Geschichtspoesie aus Journalistenfeder
A Journalist poeticizes History

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Abwegiges Prophetentum

Nur am deutschen Wesen kann die Welt genesen



       Ein weiterer Spitzenrepraesentant des nationalsozialistischen Journalismus war HANS HARTL, der als zweiter Mann der "Suedostdeutschen Tageszeitung" den "Chef vom Dienst" stellte. Sein Frontaufenthalt im Jahr 1943 liess seine schriftstellerische Begabung in einem "Volksdeutschen Kriegstagebuch" ihren Niederschlag finden, woraus die "Suedostdeutsche Tageszeitung" in der Sonntagsnummer vom 13. Juni 1943 Ausschnitte abdruckt. Hier sollen Hartls historische Betrachtungen wiedergegeben werden.


        "[...] Ich denke oft ueber unsere Geschichte nach. In schweigenden Stunden, wenn die Toten ihre Stimme haben, schaue ich zurück ueber das dunkle Land der Jahrhunderte: und ich sehe die Generationen werken und bauen, kaempfen, sterben, geboren werden -, ein unerschoepfliches Heer.

        Was war es, das ihnen immer wieder gebot, den Pflug in die Erde zu senken, wenn die Brandung des Ostens sie verwuestet hatte? Welche geheimnisvolle Kraft wirkte in ihnen, dass sie nicht verzagten? Sahen sie ein Ziel? War ihr Ausharren nicht Wahnsinn, da doch jeder Tag, jedes Jahr sie und ihr muehsames Werk fuer immer ausloeschen konnte?

        Heute wissen wir: haetten sie nach dem Warum gefragt - sie waeren verzweifelt, weil niemand ihnen haette Antwort geben koennen. Haetten sie sich um das letzte Ziel ihrer Sendung gesorgt - ihre Haende waeren ratlos vom Griff des Pfluges geglitten.

        Sie rodeten die Waelder, weil sie mussten; sie muehten sich durch die Jahrhunderte, weil sie einem Gesetz gehorchten. Einem Gesetz, das von niemandem erlassen und nirgend aufgeschrieben war, das allein in ihrem Blute, ihren Koepfen und Haenden nach Erfuellung draengte.

        Es hatte alles vergebens sein koennen, aber es war nicht vergebens. Denn siehe: ihre Staedte und Doerfer schimmern inmitten des gesegneten, von ihnen erloesten Landes, und ihr Pflug geht noch immer durch uralte Furchen, und nun waechst das Reich und breitet seine Arme nach allen seinen Soehnen. Nun enthuellt das Schicksal seinen Sinn, nun wird zum Wort, was Jahrhunderte hindurch als wortlose Verheissung in ihrem Blute schlummerte: das Reich.

        Waeren alle Deutschen daheim geblieben, dann waere heute Europa ohne Idee. Sie wurde erst aus dem Leid und aus der Sehnsucht der Hinausgezogenen geboren, denn diese waren es, die ueber papierne Grenzen hinweg die grosse grenzenlose Einheit erschauten, sie waren es, denen das Reich sehnsuechtig im Blute traeumte, sie waren es, die den in der Enge der alten Heimat Gebliebenen den Blick vom Boden hoben und ihn hinauslenkten in die Weite: von ihnen, den einsam Ringenden, flutete die Leidenschaft des Deutschseins zurueck und weckte auch in den anderen den Rausch der Kraft und Groesse, bis ihnen endlich die Binde von den Augen fiel und sie aufstanden, ein junges, unbezwingbares Volk, und die Welt aus ihren rostigen Angeln hoben.

        Nun marschieren sie und die jauchzende Zukunft bestaetigt ihren Schritt. Nun glauben sie an ihre Kraft und vor ihnen sinkt das Alte in Truemmer. Nun gruebeln sie nicht mehr, nun schmieden sie. Nun ragt vor ihnen endlich, endlich der grosse Fuehrer, nun waechst das Reich!

        Ihr Reich, unser Reich. Ja, auch unser Reich! Denn unter welcher Fahne wir auch stehen moegen, wir dienen dem Reich. Wenn es sein muss, namenlos und schweigend.

        Das Reich befiehlt - wir sind seine Soldaten. [...]"



           So weit Hans Hartl. Die unter dem Vorzeichen der Reichsideologie stehenden poetischen Pervertierung der siebenbuergisch-saechsischen bzw. rumaeniendeutschen Geschichte erreicht bei diesem Journalisten eine sonderbare pathetische Intensitaet. Es ist nicht das Pathos eines gesunden nationalen und politischen Empfindens, sondern das durch die nationalsozialistische IDEE gepraegte und somit auch entsprechend mythisch-mythisierend verklaerte, deshalb mit extremistischen Zuegen versehene Pathos. Zur IDEE gesellt sich das GESETZ DES BLUTES und die REICHSIDEE, die allesamt Bestandteile der totalitären deutschen Volkseinheit ("grenzenlose Einheit") sind. Der ideologischen Zwangsjacke dieser fatalen Konstellation ordnet Hartl bedenkenlos den geschichtlichen Werdegang der siebenbuergischen Kolonisten des 11., 12. und 13. Jahrhunderts, aber auch die spaetereren Jahrhunderte, vor allem die Kriegsjahre unter. Die IDEE und das REICH sollen die Erfuellung des ungeschriebenen Gestzes sein, das diese Deutschen zu standhaften Leistungen antrieb ("das von ihnen erloeste Land"), naemlich das GESETZ DES BLUTES. Das ist die reinste Blut- und Bodenpoesie!
        Auch die nationalsozialistische Anmaßung eine junge Bewegung zu sein, die das Alte beseitigt, auch der blinde und ebenso billige Glaube an eine "jauchzende Zukunft", die in Marschordnung unter dem "grossen Fuehrer" "geschmiedet" wird kommen nicht zu kurz.


Datei: Hartl.htm                                             Erstellt: 26.09.2000    Geaendert: 22.10.2003         Autor: © Kaus Popa


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