Simulation und Wirklichkeit
und andere
Kunstfehler

Zeilen und Denkansätze von P. Krahmer

Über den gewinnbringenden Einsatz von modell- bildenden Programmen im Physik- Unterricht besteht heute kaum mehr Zweifel. Allerdings darf System- Dynamik nicht alleine stehen, sondern muss von exakt erfassbaren Messversuchen getragen und in einem lebendigen Unterricht eingebettet bleiben. Das alte Dilemma zwischen Theorie und Praxis ist zu bedenken.

Ein weiterer Ausbau der Simulationsseite bei MM-Physik ist geplant und doch seien hier einige Schwerpunkte schon jetzt genannt. Mit dem MESS-SIMULATIONS-MODELLBILDUNGS-ANIMATION Programm PAKMA von Professor Dr. D.Heuer (gratis) sind fast alle wesentlichen Elemente des Computereinsatzes im Physikunterricht in einem Programm gebündelt. Das m. E. beste Physik- reine Simulationsprogramm dürfte INTERACTIVE PHYSICS (kommerziell) sein, während für fächerübergreifende Modellbildung STELLA (kommerziell) oder DYNASYS(billig) in Frage kommen. Auf den Seiten Programme finden Sie dazu Genaueres und eine Vielzahl weiterer Programme, darunter meine eigenen, die oft nur ein kleines Unterrichtsthema behandeln.

Hier folgen Links zu einigen grundsätzlichen Überlegungen und am Ende mein Kurzreferat Kunstfehler im Physikunterricht.

System Dynamics wurde von Forrester gegründet, in Deutschland von Vester aufgenommen. Gerade die hochgestochenen Modellsysteme (Club of rome usw.) wurden mittlerweile von teilweise andersartiger Realität überholt und werden u.a. mehr auf der Spielebene (SIMEARTH- ein tolles Lernspiel!!! , SIMCITY, SIMLIFE) genutzt. Das Versagen zu komplex angesetzter Simulationsprogramme brachte leider die ganze Sparte in Misskredit. Die Bewegung eines Blatts, das im Herbst torkelnd vom Baum fällt ist kaum modell- bildend zu erfassen, eine Kugel - auch mit Reibung - dagegen weit eher. Nur - aus dem Gelingen des letzteren kann ich nicht auf Tauglichkeit für komplexere Systeme mit weiteren unwägbaren Größen schließen. Auf wissenschaftlicher Ebene scheint heute besonders der Einbau von Messdaten Erfolg zu versprechen, wo zunächst mal (mit Faktoranalyse, Wavelet u.ä.) Unwägbares objektiv erkannt und klassifiziert wird. Denn bislang erfreuten komplexe Modellsysteme besonders die Autoren und Interessengruppen selbst, da im Wesentlichen die Ergebnisse ihre Modellansätze bestätigten.

Jetzt aber zu den Denkern:
System Dynamics Mega Link List
Whole-Systems Thinking
H. A. Meyer System Dynamics
Joachim Wedekind DIFF Tübingen und Simulation - Willkommen am DIFF!
G. Ossimitz: Entwicklung vernetzten Denkens
Systemic Thinking Page
Günther Ossimitz: Development Of Systems Thinking Skills

Sie sehen schon an den Link-Namen wie sich reinrassige System Dynamics Anhänger verstehen:
Denkseiten - zum Nachdenken - aber auch mit Selbstkritik wie die herrliche Gummibärchen Seiten.


Zu den Kunstfehlern sind auch die vielen BAD- Science Links zu zählen. Diese sind nicht "bad=schlecht" sondern wollen auf Irrtum und Denkfehler, die es überall, auch im Unterricht und selbst in der Wissenschaft gibt, hinweisen und ganz miese Seiten bloßstellen!
Bad Science: Kunstfehler und Fehlinterpretationen
Bad Coriolis - Bad Chemistry
A Glossary of Frequently Misused or Misunderstood Physics Terms and Concepts (Simanek)
Science/Physics Misconceptions unzählige Beispiele zu Fehlvorstellungen im Unterricht, meist wohldurchdacht!

Kurzreferat von P. Krahmer auf der Treffen des AK Computer im Physikunterricht 1996 in Karlsruhe


Kunstfehler im Physikunterricht
Folie 0 : (aus dem FAUST" von J.W.Goethe)

Zwar ist's mit der Gedankenfabrik
Wie mit einem Weber-Meisterstück,
Wo ein Tritt tausend Fäden regt,
Die Schifflein herüber hinüber schießen,
Die Fäden ungesehen fließen,
Ein Schlag tausend Verbindungen schlägt.
Modellbildung im Kopf unserer Schüler
Der Philosoph, der tritt herein
Und beweist Euch, es müßt so sein:
Das Erst wär so, das Zweite so,
Und drum das Dritt und Vierte so;
Und wenn das Erst und Zweit nicht wär,
Das Dritt und Viert wär nimmermehr.
Das preisen die Schüler allerorten,
Sind aber keine Weber geworden.
Der klassische Physikunterricht
Wer will was Lebendigs erkennen und beschreiben,
Sucht erst den Geist heraus zu treiben,
Dann hat er die Teile in seiner Hand
Fehlt, leider! nur das geistige Band.
Analytische Methode ohne jegliche Synthese
MEPHISTOPHELES:

Das wird nächstens schon besser gehen,
Wenn Ihr lernt alles reduzieren
Und gehörig klassifizieren.

