Vom Begriff der "ethnischen Mentalität" zur Einkreisungspsychose


        Der von Harald Roth in Verbindung mit den Siebenbürger Sachsen vorgeschlagene Begriff der "ethnischen Mentalität"1 ist in sich widersprüchlich und zu restriktiv. Wir wollen aufzeigen, warum dieser Begriff unzutreffend ist, auch in seiner Anwendung auf die Siebenbürger Sachsen. Dabei ist deren historisches Umfeld ausschlaggebend, das wir kurz erläutern möchten.


1) Ethnische Mentalität in der Geschichte Ostmitteleuropas. Einige methodische Überlegungen, in: Armin Nassehi (Hg.), Nation, Ethnie, Minderheit. Beiträge zur Aktualität ethnischer Konflikte. Georg Weber zum 65. Geburtstag, Köln Weimar Wien 1997, S. 399-408.

         In Siebenbürgen, das Teil des Königreichs Ungarn bis 1521 war, als die Türken Zentralungarn besetzten, bildeten die Siebenbg. Sachsen in Siebenbürgen eine der drei staatstragenden Nationen, die in mittelalterlicher Weise nicht ethnisch, sondern ständisch und territorial fungierten. Dieser politische Status blieb im Fürstentum Siebenbürgen erhalten, dann auch unter dem Haus Habsburg bis 1867, als mit der Ausrufung der österreichisch-ungarischen Doppelmonarchie Siebenbürgen wieder ein ungarischer Landesteil wurde. Das autonome Verwaltungsgebiet des sogenannten "Königbodens", ebenso die mittelalterliche Nation der Siebenbg. Sachsen war damit aufgelöst. Sie wurden zu einer Minderheit im Nationalstaat Ungarn.
            Die Hinwendung zur Sprache als identitätsstiftendes Merkmal war bereits früher erfolgt, u.zw. in den 40-er Jahren des 19. Jahrhunderts in der Person von St. L. Roth. Das Deutschsein rückte in den Mittelpunkt des Selbstverständnisses. Die Kennzeichen des binnendeutschen Nationalismus faßten auch bei den Siebenbürger Sachsen Fuß.
        Was deutsch und westlich an den Siebenbürger Sachsen ist, bedarf nicht besonderer Behandlung, weil wir an den Besonderheiten, selbst an den Sonderbarkeiten der Siebenbg. Sachsen interessiert sind, wenn es die nun überhaupt gibt.
        Als erstes ist das ethnische Umfeld zu betrachten. Siebenbürgen ist multiethnisch, also waren die Siebenbg. Sachsen mannigfaltigen Einflüssen von Seiten der Ungarn und Rumänen ausgesetzt, so wie die letzteren von den Siebenbürger Sachsen beeinflußt wurden. Die vielfältigen wirtschaftlichen, die menschlichen Kontakte ergaben ein Neben-, manchmal auch Miteinander, das auf Zusammenarbeit und gegenseitiger Achtung beruhte. Es entwickelte sich eine Achtung des Andersethnischen, ein Toleranzverhältnis, das in den 20-er und 30-er Jahren unseres Jahrhunderts zur Theoretisierung der "siebenbürgischen Seele" (bei den Siebenbg. Sachsen und Ungarn) und zum Projekt des "spatiu mioritic" durch Lucian Blaga führte.
        Die kulturelle Eigenartigkeit der Siebenbg. Sachsen als Vertreter einer mittel- und westeuropäischen Tradition sticht in der ost- bzw. südosteuropäischen Umgebung hervor, ist in Siebenbürgen ethnospezifisch, doch in einem mittel- oder west- europäischen Umfeld wäre sie nichts Außergewöhnliches.
        Die Lebensweise, das Wirtschaften der Siebenbg. Sachsen unterschieden sich höchstens in den Städten wesentlich von der bzw. dem der Ungarn und Rumänen. Da die meisten Siebenbg. Sachsen auf dem Land lebten, war ihre Lebensweise bäuerlich. Die Unterschiede zu den andersethnischen Bauern lagen nach der Ende des 18. Jahrhunderts erfolgten Aufhebung der Leibeigenschaft höchstens noch in der Effektivität des Wirtschaftens.
        Die drei siebenbürgischen Völkerschaften sind jeweils Typen europäischer Vergesellschaftung: die Siebenbg. Sachsen des west- und zentraleuropäischen Modells bzw. Kulturkreises, die Ungarn des zentral- und südosteuropäischen und die Rumänen des südosteuropäisch-balkanischen Kulturkreises. Hinzu kommen noch die unterschiedlichen Sprachen als einziges ausgesprochen ethnospezifisches Merkmal.
        Trotz der Zugehörigkeit zu verschiedenen Kulturkreisen, sind die jeweiligen Mentalitäten, weil ihre Träger größtenteils bäuerlich lebten, europäisch-bäuerlich. Nur das städtische Bürgertum und der Adel entwickelten typische Mentalitäten, die einen eine stadtbürgerliche, die anderen eine landherrschaftlich-aristokratische. Solange es freie und unfreie Bauern gab, koexistierte eine freibäuerliche und eine Leibeigenenmentalität. Trotzdem blieb es im Wesen eine Bauernmentalität.
        Innerhalb der städtischen Mentalität gab es schichtenspezifische Mentalitäts formen: die Milites(Ritter-)mentalität, die kaufmännische, die Handwerker- und die Tagelöhnermentalität. Ferner sind die den beruflichen Altersgruppen (Lehrling, Knecht, Meister) eigenen Mentalitäten zu unterscheiden.
        Auf der Ebene der Dorf- und Stadtgemeinden, die eigene Kollektivmentalitäten entwickelten, waren auch geschlechts- und altersklassentypische Mentalitäten manifest. Die Priesterschaft hatte ihre eigene Mentalität und schließlich integrierte die auf dem Christenglauben fussende christliche Mentalität alle erwähnten Mentalitätssparten. Von einer ethnischen Mentalität fehlt jede Spur. Jedenfalls spricht aus kulturanthropologischer Sicht nichts für sie.
        Die obige Aufgliederung in Berufs-, Alters- und politische Gruppenmentalitäten legt nahe, daß nicht die Sprache als ethnospezifisches Element differenzierungsrelevant war und ist. Die Differenzierung wird durchgängig von wirtschaftlichen, sozialen, rechtlichen und politischen Kriterien bestimmt. Roths "ethnische Mentalität" ist nirgendwo präsent, weil nicht differenzierungsrelevant. Sie ist wohl darauf angelegt, vermeintliche Unterschiede und Abweichungen von anderen Ethnizitäten bzw. ethnischen Identitäten herauszustellen, doch unser bisheriger Befund weist nach, daß nur die Sprache ethnizitätsbestimmend wirkt. Daß die Siebenbg. Sachsen und Ungarn ein städtisches Bürgertum besaßen, daß die Sachsen in den wichtigsten Städten das Regiment führten, ist trotzdem nicht angelegt, etwas an der Qualität der Ethnizität zu verändern, weil das nur Teilerscheinungen sind. Und von Teilaspekten auf die Eigenschaft des Ganzen schließen zu wollen entspricht dem pars pro toto-Verfahren, das das Ganze durch das Teil oder Teilaspekte substituieren will, was der Mystifizierung und Mythisierung Raum verschafft2.
        Wenn nun die Personen der Erzählung "Die Verfolgung" von Erwin Witttsock, mit der Stefan Sienerth seine Ausführungen über Fundamentalistische Muster in der siebenbürgisch-deutschen Literatur einleitet3, nach fundamentalistischen, will sagen von altersher tradierten Verhaltensmustern, reagieren und agieren, sind letztere Ausdruck jener christlichen Mentalität, die der Landbevölkerung eigen war. Das sind keine ethnospezifischen Verhaltensmuster, ebenso keine Ausdrucksformen ethnospezifischer = ethnischer Mentalität.

2)  Die willkürliche Ausweisung des Teils bzw. von Teilaspekten als Ganzes unter Mißachtung der Regel, daß ein Objekt nur in seiner Ganzheit und Unversehrtheit, d.h. in seiner Realität (=Tatsächlichkeit) zur Geltung gelangen kann, veranschaulicht die Irrationalität dieser auf Zerstückelung angelegten Vorgehensweise
3)  In: Krista Zach (Hg.), Rumänien im Blickpunkt. Sprache und Politik Identität und Ideologie im Wandel (Veröffentlichungen des Südostdeutschen Kulturwerks, Reihe B: Wissensch. Arbeiten, Bd.83), München 1998, S. 211-246, hier S.211-216.

