine Ablehnung von Bluttransfusionen zurückgeführt werden könnten. Dieser Wille ist auch für meine Erben bindend."

Entgegen dem Wortlaut ist mit diesem Zusatz keine Haftungsbefreiung verbunden, denn aufgrund des vorausgegangenen für den Arzt absolut bindenden Behandlungsvetos im Hinblick auf die Verwendung von Blut würde sich in der Gesundheitsbeeinträchtigung oder dem Tod nicht das Behandlungsrisiko des Arztes, sondern allein das Krankheitsrisiko des Zeugen Jehovas als Patient realisieren. Meines Erachtens verdeckt dieser Zusatz das eigentliche Haftungsrisiko in Form des ärztlichen Übernahmeverschuldens [37]. Jeder Arzt hat bei der Übernahme einer Behandlung zu prüfen, ob er die notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten besitzt, die ihm angetragene Behandlung durchzuführen. Bei Zeugen Jehovas kann die ärztliche Strategie zur Vermeidung einer Transfusionsnotwendigkeit aufgrund des dem Arzt bekannten Hintergrundes als Hauptpflicht der Therapie angesehen werden. Grundlage der Prognose, ob bei dem konkret geplanten Eingriff mit einer Transfusion als Nebeneingriff gerechnet werden muß, bildet daher nicht eine interne Hausstatistik [38], sondern die individuelle Statistik des Operateurs, der insoweit über dem Durchschnitt des Hauses liegen muß. Die Konsensuskonferenz "Fremdblutsparende Methoden in der operativen Medizin" hat bereits 1991 betont, "die Verminderung des perioperativen Blutverlustes sollte verstärkt als Qualitätskriterium der chirurgischen Technik betrachtet werden"[39]. Bei größeren elektiven Eingriffen an Zeugen Jehovas ermahnt der Mediziner Giebel seine Kollegen, sie sollten sich kritischer fragen, ob es einen anderen Operateur gibt, der den Eingriff sicherer durchführen kann [40]. Darüber hinaus muß aber auch das gesamte Behandlungsmanagement auf diesen Sonderfall ausgerichtet werden, wozu z. B. auch gehört, daß diagnostische Blutentnahmen so weit als möglich eingeschränkt und hierbei Blutabnahmeröhrchen für Kinder eingesetzt werden [41]. In engem Zusammenhang hiermit steht die ärztliche Aufklärungspflicht. Das OLG Düsseldorf [42] ist der Auffassung, der Arzt müsse bei schwerwiegenden Eingriffen mit erheblichen Risiken dann über seinen konkreten Erfahrungsstand mit Operationen dieser Art aufklären, wenn für den Patienten die konkrete Möglichkeit besteht, den Eingriff deutlich risikoloser durch einen anderen Arzt oder in einer anderen Klinik vornehmen zu lassen. Die Verzahnung der Aufklärungspflicht mit dem Übernahmeverschulden wird am Ende der Entscheidungsgründe deutlich. Im Rahmen einer gewissen Risikobreite müsse wegen der Funktionsfähigkeit des Gesundheitswesens selbst bei riskanten Eingriffen eine in sachlicher und persönlicher Hinsicht suboptimale Behandlung zulässig sein. Innerhalb dieser Risikobreite bedürfe es auch einer entsprechenden Aufklärung nicht. Die Behandlung von Zeugen Jehovas bewegt sich sicherlich nicht innerhalb dieser Toleranzen, denn die spezielle Ausrichtung der Therapie an dem "Blutveto" des Patienten ist eine ausdrücklich vereinbarte Vertragspflicht des Arztes. Aus forensischer Sicht ist dem Arzt daher dringend zu raten, seinerseits den Aufnahmevertrag um den Passus zu ergänzen:

"Nach Aufklärung darüber, daß das Krankenhaus weder in sachlicher noch persönlicher Hinsicht über besondere Erfahrungen mit der Behandlung von Zeugen Jehovas verfügt, verzichte ich auf den Einwand des fahrlässigen Übernahmeverschuldens insoweit, als es um die Anwendung blutsparender Methoden geht."

Diese sich in den Grenzen des § 276 Abs. 2 BGB bewegende individualvertragliche Freizeichnungsklausel ist nicht deshalb nach § 138 BGB oder § 242 BGB unwirksam, weil es um den Schutz von Leib und Leben des Patienten geht [43].

Zwar ist die Pflicht zur ordnungsgemäßen Behandlung eine Kardinalpflicht des Arztes, aber vorliegend hat der Zeuge Jehovas nach entsprechender Aufklärung lediglich freiwillig ein besonderes Segment aus dem Behandlungsrisiko des Arztes übernommen, welches er zuvor durch sein Veto gegen die Verwendung von Blut selbst gesetzt hatte [44]. Die vorgeschlagene Freizeichnungsklausel bindet auch die Krankenversicherung als Kostenträger. Zwar ist der geschädigte Patient hinsichtlich des nach § 116 SGB X übergegangenen Teils seines Schadensersatzanspruchs von vornherein weder verfügungsberechtigt noch empfangszuständig [45], aber die Freizeichnung hindert, anders als etwa der Vergleich, bereits die Entstehung des Anspruchs als solche – die cessio legis greift ins Leere.

IV. Grenzen elterlicher Fremdbestimmung

1. Bei der Behandlung von Minderjährigen, deren Eltern Zeugen Jehovas sind, kann es zu einem Widerstreit des Integritätsinteresses des Patienten mit dem religiösen Selbstverständnis der Sorgeberechtigten kommen, denn die Zeugen Jehovas lehnen auch für ihre Kinder die Behandlung mit Blut ab. Die Broschüre der Zeugen Jehovas "Unser Königreichsdienst" vom September 1992 geht auf die Behandlung der Kinder ein und gibt auch praktische Ratschläge für das Verhalten der Sorgeberechtigten. Auszugsweise heißt es dort:

"Eine solche alternative blutfreie Behandlung ist nicht nur besser und sicherer als mit Blut, sondern läßt Ihre Kinder auch in der Gunst des großen Lebengebers, Jehova, bleiben, was von größter Wichtigkeit ist." [46]

