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Die facettenreiche Kultur des Ressentiments wurde im Zweiteiler Ein
halbes Jahrhundert ressentimentgeladener Kulturpflege. Die „Suedostdeutschen
Vierteljahresblaetter“ als Fallbeispiel (Klaus Popa, in: Halbjahresschrift
fuer suedosteuropaeische Geschichte, Literatur und Politik, 13. Jg., 2001,
Heft 2 , S. 81-100; 14. Jg., 2002, Heft 1, S. 99-109) am Beispiel der „Suedostdeutschen
Vierteljahresblaetter“ verdeutlicht. Ausser den dort veranschaulichten
Aspekten dieser Kultur, dieser Haltung, gibt es noch einen Bereich, in
dem vor allem seit der durch die Wiedervereinigung eingesetzten Rueckbesinnung
auf deutsche und nationale Werte die Interpretations- und Arbeitsweise
boomt, die sich konstruktivistischer Vorgehensweisen bedient, die als objektverfälschende
Vorbedingungen auswirken: in der Geschichtswissenschaft, vor allem in der
Sparte der Zeitgeschichte. Hier treffen zwei Richtungen zusammen, die sich
z.T. auch gegenseitig bestaetigen, woraus sie neue Kraft schoepfen fuer
die Verkuendung ihrer pseudo- und unwissenschaftlichen, doch wissenschaftlich
intendierten Gewissheiten. Die aeltere, aus dem Bereich der voelkischen
und ultranationalistischen „Heimatforschung“ stammende Richtung findet
in der bereits vor der Wiedervereinigung praesenten, nun durch diese verstaerkten
Richtung der bundesdeutschen Geistes- und Wissenschaftsgeschichte Bestaerkung
und Rueckhalt.
Auf der zwischen dem 24. und 26. Oktober 2002 in Muenchen stattgefundenen
Tagung der Suedostdeutschen Historischen Kommission (Tagungsbericht von
Dietmar Mueller auf H-Soz&Kult der Humboldt-Universitatet Berlin am
19.12.2002) feierten diesen beiden Richtungen der Vorbedingtheiten ein
wahres Fest gegenseitiger Bestaerkung und Bestaetigung. Denn der aus der
heimatkundlichen Ressentiment-Sparte genaehrte Aufsatz von Harald Roth
– Geschaeftsfuehrer der „Siebenbuergischen Bibliothek“ und Vorstandsmitglied
des heimatkundlich-pseudowissenschaftlichen „Arbeitskreises fuer Siebenbuergische
Landeskunde“ in Gundelsheim am Neckar - ueber das „Forschungsinstitut“
der „Deutschen Volksgruppe in Rumaenien“ stand in seinen Hauptpunkten im
Einklang zu dem von Willi Oberkrome entworfenen Forschungsparadigma, in
dem die vom Berichterstatter Dietmar Mueller wiederholt hervorgehobene
„Kontextualisierung“ eine Schluesselrolle spielt.
Das „Forschungs“-Objekt beider vorbedingenden Richtungen, der
nazifizierte „Wissenschafts“-Betrieb des Dritten Reiches und der der sogenannten
„Suedostdeutschen“ wird in besorgniserregender, empoerender, selbst skandaloes-zynischer
Leichtfertigkeit durch verharmlosende Undeutung dahingehend zum Positiven
gewendet, dass man:
a) unter dem Vorwand, dass „kein Archivgut mehr vorhanden zu sein scheint“ und „heute allein die Institutspublikationen als Quelle uebrig bleiben“ (Dietmar Mueller), ueberhaupt kein Verlangen verspuert, zumindest die Publikationen nach einschlaegigen Nachweisen der geistigen und haltungsmaessigen Nazifizierung abzuklopfen, ganz zu schweigen von Sekundaerquellen, wie das Organ der „Deutschen Volksgruppe in Rumaenien“ „Suedostdeutsche Tageszeitung“, das ganz in der Vergessenheit versinkt. Das leichtfertige Abtun von Quellenmaterial, das Unterschlagen von Nachweisen, ist eindeutig ressentimentbedingt, weil aus der ressentimentkulturellen Haltung H. Roths entwachsen.
