Die "Kritischen Blaetter" sind sich dessen bewusst, dass dem geistlosen
Treiben des Kreises, dem Genannter angehoert, nicht Einhalt geboten werden
kann, weil "Forscher" des Zuschnitts von U.A. Wien mit einer "Kompetenz"
bestueckt sind,
EIN LEHRSTUECK
PAROXYSTISCHER SCHWARZWEISSMALEREI
Ein Vorsatz in diesem undurchsichtigen Gewebe von Vorurteilen ist naemlich der, dass das NS-Treiben der Vaeter- und Grossvaetergeneration nicht ein faktischer Bestandteil der eigenen und der Gruppenidentitaet ist. "Forscher" dieses Schlags wollen die NS-Hypothek ihrer "Volks"-Gruppengeschichte einfach nicht als das zur Kenntnis nehmen, was sie in dokumentarisch verbuergter Form tatsaechlich war, weshalb sie es muessig finden:
a) die reichlich ueberlieferten Archivbestaende, beispielswiese die des
Bundesarchivs, der Oeffentlichkeit bekannt zu machen;
b) diese Unterlagen sach- und fachgerecht heranzuziehen und auszuwerten;
c) auf die NS-Initiativen und NS-Aktivitaeten faktisch einzugehen.
Statt dessen begegnen sie den dokumentierten und historisch erweisenen Fakten mit Unterschlagung, Totschweigen, Faelschung (=Amputation), Manipulation und gezielter Irrefuehrung der Oeffentlichkeit (= systematischer Desinformation).
Solange dieser Kreis im Zeitalter der Information auf solche Mittel der
Diversion (=Ablenkung) nicht verzichtet, solange er die dargestellten
Identitaetsvorstellungen wie einen Hemmklotz mit sich herumschleppt, wird
er
a) von Uneinsichtigkeit
gestraft;
b) wird er ueber das
Stadium der ungebuehrlichen Beschaeftigung mit sich selbst und seinen historischen
Einbildungen nicht hinauskommen;
c) wird er sich weiterhin
in seinen Identitaetsvorstellungen und -problemen, also in Selbstreferentialitatet
verheddern.
Dadurch stellt sich dieser Kreis abseits und ausserhalb des grenz- und nationenueberschreitenden Kulturdialogs eines zusammenwachsenden Europa.
Die "Kritischen Blaetter" betrachten es als Gebot der Stunde auf
dieses selbsterkorene Sonderdasein und dieses kulturelle Aussenseitertums
aufmerksam zu machen. Seine Produkte spotten jeder historischen Wahrheit
und Wahrhaftigkeit und muessen mit sach- und fachgerechten, dokumentarisch
unterlegten Beitraegen in die Schranken gewiesen werden. In diesem Sinn
geschieht die Veroeffentlichung des folgenden Beitrags, den die Halbjahresschrift
fuer suedosteuropaeische Geschichte, Literatur und Politik bereits
im Mai 2001 auf S.91-106 brachte.
Von Klaus Popa
Seit
der Publikation des „Tagebuches“ von Bischof Viktor Glondys1
trat eine Belebung der Auseinandersetzung mit
den politischen Verirrungen und Verwirrungen der Siebenbuerger Sachsen
der 30er und fruehen 40er Jahre des vorigen
Jahrhunderts ein. Wenn es bis dahin hauptsaechlich darum ging die Gruppe
der Nationalsozialisten zu rechtfertigen2
bzw.
archivmaessig ueberlieferte Aussagen zum eigentlichen Tatbestand publik
zu machen,3 zeichnet sich seither die
Tendenz ab,
das Augenmerk auf fuehrende Persoenlichkeiten zu leiten und diese gleichermassen
als Leitfiguren der einen oder anderen
Seite gegeneinander auszuspielen4
oder einfach zu diskreditieren.5 Nun
wird die Diskussion auf einen anderen
Spitzenvertreter der Nationalsozialisten, Pfarrer, nachmalig Bischof
Wilhelm Staedel (1942-1944) gelenkt.6
Dessen Anbeter
halten weiterhin an dem Bild eines makellosen Pfarrers, Jugendleiters
und Bischofs fest. Dass Staedel ganz anderes auftrat
und durch seinen fanatischen Nationalsozialismus eigentlich weiter
nichts anderes war als ein Verfuehrer und Verformer
junger Gemueter und ein beflissener Erfuellungsgehilfe des reichsdeutschen
Expansionismus soll anhand von Belegstellen aus Staedeltexten veranschaulicht
werden. Das daraus ableitbare Persoenlichkeitsprofil darf als symptomatisch
gelten fuer
zahlreiche siebenbuergisch-saechsische Pfarrer, die sich bereits in
den 20er Jahren des vorigen Jahrhunderts
nationalsozialistisch gebaerdeten.7
Pfarrer Staedel wurde wegen seiner Weigerung sich dem Rundschreiben
924/1936 des Landeskonsistoriums der ev.
Landeskirche A.B. in Rumaenien zu beugen, das den Kirchenangestellten
parteipolitische Betaetigung untersagte, des Amtes
enthoben. Am 18. Januar 1937 trat er vor dem Bezirksdisziplinargericht
in Kronstadt auf. Seine Verteidigungsrede8
hatte
ausschließlich den Zweck, sich und seine Gesinnungsgenossen9
zu rechtfertigen und die alte Kirchenfuehrung unter Bischof
Glondys anzuprangern. Staedel bedient die rhetorischen Paradigmen der
politische Richtung, fuer die er Rede und Antwort
stehen muss, in ausgezeichneter Weise. Diese beinhalten:
a) wofuer sich Staedel und Gesinnungsgenossen vorgeblich einsetzen;
b) das, was sie als Angeklagte ablehnen; aber eigentlich politisch
ansteuern;
c) sie beanspruchen die Rechte, welche sie spaeter untersagen und unter
Strafe stellen wuerden;
d) die Infragestellung der Autoritaet der damaligen Kirchenfuehrung
und das Projekt der „wahren Volkskirche“.
