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Die Wasserversorgung der Stadt Rom  

Als Poggio Bracciolini, der Sekretär des Papstes, im Jahr 1429 in der Bibliothek des Klosters Monte Cassino arbeitete, fiel ihm ein 1300 Jahre altes Manuskript ungewöhnlichen Inhalts in die Hände. Ein gewisser Sextus Julius Frontinus. seines Zeichens Curator Aquarum. beschrieb darin die Wasserversorgung von Rom. Die Entdeckung fiel in eine Zeit, als man Roms antikes Wasserleitungssystem wieder aktivieren wollte, um die Ewige Stadt aus ihrem tausendjährigen Dornröschenschlaf zu erwecken Als Curator Aquarum war Frontinus der Direktor der Städtischen Wasserwerke und entsprechend fundiert waren seine Ausführungen. Zusammen mit technischen, historischen und archäologischen Forschungsergebnissen ermöglicht sein Werk De 'Aquaeduectu Urbis Romae' ein ziemlich zuverlässiges Bild der römischen Wasserversorgung um das Jahr 100 n.Chr.

Die ländliche Kleinstadt Rom des 7. bis 3. vorchristlichen Jahrhunderts konnte ihren Wasserbedarf ohne Schwierigkeiten aus dem Tiber und einigen Quellen decken. Mit zunehmender Bevölkerung und steigendem Lebensstandard wuchsen aber auch die Probleme. So entschloß man sich um das Jahr 320 v. Chr., als die Stadt schon mehrere tausend Einwohner zählte, zum Bau der ersten Fernwasserleitung, der 18 Kilometer langen Aqua Appia. von der kaum noch Reste zu finden sind. Sie lieferte vorzügliches Quellwasser aus einem Anwesen des Lukullus östlich der Stadt und verlief aus strategischen Gründen auf ihrer ganzen Länge unterirdisch. 40 Jahre später folgte die 64 Kilometer lange Aqua Anio, später 'die alte' (vetus) genannt. eine immer noch relativ kleine Leitung. die bei Tivoli aus dem Fluß Anio abzweigte, Nicht zuletzt die zuverlässige Wasserversorgung war Ursache für ein rasches Wachstum der Stadt: Sie dehnte sich auf die umliegenden Hügel aus, die höher lagen als die Ebene zwischen der Stadt und dem wasserreichen Bergland im Osten und die deshalb durch ebenerdig verlegte Wasserleitungen nicht mehr erreicht werden konnten. Als sich der römische Senat 130 Jahre später zum Bau einer weiteren Wasserleitung entschloß, trug man dem Rechnung: Die neue Aqua Marcia verlief so hoch, daß fast alle Hügel Roms in freiem Gefälle versorgt werden konnten. Dazu war vor der Stadt ein 8 Kilometer langes, aber nicht sehr hohes Aquaedukt erforderlich. das man bei Roma Vecchia heute noch besichtigen kann. Es folgten die Aqua Tepula. die Aqua Julia, die Virgo, die Alsietina und die streckenweise übereinander liegende Doppelleitung  Aqua Claudia/Anio Novus. die zwischen Roma Vecchia und der Innenstadt auf einem über 10 Kilometer langen und bis zu 27 Meter hohen Aquädukt verläuft. Die Anio Novus versorgte vor allem die Kaiservillen auf dem Palatin. Sie wurde aus einer 40 Meter hohen Talsperre bei Subiaco. 90 Kilometer östlich von Rom. gespeist; Kaiser Nero, der dort ein Landhaus besaß, soll in ihr mit goldenen Netzen gefischt haben. Später folgten noch die Traiana und die Alexandrina.