Diese obstruktive Haltung gipfelt darin,
b) dass Roth das „wissenschaftliche“ Gewissheit beanspruchende Postulat
aufstellt, die Analyse der Quellen lasse „nur auf eine recht spaerliche
Verbreitung der NS-Ideologie schliessen“. Der Ursprung einer solchen ressentimentgeladenen
Behauptung ist entweder darin zu sehen, dass Roth wider besseres Wissen
die recht ueppigen NS-Belege zurueckhaelt, also vorsaetzlich unterschlaegt;
oder entspringt seine Aussage dem oberflaechlichen Umgang mit den Quellen
und/oder seiner Ueberforderung durch das Quellenmaterial, was mangelnde
bzw. fehlende Vor- und Hintergrundkenntnisse vermuten laesst.
c) Die Umdeutung des wissenschaftlichen Nazierbes ins Positive, seine Verharmlosung ergibt sich auch aus der ressentimentkulturellen Handhabung von geschichtlicher Kontinuitaet bzw. Diskontinuitaet (Brucherscheinungen). H. Roths unverantwortlicher, fahrlaessiger Umgang mit den Quellen ermoeglicht es ihm, die Mitarbeiter des „Forschungsinstituts“ und der Zeitschrift „Deutsche Forschung im Suedosten“ samt Beitraegen „als voelkisch und deutschnational“, also nicht als nationalsozialistisch einzustufen, wodurch sie „in einer laengeren siebenbuergisch-saechsischen Tradition“ stehen sollen (Dietmar Mueller). Roth postuliert eine politisch-ideologische Kontinuitaet, die es nachweislich so nicht gab. Auf diese Weise wird er dem von Mathias Beer angemahnten und von Willi Oberkrome aufgegriffenen und ausgearbeiteten „Kontextualisierungsangebot“ insofern gerecht, als er die voelkische, deutschnationale Komponente hervorhebt, wodurch die NS-Komponente untergeht. Roth versucht also, entgegen der Eindeutigkeit einschlaegiger Quellaussagen, die NS-Auswuechse des „Forschungsinstituts“ und der „Deutschen Forschung im Suedosten“ ungeschehen zu machen, indem er sie der „laengeren siebenbuergisch-saechsischen Tradition“ einfach subsumiert.
d) Die Uebereinstimmung und gegenseitige Potenzierung der heimatkundlich-landsmannschaftlich
gespeisten Ressentimentkultur und der im bundesdeutschen Geschichtsbetrieb
beheimateten Forschungsrichtung, welche die Historizitaet an konstruktivistischen
Kriterien der Modellierung festmacht, also mit vorbedingenden, formellen
Kriterien operiert, wurde am „Kontextualisierungsmodell“ Oberkromes greifbar,
das auf das formelle Prinzip der Diskontinuitaet, auf dem Moment des Bruches
aufbaut. Die „Volksgeschichte“ sei laut diesem Interpretationsmodell ab
1935 „in eine zunehmend defensive Konkurrenz zu ethnoradikalen Ideologien
und Lehrmeinungen geraten“, weshalb sie nach dem Zweiten Weltkrieg sich
als Opposition zum NS hochstilisieren konnte und eine Nachkriegsrenaissance
erfuhr.
Oberkromes Modell uebersieht, dass von Rassismus und rassistischen Grundsaetzen
nicht nur dort gesprochen werden kann, wo die NS-typischen Komponenten
Rassismus/Antisemitismus und Fuehrerprinzip explizit sind, sondern dass
die „Volksgeschichte“ auch rassistische Akzente setzt. Oberkrome scheint
es jetzt, im Hinblick der „suedostdeutschen“ NS-Historiographie belanglos,
dass die „Volks- und Kulturboden“-Lehre bereits in der Phase der „Volksgeschichte“
ausgereift war mit all ihren politischen und ideologischen Konsequenzen
des kulturellen und politischen Rassismus hinsichtlich der Voelker Osteuropas,
wo Deutsche als Minderheiten lebten. Die „Volksgeschichte“ hatte auf dieser
Grundlage den Schritt hin zum Kulturimperialismus getan, im Namen des Deutschtums
und des deutschen Volkes.
