Angst vor dem Ausverkauf

Staatsfonds auf Einkaufstour

Russische und asiatische Investoren wollen bei westlichen Firmen einsteigen

von Jan Dams, Jörg Eigendorf Und Anja Struve (DIE WELT, 5. Januar 2008)

Die Politik will staatliche Investoren am liebsten fernhalten - Die deutschen Konzerne sind alarmiert.

Berlin - Will Peer Steinbrück (SPD) jemanden Angst machen, sucht er häufig nach besonders griffigen Größen. Geht es um die seit kurzem so gefürchteten Staatsfonds aus Ländern fallen dem Bundesfinanzminister deshalb meistens zwei Zahlen ein. 2,5 Billionen Dollar (1,7 Billionen Euro), so warnt er dann, verwalten diese staatlich kontrollierten Investmentgesellschaften, die gern auch mal von diktatorischen Staaten gelenkt werden. Das ist fast ein Drittel mehr als jene Hedgefonds, die hierzulande als Heuschrecken beschimpft werden. Und häufig fügt Steinbrück dann noch hinzu, dass allein den Chinesen ein Vermögen von mehr als 1,2 Billionen Dollar zur Verfügung steht, wovon sich ja "spielend ein gutes Dutzend Dax-Konzerne aufkaufen ließe".

Was auch immer die Staatsfonds dann mit dem Stolz der deutschen Wirtschaft tun würden, gut kann es nicht sein. Denn nicht nur Steinbrück scheint die Nachkriegszeit nicht vergessen zu können, als die Russen deutsche Betriebe demontierten, um sie nach Russland zu bringen. Auch Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU), Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (CSU) und Norbert Röttgen, parlamentarischer Geschäftsführer der Union scheinen von dieser Urangst besessen zu sein. Angestiftet von der deutschen Industrie haben sie daher einen Gesetzentwurf erarbeitet, wie man ungeliebte Investoren möglichst von Anfang an aus dem Land fernhalten kann.

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Erst jetzt, wo die Pläne weit gediehen und öffentlich sind, dämmert es den Managern der Großkonzerne, dass ein besonders strenges Gesetz den hiesigen Firmen auch schaden könnte. Schließlich gibt es einige deutsche Unternehmen, die in China und Russland gut verdienen. Die verstehen im Prinzip ganz gut, dass diese Länder ihr Geld umgekehrt auch in Deutschland anlegen wollen.

Woher das Geld kommt

Denn anders als zu Kriegsende 1945 tauchen die Russen heute nicht bewaffnet auf. "Fürchtet Euch nicht", sagte kürzlich Russlands Präsident Wladimir Putin. "Wir kommen nicht mit Kalaschnikows und Panzern, sondern mit Geld." Was für manchen hier im Land nicht viel besser klingt. Schließlich haben die Fremden Kapital in unglaublichen Mengen. Anders als noch vor ein paar Jahren, als Russen und Chinesen als Habenichts galten, gerät die globale Reichtumsverteilung in rasantem Tempo durcheinander - damit aber verschiebt sich die Balance von Macht und Machtlosigkeit. Der hohe Ölpreis begünstigt Länder wie Russland. China und andere Staaten Asiens profitieren von ihren riesigen Exporten. Diese Staaten häufen schon seit Jahren riesige Devisenreserven auf, während der Westen oft auf Pump lebt. Vor zehn Jahren, damals lag der Ölpreis noch bei zehn Dollar, war diese Entwicklung aus deutscher Sicht unvorstellbar.

Deutschlands Schutzbedürfnis

Heute aber schauen wir uns Rat suchend um und fragen, wie wir mit dem neuen Kräfteverhältnis umgehen sollen. Die Bundesregierung will daher Übernahmen in viel stärkerem Ausmaß reglementieren. Dafür soll das Außenwirtschaftsgesetz (AWG), das bislang vor allem den Kauf einheimischer Rüstungsfirmen einschränkt, geändert werden. Künftig will sich der Bund ein generelles Mitspracherecht bei allen Übernahmen sichern, wenn der Investor ein Ausländer ist und mindestens 25 Prozent an einer deutschen Firma kaufen will. Unter einer Art "freiwilligem" Zwang sollen potenzielle Käufer ihr Übernahmeersuchen beim Wirtschaftsministerium anmelden. In nur vier Wochen müssten dann die Experten des Hauses ihr Urteil fällen. Mit einem Kaugummi-Paragraphen sichert sich die Politik ihr Einspruchsrecht. Denn während das AWG heute Beschränkungen nur für Rüstungs- und Verschlüsselungsfirmen gewährt, sind künftig alle Branchen betroffen, so bald die "öffentliche Ordnung und Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland" gefährdet sind. Daumen hoch oder Daumen runter - wer künftig als Investor für den hiesigen Standort geeignet ist, entscheidet dann die Politik, die schon bislang mit ihren eigenen Problemen nicht zu Rande kommt. Wer trotz dieser Regelung unangemeldet deutsche Firmen kauft, muss damit rechnen, dass der Bund das Geschäft rückgängig macht. Die Fristen variieren je nach Vorschlag zwischen drei Monaten und drei Jahren.

