EU entwickelt ZENSUR-MASCHINE

von Claudio Casula* (Die Achse des Guten, 11. April 2024)

Anmerkungen & ergänzende Links: Nikolas Dikigoros

Am 1. April 2024 ist "Hatedemics" angelaufen, ein neues, von der EU gefördertes Projekt, mit dem Künstliche Intelligenz bei der Unterdrückung kritischer Meinungen im digitalen Raum eingesetzt werden soll. Jetzt wird's eng.

In einem alten sowjetischen Witz sitzt Napoleon Bonaparte in der Hölle und seufzt: "Hätte ich eine Zeitung wie die Prawda gehabt, hätte nie jemand etwas von Waterloo erfahren."

Nun ist die Prawda schon länger Geschichte, aber das ist kein Trost, denn nun maßen sich demokratisch gewählte Regierungen an, nichts als die Wahrheit ("Prawda") zu verkünden, während Kritik als "Hass und Hetze" und eine dem offiziellen Narrativ zuwiderlaufende Darstellung umgehend als "Des- oder Fehlinformation" und "Fake News" diffamiert wird. Denn: Hätten wir, um ein Beispiel zu nennen, je von den RKI-Protokollen erfahren, wenn es den digitalen Raum nicht gäbe? Von den Staatsmedien wird man bis auf Weiteres kaum darüber informiert, dass das RKI frühzeitig wusste, dass das Virus SARS-CoV-2 weit weniger letal war als behauptet, dass ein Lockdown eher Schaden als Nutzen bringt, dass der Nutzen von Masken nicht erwiesen ist usw.

Die sogenannten "Mainstream-Medien" und allen voran der Staatsfunk haben Kritik an der Corona-Politik, wie von den Verantwortlichen gewünscht, stets als "Verschwörungstheorie" und "Schwurbelei" heruntergemacht, selbst renommierten Wissenschaftlern wurde bescheinigt, "abgedriftet" zu sein, Demonstranten gleich in die Nähe von Rechtsextremisten und Staatsfeinden gerückt. Ohne die freien (Online-)Medien wäre der Leser, Hörer oder Zuschauer diesem Trommelfeuer schutzlos ausgeliefert gewesen. Und doch sind es nicht die Quantitätsmedien, die sich für ihre jahrelange und überaus penetrante Desinformation ("neuartiges, extrem gefährliches Virus", "Kliniken sind überlastet", "die Impfung ist wirksam und sicher" etc.) zu rechtfertigen haben, vielmehr werden weiterhin Anstrengungen unternommen, den digitalen Raum unter Kontrolle zu bekommen, denn dort wird staatliches Handeln weiter in Frage gestellt, dort tauschen sich die kritischen Geister untereinander und Informationen aus.

In Deutschland hat die Regierung unter Kanzlerin Angela Merkel schon 2017 das "Netzwerkdurchsetzungsgesetz" (NetzDG) installiert, das dem Kampf gegen "Hass und Hetze" bei Facebook und Co. dienen soll und laut Rechtsanwalt Joachim Steinhöfel nicht weniger als einen "Frontalangriff auf die Meinungsfreiheit" darstellt: "Maas' Gesetz verlagert die Prüfung von Äußerungen weg von den Gerichten, hin zu den Löschkasernen der sozialen Medien."

Das Ziel: Kontrolle des digitalen Raums

Leider sieht es auf EU-Ebene nicht besser aus. Der Verhaltenskodex (Achgut berichtete) für Desinformation, das unter anderem die "Dämonisierung der Verbreitung von Desinformation" zum Ziel hat und dafür sorgen soll, dass denjenigen, die vermeintliche Desinformation verbreiten, keine Werbeeinnahmen zugutekommen und "Faktenprüfer" für ihre Arbeit in der EU "angemessen entlohnt" werden, ist seit 2022 gültig. Unerwünschte Inhalte werden als "schädlich" kategorisiert und fallen der Zensur anheim. Die Unterzeichner des Verhaltenskodex definieren sich selbst als "eine breite Gruppe von Online-Plattformen, Akteuren der Werbeindustrie, Faktenprüfern, Forschungseinrichtungen und Organisationen der Zivilgesellschaft" - Nachtigall, ick hör' dir trapsen.

Seit dem 17. Februar 2024 ist das Gesetz über digitale Dienste (Digital Services Act, kurz: DSA), mit dem missliebige Inhalte schneller entfernt werden können, vollständig anwendbar. Die Marktführer etwa bei den Suchmaschinen oder den Social Media werden damit angehalten, gegen "Online-Desinformation" vorzugehen. Thierry Breton, EU-Kommissar für den Binnenmarkt und Dienstleistungen, warnte die Plattform Twitter (heute X) davor, den sogenannten EU-Pakt gegen Desinformation zu verlassen.

