DAS LEBEN PASSIERT - LA VIDA PASA
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von Rostock/Mecklenburg nach La Habana/Cuba
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"Kenya, Kuba, das ist doch alles dasselbe: Hitze, Neger, AIDS!"
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THORSTEN SCHMIDT: KUBANER KÜSSEN BESSER

[buenos días - Bilder vom 'Wiener Wolf']
[Fotomontage]
[Kuba - Land ohne Hoffnung]

EIN KAPITEL AUS DIKIGOROS WEBSEITE
"AVEZ-VOUS BOURBON?"
REISEFILME DES 20. JAHRHUNDERTS

Womit soll Dikigoros hier anfangen? Mit der falschen Übersetzung der Titelzeile (die nicht von ihm stammt, sondern vom Drehbuchautor)? Mit dem bösen Vorurteil der Tante aus Zeile drei der Überschrift? Oder besser mit dem falschen Filmtitel? Nun, was heißt falsch - es gibt Dinge zwischen dem Spanischen und dem Deutschen, die lassen sich nicht oder nur ungenau übersetzen. Zum Beispiel das Wort "besar", das - ähnlich wie das französische "baiser" - keineswegs allein "küssen" bedeutet, sondern auch - und heute sogar in erster Linie - das, was früher (und so auch von der alten Hotelbesitzerin im Film) umständlich mit "hacer el amor" umschrieben wurde. Und "la vida pasa" ist ein geflügeltes Wort, das soviel bedeutet wie "das Leben vergeht" und sagen will, was die alten Römer mit "carpe diem" ausdrückten: Das Leben ist kurz, also mach' was draus und nutze jeden Tag! Die deutsche Übersetzung will dagegen ausweislich der Umschreibung "disfruta del día [genieße den Tag]" genau das Gegenteil besagen: "Versuche nicht, das Leben zu planen, sondern laß es einfach auf dich zukommen und lebe in den Tag hinein." Das ist - auch wenn die Schauspieler sympathischerweise nicht Sächsisch, sondern (wie sich das für ordentliche - und unordentliche - Mecklenburger gehört) Hochdeutsch mit leicht niederdeutschem Zungenschlag sprechen - reinstes Ossinesisch, resultierend aus dem Jahrzehnte langen 'inneren Widerstand' des Durchschnitts-Ossis gegen die Planwirtschaft; und da bewahrheitet sich mal wieder Dikigoros' alter Spruch, daß Ossis und Wessis sich zwar der gleichen Wörter bedienen mögen, aber dennoch in einer anderen Sprache denken und sprechen und deshalb ständig aneinander vorbei reden. Ihr glaubt doch nicht etwa, liebe Leser, daß man in diesem Film nur etwas über Kuba und die Kubaner erfahren kann? Nein, fast mehr noch über die Ossis - die nur vordergründig als 'typische Deutsche' gezeichnet sind.

Fangen wir doch einfach mal damit an - das tut ja auch der Film: Doreens Familie lebt ganz kleinbürgerlich (ja, liebe Leser, die Menschen im 'Arbeiter- und Bauernstaat' waren auf ihre Art viel spießiger und kleinbürgerlicher als die in der kapitalistischen Bundesrepublik :-) vor sich hin, d.h. sie wohnt zusammen mit ihrer Cousine Peggy, ihrer Mutter, ihrer Tante und ihrer Großtante; und als ihr langjähriger Freund Henning geschäftlich endlich reüssiert und ein Reihenhaus kaufen kann, kommen die Lieben natürlich mit, um beim täglichen Hausputz und Einkaufen zu helfen, wenn es gilt, die Schnäppchen beim Klingel-Versand, Ikea, Schlecker und Karstadt zu nutzen. [Was ist daran eigentlich so lächerlich, wie es im Film gemacht wird? Muß alles maßgeschneidert und von Hand gefertigt sein? Ist das besser, bloß weil es teurer ist? Sieht es auf Kuba - wo es keine Massenproduktion gibt, sondern jeder Handwerker so vor sich hin wurstelt - besser aus?]

Moment mal, auf welchem Planeten leben wir da eigentlich? Eine mehr oder minder intakte Großfamilie mitten in Deutschland? Wo gibt's denn sowas? Ja, liebe Wessis, in der DDR gab es das noch; nicht etwa weil die Ossis mehr Familiensinn gehabt hätten, sondern weil sie aus der Not eine Tugend machen mußten: Wohnraum war knapp, wie alles, was vom Staat bewirtschaftet und den Untertanen nur gnadenhalber zugeteilt wurde, da mußten die Familien schon mal zusammen rücken, zumal alte Witwen. Wohlgemerkt, der Film spielt in der Gegenwart - anno 2002 -; aber so leicht läßt sich die Vergangenheit halt nicht abschütteln; auch die witzig gemeinte Antwort auf die Frage von früher, wie alt die DDR maximal werden könne - 65 Jahre, dann hätten die letzten ihrer Bürger in den Westen rüber gemacht (Rentner hatten ja Ausreisefreiheit, man hätte diese unnützen Fresser am liebsten sogar zwangsweise abgeschoben, damit der Westen ihre Renten zahlte) - ist falsch: Die DDR lebt in den Köpfen der Ossis weiter, und die sorgen dafür, daß sie auch in den Köpfen der nachgeborenen Generationen erhalten bleibt, sogar in verklärter Form, mit einem Nationalgefühl Ost, wie es das zu Zeiten der real existierenden DDR aller staatlichen Propaganda zum Trotz nie gegeben hatte. Dikigoros dachte früher, man müsse einfach nur abwarten, bis die letzten gelernten Ossis ausgestorben wären, um aus ihren Kindern normale Menschen zu machen; aber das war ein Irrtum: Echte Ossis sind nicht zu retten (ebenso wenig wie echte Kubaner :-) - die kann man, wie inzwischen nicht mehr nur böse Zungen behaupten, allein dadurch kurieren, daß man sie wieder in die Unabhängigkeit ent-läßt, eine schöne hohe Mauer drum herum baut und sie mitsamt ihrem mißratenen Nachwuchs sich selbst über-läßt. Jede Bundesregierung, die das angesichts der leeren Staatskassen unter-läßt, handelt kriminell. [Die BRD, liebe jüngere Nicht-Wessis und andere Nicht-Deutsche, die Ihr dies lest und Euch ob dieser Aussage aus Unwissenheit empören möget, war einmal - vor der "Wieder"-Vereinigung mit der DDR - das reichste Land Europas und eines der reichsten der Welt. Die "Wiedervereinigung" mit den Ossis hat Deutschland ruiniert und binnen weniger als einem Jahrzehnt zum ärmsten und am höchsten verschuldeten Land der EU gemacht.]