Alle Wasserleitungen waren sogenannte Freispiegelleitungen. Das heißt, das Wasser floß nicht in Rohren. sondern in rechteckigen Kanälen mit 'freiem' Wasserspiegel. die ein durchgehendes Gefälle erforderten. Die Leitungen endeten in Verteilungsbauwerken (castelli) oder prächtigen Brunnen (naumachiae), deren bekanntester die Fontana di Trevi  ist, der Endpunkt der Virgo. Diese Leitung. die in einem Tunnel 20 Meter unter der Stadt verläuft, ist als einzige bis heute in Betrieb und versorgt unter anderem den Brunnen am Fuß der Spanischen Treppe. An den castelli begannen die Zweigleitungen in die einzelnen Stadtteile, zu den Brunnen, Thermen, Hausanschlüssen und Gewerbebetrieben. Das waren Rohre aus Blei oder Ton, von denen man zehn Standardmaße (Durchmesser 2,9 bis 58.9 Zentimeter) kannte. Übrigens wird schon in der Antike aufgrund empirischer Befunde gerätselt, ob bestimmte gesundheitliche Beeinträchtigungen mit der Verwendung von Bleileitungen im Zusammenhang stehen könnten.

Die Höhe der abgehenden Leitungen in den castelli war so gestaffelt, daß bei Wassermangel zuerst die Hausanschlüsse trocken fielen, danach die Thermen und zuletzt die 1350 öffentlichen Brunnen. Die gab es an jeder Straßenecke. Ihr Wasser war kostenlos. Da sie nicht abgestellt werden konnten, liefen sie unablässig in die Kanalisation (cloacae) über und sorgten dort für eine gute Spülung. Das war auch nötig, denn die cloacae mußten neben dem Abwasser auch feste Abfälle in den Tiber transportieren. Schon damals zeichnete sich hier eines der Umweltprobleme unserer Zeit ab: die Vermischung von Abwässern mit sauberem Trinkwasser. Und man verfuhr nach auch heute noch nicht verschwundenen Prinzip 'aus den Augen - aus dem Sinn'. 
Den größten Wasserbedarf hatten die Thermen, von denen es im 4. Jahrhundert elf große und 850 kleinere gab und die erst durch die großzügige Wasserversorgung ermöglicht wurden. Thermen sind etwa mit unseren Erlebnisbädern zu vergleichen. 150 Feiertage erlaubten es den Römern, ganze Tage dort zu verweilen: Man badete in verschieden temperierten Becken. ging mit Geschäftsfreunden essen, trieb Sport oder ließ sich massieren. Der Thermenbesuch war ein gesellschaftliches Ereignis. In der Caracalla-Therme mit ihren 11 000 Bediensteten konnten bis zu 3 000 Besucher gleichzeitig betreut werden. 
Haus-Wasseranschlüsse konnten sich nur vermögende Bürger mit Beziehungen leisten, denn sie waren genehmigungs- und kostenpflichtig. Abgerechnet wurde nach genormten Rohrquerschnitten (calices). Trotzdem waren Betrügereien an der Tagesordnung: Die Wassermeister machten ihre Nebengeschäfte mit illegalen Anschlüssen. sie tauschten die calices gegen  größere aus oder verkauften das Überlaufwasser, das eigentlich die Kanalisation spülen sollte. Auch im antiken Rom mußten bereits Wasserleitungen ständig inspiziert, Schäden instand gesetzt und illegale Abzweigungen beseitigt werden. Besonders reparaturanfällig waren die fast 60 Kilometer Brücken und Aquädukte. Dazu kamen betriebliche Aufgaben an den ‚castelli‘ sowie ständig auszuführende Reinigungsarbeiten. Ums Jahr 100 n. Chr. waren etwa 700 Angestellte, Handwerker und Streckenläufer beim Wasserwerk beschäftigt, davon einige rund um die Uhr im Bereitschaftsdienst: also drei für jede gelieferte Million Kubikmeter Wasser im Jahr -- ein auch heute noch bei Fernwasser-Unternehmen durchaus üblicher Personalbestand. Gewisse Untugenden scheinen sich im öffentlichen Dienst über zwei Jahrtausende hinweg behauptet zu haben: Frontinus beklagt. daß einige Wasserwerker auf privaten Baustellen arbeiteten und gleichzeitig auf der Gehaltsliste des Wasserwerks stünden. 
Die älteren Leitungen baute man aus Naturstein- oder Ziegelmauerwerk, die neueren, vor allem die Brücken und Aquädukte, aus römischem Beton (opus caementicium) mit Natursteinverblendung. Der Wasserkanal selbst wurde mit mehrschichtigem Putz abgedichtet. Beiderseits der Leitungen waren Schutzstreifen von 15 Fuß, das sind 4,5 Meter, frei von Bebauung  (bei Zuwiderhandlung setzte es 10 Sesterzen Strafe) und größeren Bäumen zu halten, die mit ihren Wurzeln gern in die abgedeckten Leitungen hineinwuchsen. Besondere Probleme bei der Planung und Trassierung der Wasserleitungen warf die Höhenvermessung auf, denn optische Geräte waren unbekannt. Man baute mit äußerst geringem Gefälle: so etwa bei der Anio Novus mit 1,3 Promille (1,30 Meter auf 1 Kilometer) und bei der Leitung von Nimes  (Pont du Gard ) mit nur 0,7 Promille (70 Zentimeter auf 1 Kilometer). Für solche Präzisionsmessungen in unübersichtlichem Gelände bedurfte es einer ausgereiften Meßtechnik und zuverlässiger Geräte. Beim römischen Architekten Vitruv finden wir die  Beschreibung eines solchen. Chorobat genannten Nivelliergeräts, das einer Wasserwaage nicht unähnlich sah und genauso arbeitete. In einen 20 Fuß (6 Meter) langen Balken. der an den Enden mit Kimme und Korn versehen war, wurde eine schmale Rinne geschnitten. Füllte man sie mit Wasser und stand dieses überall bis zum oberen Rand, dann bildeten die beiden Zielmarken genau eine Horizontale. In einem ersten Schritt erweiterte man die Meßstrecke durch Visieren auf etwa 100 Fuß Länge und fixierte sie mit zwei an Pfählen befestigten Brettern.



Legte man nun auf eines der Bretter eine Leiste von 0,1 Fuß Höhe, dann bildeten die Oberkanten ein Gefälle von 0,1/100 = 0,001 oder 1 Promille (1 Meter auf 1 Kilometer). Mit einer Meßlatte konnte man im zweiten Schritt die gewünschte Geländehöhe einmessen. Mn führte dieses Verfahren abschnittweise fort und erhielt so eine gleichmäßig geneigte Trasse.
Meist wurden zuerst weit entfernte Festpunkte festgelegt und die Zwischenpunkte während des Bauens einvisiert. Für kürzere Distanzen verwendete man auch Schlauchwaagen aus Tierdärmen: Füllt man Wasser in einen Schlauch, dessen Enden gleichmäßig hochgehoben werden. dann bilden die beiden Wasserspiegel eine exakte Horizontale.  

Fassen wir zusammen: Das antike Rom mit seinen mehr als eine Million Einwohnern versorgte sich aus elf großen Wasserleitungen. die das kostbare Naß aus bis zu 90 Kilometer Entfernung in die Stadt brachten und die den hohen Lebensstandard des damaligen Zentrums der bekannten Welt erst ermöglichten. Die ausgereifte Wasserversorgungstechnik Roms blieb mehr als 1500 Jahre unübertroffen und wurde in Mitteleuropa erst um die Wende zum 20. Jahrhundert wieder erreicht. 


Auszug aus dem röm. Wassergesetz vom 30. Juni d.J. 9 v. Chr:
Wer nach dem Erlaß dieses Gesetzes die Gerinne, Leitungen, Gewölbe, Rohrstränge, kleineren Rohre, Verteilerbauwerke oder Brunnenbecken der öffentlichen Wasserleitungen vorsätzlich anzapft, unterbricht oder anbohren oder unterbrechen läßt oder beeinträchtigt und wenn dadurch weniger Wasser von dieser oder anderen Wasserleitungen in die  Stadt Rom gelangen ... kann ..., der soll verurteilt werden, dem römischen Volk  100 000 Sesterzen zu zahlen. Niemand darf Wasser vorsätzlich verunreinigen, wo es zum Gebrauch der Öffentlichkeit fließt. Wenn jemand es verunreinigt, beträgt die Strafe 10 000 Sesterzen.

 


   

 

 

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