         Roth nimmt sich vor, den Zeitpunkt zu bestimmen, ab dem von Ethnizität auszugehen ist, um eine zeitliche Eingrenzung der ethnischen Mentalität vornehmen zu können4. Er bringt aber keine Definition der Ethnizität oder der ethnischen Identität. Laut Nassehi sind "Nationalbewußtsein und Ethnizität" "wesentliche Kategorein kollektiver Identifikationen" und "genuin moderne Erscheinungen"5.

4)  Roth (wie Anm.1), S.401.
5)  Bei Friedrich Heckmann, Ethnische Minderheiten, Volk und Nation. Soziologie inter-ethnischer Beziehungen, Stuttgart 1992, S.35.  Zurück zu: Anm.6

         Welche Elemente definieren Ethnizität? Die Sprache, Literatur, eigene Geschichtsschreibung. Diese operieren mit Vorstellungen einer gemeinsamen Herkunft, mit einem gemeinsamen geschichtlichen Gruppenschicksal und bedienen "Deutungen, Konstruktionen", Mythen oder auch Erfindungen, deren Inhalte von gegenwärtigen Gruppenbedürfnissen bestimmt sind und die es mit der geschichtlichen Wahrheit nicht besonders ernst nehmen"6. Hierbei ist zu beachten, daß der ideologische Einschlag7  die tatsächlich ethnospezifische Komponente auf die Sprache und Literatur einschränkt, weil die Geschichtsschreibung ganz von ideologischen Anliegen vereinnahmt wird. Der Ideologieirungsgrad der schöngeistigen Literatur erfordert analytische Herausstellung.

6) Wie Anm.5, S.36f.
7)  Das bereits erwähnte pars pro toto-Verfahren ist ideologietypisch. Ideologie bzw. Ideologisierung setzt u.E. dort ein, wo der historische Tatsachenbestand willentlich umgedeutet, also verfälscht wird. Mystifizierung und Mythos treten anstelle der historischen Faktizität und Realität. So manifestiert sich auch die ethnospezifische Ideologie, die der tradierten, vorethnischen Mentalität (=berufs-, alters- und politgruppenspezifisch) zunächst übergestülpt wird, diese dann in fortschreitendem Maße verdrängt und schließlich ersetzt (substituiert).

         Roth setzt als untere Grenze für "Das verstärkte Auftreten von Äußerungen ethnischen Bewußtseins" die Glaubensspaltung (=Reformation), als obere zeitliche Grenze das "Einsetzen nationaler Agitation" und die Hinzugesellung eines ideologischen Faktors zum ethnischen Bewußtsein fest8. Er scheint diese zeitliche Eingrenzung inzwischen aufegegeben zu haben, worauf die auf seinen Begriff der "etnischen Mentalität" bezugnehmenden Abschnitte in Sienerths Fundamentalistische Muster ... weisen9.

8)  Roth (wie Anm.1), S.403.
9) Wie Anm.3, S.220-223. Sienerth setzt die untere Zeitgrenze in die ersten Jahrhunderte nach der Einwanderung fest (S.223).

     Sienerths Vorstoß, Roths "ethnische Mentalität" in den konkreten siebenbürgisch-sächsischen Kontext einzubringen, erscheint nicht nur problematisch, sondern auch unzutreffend. Er schreibt: "Der Glaube an eine gemeinsame Herkunft, ein gemeinsamer Erfahrungshintergrund, ein langer, sich über Jahrhunderte hinziehender politischer, zivilisatorischer und kultureller Sozialisationsprozess, historisch gewachsene Traditionen wie Gemeinsamkeiten in Sprache und Religion führten zur Herausbildung einer für die Siebenbürger Sachsen typischen ethnischen Mentalität"10.

10) Wie Anm.3, S.220.

         Sienerth vermeint, das Volkslied Kleines wildes Vögelein habe die Weichen gestellt für die "ethnische, soziale, juristische und kulturelle Sozialisation" der Siebenbg. Sachsen, "die ihrerseits die Entwicklung einer für diese Bevölkerungsgruppe spezifischen Mentalität bedingte", "bereits in diesen ersten Jahrhunderten nach der Einwanderung"11.
        Sienerth übernimmt auch die Ideologiedefinition Roths ("ein aus dem jeweiligen Zeitgeist heraus geschaffenes und bewußt formuliertes Hilfsinstrument für Verhalten und Deutungen12) kritiklos13.


11) Ebenda, S.223.
12) Das Handbuch der philosophischen Grundbegriffe, Bd.3, München 1973, S.722 ordnet dieses Verständnis von Ideologie "formaler Redeweise" zu, die "gelegentlich auch versucht, das Wort "Ideologie" von seinem negativen Assoziationsballast zu befreien und die mit ihm bezeichnete "Sache" als etwas anthropologisch und politisch Nützliches, Erwünschtes und Notwendiges zu kennzeichnen", ebenso von der "Ideologie als einer Form des dezeptiven Vorwands, der vermeintlichen oder vorgeblichen Rechtfertigung überkommener, kritisch-rational und begründbarer Traditionen, Usancen, Praktiken usw., kurz: als "Rationalisierung" sogenannter "irrationaler" oder "emotionaler" Positionen und Anschauungen" herauszustellen. Ich nenne solch ein irrationales Verfahren, das zu rationalisieren versucht, "Ideologisierung der Ideologie". Der Brockhaus nennt diesen Ideologiebegriff "neutral".)
13) Wie Anm.3, S.221.

        Im Kapitel "Historiographischer Eifer" greift Sienerth das Stereotyp des den Siebenbg. Sachsen seit Ende des 18. Jahrhunderts von außen aufgezwungenen Ringens "um den ethnischen Fortbestand", wie es Krista Zach formuliert, auf14. Wie es sich damit verhalten haben soll, verraten die weiteren Ausführungen Sienerths. Die Siebenbg. Sachsen wurden ab 1867 durch die nachdrücklichen Madjarisierungsabsichten "immer mehr in die Rolle einer Minderheit gedrängt". Über die sächsische Elite ist zu erfahren, daß sie "sich von vornherein dessen bewußt (war), daß sie diesem Assimilationsdruck nur durch gezielte Gegenmaßnahmen widerstehen könne". Die Rolle der Universitas Saxonum wurde von der Kirche übernommen. Ihr kam "auch die Aufgabe zu, den nationalen Fortbestand der Gruppe zu sichern". Die kirchliche Obrigkeit erklärte "die nationale Einheit des "sächsischen Volkes",[...], zum Zentralwert der Gruppe. In den Dienst dieses höchsten der damaligen Ziele hatte sich auch die Kultur zu stellen, die Literatur ebenso wie die Geschichtsschreibung. Über die Bildungselite hinaus sollte dieses Bewußtsein in der sächsischen Bevölkerung insgesamt Wurzeln fassen, über Elternhaus, Schule und Kirche wurde es an die folgenden Generationen vermittelt"15.

14) Wie Anm.3, S.232ff.
15) Wie Anm.3, S.233

         Diese Strategie der sächsichen Elite erscheint aus heutiger Sicht als grobe Verfehlung, weil sie bis in die anfangvierziger Jahre unseres Jahrhunderts ausstrahlte und in erheblichem Maß die nationalsozialistische Anfälligkeit der Siebenbg. Sachsen zu verantworten hat. Die überspitzte Auslegung und Formulierung der von außen den Sachsen zugefügten Verluste ist Ideologisierung. Die damalige politische Elite bewies in zweifacher Weise Verantwortungslosigkeit: sie beschränkte sich nicht darauf, ihr eigenes Verlustgefühl und -denken lediglich bekannt- und an das ganze sächs. Volk weiterzugeben, nein, sie zwang diesen Gemütszustand dem Volk in programmatischer Weise auf und bediente sich in höchst moderner Manier der ihr zur Verfügung stehenden Kanäle: der Printmedien, der von der Kirche geführten Schulen und der Kirche selbst. Die Fehlleistung der damaligen politisch-kirchlichen Elite, in Bischof G.D. Teutsch gleichsam in Personalunion vertreten, war die, daß sie statt eines zukunftsorientierten Aktionsprogramms ein auf Selbstbemitleidung gegründetes, rückwärtsgewandtes ideologisches Konstrukt als Lösung durchsetzte. Die Elite und ihr Surrogatangebot waren in Denkmustern eines restaurativen Konservativismus verfangen, also einem fundamentalistischen Traditionalismus verhaftet, der dem Anpassungswillen an die Realitäten des ungarischen Nationalstaates überhaupt nicht gerecht werden konnte.
        Nach dem Verlust des politischen Mitentscheidungsrechts auf siebenbürgischer Ebene wurde die Kirche als Ersatzinstrument identifiziert und eingespannt. Ihre christliche Botschaft wurde um das Stereotyp des "Ringens um den ethnischen (völklichen) Fortbestand" erweitert. Damit wurde ideologisch auf das Selbstverständnis der Siebenbg. Sachsen zugegriffen16. Bischof Teutsch war jedenfalls ein Hauptträger dieser nationalistisch-ethnozentrischen, in christlichem Gewand dargebotenen Botschaft. Dessen Geschichte der Siebenbürger Sachsen für das sächische Volk war neben der Bibel doch nicht zufällig das zweite Hausbuch jeder sächsischen Familie.