[der Schlüssel zu Kuba: Sonne, Palmen blaues Meer, Jakobiner-Mütze über Liktoren-Bündel - auch 'Fasces' genannt -, und das alles eingerahmt von Eichenlaub und Schwertern, pardon Eichenlaub und Lorbeer]

Aber Doreen ist anders, sie fällt aus dem Spießbürger-Rahmen, denn sie kommt nach ihrem Großvater, der schon anno '62, nach der kubanischen Revolution, auf Castros Insel reiste, um dort bei der Restaurierung einer Kirche mit zu helfen. [Völlig abstruse Idee, daß das kommunistische Regime christliche Kirchen hätte restaurieren lassen - welcher Volltrottel ist bloß auf die Idee gekommen? Anm. Dikigoros] Und so lassen sich Doreen und Henning von Cousine Peggy - die zufällig in einem Reisebüro arbeitet - für den nächsten Urlaub Kuba aufschwatzen. Pragmatisch wie Henning nun mal ist, will er dort auch gleich die kirchliche Hochzeit stattfinden lassen. [Hört hört, Ossis die kirchlich heiraten!] Allerdings hält ihn der Job (und die Tanten die Skepsis - siehe dritte Zeile der Überschrift :-) noch etwas in Rostock auf, also fliegen Doreen und Peggy erstmal voraus, um für eine "perfekte Organiation" zu sorgen: Ein gutes Hotel unter deutscher Leitung mit eigenem Strand und einer Bar, die 24 Stunden rund um die Uhr geöffnet hat (das scheint deutschen Urlaubern immer besonders wichtig zu sein), eine schöne Kirche für die Trauung usw. Moment mal, Hotels unter deutscher Leitung auf Kuba? Gibt es das? Natürlich nicht - außer im Film, und selbst da brennt es gerade ab, als unsere beiden Heldinnen endlich hin gefunden haben, nach mühsamer Anreise mit allen Dritte-Welt-Klischees: Der Hotel-Bus, der sie vom Flughafen abholen sollte, ist unterwegs mit einer Panne liegen geblieben (sie kommen unterwegs an ihm vorbei, ohne es zu bemerken, da für sie - anders als für den Zuschauer - keine Kamera auf den Schriftzug "Hotel Excelsior" am Bus zoomt), Taxis fahren keine mehr (die anderen Touristen haben ihnen die paar, die am Flughafen herum standen, schon weg geschnappt), und zu Fuß gehen ist äußerst mühsam, vor allem wenn man sich unterwegs von Kokosnüssen ernähren muß, die einem zwar freundlicherweise auf den Kopf fallen (wie sollte man sonst dran kommen? Auf die Palmen klettern?), die man aber dann nicht auf bekommt. Zu allem Überfluß wird Doreen auch noch von einem Einheimischen namens Ruben angefahren. Zum Glück im Unglück passiert ihr nicht viel, denn die alte Klapperkiste ist nicht viel stabiler als ein Trabi. (Jemand hat Kuba mal ein "Automuseum" genannt, weil die Autos dort im Schnitt 50 Jahre alt sind; zum Glück gibt es kaum Benzin, und wenn, dann nur zu Wucherpreisen auf dem Schwarzmarkt; so wird die Umwelt geschont!)

[Innenstadt-Idyll mit alten Autos - im Hintergrund das Capitol] [altes Auto in Havanna] [Castro tut sich wichtig]

Ruben, der praktischerweise etwas Deutsch spricht, nimmt sie zur Wiedergutmachung erstmal in seiner eigenen Strandhütte auf - und da stimmen die Klischees schon nicht mehr, denn so etwas ist Privatleuten im sozialistischen Kuba streng verboten, es sei denn, sie hätten eine staatliche Lizenz und arbeiteten gegen Bezahlung in Valuta (die sie dann bei der Staatsbank zum offiziellen Wechselkurs einzutauschen hätten, der bei rund einem Zehntel des Schwarzmarkt-Kurses liegt). Nun ist das mit "Klischees" so eine Sache. Das französische Wort "cliché" bedeutet nicht umsonst "Abklatsch", und zwar einen Abklatsch nicht etwa von irgendeiner Fantasie, sondern - von der Wirklichkeit. Und die meisten Leute, die sich über "Klischees" das Maul zerreißen (wie auch über "Vorurteile" - aber das ist eine andere Geschichte), tun das nicht, weil ihnen der Abklatsch nicht gefällt, sondern weil ihnen nicht behagt, daß die abgebildete Wirklichkeit, auf die er zurück geht, aufgedeckt wird. Deshalb sind man in diesem - völlig unpolitischen - Film auch nicht die vielen Plakate von Ernesto 'Che' Guevara, dem unvergessenen Martyrer der Revolution, und von Fidel Castro, dem "Máximo Líder [Größten Führer, von englisch "leader"]" zu sehen (nur ein einziges huscht mal ganz kurz durchs Bild, auf dem geschrieben steht, daß die Kubaner noch Jahrhunderte von ihrer glorreichen Revolution zehren werden), ebenso wenig die schwarzen Jineteras [sucht den Begriff nicht im Wörterbuch, liebe Leser, es ist ein Schimpfwort für das, was im Ostblock Intergirl genannt wird: Valuta-Nutten, also Prostituierte, die es für harte Devisen mit Ausländern treiben] oder die allgegenwärtigen Colas (nein, nicht das gleichnamige Getränk, mit dem man - außerhalb Kubas, denn auf der maroden Insel gibt es keine, außer für Valuta-Touristen - "Cuba libre" mixt, sondern die Warte-Schlangen :-), in denen die Kubaner im Schnitt drei Stunden täglich verbringen, um z.B. je ein Brötchen pro Tag und Nase - gegen Bezugsschein, versteht sich - zu erstehen (im wahrsten Sinne des Wortes!), früher à 80, heute nur noch à 50 Gramm (auch das ist streng von Staats wegen reglementiert). [Gewiß, auch in Deutschland werden seit der "Wieder"-Vereinigung deutlich kleinere Brötchen gebacken - auch im wahrsten Sinne des Wortes! -, aber niemand hindert einen, pro Tag und Nase gleich ein Dutzend zu kaufen.]

[Die Helden der Revolution: Fidel Castro und Ernesto 'Che' Guevara] ['Che' Guevara] [kubanische Schüler]

Doch das ist letztlich Geschmackssache (Dikigoros ist kein Freund laffer Brötchen, aber auf Reisen außerhalb Mittel-Europas verzichtet auch er notgedrungen auf sein Vollkornbrot): In Ländern wie Kuba klappt es halt nicht wie bei uns mit Flughafenbussen, Hotels usw., wenn man sich nicht auf ein Pauschal-Arrangement einläßt, das von Kapitalisten gemanagt, also fest in ausländischer Hand ist. Wenn man also auf so etwas Wert legt, sollte man entweder zuhause bleiben oder in Länder reisen, die das ebenso perfekt - oder noch perfekter - organisieren; solche zu finden ist ja - zumal im Vergleich zu Ossiland - so schwierig nicht. Und wenn man Valuta hat - und sei es nur Teuros - ist man doch in Kuba nach wie vor (vielleicht sogar mehr denn je :-) der King, und kann sich mit den berühmten Torten vollfuttern (eine Arbeitskollegin von Frau Dikigoros tut das jedes Jahr) - das ist die wahre Errungenschaft der kubanischen Revolution! Wie soll schon Königin Marie Antoinette kurz vor der französischen Revolution von 1789 gesagt haben: "Wenn das Volk kein Brot hat, soll es doch Kuchen essen!" [Nein, liebe historisch gebildete Leser, Ihr braucht Dikigoros nicht zu mailen; er weiß, daß den Spruch mit den Brioches (was mit "Kuchen" nicht ganz korrekt übersetzt ist - "Krapfen" träfe es besser) der Genfer Schreibtisch-Revolutionär Johann Jacob Rosenwasser - den Nachgeborenen besser bekannt als "Jean-Jacques Rousseau"; Juden mögen es nicht, wenn man ihre echten Namen kennt und nennt - erfunden hat (übrigens ursprünglich auf eine andere Person als Marie Antoinette bezogen); aber er paßt so schön nach Kuba: Die Einheimischen hungern, und die Touristen essen Brioches, oder, wie das dort heißt, Bollos.]