"In einer kritischen Situation mögen es Älteste für ratsam halten, für eine 24stündige Wache im Krankenhaus zu sorgen, die vorzugsweise von einem Ältesten und einem Elternteil des Patienten oder einem anderen nahen Angehörigen gehalten wird. Bluttransfusionen werden oft gegeben, wenn alle Verwandten und Freunde abends nach Hause gegangen sind." [47]

"Wie werden wir reagieren, wenn wir von einem Staatsanwalt oder Richter gefragt werden, warum wir eine ,lebensrettende' Transfusion für unser Kind verweigern? Auch wenn wir geneigt sein mögen, zunächst unseren Glauben an die Auferstehung zu erklären und unseren festen Glauben daran zum Ausdruck zu bringen, daß Gott uns unser Kind wiedergeben wird, wenn es stirbt, könnte eine solche Antwort den Richter, dessen Hauptinteresse das körperliche Wohl des Kindes ist, lediglich zu der Überzeugung kommen lassen, daß wir religiöse Fanatiker sind und daß er einschreiten muß, um unser Kind zu schützen. … Wir können den Richter darauf hinweisen und ihn davon in Kenntnis setzen, daß wir als christliche Eltern die Verwendung des Blutes einer anderen Person zur Erhaltung des Lebens als schwere Verletzung des Gesetzes Gottes betrachten und eine erzwungene Bluttransfusion bei unserem Kind für uns einer Vergewaltigung gleichkommt." [48]

2. Ein aus medizinrechtlicher Sicht aufzulösendes Spannungsverhältnis besteht dann nicht, wenn der minderjährige Patient selbst über den ärztlichen Eingriff einschließlich der Verwendung von Blut entscheiden kann. Hier kommt es allein auf seinen Willen an. Wann dies der Fall ist, kann nur im Einzelfall entschieden werden. Es gibt auch bei der Behandlung von Kindern, deren Eltern Zeugen Jehovas sind, keine feste Altersgrenze, ab der die eigene Entscheidungskompetenz anzunehmen wäre. Ein Gleichlauf zwischen Entscheidungskompetenz und Religionsmündigkeit, die nach § 5 RKEG mit der Vollendung des 14. Lebensjahres beginnt, ist abzulehnen [49]. Zwar wird die Religionsmündigkeit häufig als Begründung für die Eigenentscheidung bei der Einwilligung des einsichtsfähigen Minderjährigen in den ärztlichen Heileingriff herangezogen, aber sie dient nur als ein, zudem gesetzliches, Beispiel für die prinzipielle Existenz einer Teilrechtsmündigkeit. Mit der h. M. [50] kommt es darauf an, ob der Minderjährige selbst in der Lage ist, Bedeutung und Risiken des Eingriffs sowie der Verweigerung einer u. U. lebensrettenden Bluttransfusion zu beurteilen. Die Einsichts- und Urteilsfähigkeit ist stets eine individuelle Fähigkeit und keine an der abstrakten Religionsmündigkeit meßbare Größe. Geht es um die Ablehnung einer Bluttransfusion durch einen minderjährigen Zeugen Jehovas, so ist im Zweifel von dessen "Verweigerungsunfähigkeit" auszugehen, denn aufgrund der "Schulungen" seiner Eltern [51] wird ihm häufig eine eigene Entscheidung nicht möglich sein. Es besteht die Gefahr, daß der Minderjährige das Erlernte nur formelhaft wiederholt. Jedenfalls sollte der Arzt das Gespräch mit dem Minderjährigen unter Ausschluß der Eltern führen [52].

3. Kommt der Arzt zu dem Ergebnis, sein Patient könne noch nicht selbst entscheiden, so ist die Verweigerung des elterlichen Einverständnisses mit der – indizierten – Transfusion ein Mißbrauch des Sorgerechts [53]. Zwar ist die elterliche Sorge ein durch Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG garantiertes Freiheitsrecht. Das Recht der elterlichen Sorge ist den Eltern aber nicht zur Verfolgung eigener Interessen, sondern zum Schutz des Kindes und zur Förderung seines Wohls gegeben. Bei der Verweigerung einer Bluttransfusion durch die Sorgeberechtigten geht es nicht mehr um eine Frage der gemeinsamen familiären Lebensgestaltung, sondern um eine Entscheidung, die das Kind unmittelbar in seinem Integritätsinteresse trifft [54]. Deshalb kann den Sorgeberechtigten bei Entscheidungen über die Heilbehandlung ihres Kindes nicht die Freiheit zugestanden werden, eine aus medizinischer Sicht erforderliche Bluttransfusion aus grundsätzlichen Erwägungen heraus generell abzulehnen. Dies gilt selbst unter Berücksichtigung des Art. 4 Abs. 1 GG, denn das Grundrecht der Religionsfreiheit wird durch das Menschenbild des Grundgesetzes als verfassungsimmanente Schranke begrenzt; wozu auch die allgemeine Hilfeleistungspflicht zählt [55]. Im familiengerichtlichen Verfahren reicht es aber aus, wenn die fehlende Einwilligung der Sorgeberechtigten in die Heilbehandlung nach § 1666 Abs. 3 BGB ersetzt wird – die Entziehung des Sorgerechts wäre unverhältnismäßig [56].

Die Zeugen Jehovas verweisen immer wieder darauf, daß zahlreiche Fälle von Zeugen Jehovas und anderen bewiesen hätten, daß Patienten erfolgreich ohne Verabreichung von Blut behandelt werden können, und das trotz der Voraussagen von Ärzten, Blut sei erforderlich, um das Leben des Patienten zu retten oder ihn vor schwerwiegenden Schädigungen zu bewahren [57]. Aus diesen medizinischen Erfolgen bei der Behandlung einzelner Zeugen Jehovas läßt sich aber nicht der Beweis ableiten, die derzeitigen Transfusionsindikationen [58] seien überholt. Sie zeigen nur deutlich, daß sich aufgrund der Unwägbarkeiten des menschlichen Organismus keine absolute Aussage über die Notwendigkeit einer Bluttransfusion treffen läßt. Die Indikation kann daher immer nur auf einer ärztlichen Prognose beruhen, die ihrerseits auf einer positiven Nutzen-Risiko-Analyse basiert. Grundlage bildet der ärztliche Standard.