So heisst es, er spreche „um fuer Recht und Wahrheit einzutreten“10 und dass er und seine Gesinnungsgenossen ihren „Weg weitergehen um des Rechtes, der Wahrheit und des Gewissens willen!“11 In kirchlichen Dingen betrachten sie sich „als Luthers Erben“,12 „Gehorsam und Zucht“ sind „Grundpfeiler der neuen Gemeinschaft“, an der sie „bauen“ wollen, doch es gaebe „einen aeusseren und inneren Gehorsam“, wobei „Gehorsam gegenueber Gott“ „sich nicht immer mit dem Auftrag einer irdischen Befehlsstelle und sei es auch die Kirchenleitung“ deckt. An die kirchliche Obrigkeit ist man sittlich gebunden, doch entscheidend sei der „innerste Auftrag unseres Lebens“.13 Das sind Worte eines elitaeren, sendungsbewussten Selbstverstaendnisses mit totalitaeren Konsequenzen, wo der Gottesglaube ausschließlich als Vorwand, als Fassade fuer das dient, was dieser “heilge Lebensauftrag“ beinhaltet. Die Instrumentalisierung des Glaubens zu rein politischen Zwecken, das ist ein Hauptkennzeichen der von Staedel vertretenen Religion. Dieser politisierte Glaube gebaerdet sich bereits darin dogmatisch, dass er von sich behauptet, allein im Sinn des reformatorischen Bekenntnisses zu handeln, waehrend der Runderlass 924/1936 der Kirchenfuehrung „unevangelisch“ sei.14 Staedel setzt sich fuer die sogenannte „Volkskirche“ ein, die „dann und dort“ ist, „wo die Botschaft die Menschen in ihrer Lebenstiefe, in ihrer Existenz trifft, wo die Kirche wieder „heiliges Eigen“ des Volkes wird!“15 Er und seine Mitstreiter haben die Losung „Wir kaempfen innerhalb der Kirche um die neue Kirche!“.16 Was sie sich darunter vorstellen, formuliert Staedel wie folgt:
Die Kirche wird nur dann wieder ihre klare Stellung mitten im Volk haben, wenn der Bau der großen deutschen Volksgemeinschaft in diesem Land gelungen ist, denn sie wird dann auch vom Volk her in neuer Weise das mandatum sacrum erhalten, Hueterin des Heiligtums zu sein! Sie wird aber zweitens diesen heiligen Auftrag nur dann recht erfuellen koennen, wenn sie mitten hinein geht in die lebendigen Kraftstroeme der deutschen Volksbewegung und ihrer wachstuemlichen Gemeinschaftsgestaltung, wissend um das Ziel der Ewigkeit und die Wege dahin weisend.17
Als Leser des 21. Jahrhunderts hat man seine Schwierigkeiten den Aussagen Staedels Aufrichtigkeit zuzubilligen. Staedel hinterlaesst eher den Eindruck eines gewieften Demagogen, dem es ein leichtes war die christlich-evangelische Rhetorik mit den politisch-ideologischen Paradigmen des Nationalsozialismus zu verbinden. Dieser Zwitterdiskurs drang ohne Schwierigkeiten in die Herzen seiner jugendlichen Zuhoerer und Gefolgsleute, konnte aber die gestandenen Theologen der Kirchenfuehrung nicht hinters Licht fuehren. Weil Staedel und seine „Bewegung“ auf der Anklagebank sitzen, lehnen sie zu diesem Zeitpunkt all das ab worauf ihr ideologisches Projekt eigentlich hinzielte: Gewaltmittel, Gewissenszwang, Kadavergehorsam, Willkuer, Orthodoxie, Unwahrheit, Entrechtung. Damit ist die Heuchelei und die Skrupellosigkeit dieser Menschen angesprochen, die bei der Auswahl ihrer Kampfmittel nicht zimperlich waren. Zutiefst unaufrichtig ist Staedels Bemerkung, er komme in diesen Monaten des „Kirchenkampfes“ am schwersten darueber hinweg,Und so nehme ich aus diesem Saal erst recht mit mir die Gewissheit des Glaubens, des Glaubens an die kommende Kirche des Volkes, ruhend auf heiligem und ewigem Gottesgrund und gespeist aus dem goettlich-schoepferischen Strahlenkern der
Christuswahrheit und der Christusliebe, die Kirche der lebendigen Gemeinden, die Kirche der Freien und Frommen, die Kirche Gottes der deutschen Nation in diesem Land!18
dass in einer christlich-evangelischen Kirche die Austragung eines Gegensatzes auf „christliche“ Weise scheinbar nicht moeglich ist, sondern nur durch Anwendung von Gehwaltmitteln geistlicher, rechtlicher und sonstiger Art: dass es also in unserer Mitte an der Bezeugung des Geistes und der Kraft wahrhaften Christentums weithin fehlt; [...].19
Staedel wiederholt diesen Gedanken gegen Ende seiner Ausfuehrungen, indem
er aus D. Karl Heim zitiert: „Sobald irgend ein aeusserer Druck hinter
das Wort gesetzt wird, kann keine lebendige Kirche entstehen“.20
Staedel entwirft also einen Katalog totalitaerer Suenden, den sich die Landeskirche angeblich zuschulden kommen ließ. Dass das aber gerade die Maßstaebe und Begleiterscheinungen der totalitaeren Volksordnung sind, welche das nationalsozialistische Projekt in Deutschland bereits verwirklicht hatte und Staedel auch bei den Rumaeniendeutschendie Gefahr der Orthodoxie, einer oft am Buchstaben auch der Bibel haengenden Rechtglaeubigkeit, die so leicht geneigt ist, den Glauben anderer mit dem Richtmass ihrer eigenen frommen Gedanken zu messen. Damit aber ist die Gefahr verbunden, dass sich das Christentum in dieser Form tatsaechlich auf kleinere Kreise beschraenkt, an denen der Strom des Volkslebens mit seinen elementaren Kraeften vorueberrauscht.25
Staedel
reklamiert in seiner Verteidigungsrede Grundsaetze, die nur solange Gueltigkeit
haben, bis er und seine
Gesinnungsgenossen ins Zentrum der Macht gerueckt sind. Unter ihrer
Fuchtel sollte und konnte nur ein Wille gelten, naemlich der Fuehrerwille.
Das Recht auf Selbstentscheidung, das Recht auf Kritik, christlich-soziale
Inhalte hatten da nichts mehr zu melden. Doch in seiner jetzigen Lage als
Angeklagter beruft er sich auf einen mystisch verbraemten „zukunftstraechtigen
ewigen Wille(n)“.26 Staedel plaediert
auch fuer das Recht auf Selbstentscheidung, naemlich auf sein Recht, sich
fuer die Jugendarbeit nach seinen nationalsozialistischen Vorstellungen
zu entscheiden, und nicht die von der Kirche vorgeschriebenen Inhalte zu
vermitteln.27 Letzteres war
uebrigens. ein Hauptanklagepunkt gegen Staedel. Aehnlich formuliert Staedel
in Verbindung mit der bestehenden, an die Gemeinschaft gebundene Ordnung
und dem Einzelgewissen und behauptet, in der Jugend- und Erneuerungsbewegung
wachse eine „neue Ordnung“, wo „das an Gott gebundene Gewissen einmal auch
nicht uebereinstimmt mit dem an die Ordnung gebundenen Gewissen“.28
Staedel lehnt also das ab, was er von der bestehenden, „alten“ Ordnung
auferlegten Gewissenszwang nennt. Als aber er und seine Gesinnungsgenossen,
sobald sie ab November 1940 ihre „neue“, totalitaere Ordnung durchsetzten,
einen neuartigen Gewissenszwang einfuehrten, waren alle frommen Theorien
der Verteidigungsrede von 1937 vergessen. Staedel beruft sich auf ein weiteres
Recht, das unter seinem
Kirchenregiment zum Erliegen kommen sollte, das Recht auf Kritik, das
es in der ev. Landeskirche AB doch gebe. Doch
Kritik ist ihm solange zupass, bis er seine Ziel, naemlich die Machterlangung,
erreicht hat. Er fordert jetzt eine oeffentliche
Kritik, die angeblich der „lebendige(n) Selbsterneuerung“ der Kirche
diene, zumal die Kirchenleitung glaube, „auf dem
Wahrheitsthron“ zu sitzen und dass es „keine Unfehlbarkeit in der ev.
Kirche“ gaebe.29 Staedel bezweifelt
also, dass die
Landeskirche samt der Kirchenfuehrung das Wahrheits- und Unfehlbarkeitsmonopool
besitzen. Dieses moechte er sich und
seinen Gesinnungsgenossen aber sichern, um das Projekt der „neuen“,
„wahren Volkskirche“ verwirklichen zu koennen.
Dem
angeklagten Staedel schwebt „die Kirche Gottes der deutschen Nation in
diesem Land“30 vor. Um dahin
zu gelangen, sei „die Formung der deutschen Seele in Rumaenien“ uanbdingbar.31
Die Gewaehr dafuer stelle „das klare Ja zum
Nationalsozialismus“ dar,32 was
er und seine politische Bewegung laengst getan haben. Sie seien die Auserwaehlten,
deren
II.
Wie
nun die Realitaet der neuen Volksordnung im Verhaeltnis zur ev. Landeskirche
AB anderthalb Jahre nach der
Machtergreifung durch die Nationalsozialisten aussah, beleuchtet die
Installationspredigt und Eroeffnungsrede des neu
gekuerten Bischofs Wilhelm Staedel auf der 29. Landeskirchenversammlung
vom 31. Mai bis 3. Juni 1942.44
Der
neue Bischof trat hochtrabend und arrogant auf. Seine Festpredigt am 31.
Mai 1942 in der Hermannstaedter
Stadtpfarrkirche stand unter der Losung „Freude im Geist“ (Matthaeus
11,25-30). Diese Predigt ist ein Musterbeispiel fuer den Ideologisierungsgrad,
den die ev. Landeskirche AB in Rumaenien durch ihre deutschchristlichen
Mitglieder mit Staedel an der Spitze erfahren hatte. Die Landeskirchenversammlung
vom 31. Mai bis 3. Juni 1942 ist eigentlich eine Jubelfeier dieser Splitterkraefte,
die nur dank der politischen Umkrempelung der bis dahin gemaessigt-nationalsozialistisch
ausgerichteten „Volksgemeinschaft der Deutschen in Rumaenien“ im November
1940 durch Erlass des Staatsfuehrers Antonescu in die radikalnazistische
„Volksgruppe der Deutschen in Rumaenien“ unter dem SS-Angehoerigen Andreas
Schmidt auch die oberste Kirchenfuehrung vereinnahmten.
Staedels
Predigt und seine weiteren Ausfuehrungen waehrend der Landeskirchenversammlung
belegen zum einen, wie unbedarft, simplistisch, zuweilen vulgaer das deutschchristliche
Kauderwelsch von Bibelinhalten,
lyrisierend-beschwoerendem, romantisierendem Geschwafel und reinster
NS-Ideologie im Munde des obersten
Deutschchristen Rumaeniens sich anhoert. Zum zweiten gelangt der typisch
nationalsozialistische Hang zur Uebertreibung bis
hin zur pathetischen Kraftmeierei voll zur Geltung.
Staedels
Interventionen zeichnen sich zudem durch eine falsche, gekuenstelte Tonlage
des unumschraenkten Optimismus aus, die sich schon zu Beginn seiner Predigt
gegen „die Schatten der Sorge, des Kleinmuts und des Misstrauens“ wendet.45
Doch Staedel moechte seine Bischofsinstallation als Feier der „Freude im
Geist“ begreifen und meint, dass dieses Bibelwort recht geeignet sei, ihm
„Leit- und Lebenswort auch in dem neuen Amte“ und „Wegweisung“ fuer die
Landeskirche zu sein.46 Fuer ihn und
seine Gesinnungsgenossen bestand in der Tat Anlass zur Freude, weil sie
durch die Installation dieses Bischofs und durch die in den naechsten Tagen
(1.-3. Juni 1942) erfolgten Verabschiedung des Gesamtabkommens. Bestimmungen
zur Regelung des Verhaeltnisses der evangelischen Landeskirche Augsburger
Bekenntnisses zur Deutschen Volksgruppe in Rumaenien47
einen gewaltigen Schritt in Richtung ihres Projektes einer totalitaere
verwalteten Volkskirche tun sollten. Und Staedel hatte durchaus Grund zur
Freude, weil er vermeinte, sich diese Fuehrungsposition durch zaehen, harten
„Kampf“ verdient zu haben. Damit glaubte er dem „harten Gesetz des Kampfes
gerecht geworden zu sein, das er in seiner
Die
Natur sei „vom Kampfgesetz durchwirkt“; es kann nicht heißen: „Kraft
oder Liebe, Schwert r oder Kreuz, sondern Kraft und
Liebe, Schwert und Kreuz.“. In dieser Maxime vermeint Staedel den
Sinn des Lebens zu erblicken („Nur auf diese Weise rundet sich das Leben
zum wahren, sinnvollen Ganzen“).50
Staedel verwirft also die "alte" Vorstellung des
Nebeneinander von Kampf und Kirche, das die Moeglichkeit des Ausweichens,
der Alternative, also der individuellen und
kollektiven Auswahl der Option(en) ermoeglicht und postuliert das ausweglose
und alternativlose, deterministisch - einwegige, totalitaere Mit- bzw.
Durcheinander von Kampf, Liebe und Kreuz. Trotz der sichtbaren Prioritaet
von Kraftmeierei und Krieg („Kraft“, „Schwert“), welche die „Liebe“
und das „Kreuz“ auf den zweiten Platz verweisen,
erdreistet sich Staedel, dem Heiland, also Christus, eine „Mittlerstellung“
zuzuweisen. Nun, von einem Gedankensystem, das
sich von der Gradlinigkeit rationeller Logik verabschiedet hat, kann
man sich auf Schnippchen irrationaler Gewundenheit
gefasst machen. Und diesen Haken schlaegt Staedel getreu seiner nationalsozialistischen
Sinnstiftung:
woraus sich die Frage ergibt: „Was waere der Gottvaterglaube ohne Christus?“51Wer sich aber an der Mittelstellung des Heilands stoesst, der mag sich nur einmal die Frage vorlegen: „Was waere der Nationalsozialismus ohne Adolf Hitler?“,
Der
„Geistliche“ Staedel hat andere Prioritaeten als die traditionellen Theologen,
in seiner Werteskala stehen von der nationalsozialistischen Tagespolitik
eingeforderte Wertvorstellungen an erster Stelle, also Kampf, Krieg,
Nationalsozialismus und Adolf Hitler, nicht die allzu theologischen
und "verstaubten" Werte wie christliche Liebe, das Kreuz, der christliche
Glaube und Christus. Deshalb ist es auch nicht das traditionelle, theologisch
verbuergte Erloeser- und
Erloesungsverstaendnis, sondern das vom Nationalsozialismus ideologisch
und politisch arrondierte propagandistische
Paradigma Hitlers als Erloeser, dem Staedel froent. Die exklusive „Wahrheit“
dieses Glaubens liege „nicht an der
Oberflaeche“, sie bleibe „meist den Wissensstolzen und den Selbstgerechten“
verschlossen, offenbare „sich dagegen den
kindlich suchenden Herzen“.52 Staedel
weist hier den Drang nach Wissen, nach Rationalitaet und Intellektualitaet,
nach
Individualismus weit von sich und definiert die Zielgruppe dieser Glaubensform
als "„kindlich suchende Herzen“. Das sind
eindeutig Menschen mit kindlichem Gemuet, die intellektuell Anspruchslosen,
die grauen Existenzen, die
Durchschnittsmenschen, die sich allein in „ihrer“ Gemeinschaft und
Gefolgschaft (lies: Herde) aufgehoben fuehlen. Es ist also der Herdenmensch,
der Staedels Zielgruppe war.
Nachdem Staedel unterstreicht, dass Hitler und Christus „mitten aus dem Volk“ kamen, wuerdigt er die Anhaenger des „Fuehrers“, die „in der ersten Zeit nicht die Grossen und Starken in dieser Welt, nicht die „Gebildeten“ und Ueberfeinen, nicht Wissensstolze und Selbstgerechte, sondern kindlich glaeubige und bis in den Tod getreue Menschen“ waren.53 Die durch das Gesamtabkommen festgeschriebene Zerstoerung der tradierten Schul- und Kirchenordnung versteht Staedel als „ernsten religioesen Neubeginn“, vor der Kirche und Volk stehen, der nicht „mit der landlaeufigen Theologie“ zu meistern sei, „sondern nur mit dem ehrlichen, heissen Herzen, das kindlich nach dem Reiche Gottes ausschaut und die Frohbotschaft Christi in ihrer Reinheit und Tiefe zu fassen versucht“.54
Staedels Botschaft ist eindeutig: Zu dem, was er „ernste religioese Neubesinnung“ und „Neustellung“ der „Grundfragen unseres Lebens und unseres Glaubens“ nennt,55 sind eigentlich nur Herdenmenschen befaehigt. Die „Neubesinnung“ kommt diesen Menschen zugute. Von ihr sind Menschen „mit dem Wissenstolz des ewigen Schulmeisters“, „mit der Selbstgerechtigkeit und Selbstsicherheit einer falschen Froemmigkeit“ ausgeschlossen.56
Mit
dem Begriff der Froemmigkeit leitet Staedel zum zweiten Abschnitt
seiner Installationspredigt ueber. Wo und bei wem die echte Froemmigkeit
liegt, duerfte seiner Zuhoererschaft und auch dem modernen Leser einleuchten.
