Geschichte des Dorfes Schmottseiffen   Seite 7               

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                             Das
            19. und 20. Jahrhundert    

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Ähnlich wie die Abtretung des Dorfes an das Kloster Liebenthal im Jahre 1487 bedeute auch die Loslösung im Jahre 1810 einen wichtigen Einschnitt. Mit der Aufhebung des Liebenthaler Stiftes gab es keine Grundherrschaft mehr. An ihre Stelle trat der moderne Staat; er übernahm die Gerichtsbarkeit, an ihn mußten die Steuern bezahlt werden, ihm unterstand die dörfliche Selbstverwaltung usw. Die Besitzungen des Liebenthaler Klosters in Schmottseiffen, also vor allem die Scholtisei mit ihren Vorwerken und Nebenbetrieben, wurden schon 1811 aufgeteilt und verkauft (1). Im ganzen aber vollzog sich die Umwandlung nur allmählich.Die Verwaltung des Dorfes hatte zunächst verschiedene Formen, bis durch die preußische Gemeindeordnung folgende Regelung geschaffen wurde: An der Spitze des Dorfes stand der Ortsvorsteher, der von der Gemeindevertretung auf sechs Jahre gewählt wurde und vom Landrat bestätigt werden mußte. Ihm beigegeben waren zwei Schöffen (Gerichtsmänner, Geschworene), die ihn im Notfalle auch vertraten. Dazu kam die Gemeindevertretung, die m.W. in Schmottseiffen 15 Mitglieder zählte. Ortsvorsteher und Schöffen bildeten den Gemeindevorstand. Diese Form der Dorfregierung blieb bis 1933. - Der bedeutendste und bekannteste Ortsvorsteher jener Zeit war Amand Stelzer (N.144). Er war nacheinander Mitglied der Gemeindevertretung, Schöffe und schließlich durch vier Wahlperioden, von 1889-1913, Ortsvorsteher. Er starb am 15. April 1917, 80 Jahre alt (2). Auch die wirtschaftlichen Verhältnisse im Dorf änderten sich jetzt sehr. Manche Wirtschaftszweige, wie Schafzucht und die damit verbundene Verarbeitung der Wolle (Strumpfstrickerei) gingen zurück, andere kamen neu auf oder entfalteten sich stärker (Obstbau, Milchwirtschaft). Ferner gelangten immer mehr fertige Fabrikerzeugnisse ins Dorf, vor allem landwirtschaftliche Maschinen, geräte Werkzeuge usw. Sie waren nicht nur besser sondern auch billiger und sparten viele Arbeitskräfte ein. Solange die Feldarbeit noch mit den alten überlieferten Gerätschaften geleistet werden mußte, wurden auf einem Bauernhof noch unverhältnismäßig mehr Arbeitskräfte gebraucht, als in späterer Zeit. Weil aber durch die fortschreitende Technisierung der landwirtschaftlichen Arbeit nicht mehr alle auf dem Dorfe Beschäftigung fanden und zudem in der Stadt höhere Löhne gezahlt wurden, zogen viele junge Leute in die Stadt. Dies führte von selbst zu einer Verringerung der Einwohnerzahl (3).

Noch vor dem Ersten Weltkriege war auf unsern Schmottseiffener Höfen ein Gesinde von 12-15 oder mehr Leuten nichts Außergewöhnliches. Für jedes Gespann mußte ein Weuner (Wagner) da sein, dazu kamen die verschiedenen Hilfskräfte, evtl. noch ein Schäfer oder Schweizer. Ähnlich war es bei den Mägden in Haus und Stall. Das Gesinde wohnte in der Regel auf den Höfen und hatte seine eigenen Gesindestuben. Der Lohn war nach heutigen Begriffen sehr niedrig; dafür hatten aber die Dienstleute völlig freien Unterhalt und wurden meist als zur Familie gehörig betrachtet

Erst im 19. Jahrhundert kamen manche Handwerke und Erwerbszweige auf, die man auf dem Dorfe nicht gekannt hatte. Es war z.B. früher eine Selbstverständlichkeit, daß auf den Höfen, aber auch bei kleinen Leuten selbst gebacken wurde; ebenso kannte man nur die Hausschlachtung usw. Die nötigen Webwaren wurden selbst gesponnen, Garn gegen fertige Artikel eingetauscht. Überhaupt liebte der Bauer und vielleicht noch mehr die Bäuerin bis in die neueste Zeit das Tauschgeschäft.

Der erste Kaufmannsladen entstand erst um 1900. Vorher waren nur die Krämerleute dagewesen. Diese kleinen Händler hatten ursprünglich die Besorgungen für die Bauern in der Stadt gemacht und sich nach und nach einen kleinen Vorrat an Dingen angelegt, die öfter gebraucht wurden. Aber noch bis zum Ersten Weltkriege trug manche Bauersfrau ihre Butter und Eier selbst auf den Markt nach Löwenberg oder Liebenthal, um dann für das erhaltene Geld ihrerseits einzukaufen. - Tiefer greifende Veränderungen der wirtschaftlichen Verhältnisse auf dem Dorf brachte dann die Zeit zwischen den beiden Weltkriegen, worauf aber hier nicht weiter eingegangen werden kann.

Ein bedeutendes Ereignis des vorigen (19.) Jahrhunderts war der Bau der Eisenbahn zwischen Löwenberg und Greiffenberg. Ursprünglich sollte sie über Görisseiffen gelegt werden, was ja auch der nächste Weg gewesen wäre. Aber wie ich als Kind oft erzählen hörte, setzte sich Amand Stelzer, der spätere Ortsvorsteher, sehr dafür ein, daß die Bahn trotz des Umweges und der Schwierigkeiten, die der Bau verursachte, durch Schmottseiffen geführt wurde. Amand Stelzer war als junger Mann viel herumgekommen, er hatte die Kriege von 1864, 1866 und 1870/71 mitgemacht und dabei die Vorzüge des neuen Verkehrsmittels kennengelernt. Um Platz für die Gleisanlagen zu schaffen, mußten etwa 50 Häuser abgerissen werden. 1885 hatte der Bau begonnen und einige Jahre später wurde die Strecke in Betrieb genommen. In späterer Zeit hätte man sicher die Bahn nicht mehr so durch ein Dorf gelegt, in dem sie sich durchschlängeln und auf 8 km Länge einen Höhenunterschied von rund 100 Metern überwinden mußte. Schmottseiffen mit seinen "drei Bahnhöfen" (Nieder- und Ober-Schottseiffen waren in Wirklichkeit nur Haltestellen!) hatte damit einen Vorsprung vor vielen anderen Orten , selbst vor der Nachbarstadt Lähn, die erst vor dem Ersten Weltkriege Bahnverbindung erhielt. Bis dahin war der nächste Bahnort für Lähn Schmottseiffen, und der Bahnhof Mittel-Schmottseiffen hieß Schmottseiffen-Lähn. Zwischen beiden Orten verkehrte noch fast bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges die von Pferden gezogene Postkutsche.

Auch die drei Schmottseiffener Schulen erhielten im 19. Jahrhundert ihr Aussehen und ihre Gestalt, wie wir sie kennen. In früheren Jahrhunderten war der Unterricht der Kinder und Jugend Aufgabe der Kirche gewesen; der Staat hat sich erst sehr spät daran beteiligt. In Schmottseiffen waren darum die gegebenen Lehrer Pfarrer und Kantor. Der Kantor war in einer Person Vorsänger in der Kirche, Küster, Kirchenschreiber und Schullehrer. Da es in früheren Jahrhunderten keine allgemeine Schulpflicht gab, hing es sehr von den Eltern ab, wieviel Kinder kamen und wie lange sie zur Schule gingen. Nur zum Katechismusunterricht (Christenlehre), der in der Kirche erteilt wurde, mußten alle Kinder erscheinen.

Die älteste der drei Schulen war die Kirchschule. Sie trägt diesen Namen nicht bloß weil sie neben der Kirche steht, sondern bis nach dem Ersten Weltkriege auch Eigentum der Kirchengemeinde war, die ein gewichtiges Mitspracherecht bei der Wahl des Kantors und des Hauptlehrers hatte. Das alte Küster- und Schulhaus, aus dem das spätere durch Umbau und Erweiterung hervorging, war 1630 erbaut. Klassenzimmer gab es nicht, sondern der Kantor erteilte den wenigen Kindern, die kamen, den Unterricht im Lesen, Schreiben und Rechnen in seiner Wohnstube (4).

Im 18. Jahrhundert scheint die Zahl der lernbegierigen Kinder sehr zugenommen zu haben. Das Schulhaus wurde erweitert. Die bisherige Wohnung wurden Unterrichtsräume und die Wohnung für den Kantor darüber eingerichtet. Da aber immer mehr Kinder kamen und für viele der Weg zur Kirchschule zu weit war, wurde im Oberdorf einem Schneider und im Niederdorf dem Strumpfstricker Joseph Scholz Nr.79 erlaubt, die Kinder zu unterrichten.