Verläßt der Arzt im konkreten Behandlungsfall die Standardtherapie, die durch wissenschaftliche Erkenntnis, ärztliche Erfahrung und einen Konsens innerhalb der Ärzteschaft gekennzeichnet ist, so begibt er sich auf das Gebiet der Neulandmedizin. Die Übergänge sind freilich fließend. Die blutlose Behandlung eines Zeugen Jehovas wird damit häufig als individueller Heilversuch anzusehen sein [59]. Dies gilt nicht nur hinsichtlich der zu tolerierenden Hb-Werte, sondern ebenso z. B. für die medikamentöse Verringerung des Blutverlustes durch die hochdosierte Gabe von Aprotinin, die wegen der möglichen erheblichen Risiken umstritten ist [60]. Eine Voraussetzung der Rechtmäßigkeit des individuellen Heilversuchs wie des klinischen Versuchs ist es aber, daß keine erfolgversprechende Standardtherapie zur Verfügung steht [61]. Dies ist hinsichtlich einsichtsfähiger Minderjähriger ebenso wie bei Erwachsenen der Fall, denn deren Behandlungsveto begründet die rechtliche Unmöglichkeit der Blutverwendung [62]. An einwilligungsunfähigen Minderjährigen darf der medizinische Standard aber nicht weiterentwickelt werden, solange eine anderweitige wirksame und anerkannte Therapie zur Verfügung steht. Das mit einem Neulandschritt verbundene Risiko für den Minderjährigen läßt sich an der Entwicklung von Blutersatzstoffen verdeutlichen. Während Der Wachtturm vom 1. 8. 1982 (S. 7) einen Artikel aus der New York Times zitiert, nach dem die Ausweitung der Tests mit dem Blutersatzstoff Fluosal-DA die Zeugen Jehovas "in die einzigartige Stellung einer landesweiten medizinischen Hilfsquelle" rücke, berichtet Der Wachtturm vom 15. 4. 1985 (S. 21) von der Einstellung der klinischen Versuche.

Aus vorstehenden Erwägungen ergibt sich, daß die Verwendung von Blut und Blutprodukten bei einwilligungsunfähigen Zeugen Jehovas keinen Besonderheiten unterliegt. Es gelten die allgemeinen Transfusionsindikationen, die freilich strikt zu beachten sind. Die Teilnehmer der Konsensuskonferenz "Fremdblutsparende Methoden in der operativen Medizin" haben sich bereits 1991 darauf verständigt, daß die Fremdblutgabe auf ein "notwendiges Minimum" zu beschränken sei, weshalb es einer "strengen Indikationsstellung" bedürfe [63]. Dieses Anliegen verfolgt auch das jüngst in Kraft getretene Transfusionsgesetz [64]. Es erscheint lediglich vertretbar, die Grauzone zwischen der Standardbehandlung und dem Neulandschritt im Hinblick auf Art. 4 Abs. 1 GG etwas zuungunsten des letzteren zu verschieben [65]. Bei dieser für den Arzt zugegeben heiklen Situation sollte dieser dennoch nicht von der Behandlung, notfalls unter Einschaltung des Familiengerichts, absehen, falls er nicht das Integritätsinteresse des Minderjährigen aufs Spiel setzen will. Denn die Zeugen Jehovas sind angehalten, sich "eifrig (zu) bemühen, einen Arzt oder Chirurgen zu finden, der in seiner Zusage, kein Blut zu übertragen, weitergeht als alle anderen" [66]. Tatsächlich sollen fast die Hälfte derjenigen Ärzte, die ihre prinzipielle Bereitschaft zu einer Behandlung von Zeugen Jehovas ohne Blut erklärt haben, die Gewissensentscheidung der Eltern "sogar in Extremsituationen" respektieren [67]. Bei dieser Sachlage ist die "schlichte" Behandlungsablehnung durch den Arzt dann kein zu verantwortender Weg, wenn der Eingriff dringlich ist und blutlose Standardverfahren nicht zur Verfügung stehen.

Andernfalls würde es zu einer "Irrfahrt der Eltern durch die Krankenhauslandschaft" kommen, auf der wertvolle Zeit verloren geht oder gar der Minderjährige einem unzulässigen Heilversuch zugeführt wird. Bei derartigen Verhaltensweisen ist zudem an eine Entziehung des medizinischen Sorgerechts zu denken, denn die hinter diesem Vorgehen stehende Entschlossenheit begründet eine dringende Wiederholungsgefahr für das körperliche Kindeswohl, die einen über § 1666 Abs. 3 BGB hinausgehenden Eingriff rechtfertigen kann. Unter dem "Deckmantel" der Religionsfreiheit – die den Sorgeberechtigten in eigenen Angelegenheiten ungeschmälert verbleibt – darf es nicht zu einer Instrumentalisierung u. U. existentieller Kindesinteressen kommen. Diese Auffassung steht durchaus mit der Leitentscheidung des BayObLG vom 25. 9. 1975 im Einklang, denn dort hat das Gericht nur deshalb von einer Maßnahme nach § 1666 Abs. 1 BGB abgesehen, weil "die Kinder mit dem Einverständnis der Mutter seit längerer Zeit regelmäßig den evangelischen Religionsunterricht besuchen" und die Richter die Überzeugung gewonnen hat ten, "daß diese im Ernstfall einer Blutübertragung zustimmen würde" [68].

Bei der Entscheidung für eine Bluttransfusion über das Veto der Sorgeberechtigten hinweg, sei es die des Arztes in Eilfällen oder des Familiengerichts i.R.d. § 1666 BGB, dürfen die Fernwirkungen auf das weitere Zusammenleben im Familienverbund nicht außer acht gelassen werden. Schlund [69] stellt hierzu fest:

"… der Arzt agiert hier nicht nur gegen den ausdrücklichen erklärten Willen der formal noch immer erziehungsberechtigten Eltern; er verletzt zudem zutiefst deren religiöses Selbstverständnis bzw. Selbstbestimmungsrecht und bewirkt dadurch, daß das Kind zukünftig nicht selten von seinen Eltern quasi als ein ,Aussätziger' behandelt und psychisch ausgegrenzt wird. In nicht wenigen Fällen verkümmert dieses intellektuell und ,verarmt' geistig; zudem erfährt es in der Regel einen schweren Bruch mit seinen religiös fixierten Eltern."

Diese Ausführungen dürften zu pauschal sein. Der Gemeinschaftsentzug bei einem Erwachsenen hat weitreichende Folgen über den Bereich des religiösen Zusammenlebens hinaus [70]. Nicht nur das gesellige Zusammenleben, etwa bei Feiern, Sport oder den Mahlzeiten, sondern selbst der einfache Gruß ist den Mitgliedern fortan verboten [71], und zwar selbst dann, wenn es sich um einen Verwandten handelt [72]. Andernfalls droht jenen ebenso der Gemeinschaftsentzug [73]. Es kommt also zu einer totalen psychischen Isolation des Ausgeschlossenen. Die Tatsache der Minderjährigkeit schützt das Kind nach den Regeln der Glaubensgemeinschaft der Zeugen Jehovas nicht "vor einer Zurechtweisung vor der Versammlung durch den Ältesten oder vor einem Gemeinschaftsentzug, wenn es schweres Unrecht begeht"[74]. Dies gilt unabhängig davon, ob das Kind getauft ist oder nicht, denn bei ungetauften Kindern entfällt lediglich der förmliche Akt des Ausschlusses [75]. Bei einem Gemeinschaftsentzug sind die Eltern nur noch berechtigt, dem Kind weiterhin "Rat zu erteilen oder es in Zucht zu nehmen", es ist ihnen aber verwehrt, "in einem regelmäßigen Studium, bei dem das Kind als anerkannter Teilnehmer betrachtet würde, geistige Gemeinschaft mit ihm zu pflegen" [76]. Der mit einer psychischen Isolation verbundene Gemeinschaftsentzug tritt aber nicht immer und automatisch ein [77], sondern setzt voraus, daß das Rechtskomitee keine echte Reue bei dem Betroffenen feststellen kann [78]. Dieser letzte Aspekt macht deutlich, daß es auf die innere Haltung des Betroffenen zu der Gabe von Blut ankommt. Bei selbst nicht entscheidungsfähigen Minderjährigen entscheidet jedoch allein der Arzt oder das Familiengericht anstelle der eigentlich verpflichteten Sorgeberechtigten. Deshalb kann wohl nicht von einem schweren Unrecht des Kindes selbst ausgegangen werden, welches nach den Regeln der Glaubensgemeinschaft der Zeugen Jehovas eine notwendige Voraussetzung des Entzugs der Gemeinschaft ist. Sollte ein Minderjähriger dennoch mit einem Gemeinschaftsentzug belegt werden, den auch die Sorgeberechtigten vollziehen, so wäre diese Gewaltanwendung im psychischen Bereich ein hinreichender Grund für das Einschreiten des Familiengerichts [79].

 

Dr. iur. Albrecht W. Bender, Justiziar des Klinikums der Friedrich-Alexander Universität Erlangen-Nürnberg, Postfach 3560 – Klinikum, D-91023 Erlangen

 

Fußnoten und Literaturhinweise:

1 Siehe zum Ganzen die Schrift "Wie kann Blut dein Leben retten?", Wachtturm Bibel- und Traktat-Gesellschaft 1990, S. 3 f. und Der Wachtturm v. 15. 6. 1991, S. 8 f. Alle nachfolgenden Bibelzitate entstammen der revidierten Fassung von 1984 der Evangelischen Kirche in Deutschland und des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR. [zurück]

2 Dies gelte nicht nur für Vollblut, sondern ebenso für die Hauptbestandteile des Blutes. Zu Plasmafraktionen wie Immunglobulin und Albumin vgl. Der Wachtturm v. 1. 6. 1990, S. 30. [zurück]

3 Siehe Der Wachtturm v. 1. 3. 1989, S. 30. [zurück]

4 Siehe Der Wachtturm v. 1. 3. 1989, S. 31. In dem von Busse/Wesseling, Anästhesiol. Intensivmed. Notfallmed. Schmerzther. 1996, 498, 500, berichteten Fall gab die Patientin ihre Zustimmung zu diesen blutsparenden Maßnahmen trotz ununterbrochenem Kreislauf nicht. [zurück]

5 Siehe z. B. Kahle/Dietrich, Anästhesiol. Intensivmed. Notfallmed. Schmerzther. 1996, 490, die auf ein Mortalitätsrisiko von 1 : 75 000 hinweisen. In Erwachet! v. 22. 8. 1998, S. 11, wird jetzt auch auf die "horrenden Kosten von Bluttransfusionen" verwiesen. [zurück]

6 Zu den Risiken der Bluttransfusion nur Eckstein, Immunhämatologie und Transfusionsmedizin, 3. Aufl. 1997, S. 88 ff. Der Direktor der Abteilung für Herz- und Gefäßchirurgie am Klinikum Freiburg berichtet immerhin für die Jahre 1970 bis 1991 von acht Patienten, die aus Furcht vor Krankheitsübertragung einer Fremdbluttransfusion nicht zustimmen konnten (Schlosser, MMW 1993, 90, 92). [zurück]

7 Anders z. B. die Anhänger des evangelischen Brüdervereins, die in erster Linie auf die "biblische Heilmethode" vertrauen (vgl. BVerfGE 32, 98, 101 = JR 1972, 339, 340 m. Anm. Dreher). [zurück]

8 BVerwG, NJW 1983, 2586, 2587 (Unterbringung in einem anthroposophisch geführten Altenheim). [zurück]

9 Krauskopf (1997), in: ders. (Hrsg.), Soziale Krankenversicherung, § 39 SGB V, Rdnr. 21; Schmidt (1996), in: Peters (Hrsg.), Handbuch der Krankenversicherung II, SGB V, § 39, Rdnr. 247. [zurück]

10 Zu diesem Gesichtspunkt jüngst OLG Köln, VersR 1998, 88, für § 1 MBKK 76. Auch die – kostenintensivere – präoperative Eigenblutspende gehört zu den allgemeinen Krankenhausleistungen, wenn nicht "vom Patienten außerhalb jeglicher medizinischer Indikation explizit unter reinen Vorsorgegesichtspunkten das Anlegen eines Eigenblutvorrats eingefordert wird" (so der Fachausschuß "Recht und Verträge" der DKG in seiner 13. Sitzung am 10. 12. 1997 [BKG-Mitteilungen Nr. 1/1998, S. 9]). [zurück]