Oberkromes Sichtweise verkennt nun, dass die Kontinuitaet zwischen der
Phase der „Volksgeschichte“ und der Phase „einer militaerischen, bevoelkerungs-technokratischen
Verwirklichung der Rassenideologie“ recht substantiell war. Es besteht
naemlich kein objektiver Anlass, zwischen der der „Volks- und Kulturboden“-Lehre
eigenen Postulierung der absoluten Ueberlegenheit des eigenen Volkes, was
der Absicht gleichkommt, die Unterlegenen, die Minderwertigen auf irgend
eine Weise auszuschalten (z.B. durch Verdraengung, durch Entrechtung),
und der im Massenmord gipfelnden Taetlichkeit des NS-Rassismsus einen grundlegenden
Unterschied zu erblicken, weil das in genetischer Aufeinanderfolge stehende
Momente sind.
Oberkrome verkennt auch, dass weder die „Volksgeschichte“, noch
die NS-Geschichte auf die seiner Interpretationsweise eigene Kontextualisierung
formaler, vorbedingender Kriterien wie die Begriffe „Volk“ oder
»Gesamtorganismus „Deutsches Volk“« angewiesen ist, um sich
als historische Tatsache definiert zu haben und als solche wirksam gewesen
zu sein. Auch deshalb nicht, weil beides Tatsachen der zeitgeschichtlichen,
typisch deutschen Geistesentwicklung sind und in chronologischer Aufeinanderfolge
zueinander stehen. Zudem stellt der NS den institutionalisierten, staatsgewaltig
organisierten Endpunkt einer ideologischen und politischen Entwicklung
dar, die auch von der „Volksgeschichte“ eingeleitet worden war. Und Radikalitaet
und Unitarismus sind nicht NS-typisch, sondern kennzeichnen auch die kulturimperialistisch
ausgerichtete „Volksgeschichte“.
Der Bericht Dietmar Muellers raeumt Oberkromes Arbeitskonzept zukunftsweisende
Funktion bei der Historisierung der deutschen Suedosteuropahistoriographie
ein, selbst wenn „die vier Phasen seines vorgestellten Modells auch nicht
auf alle Personen, Institutionen, binnen- und auslandsdeutsche Regionalhistoriographien
genau zutreffen“. Damit ist wohl gesagt, dass Oberkromes Konstruktivismus
im suedostdeutschen Kontext Schule machen wird.
Ausgesprochen problematisch ist die Hoffnung, dass mit Oberkromes Arbeitskonzept
„der Gefahr einer unproduktiven Konfrontation zwischen Wissenschaftlergenerationen,
Schulen, Zeitzeugen und Wissenschaftlern“ entgegengewirkt werden kann,
zumal diese Gefahr laut Muellers Tagungsbericht immer droht, „wenn das
Augenmerk lediglich auf einzelne Phasen der Wissenschaftsgeschichte, wie
z.B. den Nationalsozialismus, gerichtet wird“. Damit wird einer Historisierung
der „suedostdeutschen“ NS-Zeit das Wort gesprochen, die vor lauter Ruecksichtnahme
wieder mal das eigentliche Forschungsobjekt, die NS-Zeit, aufs tote Gleis
der Bedeutungsminderung, der Verharmlosung und Verwaesserung abschiebt.
Dieses Verfahren entspricht einer weiteren Formulierungsweise und einer
anderen Art, wie den sprengkraeftigen „Gefahren“ der NS-Realitaet aus dem
Weg gegangen werden kann.
Mit diesen Voraussetzungen und angesichts der voraussichtlich ernuechternden
Konsequenzen kann diesem „Historisierungs“-Verstaendnis des „suedostdeutschen“
NS eine recht klaegliche Zukunft vorausgesagt werden. Harald Roths Beispiel,
das sich in manchem Punkt an Oberkromes Arbeitskonzept annaehert, steht
wohl konkret dafuer, wie diese Historisierung aussehen wird: man wird im
Wesentlichen weiter so machen wie bisher, will heissen, von der Substanz
des suedostdeutschen NS so wenig wie moeglich durchsickern lassen, hingegen
sich in Ruecksichtnahmen und im Bannen von „Gefahren“ ueben. Dabei wird
verkannt, dass nicht das Forschungsobjekt des NS, sondern die Interpreten
selbst der eigentliche Gefahrenherd sind. Was keiner dieser suedostdeutschen
„Historisierer“ bemerkt zu haben scheint, ist, dass sie das Forschungsobjekt
wieder mal mit Vorbedingungen, mit Vorbehalten knebeln, die ihren Ursprung
in ihrem eigenen ressentimentgepraegten Kulturverstaendnis haben.
Mathias Beer , Wo bleibt die Zeitgeschichte? Fragen zur Geschichte einer Disziplin
Vergleich auch: