Der Fürst (Il Principe)
von Niccolò Machiavelli
Übersetzer: Christian Ilaender
Mon Jan 29 21:40:11 MET 1996
Vorwort des Übersetzers:
Bei dem folgenden Text handelt es sich um eine Zusammenfassung
von Machiavellis Der Fürst. Ich, ein zwanzig jähriger Abiturient,
der gerade seinen Zivildienst ableistet, habe Machiavellis Text mit
eigenen Worten verkürzt, aber (hoffentlich) sinngemäß, wiedergegeben.
Danken möchte ich meinem Bruder Stephan und Melanie Siegmann, die mir
beim Verfassen und Abtippen des Textes geholfen haben. Mein Ziel ist es,
dem geneigten Leser den oft zu unrecht verteufelten Machiavelli näherzubringen
und ihn als Mann seiner Zeit (Renaissance) darzustellen.
Contents
Vorbemerkungen
Kapitel 01: Wieviel Herrschaftsformen es gibt und wie man eine Herrschaft
erwirbt
Kapitel 02: Von den erblichen Herrschaften
Kapitel 03: Von den vermischten Fürstenherrschaften
Kapitel 04: Warum das von Alexander eroberte Reich des Darius nach seinem
Tode von seinen Nachfolgern nicht abgefallen ist
Kapitel 05: Auf welche Weise man die Städte oder Fürstentümer regieren
muss, die vor ihrer Eroberung nach eigenem Gesetz lebten
Kapitel 06: Von neuen Herrschaften, die man durch eigene Waffengewalt
und Tüchtigkeit erobert
Kapitel 07: Von neuen Herrschaften, die man mit fremder Waffengewalt und
durch Glück gewinnt
Kapitel 08: Von denen, die durch Verbrechen zur Herrschaft gelangt sind
Kapitel 09: Vom Volksfürsten
Kapitel 10: Wie man die Kräfte aller Fürstentümer zu bemessen hat
Kapitel 11: Von den geistlichen Fürstentümern
Kapitel 12: Von den Heeresarten und Söldnerheeren
Kapitel 13: Von Hilfstruppen, gemischten Truppen und Volksheeren
Kapitel 14: Was ein Fürst im Kriegswesen zu beachten hat
Kapitel 15: Wodurch die Menschen und besonders die Fürsten Lob und Tadel
erwerben
Kapitel 16: Von der Freigiebigkeit und der Sparsamkeit
Kapitel 17: Von der Grausamkeit und dem Mitleid und ob es besser sei,
geliebt als gefürchtet zu werden
Kapitel 18: Wie die Fürsten ihr Wort halten sollen
Kapitel 19: Verachtung und Hass sind zu meiden
Kapitel 20: Ob Festungen und andere gewöhnliche Maßnahmen der Fürsten
nützlich sind oder nicht
Kapitel 21: Was ein Fürst tun muss, um zu Ansehen zu kommen
Kapitel 22: Über die Minister der Fürsten
Kapitel 23: Wie Schmeichler zu fliehen sind
Kapitel 24: Warum die Fürsten Italiens ihre Herrschaft verloren haben
Kapitel 25: Wieviel Fortuna in den menschlichen Dingen vermag und wie
man ihr entgegenwirken kann
Kapitel 26: Aufruf zur Befreiung Italiens von der Barbaren
Nachwort
References
Vorbemerkungen
Niccolò Machiavelli:
Geboren am 3.5.1469 in Florenz als Sohn eines Rechtsgelehrten. Beamtenlaufbahn
im Dienst der Stadtrepublik Florenz. Dieses befreite sich 1494 vorläufig
von der Herrschaft der Medici.
1497 wird Machiavelli in den Rat der Zehn gewählt,
welcher dem Rat der Signorie, dem höchsten Organ, untergeordnet
war. Später übernahm er dessen Vorsitz. Machiavellis Position führte viele
Auslandsreisen im Namen Florenz mit sich, z.B. an den Hof der römischen
Kurie, nach Frankreich zu Ludwig dem XII., zu Kaiser Maximilian (Haus
Habsburg) oder zu italienischen Kleinfürsten wie Cesare Borgia. Nach 14
Jahren Tätigkeit im Dienste seiner Heimatstadt kehrten die Medici nach
Florenz zurück. Sie warfen Machiavelli unter dem Vorwurf der Verschwörung
ins Gefängnis und ließen ihn foltern. Schließlich stellte sich seine Unschuld
heraus.