11 RGZ 151, 349, 355. [zurück]

12 Zutreffend Deutsch, Medizinrecht, 3. Aufl. 1997, Rdnr. 461; a. A. offenbar Weißauer, Spezielle Probleme der Eingriffseinwilligung und der Aufklärungspflicht, in: Häring (Hrsg.), Chirurgie und Recht, 1993, S. 134, 139; Biermann, Anaesthesist 1993, 187, 196. [zurück]

Die Zeugen Jehovas genießen den Schutz des Art. 4 GG. Jüngst hat das BVerwG entschieden, daß ihrer Religionsgemeinschaft der Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts nicht verliehen werden könne (BVerwG, NJW 1997, 2396 m. Bespr. Abel, NJW 1997, 2370, undMüller=Volbehr, NJW 1997, 3358). [zurück]

13 Vgl. BGH, NJW 1997, 3090, 3091; so bereits RGZ 151, 349, 355. [zurück]

14 Beide Ebenen können sich, insbesondere bei minderjährigen Patienten, unterschiedlich "entwickeln" (eingehend Bender, MedR 1997, 7 f.). [zurück]

15 Unser Königreichsdienst, September 1992, S. 4. [zurück]

16 Schweitzer/Osswald, Anästhesiol. Intensivmed. Notfallmed. Schmerzther. 1996, 504, 505, berichten von einem Fall, in dem Vollmachten erteilt wurden 1. zur Durchführung und Abwehr gerichtlicher Maßnahmen, 2. zur Einsichtnahme in Kranken-unterlagen und 3. zur Erteilung von Untervollmachten an Ärzte und Rechtsanwälte. [zurück]

17 Vgl. Ulsenheimer, in: Laufs/Uhlenbruck (Hrsg.), Handbuch des Arztrechts, 1992, § 139, Rdnr. 54; Harder, ArztR 1991, 11, 16 m.w.N.; ebenso BGH, NJW 1995, 204, 205, im Rahmen des Abbruchs einer einzelnen lebenserhaltenden Maßnahme – frühere mündliche oder schriftliche Äußerungen des Kranken seien zur Bestimmung des mutmaßlichen Willens ebenso zu berücksichtigen wie etwa seine persönlichen Wertvorstellungen; a. A. Schöllhammer, Die Rechtsverbindlichkeit des Patiententestaments, 1993, S. 131 f.; Uhlenbruck, MedR 1992, 134, 136 f. Für die Selbstmordfälle hat BGHSt 32, 367, 378 entschieden, die pflichtgemäße Entscheidung des Arztes zwischen dem ärztlichen Auftrag, jede Chance zur Rettung des Lebens seiner Patienten zu nutzen, und dem Gebot, ihr Selbstbestimmungsrecht zu achten, könne sich jedenfalls dann, wenn der Patient bewußtlos sei, "nicht allein nach dessen vor Eintritt der Bewußtlosigkeit erklärten Willen richten". [zurück]

18 Näher unten, sub IV. 3., nach Fn. 68. [zurück]

19 I. E. ebenso Weißauer (Fn. 12), S. 134, 139. [zurück]

20 Siehe z. B. Schlund, Geburtsh. u. Frauenheilk. 1994, M 126, M 127; Ulsenheimer, Geburtsh. u. Frauenheilk. 1994, M 83, M 85. [zurück]

21 Napier, Transfusion Medicine 1997, 265, 266; Teßmann/von Lüpke, Anästhesiol. Intensivmed. Notfallmed. Schmerzther. 1996, 498, 503 (7 bis 8,5 g/dl); Welch/Meehan/Goodnough, Annals of International Medicine 1992, 393, 400 (7–10 g/dl). Absolute Grenzwerte gibt es nicht. Lediglich der Transfusionstrigger von 10 g/dl kann als historisch bezeichnet werden (Welch/Meehan/ Goodnough, Annals of International Medicine 1993, 393, 394). Schlosser, MMW 1993, 90, 92, will bei herzchirurgischen Eingriffen die Grenze bei einem Hb-Wert von 8 g/dl ziehen. [zurück]

22 Hierzu eingehend unten, sub IV. 3., nach Fn. 56. [zurück]

23 Schlund, Geburtsh. u. Frauenheilk. 1994, M 126, M 127, unterscheidet vier "Varianten"; Weißauer (Fn. 12), S. 134, 140, drei (ebenso in Anästhesiol. u. Intensivmed. 1992, 15, 18); ihm folgend Biermann, Anaesthesist 1993, 187, 197. [zurück]

24 Ähnlich Schlund, Geburtsh. u. Frauenheilk. 1994, M 126, M 127 (wenn "der Eingriff zwingend mit der absoluten Notwendigkeit" einer Transfusion verbunden ist); Weißauer (Fn. 12), S. 134, 140 ("zwingend"; ebenso Biermann, Anaesthesist 1993, 187, 197); Ulsenheimer, Geburtsh. u. Frauenheilk. 1994, M 83, M 86 (steht "sicher fest"); die jedoch übersehen, daß es derartige Gewißheiten präoperativ kaum geben wird; a. A. Deutsch (Fn. 12), Rdnr. 461 (wenn "die Operation mit der Gefahr eines erheblichen Blutverlustes verbunden ist"). [zurück]

25 I. E. ebenso Weißauer (Fn. 12), S. 134, 140; Ulsenheimer, Geburtsh. u. Frauenheilk. 1994, M 83, M 86. Weißauer rät dem Arzt, elektive Eingriffe nur dann durchzuführen, "wenn nach den individuellen Umständen des konkreten Falles sowie der persönlichen Erfahrung des Operateurs eine Bluttransfusion nur unter einer Verkettung ungewöhnlicher Umstände erforderlich werden kann" (ebenso Biermann, Anaesthesist 1993, 187, 197). [zurück]

26 Schlund, Geburtsh. u. Frauenheilk. 1994, M 126, M 127. [zurück]

27 Weißauer (Fn. 12), S. 134, 141; ebenso Biermann, Anaesthesist 1993, 187, 198. [zurück]

28 So in der Präambel ihrer Satzung v. 22. 7. 1946 (abgedr. bei Deutsch [Fn. 12], Rdnr. 1030; hierzu auch Giesen, Arzthaftungsrecht, 4. Aufl. 1995, m.w.N. zum Streitstand). [zurück]

29 Vgl. auch Ulsenheimer, Geburtsh. u. Frauenheilk. 1994, M 83, M 86. [zurück]

30 Zur strafrechtlichen Seite siehe nur Ulsenheimer, Geburtsh. u. Frauenheilk. 1994, M 83 m.w.N. [zurück]

31 So aber Biermann, Anaesthesist 1993, 187, 198. [zurück]

32 Hinsichtlich der Mißachtung des Selbstbestimmungsrechts läßt sich eine Parallele zum heimlichen Aids-Test ziehen. Dort hat das LG Köln, MedR 1995, 409 m. zust. Anm. Teichner, einen Schmerzensgeldbetrag von 1500,– DM zugesprochen. Kommt ein emotionelles Trauma hinzu, so ist dieser Betrag spürbar zu erhöhen, wenn auch nicht auf solche Beträge, wie sie in den Vereinigten Staaten festgesetzt werden. Das Chicago Daily Law Bulletin v. 18. 11. 1997 berichtet von einer Gerichtsentscheidung, die einer Zeugin Jehovas wegen einer eigenmächtigen Bluttransfusion 100.000,– $ "for past emotional distress", 45.000,– $ "for loss of normal life" und 5.000,– $ "for past loss of society, companionship and sexual relationship" zugesprochen hat. [zurück]

33 Eingehend BGH, VersR 1998, 201 = NJW 1998, 813, 814 m.w.N.; Müller, VersR 1998, 129, 132 f. [zurück]

34 Siehe eingehend Bender, Das postmortale Einsichtsrecht in Krankenunterlagen, 1998, S. 89 f.; ders., VersR 1997, 918, 923. [zurück]

35 Transfusionsgesetz v. 1. 7. 1998, BGBl. I S. 1752 f. [zurück]

36 Bender (Fn. 34), passim. [zurück]

37 Hierzu nur Giesen (Fn. 28), Rdnrn. 85 ff. m.w.N. Ist der Arzt nicht ausreichend qualifiziert, so trifft ihn die Beweislast dafür, daß der eingetretene Schaden nicht auf seiner mangelnden Qualifikation beruht (BGH, NJW 1993, 2989, 2991 m.w.N.; Giesen [Fn. 28], Rdnr. 94)..264 MedR 1999, Heft 6 Bender, Zeugen Jehovas und Bluttransfusionen [zurück]

38 So die Deutsche Krankenhausgesellschaft hinsichtlich der Aufklärung über die Möglichkeit einer Eigenblutspende (das Krankenhaus 1994, 29). [zurück]

39 Ergebnisse Teil 1, Anästhesiol. u. Intensivmed. 1992, 161, 163. [zurück]

40 Giebel, chir. praxis 1993/94, 209, 212. [zurück]

41 So Busse/Wesseling, Anästhesiol. Intensivmed. Notfallmed. Schmerzther. 1996, 498, 500; siehe speziell für die Herzchirurgie Schlosser, MMW 1993, 30, 37. [zurück]

42 OLG Düsseldorf, VersR 1987, 161, 163 (so bereits in MedR 1985, 85, 86 f.); zustimmend Laufs, Arztrecht, 5. Aufl. 1993, Rdnr. 197; siehe auch Giesen (Fn. 28), Rdnrn. 91 f. m.w.N. [zurück]

43 So allgemein BGHZ 9, 301, 306; Heinrichs, in: Palandt, BGB, 57. Aufl. 1998, § 276, Rdnr. 57; zweifelnd Larenz, Schuldrecht, Bd. I, 14. Aufl. 1987, S. 553, dortige Fn. 46. Die Freizeichnung erfaßt aufgrund der gleichen Schutzrichtung der Verhaltenspflichten auch die deliktischen Ansprüche (siehe Löwisch [1995], in: Staudinger, BGB, 13. Bearb., § 276, Rdnr. 104). [zurück]

44 Im Ergebnis wohl ebenso Deutsch, NJW 1983, 1351, 1353, der einen Ausnahmefall des grds. Verbots von Haftungsbeschränkungen dann anerkennen will, wenn der Patient keinen Anspruch auf die Behandlung hat (bedenklich ist es freilich, wenn Deutsch dem Spezialisten das Tor zur Haftungsbeschränkung öffnen will). Demgegenüber wäre eine – generelle – Haftungsbeschränkung auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit bei Behandlungs- und Aufklärungsfehlern nicht nur in den Aufnahmebedingungen unwirksam (vgl. Wolf, in: Wolf/Horn/Lindacher, AGB-Gesetz, 3. Aufl. 1994, § 9, Rdnr. K 29 m.w.N.). [zurück]

45 Larenz (Fn. 43), S. 562 (zu § 67 VVG s. S. 565). [zurück]

46 Unser Königreichsdienst, September 1992, S. 5. [zurück]

47 Unser Königreichsdienst, September 1992, S. 4. Zur insoweit bestehenden Dokumentationspflicht des Arztes oben, sub II. 5. [zurück]

48 Unser Königreichsdienst, September 1992, S. 6; siehe auch die Schrift "Wie kann Blut dein Leben retten?" (Fn. 1), S. 20. [zurück]

49 A. A. Schlund, Geburtsh. u. Frauenheilk. 1994, M 126, M 127. [zurück]

50 Siehe die Nachw. bei Bender, MedR 1997, 7, 13, dortige Fn. 81. [zurück]

51 Siehe Unser Königreichsdienst, September 1992, S. 6 a. E. und Der Wachtturm v. 15. 6. 1991, S. 13 f. Dort findet sich auf S. 17 auch der Bericht über ein Gerichtsverfahren, in dem ein 12jähriges Mädchen gesagt habe, "sie würde schreien und kämpfen und die Kanüle aus dem Arm herausreißen und versuchen, die Blutkonserve über ihrem Bett unbrauchbar zu machen". [zurück]

52 Eingehend zum Verhältnis von ärztlicher Schweigepflicht und (elterlichem) Informationsanspruch Bender, MedR 1997, 7–17. [zurück]

53 H. M.; vgl. neben den nachfolgend Zitierten auch Deutsch (Fn. 12), Rdnr. 462; Hinz, in: MüKo/BGB, Bd. 8, 3. Aufl. 1992, § 1666, Rdnr. 35; Gernhuber/Coester=Waltjen, Lehrbuch des Familienrechts, 4. Aufl. 1994, § 62 III 2 (S. 1008); und allgemein für den ärztlichen Heileingriff OLG Stuttgart, VersR 1987, 515, 517 [zurück]

54 Zu dieser Unterscheidung BayObLG, FamRZ 1993, 1350, 1351. Deshalb "hinken" die Vergleiche in der Schrift "Wie kann Blut dein Leben retten?" (Fn. 1), S. 21: "Natürlich treffen alle Eltern Entscheidungen, die sich auf die Sicherheit und das Leben ihrer Kinder auswirken: Soll die Familie ihr Haus mit Gas oder mit Heizöl beheizen? Sollen die Eltern ihr Kind auf eine lange Fahrt mitnehmen? … Solche Angelegenheiten sind mit Risiken verbunden, sogar mit solchen, bei denen es um Leben und Tod geht. Aber die Gesellschaft anerkennt die Befugnis der Eltern, so daß sie ihnen in fast allen Fragen in bezug auf ihre Kinder das Entscheidungsrecht einräumt." [zurück]

55 Vgl. für § 323c StGB OLG Hamm, NJW 1968, 212, 214 m.w.N.; Dreher, JR 1972, 342, 344 m.w.N. in seiner Anm. zu BVerfG, JR 1972, 339 = BVerfGE 32, 98, 107 (das BVerfG hat lediglich eine gegenseitige Hilfeleistungspflicht der Ehegatten untereinander verneint, JR 1972, 339, 341 f. = BVerfGE 32, 98, 109 f.); zust. Ulsenheimer, Geburtsh. u. Frauenheilk. 1994, M 83, M 87. Nach BVerfGE 24, 236, 246 steht ein Akt der Religionsausübung nur dann unter dem Schutz des GG, wenn er sich "im Rahmen gewisser übereinstimmender sittlicher Grundanschauungen der heutigen Kulturvölker hält". [zurück]

56 OLG Celle, NJW 1995, 792, 793. Im Sorgerechtsverfahren anläßlich der Scheidung nach § 1671 BGB a. F. ging die h. M. gestützt auf das BayObLG, NJW 1976, 2017, davon aus, daß die Zugehörigkeit eines Elternteils zu den Zeugen Jehovas allein nichts über die Erziehungsunfähigkeit aussagt; vgl. OLG Oldenburg, NJW 1997, 2962 m. zust. Anm. Hessler, NJW 1997, 2930 m.w.N.; OLG Saarbrücken, FamRZ 1996, 561, 562, das jedoch die medizinische Versorgung bei beiden Eltern belassen hat (hiergegen OLG Stuttgart, FamRZ 1995, 1290, 1291); OLG Hamburg, FamRZ 1996, 684 (Ls.) m. zust. Anm. Garbe; OLG Düsseldorf, FamRZ 1995, 1511, 1512; kritisch Oelkers/Kraeft, FuR 1997, 161 f., insbes. S. 164, und OLG Frankfurt, FamRZ 1994, 920, 921, deren Ansicht jedoch dazu führen müßte, auch bei intakter Ehe zumindest das medizinische Sorgerecht zu entziehen, wenn beide Elternteile Zeugen Jehovas sind (a. A. freilich die h. M.; siehe nur Hinz [wie Fn. 53]). Zukünftig kann ein allein hiermit begründeter Antrag nicht dazu führen, daß das Familiengericht die als gesetzlichen Regelfall vorgesehene gemeinsame Sorge trotz Trennung auch nur in bezug auf die Gesundheitsfürsorge abweichend regelt. Die Entscheidung über eine Bluttransfusion ist keine "Angelegenheit des täglichen Lebens" i.S.v. § 1687 Abs. 1 S. 2 i.V.m. S. 3 BGB, die ein Alleinentscheidungsrecht des Elternteils, bei dem sich der Minderjährige gewöhnlich aufhält, begründen könnte (siehe allg. für Gesundheitsangelegenheiten Schwab, FamRZ 1998, 457, 469). [zurück]

57 Schutz der Familie und medizinische Behandlung für Zeugen Jehovas, Wachtturm Bibel- und Traktat-Gesellschaft 1995, Ethik/Recht S. 22; Wie kann Blut dein Leben retten? (Fn. 1), S. 13 f.; Kahle/Dietrich, Anästhesiol. Intensivmed. Notfallmed. Schmerzther. 1996, 490; und jüngst Erwachet! v. 22. 8. 1998, S. 10. [zurück]

58 Zu diesen bereits oben, sub II. bei Fn. 21. [zurück]

59 Siehe die Fallberichte von Busse/Wesseling und Teßmann/von Lüpke, Anästhesiol. Intensivmed. Notfallmed. Schmerzther. 1996, 498 f. und 501 f. Während im ersten Fallbericht der niedrigste Hb-Wert bei 2,1 g/dl lag, wurde im zweiten Fallbericht die.266 MedR 1999, Heft 6 Bender, Zeugen Jehovas und Bluttransfusionen Nachweisgrenze unterschritten. Über die klinischen Versuche im New Yorker Hospital-Cornell-Klinikum vgl. auch den Beitrag "Jehovas Zeugen bringen Herzchirurgie voran", in: Erwachet! v. 22. 1. 1996, S. 31. Zur Herzchirurgie ohne Fremdbluttransfusion siehe Schlosser, MMW 1993, 90. [zurück]

60 Siehe die Ergebnisse der Konsensuskonferenz "Fremdblutsparende Methoden in der operativen Medizin", Teil 1, Anästhesiol. u. Intensivmed. 1992, 161, 164. Eine Indikation bestehe nur für die Herzchirurgie (vgl. auch Schlosser, MMW 1993, 90, 91). Entsprechendes gilt für die Retransfusion von Drainageblut (siehe die Konsensuskonferenz, Teil 2, Anästhesiol. u. Intensivmed. 1992, 200, 202, einerseits und Schlosser, MMW 1993, 90, 93, andererseits). [zurück]

61 Hart, MedR 1997, 51, 57; ders., MedR 1994, 94, 100 m.w.N. [zurück]

62 Weißauer (Fn. 12), S. 134, 140, spricht hier von der faktischen Unmöglichkeit. [zurück]

63 Ergebnisse der Konsensuskonferenz, Teil 1, Anästhesiol. u. Intensivmed. 1992, 161, 162; ebenso die Vereinbarung der Berufsverbände der Deutschen Anästhesisten und Chirurgen, Anästhesiol. u. Intensivmed. 1989, 375. [zurück]

64 Im allgemeinen Teil der Begründung (BT-Dr. 851/97, S. 15) wird ausgeführt, daß das Gesetz "zu einer streng rationalen und optimalen Behandlung mit Blutprodukten führen" soll. [zurück]

65 Hierfür könnte BVerfGE 32, 98, 108 = JR 1972, 339, 341 m. Anm. Dreher, herangezogen werden, denn Art. 4 GG schließe es aus, "Betätigungen und Verhaltensweisen, die aus einer bestimmten Glaubenshaltung fließen, ohne weiteres den Sanktionen zu unterwerfen, die der Staat für ein solches Verhalten – unabhängig von seiner glaubensmäßigen Motivierung – vorsieht". [zurück]

66 Siehe Unser Königreichsdienst, September 1992, S. 4. [zurück]

67 Drebinger/Hüther, Sozialpädiatrie und Kinderärztliche Praxis 1995, 710, 711. [zurück]

68 BayObLG, NJW 1976, 2017, 2018. Auch das AG Meschede, NJW 1997, 2962, hat nur deshalb eine vorbeugende Sorgerechtsentziehung als unverhältnismäßig verworfen, da im Termin glaubhaft zugesichert wurde, jede Einlieferung der Kinder in ein Krankenhaus unverzüglich dem Jugendamt mitzuteilen. Freilich darf sich die (staatliche) Vernunfthoheit niemals über die Religionsfreiheit hinwegsetzen, wie in der Entscheidung des LG Zwickau v. 14. 4. 1937 geschehen. Dort finden sich die Sätze (JW 1938, 2145): "In diesem lebensfremden und zersetzenden Geiste hat die Mutter nun auch ihren jüngsten Sohn Herbert erzogen; dieser verweigert unter Berufung auf Bibelerkenntnisse und trotz aller Vorstellungen und Strafen den Deutschen Gruß starr … Hier ist aber klar, daß der Minderjährige fernab vom Wege zur gesellschaftlichen Tüchtigkeit und zur unumgänglichen Einfügung in die Volksgemeinschaft wandelt." Leben die Sorgeberechtigten getrennt, so kann die Alleinsorge leichter über § 1671 Abs. 1, 2 BGB als über § 1666 BGB erlangt werden (Schwab, FamRZ 1998, 457, 466, 463). [zurück]

69 Schlund, Geburtsh. u. Frauenheilk. 1994, M 126, M 128. Auch Giebel, chir. praxis 1993/94, 209, 211, warnt vor psychosozialen Spätschäden. Ihm muß vehement widersprochen werden, wenn er die Inanspruchnahme des Familiengerichts davon abhängig machen will, ob sich die Eltern "um ihr Kind sorgen". Einen Überblick über den Umgang der Zeugen Jehovas mit ihren Kindern geben Oelkers/Kraeft, FuR 1997, 161 f.. [zurück]

70 Siehe eingehend Organisation zum Predigen des Königreiches und zum Jüngermachen, Wachtturm Bibel- und Traktat-Gesellschaft 1972, S. 171 ff., und Der Wachtturm v. 15. 12. 1981, S. 19 ff. [zurück]

71 Der Wachtturm v. 15. 12. 1981, S. 23 f.; in der Organisation zum Predigen des Königreiches und zum Jüngermachen (Fn. 70), S. 173, findet sich die Anweisung: "In Treue gegenüber Gott sollte niemand in der Versammlung solche Personen grüßen, wenn er sie in der Öffentlichkeit trifft, noch sollte er sie in seinem Haus willkommen heißen." Zum Rat, gesellige Anlässe zu meiden, bei denen Ausgeschlossene anwesend sind, Der Wachtturm v. 15. 12. 1981, S. 30. [zurück]

72 Der Wachtturm v. 15. 12. 1981, S. 26. [zurück]

73 Der Wachtturm v. 15. 12. 1981, S. 25. [zurück]

74 Organisation zum Predigen des Königreiches und zum Jüngermachen (Fn. 70), S. 175. [zurück]

75 Organisation zum Predigen des Königreiches und zum Jüngermachen (Fn. 70), S. 176. Die Zeugen Jehovas kennen die Kindstaufe nicht. Die Taufe findet in der Regel erst nach dem 14. Lebensjahr statt. [zurück]

76 Dieses Verbot gilt auch für die anderen Familienmitglieder, wie etwa die Geschwister (Organisation zum Predigen des Königreiches und zum Jüngermachen [Fn. 70], S. 173); Der Wachtturm v. 15. 12. 1981, S. 27: Trotz des Gemeinschaftsentzugs "werden die Eltern immer noch für seine physischen Bedürfnisse sorgen und ihn erziehen". [zurück]

77 A. A. Oelkers/Kraeft, FuR 1997, 161, 164. [zurück]

78 Organisation zum Predigen des Königreiches und zum Jüngermachen (Fn. 70), S. 171. Ziel der Verhandlungen vor dem Rechtskomitee ist es, "einen gefährdeten Sünder wenn irgend möglich zu retten". In "einem eindeutigen Fall von hartherziger Abtrünnigkeit, vorsätzlicher Rebellion gegen die Gesetze Jehovas oder reiner Bosheit" muß aber der Gemeinschaftsentzug erfolgen (eingehend Der Wachtturm v. 1. 7. 1992, S. 14 ff.). [zurück]

79 Zum seelischen Wohl des Kindes nur Coester (1991), in: Staudinger, BGB, 12. Aufl., § 1666, Rdnrn. 87, 58. [zurück]


letzte Aktualisierung: 15. 4. 2001
Web-Adresse: http://www.geocities.com/athens/ithaca/6236/bender.htm

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