GRUNDLEGENDES ZU BEDENKEN, ZU UEBERDENKEN UND ZU KORRIGIEREN UND HARALD ROTHS "ETHNISCHE MENTALITAET"

Fuer das Befinden und fuer die geistige Verortung der siebenbuergisch-saechsischen "PATRIOTEN", die sich in den Internet-Foren der Siebenbuergischen Zeitung tummeln, duerfte das X. Kapitel aus

NATIONALISMUS, GESCHICHTE, FORMEN, FOLGEN (München 2001) des bekannten Bielefelder Historikers Hans Ulrich Wehler recht lehrreich und ermahnend sein. Dieses Kapitel trägt den bezeichnenden Titel "Das Ende des Nationalismus?". Es waere zu begruessen, wenn sich die Angesprochenen folgende Abschnitte zu Gemuete fuehrten:
 

"Ein grosser Gewinn der neueren Nationalismusforschung und Identitaetsdiskussion  ist die Auffassung der konventionellen Vorstellung, dass die vom Nationalismus und Nationalstaat geschaffene nationale Identitaet eine Monopolstellung in der Welt des Individuums besitze. An die Stelle dieser schlichten Idee, die stets mehr Postulat als Wirklichkeit war, hat sie die Anerkennung der Koexistenz von mehreren Identitaeten gesetzt: die "multiple Identitaet". Wie in einem liberalen Konkurrenzmodell agieren demnach unterschiedliche Identitaeten neben- oder gegeneinander. Denn je nach Anforderungen des lebensweltlichen Kontextes gewinnt die Identitaet des Katholiken, des Preussen, des Familienvaters, des Handwerkers, des Rheinlaenders - [hinzugefuegt sei: des Siebenbuerger-Sachsen- K.P.] und all diese Identitateten hausen in ein und derselben Brust - den Vorrang. [...] (S.104)
 

Dem Durchbruch zur Anerkennung der "multiplen Identitaet" eignet eine befreiende Wirkung insofern, als sie die dogmatische Axiomatik aller Nationalismen, dass nur der nationalen Identitaet der allumfassende Primat gehoere, radikal infrage stellt. Selbstverstaendlich wird weiterhin eine national gepraegte Identitaet, ein nationaler Habitus, anerkennt, doch ihre Bedeutung entschieden relativiert.
Die neuere Nationalismusforschung hat daher einen grundsaetzlichen Zweifel am Totalitaetsanspruch des Nationalismus geltend gemacht. Sie traegt damit auf ihre Weise dazu bei, einer Grundueberzeugung des Historismus: dass naemlich alle historischen Phaenomene kommen und vergehen, ohne je einen Ewigkeitswert zu gewinnen, auch fuer den Nationalismus endlich Geltung verschaffen. Damit reflektiert sie auch eine allgemeinere Infragestellung der absoluten Verbindlichkeit des nationalistischen Weltbildes und des Nationalstaates. [...] (S.104f.]
 

Ueberall will der Nationalismus die verlorene Einheit des Werte- und Normensystems mit seiner Doktrin wieder herstellen. Ueberall tendiert seine Dogmatik bei dem Versuch, die vorherrschende Heterogenitaet zu ueberwinden, zur Missachtung rechtlicher Barrieren, zur gewalttaetigen Entartung, zur Despotie seiner "politischen Religion". [S.109]
 

Voelker lernen ausserordentlich muehsam [hinzuzufuegen ist: sogenannte "Volksgruppen" auch], wenn ueberhaupt, aus Fehlern, erst recht aus den Verbrechen in ihrer Vergangenheit.  Wer aber den Glauben an die Lernfaehigkeit des Menschen nicht aufgeben will, muss hoffen, dass die bisherigen Erfahrungen mit dem Nationalismus in den meisten westlichen, vollends aber in allen nichtwestlichen Gesellschaften ihn als politische Utopie sobald wie möglich voellig diskreditieren. [S.111]
 

Besonders zu beachten ist Wehlers Aufforderung:

An die Stelle des Nationalsimus hat eine neue Programmatik zu treten, die als die Legitimationsbasis moderner Staaten dienen kann. Das ist die Leistungsfaehigkeit des demokratischen Verfassungsstaats, des Rechtsstaats, des Sozialstaats und des oekologisch gezuegelten Wirtschaftswachstums. Es ist mithin jene Kombination von Errungenschaften, wie man durchaus sagen darf, die sich seit dem spaeten 18. Jahrhundert im Gefolge der politisch-industriellen "Doppelrevolution" des Westens, aber auch als Resultat aelterer Traditionen, vollends dann nach dem Zweiten Weltkrieg in den meisten westlichen Staaten herausgebildet hat. [...] (S.114)


Lohnt es sich also, am kleinkarierten siebenbuergisch-saechsischen bzw. deutschen Nationalsimus festzuhalten, an dem die erwaehnten "Patrioten" die Identitaetsstiftung und Identitaet ihrer selbst und die ihrer "Volksgruppe" weiterhin blindlings festmachen?

Damit ist nochmals erwiesen, aus welchen dubioesen Quellen Harald Roths
 


ETHNISCHE MENTALITAET


 


gespeist wird, naemlich aus denen des von H.-U. Wehler so anschaulich und ueberzeugend dargestellten Phaenomens des Nationalismus.


Dazu unsere fruehere Stellungnahme unter

Vom Begriff der "ethnischen Mentalitaet" zur Einkreisungspsychose
 


Vergleich auch die Links am Ende von
DIE AKTE GUNDELSHEIM. Der Arbeitskreis für Siebenbuergische Landeskunde e.V. und die siebenbuergisch-saechsische NS-Vergangenheit.
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Datei: Wehler.html                     Erstellt: 18.01.2002          Geaendert: 11.02.2002                       Autor und © Klaus Popa

 
 
 
 
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