1513 wurde Machiavelli auf sein Landgut verbannt und
begann im selben Jahr mit der Niederschrift von DER FÜRST. Obwohl
die Medici 1527 erneut aus Florenz vertrieben wurden, wurde er (da er
der Kollaboration mit den Medici verdächtigt wurde) nicht wieder in den
Staatsdienst aufgenommen. Er verstarb im selben Jahr. Außerdem entstanden
in der Zeit von 1513 bis zu seinem Tode am 22.6.1527 noch mehrere andere
Werke:
ABHANDLUNG ODER GESPRÄCH ÜBER UNSERE SPRACHE,
welche zum Ziel hatte, die toskanische Sprache als italienische Nationalsprache
zu etablieren. ABHANDLUNG ÜBER DIE ERSTEN 10 BÜCHER DES TITUS
LIVIUS, ein staatstheoretisches Werk mit Ähnlichkeiten und Unterschieden
zu DER FÜRST. MANDRAGOLA, eine bissige Komödie. L'ARTE DELLA GUERRA
(DIE KRIEGSKUNST). Und im Auftrag von Giulio de Medici (des späteren Papsts
Clemens VII.) DIE GESCHICHTE VON FLORENZ.
Das Erscheinungsdatum von IL PRINCIPE (DER FÜRST)
ist 1532. Verfasst wurde der Text 1513.
Machiavellis DER FÜRST ist im Laufe der Geschichte
immer wieder, bewusst oder unbewusst, falsch interpretiert worden. Die
abartigen Interpretationen von Machiavellis Werk lassen sich vergleichen
mit der Pervertierung von Darwins Theorien. Zum Beispiel benutzten die
Nazis eben diese beiden, um einen faschistischen Obrigkeitsstaat zu legitimieren.
Machiavellis Werk aber muss streng in seinem geschichtlichen
Kontext gesehen werden. Er verfasste es im angehenden 16. Jahrhundert
in Italien. Dieses war zerrissen in Kleinstaaten, Teilstaaten, Zwergkönigreiche,
Fürstentümer und den Vatikanstaat. Verschiedene größere Staatsgebilde
und mächtige Monarchen, wie der französische König Ludwig der XII. und
der spanische König Ferdinand von Aragonien, versuchten in Italien einzufallen.
Sie wollten sich Gebiete auf Kosten der ansässigen verfeindeten Geschlechter
einverleiben. Machiavelli ist vordergründig von dem Nationalstaatsgedanken
überzeugt.
Überschrift Kapitel 26: Aufruf zur Befreiung Italiens
von den Barbaren
Dies war für seine Zeit geradezu visionär und revolutionär.
Machiavelli wünschte sich nichts sehnlicher als einen italienischen Nationalstaat,
der groß und mächtig genug war mit den anderen Großmächten, wie Frankreich,
England, Spanien und der Habsburger Monarchie konkurieren zu können. Wie
weit Machiavellis Gedankengut seiner Zeit voraus war, zeigt sich darin,
dass sein Traum eines italienischen Nationalstaates erst in den Jahren
von 1861--1870 durch Guiseppe Garibaldi verwirklicht wurde. Wären Machiavellis
Ideen verwirklicht worden, hätte Italien sicherlich schon vor dieser Zeit
eine bedeutendere Rolle spielen können.
Die Abhandlung DER FÜRST war speziell an das zu
der Zeit in Florenz regierende Geschlecht der Medici gerichtet. Dieses
wurde zwar 1527 zum wiederholten male aus Florenz vertrieben, schwang
sich aber ab 1551 zu Herzögen (bzw. ab 1569 Großherzögen) der Toskana
auf. Dieses machtvolle Geschlecht stellte unter anderem 3 Päpste und 2
Königinnen von Frankreich (Katharina, welche die Bartholomäusnacht verursachte,
und Maria) 1737 erlosch das Haus der Medici. Machiavelli gestand diesem
Geschlecht die Chance zur Verwirklichung eines italienischen Nationalstaates
zu.
"So verharrt Italien immer noch in Todesstarre und
Erwartung, bis der kommt, der es von seinen Schlägen heile, (...)"
"Seht auch, wie es durchaus bereit und geneigt ist,
einem Banner zu folgen, wofern es nur Einer begriffe. Es gibt aber gegenwärtig
niemanden, auf den es mehr Hoffnung setzen könnte als auf euer berühmtes
Geschlecht, (...), es könnte die Führung der Befreiung übernehmen"
Machiavelli drückt sich sehr nüchtern und unbeteiligt
aus. Er verlangt vom Fürsten Handlungsweisen, die in unserer Zeit als
unmenschlich und realitätsfern erscheinen. Man muss seine Ausdrucksweise
aber unbedingt im Kontext seiner Zeit sehen. DER FÜRST ist gedacht
als eine Anleitung oder Gebrauchsanweisung zur Lebenserhaltung von Fürstenhäusern
und Staatsgebilden. Warum also bedient sich Machiavelli einer trockenen,
manchmal brutal anmutenden Ausdrucksweise?