[Torten]

Exkurs. Glaubt bitte nicht, liebe Leser, daß das, was Dikigoros da eben geschrieben hat, nur für das kommunistische Kuba gelte. Er kennt Länder in Lateinamerika, die nicht kommunistisch, sondern - zumindest auf dem Papier - demokratistisch und kapitalistisch sind, wo die Autos indes um keinen Deut besser aussehen. Die Autos in Kuba waren auch in der "guten alten Zeit" unter Batista asbach-uralt, davon könnt Ihr Euch überzeugen, wenn Ihr Euch mal Filme aus jener Zeit anschaut, z.B. "The Big Boodle" [in Deutschland als "Jagd durch Havanna" gelaufen] von 1957. Es ist allzu [un]billig, diese Zustände auf "den Kommunistmus" oder auf "den Sozialismus" zu schieben, und dabei die natürliche (ja, die von der Natur - Sonnenschein oder Regen, Hitze oder Kälte und vieles andere mehr - über Generationen hinweg geprägte!) Mentalität seiner Träger völlig außer Acht zu lassen. Habt Ihr Euch noch nie gefragt, warum bestimmte Weltanschauungen - und die auf ihnen beruhenden Regierungs-Systeme - bei bestimmten Menschen besonderen Anklang gefunden haben, z.B. die "Parteien-Diktatur" oder die "Parteien-Demokratie" (was letztlich auf dasselbe hinaus läuft, auch wenn man sich bei letzterer alle paar Jahre aussuchen kann, von welcher Partei man sich seine Steuern und Sozialabgaben diktieren lassen will :-) bei solchen, die von Natur aus zur Vereinsmeierei neigen, oder der Kommunismus bei solchen, die von Natur aus zum Müßiggang neigen? Oder habt Ihr Angst, daß Euch die ethno-linken Gutmenschen ob einer solchen Fragestellung "rassistischer" Gedankenverbrechen anklagen könnten? Dikigoros ist in dem Glauben erzogen worden, daß es Ideologien, Staats- und Regierungsformen gebe, die per se gut oder böse seien: Diktatur, Kommunismus und National-Sozialismus sind böse, Republik, Demokratie und Liberalismus sind gut; man könnte, sollte und müßte also nur überall auf der Welt erstere durch letztere ersetzen und die Völker an ihren Segnungen teilhaben lassen, und schon wäre alles in Butter. (Das ist wörtlich zu nehmen, denn es will besagen, daß es dann nirgendwo auf der Welt mehr Hunger und Not gäbe, sondern nur noch Kanonen und Butter. Ja, auch erstere, denn eine florierende Rüstungs-Industrie gehört mit dazu!)

Dikigoros verwendet hier bewußt pseudo-religiöse Begriffe, denn dieser Glaube der Demokratisten unterscheidet sich nicht wesentlich von der Einstellung, mit der die Christen Jahrhunderte lang versucht haben, ihr Credo über die ganze Welt zu verbreiten, und mit der die Muslime dies heute noch versuchen - beide wohlgemerkt in dem Glauben, den solchermaßen Beglückten etwas Gutes zu tun und sie deshalb auch zu ihrem Glück zwingen zu dürfen, ja müssen, wenn die nicht einsichtig sind. Aber nachdem Dikigoros viel in der Welt herum gekommen ist - auch und gerade in Lateinamerika -, sie angeschaut und seine Welt-Anschauung dabei einer Prüfung, nein mehreren Prüfungen unterzogen hat, glaubt er nicht mehr an diese "Ismen"; und er glaubt insbesondere nicht, daß Bekehrungen oder/und Umerziehungen religiöser oder pseudo-religiöser ("politischer") Art irgendeinen Sinn machen. Er ist vielmehr zu der Überzeugung gelangt, daß die unterschiedlichen politischen Systeme nicht Ursache, sondern Wirkung der unterschiedlichen Mentalitäten unterschiedlicher Völker sind, oder jedenfalls deren überwiegender Mehrheit. Es stimmt einfach nicht, daß der Kommunismus den Kubanern, der National-Sozialismus den Deutschen, der Islamismus den Arabern oder der Kapitalismus den Yankees jeweils nur von einer kleinen Minderheit aufgezwungen worden wäre. Das sind fromme Lügen oder faule Ausreden, je nachdem, wie man es bezeichnen will. Umgekehrt wird ein Schuh draus: Diese "Ismen" pass[t]en jeweils besonders gut zu den Menschen, bei denen sie erfolgreich waren oder noch immer sind; und deshalb sieht es auch in Havanna heute so aus wie es aussieht. Exkurs Ende.

Zurück zum Film und zum Kampf gegen die Klischees: Natürlich ist Ruben kein Neger (man bekommt auch sonst nur wenige zu sehen, obwohl doch inzwischen über 90% der kubanischen Bevölkerung schwarz oder mulatto ist - die Tante hat nämlich so Unrecht gar nicht), natürlich hat er kein AIDS, und natürlich ist es auch nie zu heiß - von einer nicht funktionierenden Klimaanlage ist jedenfalls nie die Rede, lediglich von einer nicht funktionierenden alten Juke-box - und die bekommt Doreen wieder zum Laufen, indem sie einfach mal auf den richtigen Knopf drückt. [Die Filmmusik stammt von der Band "Orishas", die zwar gar nicht in Kuba sitzt, sondern in Paris, und die ihre Plattenfirma gerade massiv in den deutschen Markt zu lobhudeln versucht - nicht schlecht, aber so toll nun auch wieder nicht.] Dafür wird ein Klischee bestätigt, das wahrscheinlich eher auf die DDR zutraf als auf Kuba: das vom Tauschhandel mit Naturalien. (In der DDR gab es wenigstens ab und zu mal etwas zum Tauschen - nicht mal diese Mindestvoraussetzung war und ist in Kuba erfüllt.) Ruben muß tanken, und Doreen will ihm Geld dafür geben. Er lehnt ab: Hier wird auf kubanische Art eingekauft! Die beiden fahren ans Wasser, um Fische zu fangen (was Doreen, da sie aus Rostock kommt, natürlich perfekt beherrscht - ist das kein Klischee?), die sie gegen ein Poster mit Marilyn Monroe eintauschen, dieses gegen ein 'Playboy'-Magazin (das es auf Kuba offiziell gar nicht geben dürfte :-), das wiederum gegen ein Holzgestell, und dafür bekommen sie endlich von dem alten Mann an der Tankstelle ein paar Liter Benzin-Ersatz - nicht etwa vom Zapfhahn, sondern aus einem Faß über einen Wasserschlauch, den er persönlich ansaugt (und dabei auch selber jedesmal einen ordentlichen Schluck nimmt, schließlich ist dem Zeug reichlich Alkohol beigemischt :-).