Trotzdem betont Staedel, dass man Gott “durch keine frommen Kuenste nahe
kommen kann, sondern nur durch ein kindlich suchendes Herz und durch das
tapfere Trauen dieses Herzens auf seine vaeterliche Guete“.57
Staedel gibt zwar zu, dieses sei eine „grosse Vereinfachung“, doch diese
soll auf der Ebene des „frommen Lebens“ auch in der evangelischen Landeskirche
AB
wiedergefunden werden. Diese Vereinfachung erfolgt nicht auf glaubenslaessiger
Ebene, wie Staedel sich das vorstellt,
sondern besteht in der Vulgarisierung des christlichen Glaubens durch
uebermaeßiges Ideologisieren und Politisieren.
Im
dritten und letzten Teil seiner Predigt setzt sich Staedel mit der Frage
auseinander, wie „Gottesgehorsam“ mit dem „Gehorsam der staatlichen
Obrigkeit gegenueber“ vereinbar ist. Auch dieses Dilemma loest er in der
ihm eigenen Weise. Wieder ist es Luther, der den Loesungsansatz bietet:
„Niemand zweifle, dass das weltliche Regiment aus Gottes Willen in der
Welt sei“,60 woraus Staedel einfach
schlussfolgert: „Wenn dem so ist, dann ist der Gehorsam der staatlichen
Obrigkeit gegenueber in diesem Sinne Gottesgehorsam und wir erfuellen eine
goettliche Pflicht, indem wir ihre Gesetze halten.“ Auf den konkreten Fall
des saechsischen Volkes und seiner nun nationalsozialistischen Fuehrung
angewendet macht Staedel die im „Lebensgesetz des Blutes und des Herzens“
vorgegebene Bindung geltend: „[...] durch das Lebensgesetz des Blutes und
des Herzens, das staerker als bisher im Nationalsozialismus offenbar geworden
ist.“61 Daraus leitet Staedel den
Glaubensgrundsatz ab, „dass es nicht unfromm ist, sondern Gottes Willen
entspricht, wenn wir dem Lebensgesetz unseres
Volkes dienen.“ Hier offenbart sich die Willkuerlichkeit und Beliebigkeit,
welche das Postulat des „voelkischen
Lebensgesetzes“ in sich birgt, weil es Raum zu beliebiger Interpretation
bot. Es sei daran erinnert, dass dieses
„Lebensgesetz“-Gefasel als Rechtfertigung fuer die unzaehligen Verbrechen
der Nationalsozialisten diente.
Staedel
fuehrt weiter aus, dass Luthers Feststellung, „Gottesdienst sei aber auch
und vor allem die treue Erfuellung der Berufspflichten in der Ehe und im
Hause wie im oeffentlichen Amt, in der Werkstatt und auf dem Felde, ueberall
wohin wir durch Gottes Fuegung und Befehl hingestellt sind“,62
dem Lebensgesetz des Blutes entspricht. Die bereits frueher
festgestellte Prioritaet des Politisch-Ideologischen gegenueber dem Religioesen,
gegenueber dem Glauben, spricht Staedel nochmals eindeutig aus: „Und der
Gottesdienst des Feiertages, die Gottesfeier in der Kirche, soll uns nur
Kraft geben fuer den Gottesdienst im Alltag“.63
Es draengt sich unwillkuerlich die Frage auf, ob ein Mann wie Staedel es
ueberhaupt verdient, Bischof genannt zu werden, weil er den Glauben, die
Kirche als einfaches Anhaengsel der nationalsozialistischen
„Lebensgesetz“-Philosophie, als Instrument politischer Ambitionen auffasst.
So nimmt es kein Wunder, wenn Staedel seine
Zuhoererschaft unterweist, sich „bewusst in die neue Gemeinschaftsordnung
unseres Volkes hinein(zu)stellen“, um „die
Aufgaben, die uns dort gegeben sind, willig und freudig anpacken (zu
koennen), so wie Christus von Herzen Gott gehorsam
war“, wodurch man „im Gottesdienst“ zu stehen kommt.64
Mit
dem Wort der „Liebe“, die „in der Tat des Gesetzes, auch des deutschen
Gesetzes“ Erfuellung „ist und bleibt“, und in der sich erst „unser Gottesgehorsam“
vollendet,65 knuepft Staedel an die
alles rechtfertigende „ewige Liebe“, deren Ausdruck auch die in der Gemeinschaft
verankerte „sorgende, heilende, segnende Liebe“ sei. Die Hohlheit und Falschheit
dieses Liebesbegriffs hat der Gang der Geschichte vollauf bestaetigt, womit
auch die Heuchelei ihrer Vertreter und Verfechter allzu deutlich wird.
Und es wird auch deutlich, dass die „Wegwende der Gegenwart“, die Staedel
abschließend anspricht, entgegen seiner Befuerchtung, in Wahrheit
eine klare „Weg-Wende“66 „von dem
lebendigen Gott und von seinem ewigen Reich“67
war.
Es folgt die Abhandlung der fuenf Hauptpunkte des „Gesamtabkommens“. Die Widersprueche und Proteste, welche der Nebensatz des 1. Punktes ausloeste (die Freiheit des religioesen Bekenntnissees und der christlichen Verkuendigung wird davon abhaengig gemacht, „soweit dadurch nicht der Bestand der Volksgruppe gefaehrdet oder gegen das Sittlichkeits- und Moralgefuehl der germanischen Rasse verstossen wird“), widerlegt Staedel in bekannter Weise, indem er sich hauptsaechlich auf Luther beruft. Unter anderem weist Staedel darauf hin, dass die Gefahr der Sektiererei den Anlass zur Aufnahme dieses Passus bot, zumal diese „im Reich leider nicht gar zu selten geschehen ist“.75 Den Einwand, die Bestimmung schraenke die „sonst gerade in diesem Punkte zugesicherte Bekenntnisfreiheit“ ein, versucht Staedel mit dem Nachweis zu widerlegen, dass es auch bisher keine uneingeschraenkte Bekenntnisfreiheit gab, weil Artikel 1 des Kultusgesetzes die kultische Freiheit davon abhaengig macht, ob sie im Einklang mit der oeffentlichen Ordnung, mit den guten Sitten und mit den Verwaltungsgesetzen sei. Und das, was man der staatlichen Ordnung als selbstverstaendlich zuerkennt, kann die Kirchenfuehrung der saechsischen Volksordnung doch nicht versagen.76 Die umstrittene Neubestimmung soll laut Staedel auf einer Kontinuitaet beruhen, weil die Kirche im Grundsatz von „Volk und Rasse“ bisher keine Gefaehrdung der Bekenntnisgrundlagen erblickt habe, es also um so weniger jetzt tun koenne, wo „Volk und Rasse“ als „eine Setzung des goettlichen Willens“ gelten.77 Staedel befindet, es sei im Sinne Luthers, wenn die fuer die Juden bestimmten Gesetze Mose (d.h. das Alte Testament) vom „Sachsenspiegel“,78 d.h. vom „Sittlichkeits- und Moralgefuehl der germanischen Rasse“ bzw. von der „deutschen nationalsozialistischen Lebensordnung“ ersetzt wird.79 Der Name Staedels wird also fuer immer mit der Ausrichtung der evangelischen Landeskirche AB in Rumaenien nach rassistischen Grundsaetzen verbunden sein. Ebenso mit der Illusion, Christentum und Nationalsozialismus seien vereinbar.80
Staedel
fuehrt weiter aus, das Gesamtabkommen habe der Kirche den ihr in
der „neuen deutschen Gemeinschaftsordnung“ gebuehrenden Platz eingeraeumt.