Fürst wurde man in der Regel nicht aufgrund seiner Qualifikation,
oder durch Wahl, so wie es uns heute selbstverständlich ist, sondern durch
Geburt oder durch Gewalt. Hierfür nur das Beispiel der Medici, die aufgrund
ihrer finanziellen und territoriellen Macht in Italien 3 Päpste stellen
konnten, welche sich sicherlich nicht durch besondere Frömmigkeit für
dieses heilige Amt auszeichneten. Allein ihre Herkunft machte sie zu Päpsten.
Daraus muss man folgern, dass einem großen Teil aller Fürsten (weltlicher
wie kirchlicher) wohl kaum alle nötigen Fähigkeiten, wie Charisma oder
Führungsqualitäten, zur Erhaltung eines Fürstentums in die Wiege gelegt
wurden. Darum konnten sich schlechte, unintelligente und brutale Fürsten,
die wie auch immer zu ihrer Würde gekommen waren, nur durch Lügen, Betrügen,
Verraten und Bestechen halten. Wenn also ein großer Teil der Fürsten anders
nicht überlebensfähig waren, so mussten auch alle guten und fähigen Fürsten
diese Mittel anwenden können, um zu überleben. Man lebte in einer Welt,
in der ein jeder Fürst eifersüchtig danach trachtete sich selbst zu erhalten
und sich nach Möglichkeit an Macht, Land und Leuten zu vergrößern. Unter
den Fürstentümern und Monarchien herrschte das Prinzip von fressen und
gefressen werden. Auch die niedrigeren Leute waren nach unseren heutigen
Maßstäben nicht viel besser; da sie von den Großen extrem ausgenutzt wurden,
suchten sie ihrerseits nach jeder sich bietenden Gelegenheit um die Großen
auszunutzen oder sie zu Fall zu bringen. Deshalb kommt Machiavelli zu
für uns heute eigenartigen Feststellungen, wie
"Denn von den Menschen kann man im allgemeinen das
sagen: Sie sind undankbar, wankelmütig, heuchlerisch, scheuen die Gefahr
und sind gewinnsüchtig; (...)", Kap.17
Machiavelli beschreibt tatsächlich nichts weiter, als
die Zustände der Menschheit seiner Zeit und speziell seines Landes. Machiavelli
ist nun aber nicht nur unbeteiligter Beobachter ohne moralische Bedenken.
Er erscheint vielmehr als ein desillusionierter Idealist, der zwar alle
guten Eigenschaften begrüßt und für wünschenswert hält, sie aber dem Überleben
in seiner Welt unterordnet.
"(...) [ich] behaupte, dass es gut ist für freigebig
zu gelten. Aber die Freigebigkeit, die du übst und die nicht anerkannt
ist, ist dir schädlich.", Kap.16
"So hat er mit seiner Freigebigkeit sehr viele beleidigt
und nur wenige beglückt [wenn er durch seine Freigebigkeit höhere Steuern
verlangen muss]; (...)", Kap.16
"(...), das jeder Fürst danach streben muss, für mitleidig
und nicht für grausam zu gelten; (...)", Kap.17
"Daher kommt die Streitfrage, ob es besser sei, geliebt
als gefürchtet zu werden oder umgekehrt. Ich antworte: Man sollte beides
sein.", Kap.17
Es lässt sich viel Zynismus in seiner Niederschrift erkennen,
vor allem, wenn er von Cesare Borgia spricht, einem rücksichtslosen und
machthungrigen Fürsten und Ursupator, der aber andererseits die Ansprüche
seiner Zeit erfüllte und sehr erfolgreich war. Machiavellis Visionen (und
dies sollten sie für Jahrhunderte bleiben) erfassen allerdings noch weitaus
größere Dimensionen. Machiavelli toleriert zwar Grausamkeiten bei der
Erschaffung und Sicherung eines neuen Staatsgebildes (wobei er immer die
Vorstellung eines italienischen Nationalstaates vor Augen hat), lehnt
sie jedoch bei erfolgter Stabilisierung ab.