16) Ob H. Roths neutrale Definition der Ideologie als "ein aus dem jeweiligen Zeitgeist heraus geschaffenes und bewußt formuliertes Hilfsinstrument für Verhalten und Deutungen" (wie Anm.1, S.400) dieses historische Zäsurmoment im Visier hatte?

         Die bereits angesprochenen Selbstbemitleidung löste eine narzißtische Gemütsverfassung aus, die seither als mentalitätsgeschichtliche Konstante im  Selbstverständnis der Siebenbürger Sachsen spukt. Der ehemals glänzenden politischen Gewichtung wird in pathetischen bis weinerlichen Tönen nachgetrauert. Das ist Rück- und Vergangenheitsorientierung, die dem Stereotyp vom "Ringen um den ethnischen Fortbestand" verhalf, zum Geschichtsmythos zu mutieren.
    Ein Hauptbestandteil des siebenbg.-sächsischen Selbstverständnisses der letzten 150 Jahre ist also in diesem historischen und ideengeschichtlichen Kontext verankert. Er ist ein durch Selbsteinreden zustandegekommener, seit Kindsbeinen gebetsmühlenhaft wiederholter Mythos, eine ideologische Verzerrung17. Die traumatische Nachdrücklichkeit, mit der das Jahr 1867 zum absoluten Unglücksjahr der Siebenbg. Sachsen hochstilisiert wurde18, liefert das erste Beispiel für die seitens der Führungselite erfolgreich betriebene Ideologisierung.
        Über die Bedingungen des Dualismus schreibt Sienerth, daß die Siebenbg. Sachsen sich genötigt sahen, "Hilfe und Schutz außerhalb des Staatsverbandes, dem sie angehörten, zu suchen"19. Die ist wiederum eine auf nationalistischer, also ideologischer Grundlage durch Selbsteinreden heraufbeschworene Hilfsbedürftigkeit und Suche, die die geistige Elite in überspannter Weise anstrengte und die sie wie zur Jahrhundertmitte ans Volk weiterreichte. Der damit ausgelöste Gemütszustand gleicht durchaus der von den Nationalsozialisten entfesselten Einkreisungspsychose.

17) Das bereits unter Anm.12 angesprochene Ideologieverständnis Roths und Sienerths geht offensichtlich der durch Fr. Heckmann vorgenommenen Einbringung des "Ideologiekonzept(s) in die Vorurteilsforschung" (wie Anm.5, S.139f.) bewußt aus dem Weg und zieht das neutrale, harmlose (bzw. zwecks Verharmlosung einsetzbare) vor. Heckmann betont folgende Kernelemente von Ideologien:
    (1) Ideologien sind wirklichkeitsinadäquate, verzerrte Ideensysteme;
    (2) Ein weiteres, zentrales Moment des Ideologiebegriffs ist das der "Interessiertheit", der Interessengebundenheit, der Macht- und Herrschaftsabhängigkeit von Ideen und Aussagen;
    (3) Ideologien stellen Strukturen und Systeme von Aussagen dar.
18) In ähnlich mentalitätsgeschichtlich verheerender Weise wurde auch der verlorene Krieg 1918 und der Anschluß Siebenbürgens an Rumänien schwarzmalerisch verzerrt.
19) Wie Anm.3, S.243.

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Datei: .../Ro.htm/          Angelegt: 08.12.1998        Verändert:  11.02.2002                       Autor und  © Klaus Popa

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