So entstanden Niederdorf- und Oberdorfschule. Scholz erteilte den Unterricht anfangs ebenfalls in seiner Wohnung. Da aber die Zahl de Kinder immer größer wurde, richtete er ein leer stehendes Haus neben der Schmiede (Nr.85) als Schule ein. Der jetzige Schulbau Nr.61 wurde 1883/84 erbaut und bezogen (5). Die Oberdorfschule dürfte eine ähnliche Entwicklung gehabt haben und das heutige Schulgebäude um die gleiche Zeit entstanden sein. Und als an der Kirchschule ein zweiter Lehrer (Adjuvant) nötig wurde, wurde jener sonderbare Anbau, die sogen. Adjuvantenwohnung, an der Rückseite der Schule errichtet.

Daß im Jahre 1318 zum ersten Mal eine Kirche in Schmottseiffen erwähnt wird, ist oben schon gesagt worden. Die jetzige Kirche ist 1781 erbaut worden, der Turm schon 100 Jahre früher. Kirchenpatronin ist die hl.Thekla, Jungfrau und Märtyrin (6). Der Neubau der Kirche soll in der Weise ausgeführt worden sein, daß die neue größere Kirche um die alte kleinere herumgebaut wurde. Als die neue im Rohbau fertig war, wurde die innere alte Kirche abgerissen. Die drei Altarbilder, die wir kennen, sind von einer Armen Schulschwester U.L.Frau (Breslau) im zweiten Drittel des vorigen (19.) Jahrhunderts gemalt worden. Letzte größere Renovierung der Kirche ließ Pfarrer Hemmer bald nach seinem Amtsantritt (1907) ausführen. Der Kirchhof ( Friedhof), der um die Kirche liegt und von einer Mauer umgeben ist, wurde in seiner jetzigen Form von Pfarrer Dr.Jahnel angelegt. Schon der Erste Weltkrieg brachte dem Dorfe schwere Verluste durch die große Zahl derer, die nicht mehr heimkehrten. Mehrere Besitzungen, die durch Generationen derselben Familie gehört hatten, mußten verkauft werden, weil die Söhne gefallen waren oder der Besitzer durch die wirtschaftliche Notlage, die dem Kriege folgte, dazu gezwungen wurde. Noch schwerer aber wurde das Dorf durch den unglücklichen Ausgang des Zweiten Weltkrieges getroffen. Anfang 1945 rückte die Front bedrohlich nahe an Schmottseiffen heran. Sie blieb aber nördlich des Dorfes stehen und verlief von Nieder-Görisseiffen über Mois nach Siebeneichen usw. Schmottseiffen selbst fiel im Mai 1945 den Russen kampflos und unversehrt in die Hände; den Russen folgte sofort die polnische Verwaltung.

Ende März 1945 war ein Teil der Bevölkerung wegen der Nähe der Front von der deutschen Wehrmacht in den Oberkreis evakuiert worden. Nach der Kapitulation kehrten diese Leute wieder ins Dorf zurück. Da vertrieb am 23./24. Juni 1945 die polnische Miliz alle Leute gewaltsam (wilde Vertreibung) aus dem Dorf, um ungestört plündern zu können. Noch einmal kehrten die Bewohner zurück und fingen an, sich wieder einzurichten die Felder zu bestellen usw., bis in zwei großen Schüben im Juli 1946 und im Juni 1947 schließlich alle Dorfbewohner weggebracht und aus ihrer Heimat zwangsweise ausgewiesen, vertrieben wurden. Der erste Transport im Sommer 1946 (von Plagwitz aus) ging in das südliche Niedersachsen und in das nördliche Rheinland, die andern kamen nur bis in die Provinz Brandenburg und wurden westlich von Berlin auf verschiedene Ortschaften verteilt. Heute leben die Schmottseiffener über ganz Deutschland zerstreut, die meisten immer noch in den ursprünglichen Ansiedlungsgebieten.

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Mehr als siebenhundert Jahre war Schmottseiffen ein deutsches Bauerndorf!

Deutsche Bauern und Bergleute hatten den Urwald gerodet und das Dorf angelegt und ihre Nachfahren durch Fleiß und Sparsamkeit zu einem der schönsten und blühendsten Orte weit und breit gemacht.

 

Anmerkungen und Quellen:

(1)Wann die Gebäude der Scholtisei abgerissen wurden, wann das Hoppenhaus verschwand, konnte ich nicht feststellen.-(2)Er stammte von Gut Nr.65 und hatte um 1860 Die Gärtnerstel- le Nr.144 gekauft. Sein Vater war Anton St.(1810-1880,dessen Vater Johann,Josef St.(1765- 1845), dessen Vater Ignatz St.-(3) Das Dorf zählte vor 100 Jahren im Jahre 1860, 2.760 Einw. (Görlich, S.213); 1925 waren es noch 1.726, also fast 1.000 weniger.- Im Heimatbuch S.412, muß es wohl heißen 1933: 1.705. (4) Heimatgrüße, Juni 1957.  (5) Heimatgrüße, Juni 1957. - (6) Kaps, S.112.

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