Offenbar fürchtet der Franzose, dass dessen Besitzer Elon Musk es ernst meint mit seiner Erklärung, er habe die 44 Milliarden Dollar nicht für Twitter, sondern für die Rettung der Meinungsfreiheit ausgegeben; die hält er nämlich für "das Fundament einer funktionierenden Demokratie", Twitter sei "der digitale Marktplatz, auf dem die für die Zukunft der Menschheit wichtigen Themen diskutiert werden."

"Hatedemics": neuer Großangriff auf die freie Rede

Freie Debatten über Sinn und Unsinn politischer Maßnahmen sind allerdings das Letzte, was die Schöpfer der schönen neuen Welt wie Thierry Breton und "Zensursula" von der Leyen sehen möchten. Und so ist zu Monatsbeginn ein Projekt angelaufen, das sich "Hatedemics" (zu Deutsch etwa "Hasspandemie") nennt, vermeintliche "Fake News" mit künstlicher Intelligenz (KI) bekämpfen soll und mit einer Million Euro von der Europäischen Union gefördert wird. Bis Ende März 2026 soll das, sagen wir es in ihrer Sprache, umstrittene Projekt laufen. Das Ziel sei nach Angaben der Verantwortlichen laut der Website:

"Stärkung der präventiven und reaktiven Maßnahmen gegen Hassreden und Desinformation im Internet. Sie soll NRO/CSOs, Faktenprüfern, Behörden und jungen Menschen als Aktivisten die Möglichkeit geben, Polarisierung, die Verbreitung rassistischer, fremdenfeindlicher und intoleranter Äußerungen sowie Verschwörungstheorien wirksam zu verhindern und zu bekämpfen. Das Hauptziel besteht darin, gegen Online-Hass und Fake News vorzugehen, wobei der Schwerpunkt auf den oft übersehenen und miteinander verknüpften Problemen liegt, die sich mit Hassreden und Desinformationen überschneiden."

Mit anderen Worten: Hier kommt ein weiteres Tool zum Einsatz, mit dem die EU-Kommission unter dem Vorwand der Demokratieförderung und des Schutzes vor Desinformation der lästigen Meinungsfreiheit zu Leibe rückt. Ein weiteres Mal wird mit großzügigen Förderungen für sogenannte "zivilgesellschaftliche" Organisationen - also einflussreiche "Nichtregierungsorganisationen" (NGOs) und Stiftungen, die überwiegend regierungsnah agieren - und die Schaffung digitaler Werkzeuge ein Netzwerk zur Kontrolle und möglichen Manipulation des digitalen Diskurses gespannt.

Vollautomatisierter Lauscher und Petzer

Der Ökonom Norbert Häring spricht treffend von der "Entwicklung künstlich intelligenter Software zur Ausforschung und Manipulation sozialer Medien zur Nutzung durch staatlich finanzierte, private Blockwarte und staatliche Stellen". Die künstliche Intelligenz soll außerdem Hilfe bei der Formulierung und Verbreitung von staatlich genehmen Gegennarrativen leisten und hinterher dazu eingesetzt werden, "Verhaltensänderungen" bei Nutzern, die durch die KI-generierte "Gegennarrativ-Intervention" entstehen, zu messen. Ein Beispiel, das Martina Binnig hier einmal im Zusammenhang mit dem Verhaltenskodex nannte:

"TikTok stellt fest, dass 29,93% der Nutzer ihre Freigabe abbrachen, wenn sie auf der Plattform auf den Hinweis 'ungeprüfte Inhalte' stießen. Außerdem wurden 140.635 Videos mit mehr als 1 Milliarde Aufrufen von der Plattform entfernt, weil sie gegen die Richtlinie für Fehlinformationen verstießen."

Die Software wird unter Führung des italienischen Forschungszentrums für künstliche Intelligenz Fundazione Bruno Kessler entwickelt und dürfte sich an in Amerika erfundener Künstlicher Intelligenz zur automatisierten Ausforschung und Zensur der Medien im digitalen Raum wie etwa Co-Insights orientieren. Laut Häring verspricht dessen Team, dass Co-Insights 750.000 Blog- und Medienartikel pro Tag auswerten und die Daten von allen großen Social-Media-Plattformen scannen kann. Das Programm von CourseCorrect sei ähnlich ausgerichtet. Kritiker dürften bald mit einer Flut von Gegennarrativen konfrontiert werden, wenn sie die von oben verbreitete Erzählung der großen Politik und der ihr zugeneigten Presse infrage stellen. Und es sind keine mehr oder weniger gut entlohnten Schergen der Amadeu-Antonio-Stiftung oder anderer "NGOs" mehr, die Ihre Posts, liebe Leser, bei X oder Facebook beäugen, kontern oder verpetzen, nachdem irgendwelche Gesinnungsbademeister die "Grenzen des Sagbaren" festgelegt haben - diese schmutzige Arbeit wird vollautomatisiert erledigt.