Mit dem bisherigen kirchenstaatlichen Verstaendnis, wo der Bischof „in
vielen Dingen geistlicher und weltlicher Fuehrer“ war,81
sei es vorbei, weil die Deutschen in Rumaenien „entscheidend durch die
Wirkungen der nationalsozialistischen Bewegung [...] auf stuermische Weise
zu einer neuen Lebenseinheit und Schicksalsgemeinschaft zusammengefunden“
haetten.82 Auch weil es „deutscher
Art und Luthers Geist widerspricht, die Kirche als eigenstaendiges Machtgebilde
etwa dem Staat bzw. der voelkischen Fuehrungsautoritaet
Die
im 3. Punkt des Gesamtabkommens vorgesehene UEbergabe der Schulen
an die Volksgruppe quittiert Staedel als Abschluss eines wichtigen Kapitels
des kirchlichen Lebens.85 Den damit
offensichtlich angerichteten moralischen Schaden versucht Staedel mit dem
Hinweis kleinzureden, dass er der Volksgruppe eine Schule, die „deutsch
geblieben ist“,
uebergeben koenne. Dass Staedel eigentlich keinerlei Verdienst fuer
den guten Zustand der Schule hatte, dass sein Argument
entschieden gegen die von ihm und von seinen Gesinnungsgenossen vertretene
Notwendigkeit der Schuluebergabe wie der
Unterordnung der Kirche unter die Volksgruppenfuehrung spricht, das
alles liegt jenseits von Staedels gewundener Logik.
Denn der gute Zustand der Schulen belegt auch, dass die Kirche bis
dahin, auch unter den Bedingungen schwerster Angriffe
seitens der radikalen Nationalsozialisten und der allmaehlichen Unterwanderung
des Landeskonsistoriums durch die
Nationalsozialisten bis zu jenem Zeitpunkt des Nationalsozialismus
nicht bedurft hatte, um ihr Deutschtum und das der
Schulen zu bewahren.
In
Verbindung mit der Aufloesung der Bruder- und Schwesterschaften, der Nachbarschaften
und der evangelischen
Frauenvereine stellt Staedel recht kuriose Betrachtungen an. Die autoritaere
Zusicherung des Volksgruppenfuehrers Andreas
Schmidt, er sei gerne bereit, auch nach der Errichtung der „Nationalschule“
mit der Kirche zusammenzuarbeiten und „ihr zu
geben, was ihr gehoert“, 86 habe
laut Staedel gar nichts mit Willkuer zu tun, wie auch die Kirchenleitung
nicht aus „feindselige(r) Willkuer“ handelt, sondern im Sinne eines „grossen
Gestaltwandels der Gemeinschaftsformen infolge der
nationalsozialistischen Revolution“, mit dem Ziel der „Neuordnung unseres
voelkischen Lebens“.87
Als Hoehepunkt zynischer Mystifizierung, Apologetik und Verfaelschung der politisch-ideologischen Dienstbarmachung der evangelischen Landeskirche AB steht die Behauptung Staedels, die Siebenbuerger Sachsen staenden „gewissermassen noch immer im Vollzug der deutschen Reformation“, die durch den Nationalsozialismus weitergefuehrt und verstaerkt wuerde.88 Staedel will darin die Entwicklung „aus einer Art Kirchenstaat bzw. „Kirchenvolk“ ueber unser evengelisch-lutherisches Bekenntnis hinaus“ hin „zu einem wirklichen Volk“ erblicken, „in dessen Mitte die Kirche als Glaubensgemeinde, [...] ihrer hohen Berufung zu dienen haben wird“. Die Auffassung vom „Fuehrer“ Adolf Hitler als „gottgebene(r) „Wundermann““ soll „in Luthers Sinne“ die Gewaehr dafuer sein.89
Im Schlussteil seiner Rede betont Staedel, dass das Gesamtabkommen ein „Freundschaftsvertrag“ sei, der angeblich dem Wunsch der Landeskirche entspricht, „nicht ausserhalb der neuen deutschen Gemeinschaftsordnung (zu) stehen“, der sie sich verpflichtet fuehlt und von der sie „nur soviel an eigenstaendigen Gestaltungsmoeglichkeiten“ verlangt, als „ihre christliche Sendung inmitten des Volkes und Staates“ erfordert.90 Damit ist die politisch-ideologische Instrumentalisierung der Kirche, ihre Sekundantenrolle, vorgegeben.
Wie
die Kirche ihre „christliche Sendung“ zu erfuellen gedenkt, umreißt
Staedel an der Umgestaltung des Religionsunterrichts,91
die der „geistigen Ueberfremdung“ im Alten Testament92
Rechnung tragen muss. In diesem Geiste der „Entjudung“ sei der Beschluss
des Landeskonsistoriums vom 3. November 1941 einzustufen, „koerperschaftlich
dem Foerderkreis des „Institutes zur Erforschung des juedischen Einflusses
auf das deutsche kirchliche Leben“ in Eisenach beizutreten.93
Vom neuen Dienstverstaendnis der Kirche zeuge die Einfuehrung „besondere(r)
Schulungen“, welche eine „tiefgehende, geistige Ausruestung“ der Pfarrer,
sprich „ideologische Indoktrination“, gewaehrleisten muessen.94
Staedel stellt ferner die Zusammenfassung der Pfarrer in nationalsozialistischer
Manier in Aussicht: sie sollen zu Bruderschaften, Arbeitskreisen und Kameradschaften
zusammengefasst werden.95
Schließlich
geht Staedel zur Verherrlichung dessen ueber, was er unter „neuem Christentum“
versteht. Es soll sich nach Goethes Wort von „einem Christentum des
Wortes und Glaubens“ zu „einem Christentum der Gesinnung und der Tat“
gewandelt haben.97 Das ist ein
eindeutiges Bekenntnis Staedels zum politischen, in nationalsozialistischem
Geist
umgebogenen, militanten Christentum. Dieses „neue“ Christentum beansprucht,
nicht abzugrenzen, nicht zu zerstreuen,
sondern zu sammeln, zu verbinden und zu vereinen, weil es einfach ist
und „gelebt“ wird und „das neue Reich98
mit ganzer
Leidenschaft“ bejaht.99 Staedel
schwebte also die einebnende Zusammenfassung aller Kirchenangehoerigen
unter der
ideologischen und politischen Zwangskappe des Nationalsozialismus vor.
Das war der Massstab, nach dem Staedel die
evangelische Landeskirche AB, ihre Pfarrerschaft, ihre Glaeubigen zu
einer grauen, formlosen Masse von Hitleranbetern
zusammenschmelzen wollte, um sie allesamt der Volksgruppenleitung und
damit dem „deutschen Frontabschnitt in unserem
Vaterland“100 dienstbar zu machen.
Sie sollten „voller Ehrfurcht“ „zum Fuehrer“ Adolf Hitler aufschauen,
„der nicht nur durch seine Befehlsgewalt, sondern durch die Gemuets- und
Willenskraft seines grossen Herzens die Millionen Soldaten bewegt und durchglutet,
in dessen starke Hand der Herrgott auch unser Schicksal gelegt hat“.101
Das sind die Worte eines Mannes, der es als hoechste und edelste Aufgabe
seines Lebens ansah, die ehemals autonome, stolze und richtungsweisende
evangelische Landeskirche AB in Rumaenien zum einfachen Erfuellungsgehilfen
der nationalsozialistischen Volksgruppenfuehrung zu degradieren und damit
der verbrecherischen Politik des Hitlerreiches auszuliefern. Er zaehlt
also zu jenen „Entmuendigern“, welche die Deutschen Rumaeniens vorbehaltlos
den kriegerischen und Vernichtungsinteressen des Dritten Reiches freigaben.
Und das begruendeten diese „Entmuendiger“ damit, dass der „Fuehrer“ gottgewollt
sei, also auch das sinnlose Verheizen von 60.000 Rumaeniendeutschen auf
den laengst verlorenen Fronten nach dem Debakel von Stalingrad von Gott
eingefordert sei.
III.
Denselben
Tenor weist die Predigt Staedels vom 28. Juli 1943 aus, welche die „Suedostdeutsche
Tageszeitung“, das Organ der Volksgruppenfuehrung, am 13. Oktober unter
dem Titel „Gott will es!“ abdruckte. Die Verabschiedung der zum
Waffendienst einrueckenden Pfarrer bot Staedel den Anlass, sich festivistisch-triumphalistisch
ueber die Moeglichkeit
auszulassen, welche „uns als rumaenischen Staatsbuergern gegeben ist,
dem weltgeschichtlichen Kampf um Freiheit und Leben unseres Volkes102
und Vaterlandes, ja ganz Europas durch unmittelbare Eingliederung in deutsche
Wehrverbaende
mitzumachen“. Staedel steigert sich zur Behauptung, die Teilhabe der
Siebenbuerger Sachsen „an dem Entscheidungsringen
der Gegenwart ueber weite, kuenftige Jahrhunderte“ sei „so bedeutsam,
so ausserordentlich, so einmalig, dass diese Tat
allerdings den Charakter epochaler Groesse enthaelt“. Dass dieses
der groesste Irrtum der Volksgruppen-, wie auch
reichsdeutscher Politik war, hat der Gang der Ereignissee gezeigt.