Kritik an Gesetzesplänen

Unproblematisch aber ist dieses Vorhaben nicht. Dem Vernehmen nach schaut zum Beispiel die EU-Kommission misstrauisch auf die Vorschläge, weil wohl einigen in Brüssel die Pläne zu weit gehen. Nun muss der Bund erklären, wie das Ganze funktionieren soll, ohne dass die Kapitalverkehrsfreiheit ernsthaft eingeschränkt wird.

Damit aber nicht genug. Einigen Politikern werden jetzt auch die Risiken klar. Was geschieht zum Beispiel, wenn ein Hochtechnologie-Familienbetrieb an einen Ausländer verkauft werden soll, die Regierung diese Transaktion aber verbietet? So ein Verbot ist ein schwerwiegender Eingriff in private Eigentumsrechte. Dem Verkäufer müsste eine Entschädigung für den entgangenen Verkaufspreis zustehen. Noch viel größer sind die Schwierigkeiten, wenn der Eigentümer keinen Nachfolger findet aber nicht an Ausländer verkaufen darf. Muss der Bund dann den Betrieb übernehmen? Erleben wir dann eine Verstaatlichung von Unternehmen? Was spitzfindig klingt, kann in der Realität zum Problem werden.

Man muss aber nicht so tief in die Details gehen, um sich der Schwierigkeiten bewusst zu werden. Der deutschen Industrie, deren Konzernchefs lange Zeit einen wirksamen Schutz vor den vermeintlichen Invasoren aus dem Ausland forderten, gehen die Bemühungen zu weit. Die Erklärung dafür ist zum Teil banal. Die Manager haben Angst, dass man ihren Geschäften im Ausland einen Riegel vorschiebt, wenn das heute so weltoffene Deutschland ausländischen Investoren die Tür vor der Nase zuschlägt.

Deutsche Angst

In der Finanzbranche, die vor allem davon profitiert, solche Deals zu vermitteln und abzuwickeln, hält man die deutsche Angst ohnehin für überzogen. Letztendlich haben Staatsfonds gerade mal ein Siebtel jenes Kapitals in der Tasche, das zum Beispiel die weltweiten Investmentfonds verwalten, schreibt die Deutsche Bank in einem Report. Im Vergleich zu den Aktiva aller Banken nimmt sich die Summe noch bescheidener aus. Sie entspricht gerade mal einem Fünftel. "Die Gefahr wird auf jeden Fall überschätzt", sagt deshalb auch Gerd Häusler, früher Direktor des Internationalen Währungsfonds (IWF) und heute bei der Investmentbank Lazard. Bislang agierten die Staatsfonds wie gewöhnliche Vermögensverwalter. "Es geht ihnen darum, das Staatsvermögen für zukünftige Generationen zu mehren und nicht strategische oder gar politische Interessen durchzusetzen. Und es gibt bislang keine Anzeichen dafür, dass sich daran etwas ändern wird."

Wirtschaft profitiert

Dass Staatsfonds durchaus ihr Gutes haben, erkennen manche Länder früher als Deutschland. Gerade angesichts der anhaltenden Finanz- und Immobilienkrise in den USA sind sie hochwillkommen. Einigen großen westlichen Banken machten die Verluste arg zu schaffen, das Eigenkapital drohte knapp zu werden. Deshalb holte sich neben der amerikanischen Citigroup und der US-Investmentbank Morgan Stanley ausgerechnet die ehrwürdige Schweizer UBS ausländische Staatsfonds als Investoren an Bord. Früher wäre das für die stolzen Alpenländler undenkbar gewesen. In Notzeiten aber fragt man eben nicht, woher das Geld kommt, das einen rettet.


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