[Strand in Kuba außerhalb der Touri-Zone] [Marilyn Monroe] [Playboy] [kubanische Tankstelle]

Nach dem Tanken fährt Ruben Doreen auf Hotelsuche für die liebe Verwandschaft, was ein ziemlich schwieriges Unterfangen ist, denn nachdem das erste Haus am Ort abgebrannt ist, sind die anderen natürlich erst recht ausgebucht - die anderen Touristen sind, wie schon bei den Taxis, schneller gewesen. Aber Doreen gibt nicht auf, und als Ruben 'Siesta' (auch keine kommunistische Erfindung!) halten will, setzt sie sich selber ans Steuer und zeigt ihm, wie man als Deutsche Auto fährt (das haben die Ossis ja als erstes - wenn nicht als einziges - von den Wessis gelernt :-): immer mit Vollgas auf der Überholspur. Der Ärger ist nur, daß es in Kuba gar keine Überholspuren gibt, sondern nur Gegenverkehr. Der Witz ist, daß Doreen trotzdem heil durch kommt, während Ruben, als er entnervt das Steuer wieder an sich reißt, prompt gegen den nächsten Baum fährt. Was will uns der Regisseur damit sagen? Na klar: Frauen sind doch die besseren Autofahrer! So kommt es zum ersten Knatsch, und Doreen setzt ihre Hotelsuche zu Fuß fort. Erfreulicherweise findet sie bald ein richtig schönes altes Hotel, etwas herunter gekommen zwar, aber mit viel Grün, das von einer ebenso alten Einheimischen gemanagt wird, die sich als "Lucinda" vorstellt und ebenfalls ein paar Brocken Deutsch spricht.

Darf Dikigoros an dieser Stelle anmerken, daß er selber in solchen Hotels am liebsten absteigt? Keine Touristen, aber auch kaum Einheimische, und man kann sich stundenlang von den Inhabern über die "gute alte Zeit" erzählen lassen, wobei man oft Dinge zu hören bekommt, von denen man sich im politisch verdummten, pardon korrekten Europa keine Vorstellung macht: z.B. in Indonesien über die segensreiche holländische Kolonialherrschaft, in Ceylon über die britische, in Namibia über die deutsche und in Kuba über die amerikanische des Dollar-Imperialismus, als die Amis noch reichlich Knete in den Nachtclubs und Spielkasinos zurück ließen. Nun sind sie weg, und die Dollars auch - obwohl man die anno 1993, zwei Jahre nach dem Zusammenbruch der Sowjet-Union und dem Ende der Subventionen des Großen Bruders, ganz offiziell zur Zweitwährung erhoben hat -, und erst jetzt weiß man, was man an ihnen hatte. (In welchem vom weißen Kolonialismus "befreiten" Land der Dritten Welt wüßte man das inzwischen nicht? :-) Schade, daß der Film - er will ja unpolitisch sein - diese Chance verpaßt. Lucinda, die alte Dame (ja, sie ist noch eine echte Dame - eines der letzten Exemplare dieser in Kuba wie anderswo aussterbenden Species!) erzählt nur, daß den Touristen das alte Hotel nicht mehr gut genug sei, weshalb sie schon seit Jahren keine Gäste mehr gehabt habe. (Eine sehr blauäugige Version von der Zerstörung der privaten [nicht nur Hotel-]Wirtschaft im kommunistischen Kuba!) Und sie erzählt Doreen von ihrer großen Liebe aus Alemania, der sie noch immer nachtrauert: Seit 40 Jahren sitze sie jeden Abend auf der Bank vor der Kirche und warte darauf, daß er zurück käme. Und dann fragt sie nach dem Verlobten von Doreen. Die schildert Henning als zuverlässig, treu ("er würde mich nie betrügen") und tüchtig im Beruf. Lucinda ist ob einer solch spießigen Beschreibung verwundert und fragt zurück, warum sie nicht erzähle, wie er aussehe und wie er im Bett sei. [Ja, liebe Leser, da scheint es fundamentale kulturelle Unterschiede zu geben zwischen Mitteleuropäern und Lateinamerikanern, wenn es um die Partnerwahl geht. Man braucht nur einmal die Rubrik "Heiratsanzeigen" in einer deutschen Tageszeitung zu studieren: Während die weiblichen Inserenten stets nur 'Äußerlichkeiten' anpreisen - Jugend, gutes Aussehen usw. - stehen bei männlichen Inserenten 'innere Werte' - nämlich der Inhalt ihrer Brieftaschen, ihr Beruf und ihre wirtschaftlichen Verhältnisse - im Vordergrund; und das wäre ja schwerlich so, wenn nicht die Interessen der jeweils Angesprochenen in erster Linie in eben diese Richtung gingen.]

[100 Pesos] [100 Pesos]

Aber Doreen verdrängt das erstmal und widmet sich den praktischen Aufgaben, deren Bewältigung von ihr erwartet wird. Dabei paßt sie sich wider Erwarten schnell den kubanischen Verhältnissen an (was ihr als gelernter Ossifrau natürlich leichter fällt als es einer Wessifrau fallen würde): Sie hat an der Art, wie der alte Mann an der Tankstelle das Gestell aufgebaut hat, gemerkt, daß er schlecht sieht. (Kein Wunder, von dem Zeug, das er da täglich trinkt, wird man auf die Dauer blind.) Also erkundigt sie sich bei Lucinda nach dem nächsten Optiker, von dem sie eine Brille anfertigen läßt (allerdings gegen Bezahlung - welch ein Stilbruch :-), die sie beim alten Tankstellenwärter gegen die Reparatur von Rubens Auto eintauscht.

Dem hat sich unterdessen Cousine Peggy vergeblich an den Hals zu werfen versucht - sie hat auch auf Kuba kein Glück mit den Männern. (Aus Rache lügt sie Doreen vor, daß er schlecht im Bett gewesen sei. Typisch weiblich? Typisch deutsch? Typisch ossinesisch? Dikigoros weiß es nicht.) Ja, liebe Leser[innen], was für die in Europa zu kurz gekommenen Herren der Schöpfung Südostasien im allgemeinen und Thailand im besonderen ist, das ist für die sexuell frustrierte Damenwelt die Karibik im allgemeinen und Kuba im besonderen: So ein netter Neger, der immer will und kann (wo findet sich so etwas schon noch bei den Weißen? :-) ist in Kuba schnell gefunden und für wenig Geld zu haben. (Auf den Bahamas, Bermudas, Jamaica und inzwischen auch in der einst so billigen Dominikanischen Republik sind sie wesentlich teurer, und Haïti ist zu gefährlich geworden.) Und natürlich kann man bzw. frau sich billig besaufen, jede Nacht durchmachen in der Disco, und tagsüber am Strand liegen und sich Sonnenbrand holen, wie Peggy. Und das alles mit deutscher Perfektion?!? Ja, einige scheinen das allen Ernstes zu erwarten.