Es stellte sich heraus, dass ein Krieg nicht mit krankhaft
uebersteigerter Siegeszuversicht, nicht mit hirngespinstigen Parolen,
sondern mit materieller Ueberlegenheit auf den
Schlachtfeldern entschieden wird. Und die „Materialschlacht“ war bekanntlich
seit Stalingrad entschieden.
Die
Verabschiedung weiterer 3 Pfarrer nach Transnistrien, wo sie die Betreuung
deutsch-evangelischer Gemeinden
besorgen sollen, erfolgt, wie die bisherige Taetigkeit der Kirche,
im Zuge der „Wandlung zu einer neuen, freien und gesunden Lebensform“ und
„in der Gewissheit, dadurch dem neuen Gestaltungswillen Gottes selbst zu
dienen“. Staedel empfindet es als selbstverstaendlich, dass „der Platz
des jungen deutschen Pfarrers“ dort ist, wo „angesichts solcher Bedrohung“
(durch die Bolschewisten) „heute die wehrfaehige Mannschaft unseres Volkes
steht, in den Reihen der hart kaempfenden Volksgenossen und Kameraden“.
Damit wird der „heiligen Verpflichtung“ entsprochen, „eine einzige unzerreissbare
Gemeinschaft zu sein, unter ein Schicksal gestellt, von einem Willen gestrafft,
einem Ziele hingegeben“. Dass diese monolithische, totalitaer ausgerichtete
„Gemeinschaft“ so sehr das Ergebnis des Krieges war und dass sie mit
Kriegsende zerbrechen wuerde, das war eine Ueberlegung, die fanatischen
Nationalsozialisten wie Staedel ganz fremd war.
Staedels Auslassungen sind ein sprechender Beleg fuer den schaumaessigen Umgang mit Gott, vor allem dort, wo „Gott“ das Feld mit der Zugabe teilen muss: „Denken wir doch gerade in dieser Stunde einmal an den Fuehrer und an sein Werk“. Darin habe sich „das deutsche Herz wieder gefunden und der deutsche Volkswille seine neue zukunftstraechtige Gestalt gewonnen“, weil
Der instrumentalisierte Gott muss also fuer das tiefe Unglueck, ja fuer den Fluch herhalten, mit dem Hitler und sein kriminelles System die deutsche Geschichte beglueckt hat. Dieses geschmacklose Lobeslied Staedels auf Hitler veranschaulicht, dass Staedel als Vertreter all jener spricht, welche vom Fuehrerkult mit Verblendung, Kurzsichtigkeit, Verantwortungslosigkeit und Kleingeist geschlagen wurden und die dabei die wahren Interessen des Volkes und Europas opferten.hier der ewige Herrgott selbst aus seiner freien Schoepfertiefe heraus Neues weckend und wirkend in die deutsche Geschichte wundersam hineingesprochen hat, dass er diesem Manne die Vollmacht gegeben, bitterste Notzeit zu wenden und sein Volk aus Ohnmacht zu Kraft, aus fuegsamer Abhaengigkeit zu furchtloser Freiheit, aus mannigfacher Zerrissenheit zu neuer Einheit, aus Sinnlosigkeit zu sinnhaftem Dasein, aus Kleinmut zum Glauben zusammen- und emporzureissen.
Das
ist das erschreckende Bild, welches Staedel dem Menschen des 21. Jahrhunderts
von sich und seinen
Gesinnungsgenossen liefert. Besonders negativ beruehrt der Leichtsinn
und die Unbeschwertheit, mit der diese Leute
glaubten, etwas Neues, Zukunftsweisendes zu vertreten und aufzubauen
und die damit verbundenen Verbrechen bedenkenlos
in Kauf nahmen. Voraussetzung dafuer war der Verlust christlicher,
humanistischer Wertvorstellungen und die bedenkenlose,
fanatische Anbetung des vernichtenden Deutschnationalismus.
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es muesse moeglich sein, zwischen der Lehre der Kirche und dem Nationalsozialismus zu einer Synthese zu gelangen“.110Damit ist Staedels politischer Fanatismus benannt, dem er auch den reinen christlichen Glauben opferte. Markus bedient auch die Legende, Staedel habe in seiner Zeit als Bischof „die Kirche, deren Angestellte und Pfarrer vor Uebergriffen weltlicher Behoerden“ geschuetzt,111 was sich als ungeheuerliche Mystifizierung entpuppt. Was war an dieser Kirche noch zu schuetzen, die Staedel aus eigenen Stuecken der radikalnazistischen politischen Fuehrung auslieferte ? Eine weitere Mystifizierung ist die Behauptung, Staedel habe der „heute modischen These, jede weltliche Erkenntnis, auch die kommunistische (und nationalsozialistische) sei von Gott“, nicht gehuldigt.112
Aehnliche Lobgesaenge stimmt auch Oswald Teutsch an. Er will bei Binder und Scheerer konkrete Angaben ueber Staedels „Bedeutung als Geistlicher und Bischof von Ende des Ersten bis Ende des Zweiten Weltkrieges“ vermissent.113 Damit meint Teutsch nicht das objektive Unglueck, den absoluten Tiefstand, welchen die evangelische Kirche unter Staedel erreichte, sondern die vermeintliche „Bedeutung“ dieses Mannes, seine „Leistungen“ als Jugend(ver)fuehrer im Siebenbuergisch-deutschen Jugendbund und seine „aufopferungsvolle Arbeit“ und „Verantwortung“, die er als Bischof „gegenueber Kirche und Volkstum zu tragen hatte“. Rechtfertigend klingt Teutschs Behauptung, die „Beauftragung Staedels mit dem Bischofsamt“ habe „ihn vor schwierige Aufgaben“ gestellt, „deren Erfuellung ihn zu Entscheidungen zwang, die, unter Beruecksichtigung der Zeitumstaende, keine andere Loesungsmoeglichkeiten zuließen“. Wieder haelt der Stereotyp der „Zeitumstaende“, d.h. die augenblickliche politische Zwangslage hin fuer die Verfehlungen der Akteure. Staedel sei zu dieser oder jener Handlung durch aeussere Zwaenge genoetigt gewesen, nicht sein Ringen „um die Synthese von Kirche und Volkstum“ sei dafuer ursaechlich.
Damit
nicht genug der Anstands-, Geschmacks- und Wuerdelosigkeiten. Anlaesslich
der Ehrung Staedels zu seinem 70. Geburtstag hiess es in geschwollener
Formulierung, man ehre „den mutigen Kaempfer, den hinreissenden Redner,
den
suchenden Geist und reinen Charakter“, „den Mann, der in lichten und
dunklen Tagen zu seinen Landsleuten stand“, „den
Sachsenbischof, der dieses Amtes Wuerde auch als Verfolgter verkoerperte“.114
Dokumentarischer Anhang114a
Im
Beitrag Seltsame Sympathiebekundungen weltprotestantischer Fuehrer,
der im Sachsenspiegel, Jg.III, Folge 7/8, 1939, S.6-16 abgedruckt
ist, aeussert sich Staedel zur „Kristallnacht“ des November 1938. Ausgehend
von der Presseerklaerung des Erzbischofs von Canterbury zu der Schandtat
und seinem Aufruf: im Gottesdienst bei den Feierlichkeiten zum zwanzigjaehrigen
Jahrestag des Friedensschlusses von 1918: „Erlaubt mir, dass wir durch
ein kurzes Schweigen unserer Sympathie fuer das verfolgte juedische Volk
Ausdruck verleihen“, schreibt Staedel:
114a. Dieser Teil wird erstmals veroeffentlicht.Man koennte nun meinen, dieses Verhalten des Erzbischofs Dr. Lang sei vor allem vom Willen bestimmt gewesen, gewisse grundlegende Gedanken der von ihm geleiteten Oxforder Weltkirchenkonferenz115 in die Wirklichkeit umzusetzen. Und in der Tat enthaelt das amtliche Werk ueber diese Konferenz „Kirche und Welt in oekumenischer Sicht“ einen ausfuehrlichen und einen kurzen Bericht der I. Sektion – der gerade auch der Vertreter unserer Landeskirche Dr. Konrad Moeckel angehoert hat – in denen u.a. woertlich zu lesen ist: [...] Dem Wiederaufbrechen unbarmherziger Grausamkeit, des Hasses, der Rassenverachtung (einschliesslich des Antisemitismus) in der heutigen Welt „werde nicht bloss die schwache Verurteilung durch das Wort, sondern die machtvolle Verurteilung durch die Tat zuteil“ (S.103 und 113). Demnach hat also der Erzbischof von Canterbury nicht nur, wie er selber sagt, als „Wortfuehrer der gesamten christlichen Bevoelkerung
England(s)“, sondern gewissermassen als Willensvollstrecker der Weltkonferenz von Oxford, also wohl aus seinem christlichen „Weltgewissen“ heraus sich veranlasst gesehen, nicht etwa nur den juedischen Christen, sondern dem ganzen juedischen Volk die Sympathie auszusprechen.
Da draengt sich uns eine ganze Reihe von Fragen unwidersetzlich auf:
Warum hat denn der eifrige englische Erzbischof diese frommen Sympathien niemals unterdrueckten Deutschen zugewendet?! Etwa darum, weil die Juden den Englaendern rassisch ferner stehen, als die Deutschen und weil nach dem oben angefuehrten Wort fuer wahrhaft christliche Menschen fremde Voelker einen Anspruch auf besondere Ruecksicht und Fuersorge haben? Wir hoeren als Antwort: Die Weltkirchenkonferenz selber hat doch gerade deutschen Menschen und zwar den „Bekennern“116 der ev. Kirche und den Katholiken eine Sympathieerklaerung geschickt! Gewiss, aber eben nicht als Deutschen, sondern als Christen, die angeblich in der Verfolgung stehen! Nun fragen wir aber erst recht: Warum fand das christliche Weltgewissen durch den Herrn Erzbischof kein aehnlich klares Wort und keine aehnlich betonte Tat, wie in der Westminster-Abtei angesichts der wirklichen und nicht bloss aufgebauschten und erdichteten Grausamkeiten und blutigen Verfolgungen, denen die spanischen Christen bezw. die deutschen Christen im Sudetengau, oder gar in Sowjetrussland ausgesetzt waren und z.T. noch sind? Was sagt sein christliches Weltgewissen auch nur hinsichtlich der enterbten, der „Habenichtse“ – z.B. der Arbeitslosen – des eigenen Volkes in entsprechender Weise geregt und ausgewirkt, aber nicht etwa nun in der Form des Mitleids und der Almosen-Barmherzigkeit, sondern als helfende Kraft menschlicher Gerechtigkeit und Guete, als positiv-christliche, befreiende Tat?! [...] Wenn nun aber das christliche Weltgewissen sich in so verschiedenartiger und sonderbar-einseitiger Weise aeussert, was ist es dann in Wahrheit um die Existenz der jetzigen „oekumenischen Bewegung“, um die so oft geforderte und „beschlossene“ Einheit, sowie um die universelle Gemeinschaft der Kirche, die gerade auch nach den Worten desselben Dr. Lang in der Eroeffnungsversammlung der Oxforder Konferenz „ueber die Schranken der Rasse und der Nationalitaet hinweg den Reichen dieser Welt die rettende Kraft des Reiches Gottes bringt“? Sieht die rettende Kraft und die Einheitlichkeit des christlichen Geistes so aus? Und kann man unter solchen Umstaenden an die Echtheit der Weltkirchen-Botschaft und des „Weltgewissens“ ueberhaupt noch glauben? Wird hier nicht vielmehr ein gut Stueck modernen, aber „echten“ Pharisaeertums offenbar, indem gerade weltkirchliche Wortfuehrer unter dem Namen des Christentums den bewussten Kampf gegen die autoritaeren Staaten und besonders gegen das nationalsozialistische Deutschtum fuehren?Und nicht zuletzt: Die oeffentliche Stellungnahme eines Kirchenmannes vom Range des Erzbischofs von Canterbury zum Judenproblem beschwoert unausweichlich die entscheidende Frage herauf nach dem eigentlichen geistigen Verhaeltnis zwischen Judentum und Evangelium, zwischen Moses und Christus. Verhaelt sich das Evangelium zum Judentum „wie die Bluete zum Baum, oder der Baum zur Wurzel oder die Wurzel zum Samenkorne“, wie Erfuellung zur Weissagung, sodass also Christus bis in sein tiefstes Wesen hinein ein Jude waere und bliebe, die nach ihm benannte Kirche aber folgerichtig auf juedischen Grundlagen auferbaut, - oder besteht hier ein Gegensatz des Geistes bis auf den Grund, der urmaechtig schon in Jesus aufbricht und ebenso folgerichtig die ersten christlichen Jahrhunderte, wie nachher noch das Mittelalter und erst recht
Martin Luther kennzeichnet, nur heute von den besonders frommen Christen scheinbar gar nicht mehr empfunden wird? [...] Und ist es wahr, was Karl Barth117 in einem Aufruf zur Judenfrage zusammenfassend ausgesprochen hat: „Die Judenfrage ist die Christenfrage?“ Oder reift gerade in der Gegenwart die tiefere Erkenntnis, dass das „reine Christentum“ letzten Endes unter den geistigen Auswirkungen eines einmaligen, ebenso grossen, wie geheimnisvollen Geschehens steht, das H.St. Chamberlain118 im Hinblick auf Jesus und sein Sterben in die Worte gefasst hat: „Sein Gegensatz zum Judentum fuehrte ihn ans Kreuz“? Wir spueren es tief: die Weltgeschichte selbst hat hier eine Frage auf ihre Tagesordnung gesetzt, die nicht eher von dort verschwinden wird, als bis sie ihre geschichts- und lebenswahre Loesung von der voelkischen Weltanschauung her
gefunden hat. Und wir wissen, dass diese gewaltige geistesgeschichtliche Frage gleich ein ganzes Buendel weiterer, lebenswichtiger Fragen im Gefolge hat, die uns nicht weniger stark bewegen: so z.B. die Fragen nach der Geltung des Alten Testamentes, besonders des juedischen Gesetzes fuer unsere Sittlichkeit, fuer den Religionsunterricht und als Richtschnur (Kanon) des Glaubens, somit als „heilige“ Schrift, wie auch die Frage der geistigen Verjudung im Gange der christlich-kirchlichen Entwicklung, angefangen vom fremden Wort im frommen Lied und Brauch bis hin zum fremden Geist in der „biblischen Weltanschauung“, in der Glaubenslehre, oder gar in den Buechern des neuen Testamentes.“119********
Wir verstehen es durchaus, wenn man Barth den Missbrauch des Namens Christi, ja Gotteslaesterung zum Vorwurf macht.120 Durch diese Tat ist zwischen uns und ihm, der uns vor laengeren Jahren immerhin etwas bedeutet hat,121 eine unueberbrueckbare