Abweichlern könnte es richtig an den Kragen gehen

Die größte Gefahr für die Meinungsfreiheit liegt jedoch in der Möglichkeit der Manipulation von Such-Algorithmen und der Demonetarisierung von unliebsamen Verlagen und Publizisten - also auch dieses Mediums. Häring:

"Im 'Krisenfall' bekommen die möglichen "Online-Interventionen", die Hatedemics vorbereiten hilft, eine nochmals drastischere Qualität. Dann greift der "Krisenreaktionsmechanismus" des DSA (Art. 36) und die EU-Kommission kann von den Digitalkonzernen sofort radikale Maßnahmen verlangen - wie Manipulation der Suchalgorithmen, um alles Unliebsame unauffindbar zu machen, oder Demonetisierung aller unliebsamen Verlage und Publizisten. Welche weiteren Maßnahmen, neben diesen beispielhaft im Gesetz genannten, sich die EU-Kommission ausdenken will, und was sie zur Krise erklärt, liegt in ihrem Ermessen.

Im "Krisenfall" kann die EU-Kommission also die Erkenntnisse und Fähigkeiten von Programmen wie Hatedemics nutzen, um auf dem Umweg über die digitalen Plattformen die totale Kontrolle über die im Netz verbreiteten Informationen und Meinungen zu übernehmen."

Wenn sich die offene Gesellschaft nicht gegen dieses antidemokratische, ja totalitäre Gebaren von der Leyens und anderer wehrt, dann ist das freie Europa bald ebenso Geschichte wie die Prawda. Nur dass es um unseren Kontinent wirklich schade wäre.


*Claudio Casula arbeitet als Autor, Redakteur und Lektor bei der Achse des Guten.


LESERPOST
(ausgewählt und z.T. leicht gekürzt von Dikigoros)

Ulrich Jäger (11.04.2024)
[...] Das antike Rom ist untergegangen und mit ihm das damalige Wissen in den meisten Bereichen von Wissenschaft, Technik, Wirtschaft, Gesellschaft. Es hat fast 1000 Jahre für Europa gedauert, diesen Verlust wieder auszugleichen. Anderswo auf der Welt hatte man das garnicht mitbekommen. Die Musik wird dann wohl in Fernost gespielt, wenn der Westen nicht die Welt in den eigenen Untergang mitnimmt. Wir haben zwar Russland verprellt, aber dort gibt es verstärkt Stimmen, die nach 300 Jahren Westorientierung (seit Peter I.) den Blick vermehrt in den Osten bzw. Südosten richten wollen. Die haben erkannt, dass der Westen seiner Agonie entgegenstrebt und wollen bei dem Totentanz nicht unbedingt dabei sein. War vor einem halben Jahr bei RT ein interessanter Artikel darüber. (Anm.: Mehr als einer... Aber RT ist ja nun leider schon seit Jahr und Tag im "Wertewesten" gesperrt - "Zensurmaschine" läßt grüßen! Doch Thomas Röper vom Anti-Spiegel hat einige der Artikel übersetzt, und Dikigoros hat einige dieser Übersetzungen bearbeitet, d.h. mit Bildern, Anmerkungen und ergänzenden Links versehen und in seine Domain übernommen - einfach mal durchklicken!)

Lao Wei (11.04.2024)
"There is Freedom of speech, but I cannot guarantee freedom after speech." Der hellsichtige Idi Amin - ein wahrer Prophet für unsere „demokratische“ Zukunft [...]

A. Ostrovsky (11.04.2024)
Die Parallele der "Jetztzeit" im besten aller Schlands, die es jemals gegeben hat, zur Clique um Trotzki, Lenin und Stalin erkennt man nur dann nicht, wenn man die Grundbegriffe der russischen Sprache nicht kennt. Nicht nur die Prawda=Wahrheit wiederholt sich, auch die Behauptung, Vertreter der übergroßen Mehrheit=Bolschewik zu sein. Es war damals konstruiert und es ist heute konstruiert [...]


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