Auch MM-Physik hat da noch gewisse Probleme
SCHÜLER:

Mir wird von alledem so dumm,
Als ging' mir ein Mühlrad im Kopf herum.

Die Internetvielfalt reduzieren!

Kunstfehler Nr.1 - ein "Programm mal zeigen"


Diese Einstellung ist wohl zu oberflächlich, dann schon besser,
"mal mit einem Programm spielen"

Der Weg in den Computerraum ist für Schüler wie ein Weg in den Filmsaal: Es folgt eine Filmstunde, die nicht geprüft wird, Entspannung bei den Schülern ist angesagt. Jetzt kommt was Zusätzliches, das wir eigentlich nicht wissen müssen

Die Trias Messen, Auswerten, Modellbildung sollte erhalten bleiben.

Wir sollten Computermessungen, Computersimulationen und Veranschaulichungen in den lebendigen Unterricht direkt einbauen, in kleinen Portionen integrieren. Ein modellbildendes Programm wie z.B. PAKMA muss dann von Anfang an in den Unterrichtslehrgang mit eingebaut werden, um es konsequent parallel zum klassischen Unterricht zu benutzen.


Kunstfehler Nr.2 - ein "Programm ausreizen"


da fährt ein ein Wagen fährt längs der Fahrbahn, stößt auf eine Feder und fährt zurück

ist wohl zu einfach, denn im Schülerheft findet sich der Tafeleintrag wieder:

Nein ... die Schüler kennen in dieser Phase doch noch nicht mal das mathematische Ableitungskalkül oder haben gerade mit Grenzübergängen grösste gedankliche Schwierigkeiten!

Erst sollte m.E. dem Ideal der Weg in die Schülergehirne gebahnt werden, besser eingehämmert werden und ein Schlag reicht da meist nicht, besser ist schon ein Stakkato von 5-6 Idealgraphiken, schön nach Form getrennt in beschleunigte und nicht beschleunigte Bewegungen.

Erst dann sollte man - auch in einer Teilgruppe mit besonders interessierten Schülern- komlexere Fälle behandeln.

Für schwache Klassen und mittelmässige Schüler ist da vielleicht der klassische "Porsche" ein besseres Vehikel: Beschleunigung ist das, was man beim Porsche von 0 auf 100 Stundenkilometern(!) in 8 Sekunden nennt.


Kunstfehler Nr.3 - ein "falsches Programm nutzen" und ein "Programm falsch nutzen"


Jetzt hat man als Lehrer eben das Cassy (Leybold Didactik-Messinterface) und sein Universalmeßprogramm erlernt, macht hochmotiviert Messung nach Messung, Graphik nach Graphik, Modell nach Modell und vergißt im eigenen Elan die Überfrachtung der Schüler.

Oder man hat EXCEL, PAKMA, DYNASYS oder MATHEMATICA erlernt und zeigt den erfreuten Schüler seine Kunst. Diese honorieren die Bemühungen des Lehrers verstehen allerdings in 15 min eben mal nicht das, was sich der Lehrer in 5 Stunden erarbeitet hat.

Die Lehrer- Einarbeitungszeit in ein Programmtool sollte mit der Unterrichtszeit mit dem Tool korrelieren.
100:1 sehr schlecht 10:1 geht vielleicht noch

Stichwort MATEMATICA sagt eigentlich alles zum Physikeinsatz

Potentialgebirge sehen viele Schüler noch nicht so wie wir, selbst ein so schönes Programm wie das Griwitzsche E- Feld- Programm bereitete meinen Schülern Schwierigkeiten bei der Vorstellung.


Kunstfehler Nr.4 - die "Schüler überfordern"


Modellbildung und Messungen in Echtzeit mit tanzenden Vektorpfeilen.

Vektorpfeile in Ehren, aber bekannlich tragen solche Gebilde mehr Informationen als Skalare,

sind also schwerer zu erfassen. Etwa doppel soviel! Die Änderung eines Vektors trägt dann 4 Informationen, die synchrone oder asynchrone Änderung zweier Vektoren beinhaltet dann 8 Informationseinheiten.

Und wer kann schon bis acht zählen?! Bis drei zählen können viele Menschen, wenn auch nicht alle.

Was heißt bis drei zählen können? Nun auf einen Blick erfassen, daß drei Schafe vor einem stehen. Fünf Schafe sieht man auch direkt noch als 5 Schafe,

aber .... waren es nicht sechs?

Hier wird eine Folie mit 8 willkürlich verteilten Schafen und 3 Elefanten für 2 Sekunden gezeigt, weggezogen und die Zuhörer sollen sagen wieviele Schafe darauf waren. Nur sehr wenige haben im Cache (Kurzzeitgedächnis) reproduzierbar die Zahl 8 parat.

Nun.. ein nicht alkoholisierter, aufmerksamer Erwachsener erfaßt leicht 6 Dinge, schon schwerer 8 Dinge gleichzeitig und nur Genies erfassen bis zu 12 Dinge synchron.

Und ... wie ist das mit den Vektoren?? Mehr als zwei sich ändernde Vektoren sind mit mehr als 8 Bits wohl eine Überforderung!

Sieben auf einen Streich mag noch gut glücken!
Ich muß gestehen, daß ich beim Pfeileinsatz "wunderschöner Veranschaulichungsprogramme" rückwärts denke, den gemessenen Versuch mit seinen Pfeilen ein paarmal ansehen muß bis mir momentan wieder alles klar ist. Wie sieht es aber der Schüler?

Und so ist das auch mit anderen Computerprogrammen.
Die Amerikaner zitieren da oft

Aristoteles "begin with the beginning", "fang am Anfang an".

Und dann geht es auch!
In einem Unterrichtslehrgang konsequent benutzte Vektormodelle - von einfachsten Sachverhalten (positive und negative Geschwindigkeit mit einem Pfeil) bis hin zu Änderungen der Änderung von Pfeilen bei einem Pendel( ms'' = -Ds) helfen dann auch dem Gros einer Klasse. Dies dokumentieren zahlreiche Untersuchungen bei Prof. Dr. D. Heuer und wohl besonders deutlich eine Arbeit von Blaschke, die demnächst(1998) veröffentlicht werden wird.

An der Schule stehen wir natürlich öfters am Anfang als an der Hochschule.

Meine Ansicht ist natürlich von meinen eigenen Fehlversuchen geprägt, allerdings habe ich seit Jahren schon etwas die sokratische Methode des " Infragestellens" geübt, habe auch ganz dumme Schülerfragen ernst genommen und viele Kollegen befragt, die ungern den Computer einsetzen und diese auch ernst genommen.
Warum sich der Computereinsatz trotz so vieler Kunstfehler lohnt, liegt im Engagement derjenigen Lehrer, die den Computer überhaupt einsetzen, aber auch in der Technikbegeisterung der Schüler. Facharbeiten mit Lasern und Computern sind weit beliebter, als Arbeiten mit einfachen Geräten. Die Motivation bei tollen Versuchsaufbauten ist wesentlich größer, so daß viele Negativeffekte verdrängt werden. Man sagt der Computerversuch war toll, hat viel gebracht, obwohl man oft nur wenig verstanden hat.
Nicht das Programm, nicht das Werkzeug macht den Unterricht.
Es ist und bleibt die
lebendige Wechselwirkung in der Trias von Schüler, Medium und Lehrer.
Ein guter Lehrer kann mit Basic- Dreizeiler zu besserem Unterricht kommen, als ein Lehrer, der eben mal ein Superprogramm vorspielt.

Aber Vorsicht stabile Dreikörperprobleme haben nur wenige Librationspunkte!

Angesichts der vielen Software, die über Physik CDs und Internet mit Tausenden von Programmen auf uns zukommt, müssen wir lernen kritischer mit dem Computermedium umzugehen, unseren Einsatz weit stärker in Frage stellen als bisher.

Dazu möchte ich an die Anfänge des Computereinsatzes im Unterricht in der Siebziger Jahren mit einem

Gedicht von Richard Brautigan erinnern:


Ich sehe
(und je früher, je besser!)
eine kybernetische Wiese,
auf der Computer und Säugetiere
zusammenleben in sich gegenseitig
programmierender Harmonie,
wie reines Wasser, das einen klaren Himmel berührt.

Ich sehe
(gleich jetzt, bitte!)
einen kybernetischen Wald
voller Tannen und Elektronik,
in dem Rehe friedlich
an Computer vorbeiziehen,
als wären sie Blumen mit wirbelnden Blüten.

Ich sehe,
(es muß wahr werden!)
eine kybernetische Ökologie,
in der wir befreit sind von unseren Mühen
und der Natur zurückgegeben,
mit unseren Brüdern und Schwestern,
den Säugetieren, erneut vereint
und alle behütet von Maschinen voller Güte.

by

Richard Brautigan, Berkley 1973

Und das wurde in damals sehr wörtlich genommen.

In zwanzig Jahren hat die Zeit viel nivelliert.
Fragen wir uns ab und zu mal- dann aber ganz radikal- was Computereinsatz im Physikunterricht überhaupt soll!
Was gut ist und solchen sokratischen Befragungen stand hält wird sich durchsetzen.

Von diesem Standpunkt aus wird man dann auch besser verstehen, warum sich der Einsatz des Computers im Physikunterricht auf ein vernünftiges Mittelmaß eingependelt hat.

Allerdings sehe ich im Bereich Multimedia und Internet einen gewaltigen Pendelausschlag auf uns zukommen.

Packen wir´s an!

 

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02. März 2005 © Krahmer - privat

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