So auch Henning und die vereinte Verwandschaft, die endlich ankommen, und die fast der Schlag trifft ob des allgemeinen Durcheinanders: Doreens Mutter beginnt sofort, das Hotel zu putzen. Henning, der gleich in schönster Großkotzigkeit einen Saufabend in der nächsten Bar veranstaltet (auch das ein "Klischee", das leider nur zu oft den Tatsachen entspricht!), verkracht sich bei der Gelegenheit mit Ruben (der sich längst in Doreen verliebt hat, die ihm verschwiegen hat, daß sie zum Heiraten nach Kuba gekommen ist), und am nächsten Morgen schimpft er ordentlich mit seiner Verlobten, als heraus kommt, daß die nicht nur kein ordentliches Hotel besorgt hat, sondern auch in Sachen Hochzeit nicht voran gekommen ist (selbst das Hochzeitskleid hätte sie vergessen, wenn die alte Hotelbesitzerin nicht eines in Reserve gehabt hätte - das ihrer Mutter, das sie selber nie gebraucht hat), denn sie und Henning sind evangelisch, was sie ganz vergessen hatte, dem - katholischen - Priester zu sagen, der sie nun nicht trauen will.

Mit Hilfe von Ruben läßt der sich zwar umstimmen, und trotz einer kleinen Verspätung - Henning regt sich furchtbar auf, macht eine Mords-Szene und will schon fast abreisen - schaffen sie es doch noch bis zum Altar; aber gerade als sie einander das Ja-Wort geben wollen, fällt die Großtante in Ohnmacht, und so reisen sie unverrichteter Dinge wieder ab.

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Unverrichteter Dinge? Aber nein, liebe Leser, wenn der Film jetzt zuende wäre, wäre er ja das Zelluloid nicht wert, auf dem er gedreht wurde! Bei einigen Film-Ossis hat nämlich die Begegnung mit einer fremden Kultur dazu geführt, daß sie endlich mal anfangen, über sich selber nachzudenken, über das, was sie eigentlich vom Leben wollen und was nicht - und das ist ja der eigentliche Sinn einer Auslandsreise, nicht sich tagsüber die Sonne auf den Bauch scheinen und nachts mit billigem Alkohol voll laufen zu lassen! Für Mutter und Tante ist der Fall klar: "Nie wieder Kuba, den nächsten Urlaub verbringen wir wieder auf Rügen." (Cousine Peggy denkt freilich schon an Südafrika: gutes Hotel unter deutscher Leitung, mit eigenem Strand, Hotelbar 24 Stunden am Tag geöffnet...) Und für die Großtante auch: Sie simuliert ein Koma und bleibt solange im Krankenhaus, bis sich Doreen endlich von ihr aufklären läßt: "Ich komme nicht eher wieder nach Hause, als Deine Hochzeit mit Henning endgültig geplatzt ist. Ihr paßt nicht zusammen; du kommst nach deinem Großvater, meinem Lieblingsbruder." Inzwischen hat Doreen auch schon in den alten Fotos ihres Großvaters gekramt und dabei festgestellt, daß er die Jugendliebe Lucindas war (sie trägt auf einem Foto das Amulett, das sie Doreen zur geplanten Hochzeit geschenkt hat) - daher konnte sie also noch etwas Deutsch! Die Großtante hatte das auch bemerkt - an den Initialen ihres Bruders in der Kirche -, und just darob war sie auch in Ohnmacht gefallen.

Doreen ist gerührt, denn wie ihr die Großtante erzählt, hat auch ihr Großvater seiner Jugendliebe ein Leben lang nachgetrauert. Und sie? Wenn sie sich hier in Rostock so umschaut, traut ihr niemand etwas zu (nicht mal die eigene Mutter, die nicht nur ständig hinter ihr her putzt, sondern auch ganz offen fragt, was sie bei der Erziehung ihrer Tochter falsch gemacht habe), alle setzen sie nur unter Druck - die Tante hat sogar schon das Kinderzimmer gekauft (bei Ikea), obwohl Doreen noch gar nicht schwanger ist und eigentlich gar keine Kinder bekommen, ja das Leben überhaupt nicht planen, sondern in den Tag hinein leben will, wie sie Ruben verstanden hat: einen Traum verwirklichen statt ein Ziel zu erreichen... Ja, liebe Leser, das ist sympathisch (zumindest im ursprünglichen Sinne dieses griechischen Wortes :-), und Dikigoros kann das gut nachvollziehen - auch er hält nichts von perfekt im voraus geplanten Reisen und Lebensläufen (jedenfalls stört es ihn nicht, wenn nicht immer alles so läuft wie geplant - die Planung an sich macht ihm schon Spaß); aber ob da nun ausgerechnet der lateinamerikanische Schlendrian im allgemeinen und der kubanische im besonderen eine gute Alternative abgibt? Neigen die Deutschen wirklich dazu, derart von einem Extrem ins andere zu fallen?

Wie dem auch sei, Doreen packt die alte Spieluhr ihres Großvaters - als Geschenk für seine Jugendliebe - in einen alten Rucksack und reist auf einem alten Dampfer erneut nach Kuba, zurück zu ihrem Ruben. Und für die anderen gibt es auch so etwas wie ein Happy-end: Peggy bekommt den von ihr so bewunderten Spießbürger, pardon erfolgreichen Wirtschaftsberater Henning (der sicher froh ist, seine chaotische Dauerfreundin, die nicht weiß was sie will, gegen eine tüchtige Organisatorin eingetauscht zu haben - die das ganz genau weiß); Mutter Renate, der Putzteufel, ist glücklich, täglich das Haus von oben bis unten putzen zu können (und dafür auch noch Anerkennung zu ernten :-); und die Großtante... ja, was wird eigentlich aus der alten Großtante, die noch in Ansätzen Pladdütsch spricht (nicht so sehr vom Akzent her als von den Redewendungen)? Mit manchen Filmen ist es wie mit manchen Romanen, pflegt Frau Dikigoros zu sagen, sie enden dort wo es eigentlich erst richtig interessant zu werden verspricht. Aber ein klein wenig soll doch auch der Fantasie des Lesers bzw. Zuschauers überlassen bleiben. Lassen wir also unsere Fantasie ein wenig spielen! Was erwartet Doreen in Kuba, was sie in Deutschland nicht erwartet hätte? Nach ihrer (und Rubens) erklärter Vorstellung die Freiheit von Zwang und Planung, die Möglichkeit, in den Tag hinein zu leben und das Leben passieren zu lassen.

Darf Dikigoros erst einmal anmerken, daß "passieren" wörtlich "an einem vorbei gehen" heißt? Und daß es eigentlich nur zwei Varianten gibt, sein Leben auf diese Weise zu gestalten: Entweder man ist von Hause aus (also durch Erbschaft, Lottogewinn o.ä.) so reich, daß man sich eine solche Einstellung leisten und trotzdem in Saus und Braus leben kann (das wird aber immer nur einzelnen möglich sein, denn bisher sind noch alle Gesellschaften, die versucht haben, allen ihren Mitgliedern ein Leben im Schlaraffenland auf wohlfahrtsstaatlicher Basis zu ermöglichen, früher oder später damit gescheitert), oder man hat so geringe Ansprüche und eh keine Möglichkeit, mehr zu erlangen, weil die Gesellschaft, in der man lebt, nicht mehr her gibt, daß es einen nicht weiter stört. So ist es in vielen Ländern der so genannten "Dritten Welt", zu der entgegen weit verbreiteter Meinung nicht nur solche in Afrika und Asien zählen, sondern auch in Lateinamerika, wo der Spruch "mañana otro día será" [morgen ist auch noch ein Tag, im übertragenen Sinne: kommste heut' nicht kommste morgen] nicht umsonst so beliebt und in aller Munde ist. (Das Gerede von den lateinamerikanischen "Schwellenländern", die irgendwann mal zur Ersten oder Zweiten Welt aufschließen könnten, hat sich seit den 70er Jahren praktisch erledigt - aber das ist eine andere Geschichte.) Und für diese ist Kuba ein besonders fortschrittliches, pardon fortgeschrittenes Beispiel: Die wenigen leistungsfähigen und -bereiten Mitglieder seiner Gesellschaft sind seit der kommunistischen Machtergreifung in Massen zum amerikanischen Klassenfeind geflohen und haben sich in Florida eine kapitalistische Existenz aufgebaut; was zurück geblieben ist, entspricht in etwa dem Schrott der Ossis, die nicht aus der DDR geflüchtet sind. Kuba ist heute das ärmste Land Lateinamerikas - und die Cubanos haben im Gegensatz zu den Ossis keinen Großen Bruder, der ihnen ihr faul-in-den-Tag-hinein-Leben finanziert. Und ob auf die Dauer genügend Touristen dumm, pardon [n]ostalgisch genug sein werden, ihr Geld in Kuba zu lassen...? Doreen und Ruben scheinen es zu glauben, denn wenn Dikigoros das Ende des Films richtig deutet, dann setzen sie darauf, den eingemottenen Laden von Rubens verstorbenem Onkel - in dem die besagte Juke-box steht - wieder aufzumachen und vielleicht auch Lucindas altes Hotel wieder auf Vordermann zu bringen (ganz ungeplant, versteht sich :-).

Tourismus als hauptsächliche Einkommensquelle? Womöglich eines ganzen Landes? Einmal muß Dikigoros dieses Thema ja behandeln - einige Leser haben sich schon beschwert, daß er dies trotz des Untertitels, den diese Reise durch die Vergangenheit trägt, bisher versäumt hat, ja daß überhaupt kein Film vorkommt, der eine Urlaubsreise zum Thema hat. (Selbst Acapulco mag zwar ein typischer Urlaubsort sein; aber das Thema des gleichnamigen Films ist ja eher Musik und die Überwindung von Angst, nicht der Tourismus, geschweige denn der Pauschal-Tourismus.) Dikigoros hat dazu eine ganz entschiedene Meinung, mit der er manche Reisende vor den Kopf stoßen wird: Er lehnt nicht nur den Massen-Tourismus gänzlich ab, sondern auch die Art von Einzel-Tourismus, wie sie heute vielfach praktiziert wird: Otto Normalverreiser fliegt in ein Land, nimmt ein Taxi oder einen klimatisierten Bus vom Flughafen in die nächste Stadt, steigt im - möglichst im voraus gebuchten - soundsoviel-Sterne-Hotel ab (mit allen "Amenities" [Annehmlichkeiten] - zu denen auch zählt, daß er in seiner eigenen Sprache bedient wird, also auf Deutsch, oder zumindest auf Englisch), ißt nur dort oder im nächsten Restaurant (internationale Küche, versteht sich, mit deutschem Bier, französischem Wein, englischem Whiskey, amerikanischem Bourbon und kanadischem Rye), bucht eine Stadtrundfahrt mit Führung zu allen "Sehenswürdigkeiten", liegt noch etwas mit anderen Ausländern am hotel-eigenen, gegen Eingeborene gut abgezäunten Strand herum und reist irgendwann wieder ab. (Variationen sind möglich, aber das Prinzip bleibt sich meist gleich.) Warum denn auch nicht? Der große Romancier James Michener hat in "Caribbean" - in dem Kapitel über Kuba, Haïti und Puerto Rico - dem Offizier eines schwedischen Kreuzfahrtschiffes die Worte in den Mund gelegt: "Viele Inseln in dieser Region werden doch nur durch die Dollars am Leben erhalten, die die Touristen hierher bringen. Unsere Schiffe pumpen einen nicht versiegenden Strom harter Devisen in die schwarze Republik, aber das können wir nur, wenn wir diesen Zaun beibehalten... Das Land hat die Wahl: kein Zaun, keine Dollars - oder ein Zaun, der keinem weh tut, aber viel Geld einbringt." Ja, gewiß, der herrschenden Bonzokratie jener Inseln - von Castro bis Duvalier - mögen die Zäune, von denen die Touristen "geschützt" werden, viel Geld eingebracht haben; aber das hat ihre verhängnisvolle Herrschaft nur zementiert. Fairerweise muß man erwähnen, daß Michener auch die Gegenmeinung zu Wort kommen läßt, aus dem Mund einer jungen Negerin: "Ist das die Erfahrung, die der Reisende gesucht hat? Die unerschrockenen Seelen, die aus London, Paris oder einer der deutschen Städte aufgebrochen sind, um fremde Länder zu erkunden, und ebenso fremde Menschen?" Darf Dikigoros diese Frage ganz brutal beantworten? Ja! Genau das suchen sie, die Touristen aus London, Paris und Germany - weil die meisten von ihnen eben keine "unerschrockene Seelen" sind, sondern Feiglinge, die in ihrem Elfenbeinturm sitzen und von der schönen heilen Welt - auch der schönen heilen "Dritten Welt" - träumen und aus diesem Traum um keinen Preis aufgeweckt werden wollen, schon gar nicht wenn er so hoch ist wie der jener exclusiven Kreuzfahrt, die Michener beschreibt: "765 Passagiere, 418 Mann Besatzung, die Offiziere alle Schweden, die Kellner und Küchenhilfen Italiener, die gemeinen Matrosen Indonesier, und versteckt im untersten Deck, in der Waschküche, die Chinesen". (Er hat die Ingenieure und Maschinisten vergessen - wer mag die stellen? Und als was arbeiten die vielen Filipinos, die heutzutage das Gros aller Billig-Besatzungen stellen?)