Kluft aufgerissen. Hier gibt es um der Sache willen kein Verstehen und kein Stillschweigen mehr. Um der Sache willen, d.h. aber um des Deutschtums und um des Christentums willen. Wenn ein deutschbluetiger Mensch die tiefe Not seiner Volksgenossen, die gegen alles Recht – besonders auch gegen das von den seinerzeitigen Siegermaechten verkuendete Selbstbestimmungsrecht der Voelker – ihrer Freiheit beraubt und vergewaltigt werden, nicht mehr mitempfinden kann, ja sogar seine Sympathien fuer das Unterdrueckervolk122 auszusprechen sich gedrungen fuehlt, dann ist hier im geistigen
Grundgefuege des Lebens etwas nicht mehr in Ordnung, dann muss man schon sagen, dass die Augen dieses Menschen gehalten, bezw. verblendet, das Herz verstockt und sein angeborenes deutsches Urgefuehl erstorben ist! Und nun das Christentum. Barths Worte klingen ja geradezu wie ein Aufruf an das tschechische Volk zum heiligen Kreuzzug der
christlich- demokratischen Freiheit gegen das deutsche Volk, das angeblich diese Freiheit Europas, - ja nicht nur Europas allein – bedroht, zum Schwertkampf fuer die Kirche Jesu! Jeder tschechische Soldat und – ich fuege hinzu – jeder Kommunist, der die Waffen gegen die Deutschen erhebt, der kaempft und leidet, darf es mit dem Bewusstsein tun, auch ein Soldat Christi zu sein. Ich frage: Ist das christlich?! Ja, ist diese Haltung auch nur pazifistisch? Barth beschwoert doch den Pazifismus der Nachkriegszeit herauf, macht aber im selben Zuge den Tschechen Mut und ein gutes Gewissen zum Krieg! Wenn einer ernsthaft „Pazifist“ sein will, vielleicht mit christlichem Vorzeichen, wenn einer im Namen der Menschlichkeit fuer den irdischen Frieden zu kaempfen entschlossen ist und nun gegen jeden Krieg mit Wort und Tat protestiert, bereit, fuer seine unbedingte Kriegsdienstverweigerung auch zu leiden, zu opfern und, wenn’s sein muss, zu sterben, dann mag man das eine Ueberspanntheit oder gar ein Irrsinn heissen, aber es ist wenigstens Haltung darin, die man wie etwa bei Tolstoi als christlich noch halbwegs begreiflich finden koennte, obwohl sie ebenso einem Missverstaendnis der Menschennatur, wie des Christentums selbst entspringt.123 Wenn einer, wie Barth, den Pazifismus herbeisehnt, also scheinbar (und wohl vom christlichen Standpunkt her?!) bejaht, in Wirklichkeit aber nur den Krieg des eigenen Volkes nicht will – sei er auch noch so
gerecht -, dagegen ein fremdes Volk zum Widerstand, ja zum Kriege gegen das eigene Volk ermuntert, dessen Recht – wie in diesem Fall Muenchen124 erwiesen hat – selbst seine grossen weltpolitischen Gegenspieler anerkennen, dann ist das nicht nur eine unueberbietbare Selbsterniedrigung eines Namensdeutschen, sondern es hat auch mit wirklichem Christentum nichts mehr zu tun! Aber wie? Gilt es nicht die Rettung der christlich-demokratischen Freiheit gegenueber der neuheidnisch-nationalsozialistischen Diktatur? Kann man dann aber den Kampf fuer diese Rettung nicht im Namen „der
Kirche Jesu fuehren?!“ Ich stelle den beiden Fragen einige andere Fragen entgegen, in denen zugleich die Antwort auf jene enthalten ist: Laesst sich mit gutem Gewissen behaupten, dass die Tschecho-Slowakei und etwa noch Frankreich, England, Schweden, oder Nord-Amerika, von Sowjet-Russland gar nicht zu reden, in ihrer „positiven Substanz“ christlicher oder wahrhaft freier waeren, als Deutschland? Und dann – gibt es ueberhaupt einen Waffenkampf gegen den „Unglauben“ im Namen des Christentums, ja darf es ihn geben? Hat Christus die Welt etwa mit Gewalt erobern wollen? Hat Luther – trotz mancher
gegenteiliger Aeusserungen und Handlungen (Tuerken und Ketzer!), deren wir uns bewusst sind – nicht immer erneut geradezu darauf gepocht, das Wort allein, also – wie er selber sagt – „die froehliche Predigt des Evangeliums“ muesse in diesem Ringen alles ausrichten, denn das Reich Christi „solle gestiftet werden ... ohne Schwert und Harnisch, allein durch Wort und Glauben.“ Oder sollten Gewehre und Kanonen gueltige Beweise im weltanschaulichen Kampfe sein?125 Die fuer unser Empfinden eindeutigen Antworten auf alle diese Fragen schliessen die restlose Ablehnung der Haltung Karl Barths in sich.
Uns trennt in der Tat eine Kluft!* Drei weltprotestantische Fuehrer sind hier zu Wort gekommen.126 Alle drei gehoeren sie zum nordisch-germanischen Kulturkreis, und man wird seltsam beruehrt von der Tatsache, dass sie trotzdem mit einer solchen Verbissenheit sich dem Nationalsozialismus entgegenstellen, der doch gerade die vielfach verschuetteten Werte und verkrueppelten Kraefte des nordisch-germanischen Menschen zu neuem Leben erweckt hat und immer mehr erwecken will. Und alle drei gehoeren sie dem europaeischen Protestantismus an, aber man wird erst recht seltsam beruehrt von der Tatsache, dass sich der Grossteil
dieses Protestantismus je laenger, desto weiter von Wittenberg weg entwickelt und in bedenkliche Naehe Roms rueckt.127 Wir haben gelegentlich der 36. Landeskirchenversammlung 1938 im Zusammenhang mit der Oxforder Kirchenkonferenz 1937 auf diese Katholisierungstendenz des Welt-Protestantismus hingewiesen und muessen nun leider feststellen, dass der Geist der ausserkatholischen Weltkirche gerade in der Beurteilung der grossen deutschen Ereignisse des Vorjahres128 sich mit dem Geist der roemischen Weltkirche nicht nur vielfach beruehrt, sondern weithin deckt. Das beweist – [...] u.a. die Tatsache, dass es den Erzbischof von New Orleans gedraengt hat, namens der amerikanischen Katholiken in „einer Stunde grossen Schmerzes“ ein Sympathietelegramm an Kardinal Innitzer und die oesterreichischen Katholiken zu senden – und das, dass der
tschechisch-katholische Erzbischof von Prag, Kardinal Kaspar, das Schwert des hl. Wenzel in feierlicher Form dem General Sirovy ueberreicht hat.129 Wir vergessen es nicht: In Wahrheit hat Professor Karl Barth dasselbe getan!
Der europaeische und besonders der deutsche Protestantismus mit dem von ihm verkuendeten reinen Evangelium gehoert zu den gestaltenden Grundkraeften der arisch bestimmten Kultur. Er steht heute vor einer gigantischen Entscheidung in einem
schweren Zweifrontenkrieg: einmal gilt es sich zu wehren und zu bewaehren gegenueber dem vom Weltjudentum gefoerderten Bolschewismus und dann gegenueber dem Weltkatholizismus, sowie dem Weltprotestantismus, von dessen Vertretern wir
eben drei Fuehrer kennen gelernt. In diesem Kampf ist nur dann Aussicht auf einen dauernden Sieg, wenn wir entschlossen die geistige Ruestung der voelkischen Weltanschauung anlegen und wenn Luther mit seiner Wehr und Waffe wieder aufsteht unter uns, [...] sondern Luther, der Deutsche, der Freie und Lebendige, dessen groesstes Anliegen auch heute noch nicht vollendet ist: Die Gotteswahrheit Christi aus dem germanisch-deutschen Wesen heraus neu zu schauen und fruchtbar zu machen. [...]
Stark und staerker reckt sich seit einigen Jahren auch in uns die helle und heisse Sehnsucht empor nach einem „Deutschen Christentum“ ohne konfessionelle Scheidewaende, nach einer wahrhaften Volkskirche aller Deutschen ueber die heutigen
Teilkirchen hinaus, nach dem heiligen deutschen Dom! In tausend und abertausend Herzen glaenzt und glueht sein glaeubig erschautes Bild schon leise herauf, - es liegt mit auch an unserer reinen Hingabe, dass es Wirklichkeit werde!
„Wer Ohren hat zu hoeren, der hoere!“130