Aber seid Ihr jemals durch ein Land gereist wie Dikigoros oder Melone das in ihren besten Zeiten noch konnten - in Asien, Afrika oder Lateinamerika? Anreise über Land oder Wasser, zusammen mit den Einheimischen in den selben öffentlichen Verkehrsmitteln, bei Bekannten wohnen (oder auch bei Wildfremden, die einen einladen - ja, diese Gastfreundschaft gab es einmal, und an manchen noch nicht vom Tourismus verdorbenen Gegenden soll es sie heute noch geben!), mit ihnen zusammen essen und trinken, was das Land her gibt (auch wenn es ungewohnt schmeckt), und besuchen, was auch sie besuchen: Nicht die reichste Kirche, den größten Palast, das berühmteste Museum, die höchste Aussichtsplattform, die teuerste und lauteste Glitzer-Disco, sondern die Kirche, in der die meisten Einheimischen beten gehen, auch wenn sie eigentlich ganz unscheinbar ist, den kleinen, schmuddeligen Strand, an dem sie baden (aber bestimmt nicht nackt, wie es die deutschen Touristinnen im Film tun), die billige Kneipe, in der sie nichts weiter unterhält als ein alter Gitarrist oder ein altes Piano, auf dem Dikigoros herum klimpert? Dumme Frage, wahrscheinlich nicht - das geht ja meist auch gar nicht, denn daß die Einheimischen Deutsch sprechen wie in "Kubaner küssen besser" ist halt die Ausnahme ("is'n Film" pflegt Frau Dikigoros in solchen Fällen zu sagen :-) und wer spricht schon genügend Spanisch, um das Mißtrauen der Lateinamerikaner zu zerstreuen, das sie - vielleicht nicht einmal zu Unrecht - gegenüber jedem nur Englisch sprechenden "Gringo" empfinden?

Die heute verbreitete Art des Reisens verdirbt nicht nur - zum Schaden der wenigen noch verbliebenen Reisenden, die Land und Leute wirklich kennen lernen wollen - Charakter, Moral und Preise in den Gastländern, sondern auch die Gastvölker an sich, die zwar, wenn es ihnen allzu bunt wird, den Touristen ihre Pforten verschließen könnten, aber nur um den Preis erheblicher Einschränkungen an Bequemlichkeit oder Wohlstand, was sich, je mehr Profiteure dieser Erscheinung es gibt, desto weniger in der Praxis wird durchsetzen lassen. Warum sollte denn eine junge Kubanerin für ein paar Pesos am Tag in der Zigarrenproduktion arbeiten (oder eine Siamesin umsonst auf dem Reisfeld ihrer Eltern - beides ungesunde und anstrengende Tätigkeiten!), wenn sie als Prostituierte so viel leichter so viel mehr Geld verdienen kann? Warum sollte man selber irgend etwas produzieren (und sei es Rum - längst haben die Kubaner ihren Kampf gegen den mexikanischen Bacardi aufgegeben), wenn es viel lukrativer ist, ausländische Produkte einzuführen (wie sie der "gehobene", d.h. anspruchsvolle, devisenkräftige Tourist ohnehin verlangt) und sie mit einem gehörigen Aufschlag in den Neppläden und Restaurants an Ausländer zu verhökern? Warum sollten Kinder noch zur Schule gehen, wo man eh nur dummes Zeug eingetrichtert bekommt, wenn es so viel nützlicher ist zu lernen, wie man Päderasten aus aller Welt befriedigt, die sich nicht mehr nach Südostasien trauen, weil sie dort zunehmend angefeindet, ja kriminalisiert werden?

[Jinetera] [Trommler] [Päderasten]

Natürlich erzeugt das Ansprüche und Begehrlichkeiten auch unter denjenigen Einheimischen, die an der Tourismus-"Industrie" [noch] nicht direkt beteiligt sind. Früher oder später wollen auch sie profitieren, und wenn eines Tages alle jungen Mädchen Jineteras geworden sind, alle jungen Männer Musikanten und alle älteren Leute Betreiber von Restaurants oder Hotels, dürfen sie sich die Frage stellen: Ist eine solche Schmarotzer-Gesellschaft wirklich auf Dauer [über-]lebensfähig (von glücklich ganz zu schweigen)? Dikigoros kann das nicht glauben. Nein, er predigt nicht die Isolation von der ganzen Welt, wie sie einige verrückte Länder vor allem in Asien lange Zeit versucht haben, oder die völlige staatliche Regulierung und Reglementierung des Besucherstroms mit Eintrittsgeld in Form von Zwangsumtausch, wie sie die Ostblockstaaten praktizierten - das führt nur zu geistiger und materieller Verarmung. Aber muß man denn gleich ins andere Extrem verfallen und einen gänzlichen Ausverkauf der eigenen Kultur und aller ihrer (nicht nur materiellen) Werte betreiben? Dikigoros dachte früher mal, wenn die kommunistischen Regimes des Ostblocks zusammen brächen (wovon er immer überzeugt war), dann würden dort, in jenen traditionell gastfreundlichen Ländern, wenigstens kurzfristig Reiseparadiese entstehen, zumal für Leute, die der Landessprachen halbwegs mächtig wären. Er hat sich getäuscht (aber auch das ist eine andere Geschichte); deshalb ist er vorsichtig geworden mit Prognosen, was nach Fidel Castros Tod aus Kuba werden wird. Aber er ist ziemlich sicher, daß es eines nicht werden wird: ein Urlaubsparadies, wie es uns die Reisebüros vorzugaukeln suchen.

[Kuba, eine Destination für schwarz-weiß-Fotografen, Blumenkinder und Paederasten - oder wie soll man einen Prospekt mit solchen 'incentives' verstehen?]

Links ein Reiseprospekt für das Jahr 2003. Man beachte die völlige Abwesenheit von Schwarzen - die abzubilden könnte womöglich Leute wie die Tante im Film abschrecken! Statt dessen verführerisch lächelnde Lolitas und alte weiße Männer grinsende Greise mit grauem Stoppelbart. Aber Dikigoros will hier nicht den falschen Eindruck erwecken, daß diese Art von Verlogenheit eine Erfindung des neuen Jahrtausends wäre. Schon auf alten, "solidarischen" Propaganda-Plakaten der DDR gab es allenfalls einen (!) Alibi-Neger; alle anderen Kubaner, die da so schrecklich unter der US-amerikanischen Aggression litten, waren weißhäutig - und im Zweifel auch noch blond und blauäugig!

Aber sind andere Monokulturen denn besser als der Tourismus? Ist es moralischer, wenn ein Land nur vom Export von Zigarren und Rum lebt, wie es Kuba früher tat? Oder vom Rauschgiftanbau, wie Kolumbien? Oder von Waffenexport und Geldwäsche, wie die Schweiz? Oder von Spielbankzockern und anderen Steuerhinterziehern, wie Monaco? Oder von der Prostitution, wie Thailand? Pardon, liebe Leser, wir wollen hier doch nicht fragen, was ein Land bzw. seine Regierung Gutes oder Schlechtes für die Ausländer tut (diese dümmliche Fragestellung ist typisch für deutsche Gutmenschen, sonst schert das niemanden auf der Welt!), sondern was sie Gutes oder Schlechtes für das eigene Volk tut, dem zu dienen sich die Politiker fast aller Staaten unter Eid verpflichten. Wenn sich Rum und Havanna-Zigarren gut exportieren lassen und damit zuhause ihren Mann ernähren (und das werden sie, solange es in Deutschland Leute gibt, die Kaschmir-Gerhard und Genossen an die Fleischtöpfe mit der Staatsknete wählen :-) - warum nicht? Wenn sich junge Körper gut vermieten lassen und zuhause ihre Frau ernähren - warum nicht, wenn das traditionelle Gesellschaftssystem ohnehin auf Prostitution beruht, und keine Frau umsonst mit einem Mann schlafen würde, nicht mal mit ihrem "Ehemann", wie in Thailand? Aber schlimm wird es, wenn das Gesellschafts-System durch "touristische" und ähnliche Eingriffe von außen erst durcheinander gerät, und dann in völlige Abhängigkeit. Denn was passiert, wenn die reichen Touristen mitsamt ihren schönen Devisen eines Tages ausbleiben und nichts eigenes mehr vorhanden ist, um diesen Ausfall zu ersetzen? Dikigoros will es Euch verraten: Das gleiche, was passiert, wenn man alle Arbeitsplätze mitsamt dem vorhandenen Know-how, den Fabrikationsanlagen und dem Kapital ins Ausland exportiert, weil man glaubt, dort mehr Gewinn heraus schlagen und Steuern sparen zu können: Armut, Hunger, Mord und Totschlag, und am Ende vielleicht sogar ein ausgewachsener Bürgerkrieg, bei dem kein Stein mehr auf dem anderen stehen bleibt. Schaut mal nach Afrika oder - aus dem Fenster. La vida pasa...

* * * * *

Nachtrag. Als der Film "Kubaner küssen besser" im November 2002 ins Fernsehen kam, wurde er unter ferner liefen im Nachtprogramm ausgestrahlt; und in der Fernsehzeitschrift von Frau Dikigoros hatte er einen schwarzen Daumen nach unten. Die negativen Kritiken (Dikigoros hat Euch eine - aus der "Neuen Osnabrücker Zeitung" - auf der Startseite unter den Leseempfehlungen verlinkt) überschlugen sich förmlich: "alberne Klamotte", "peinliche Klischees", "ein Selbstfindungsstück der kitschigen Art" las man da. Dann stellte Dikigoros diese Seite ins Netz; und zu seiner eigenen Überraschung stand sie bald an der Spitze der Zugriffsstatistik seiner Reisefilm-Besprechungen, vor "One, two, three", "Avanti" und "Intergirl". Und dann kam die nächste Überraschung: Im April 2004 wurde "Kubaner küssen besser" im Fernsehen wiederholt, zur besten Sendzeit, um 20.15 Uhr, und in der gleichen Fernsehzeitschrift hatte es nicht nur den roten Daumen nach oben, sondern es war zum "Tipp des Tages" avanciert, mit ausführlicher Besprechung, Bebilderung und "Starporträt". (Offenbar zählen auch die "Macher" von PRO SIEBEN und TV SPIELFILM zu Dikigoros' Lesern - wofür man sie ja nur loben kann :-) Und man sollte es kaum für möglich halten, aber noch etwas später kam dieser Fernsehfilm sogar in die Videotheken und wurde beinahe zum Bestseller! (Übrigens nicht nur in der BRDDR; inzwischen gibt es auch eine italienische Fassung - "Matrimonio a Cuba" - und eine französische - "Les amours de Cuba" :-)

Und noch ein Nachtrag. Dikigoros ist froh - und er legt Wert auf die Feststellung, daß er diesen Text nicht etwa im Nachhinein abgemildert oder sonstwie manipuliert hat -, daß er am Ende seiner Besprechung dem Versuch manch anderer Castro-Gegner, alle Übel der Welt im allgemeinen und alle Übel Kubas im besonderen der kommunistischen Wirtschaftspolitik zuzuschreiben, entgegen getreten ist. Als im Herbst 2008 das kapitalistische Weltfinanzssytem zu krachen begann und damit auch der weltweite ("globalisierte") Handel ernsthaft gefährdet war, zeichnete sich eine Antwort auf die Frage ab, welche Art von "Monokultur" in der Wirtschaft am gefährlichsten ist - und dabei schneiden die Wirtschaftszweige, auf die Kuba gesetzt hat (freilich schon längst vor dem Kommunismus :-) gar nicht mal so schlecht ab: Die Krise mag noch so hart sein, die Leute mögen den Gürtel enger schnallen und am Essen und Trinken sparen, aber an drei Dingen sparen sie, egal wie man die Statistiken dreht und wendet, zu allerletzt (obwohl sie es, objektiv betrachtet, zuallererst könnten und müßten): Alkohol, Rauchwaren und Urlaubsreisen. Warum das so ist? Ganz einfach: Wenn ein Brötchen aufgegessen, eine Zigarette aufgeraucht, eine Flasche leer getrunken und die Sonnenbräune verblaßt ist, dann ist sie weg, d.h. es muß "Nachschub" her. Wenn dagegen ein Auto alt wird und Probleme bekommt, dann kann man es reparieren - zur Not Jahrzehnte lang, das zeigt uns der Film doch in schönster Deutlichkeit. Und das gilt halt nicht nur auf Kuba, sondern überall auf der Welt, wo die Leute entscheiden müssen, woran sie eher sparen wollen, wenn sie sparen müssen: Um in Urlaub zu fahren, mögen sie auf eine Billigfluglinie mit alten Maschinen zurück greifen oder auf ein altes Auto, statt sich ein neues anzuschaffen - aber das schadet allein der Flugzeug- und der Automobil-Industrie. Und wer hat fast ebenso einseitig auf die letztere gesetzt, während sie weder die Nachfrage nach Essen und Trinken noch nach Alkohol und Zigaretten aus eigener Erzeugung befriedigen könnte? Eben, liebe deutsche Leser, eben - die "kapitalistische" Wirtschaftspolitik Eurer "demokratischen" Regierung war nämlich um nichts besser als die kommunistische Kubas - und in der Krise sogar noch anfälliger. Schönen Urlaub!


Allen, die ihre Eindrücke nicht nur von Kuba, sondern auch von den Touristen, die es bevorzugt besuchen, vertiefen wollen, empfiehlt Dikigoros die folgenden "hautnahen" Reiseberichte unterschiedlicher Art und Güte:

Die verschwundenen Mädchen oder: Cuba no es libre
Die absolute Wahrheit oder: LTU ist einfach besser
Reisebericht vom September 2000 oder: kubanisches Softeis und Yamilet

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