"Die Mühen, die sie bei der Eroberung der Herrschaft
haben, kommen zum Teil von der neuen Ordnung und den neuen Formen, die
sie zur Begründung ihres Staates und zu ihrer Sicherheit einführen müssen.",
Kap.6
"Cesare Borgia galt als grausam; trotzdem hatte diese
Grausamkeit die Romagna wiederhergestellt, geeint und wieder zu Frieden
und treuer Ergebenheit gebracht.", Kap.17
Der nüchterne Tonfall, in dem er den Fürsten davon abrät
verhasst zu werden, ist nicht als eine weitere Form einer durchtriebenen
Listigkeit eines rücksichtslosen, machtverherlichenden Staatstheoretikers
zu werten, sondern als dringlich vorgebrachte Aufforderung eines Bürgerlichen
an die Feudalherren / Fürsten (in Machiavellis Falle die Medici). Machiavelli
bringt seine Thesen in angemessener Formulierung (vorsichtig und zurückhaltend)
den Fürsten (die, wie es seiner Zeit entsprach, um so viel höher standen
als er selbst) näher. Sei sollten nach der Konsolidierung gerecht, ehrenhaft,
rücksichtsvoll und maßvoll regieren. Somit erklärt sich Machiavellis emotionsloser,
einem unaufgeklärten Leser kalt und grausam erscheinender Schreibstil.
DER FÜRST sollte nicht als Provokation aufgefaßt werden.
Zwar liest sich der Text wie die Betriebsanleitung eines
Videorecorders, dennoch bringt Machiavelli oft seine staatsbürgerlich
geprägten Tendenzen ein. Er versucht diese unauffällig zu verpacken, dennoch
läßt er manchmal seinen Zynismus durchblicken. Besonders beißend allerdings
läßt er seinem Spott für Kirchenstaaten freien Lauf, bei denen er ebenso
die fehlende Legitimation und Kompetenz zur Fürstengewalt vermißt, wie
auch den Willen des Volkes sich von dieser Mißwirtschaft frei zu machen.
Er kritisiert des Volkes Dummheit, welches aufgrund von Glauben und Tradition
die Kirche weiter verehrt und die Patriarchen im Amt läßt.
"Nur sie [die Kirchenfürsten] sind Alleinherrscher
im Staat und verteidigen ihn nicht; sie haben Untertanen und regieren
sie nicht; und obwohl ihre Staaten ungeschützt sind, werden sie ihnen
nicht genommen; und obwohl ihre Untertanen nicht regiert werden, kümmern
sich diese nicht darum und denken nicht daran, sich ihnen zu entziehen;
(...)", Kap.11
"(...); denn da diese Fürstentümer von Gott errichtet
und erhalten werden, würde es ein Zeichen von Anmaßung und Vermessenheit
sein, darüber zu räsonieren.", Kap.11
Insgesamt läßt sich das obengenannte in der Kommentierung
des konservativen preußischen Geschichtsschreibers Leopold von Runke (19.
Jht) zusammenfassen:
"Machiavelli suchte die Heilung Italiens, doch der
Zustand desselben schien ihm so verzweifelt, dass er kühn genug war,
ihm Gift zu verschreiben."
Machiavelli beweist seine herausragende staatstheoretische
Vorsehungskraft aber noch an andere Stelle.
"Ferner muss ein Fürst immer der Tüchtigkeit zugetan
sein und die Hervorragenden jedes Faches belohnen. (...) [ohne das sich]
nicht der Eine davor scheut, seine Besitzungen zu erweitern, aus Angst,
sie könnten ihm weggenommen werden, und der andere, einen Handel aufzumachen,
aus Furcht vor den Steuern; sondern er muss Auszeichnungen für die bereitstellen,
die so etwas tun wollen und auf irgendeine Weise seine Stadt und den
Staat bereichern.", Kap.21
Im weiteren Sinne könnte man Machiavelli laut des Zitates
als Vordenker der freien Marktwirtschaft bezeichnen. Diese wurde
zwei Jahrhunderte später von Adam Smith (1723, 1790) entwickelt. Diese
geht vom Prinzip des freien Wettbewerbs aus, frei von staatlicher Lenkung.
Der Staat übernimmt die Rolle eines Beobachters und Bewachers (Nachtwächterstaat).
Adam Smiths Theorien bestimmten die wirtschaftpolitische Gestaltung aller
Industrienationen des 19. Jahrhunderts und bestimmen noch heute in wirtschaftpolitischen
Konzeptionen konservativer Parteien (CDU, Republicans / USA, Conservatives
/ GB). Seine Ideen finden nämlich auch noch ihren Platz in der stark modifizierten
sozialen Marktwirtschaft (nach Müller-Armack, Freiburger Schule),
für die die CDU und vernünftige Teile der SPD sich entgegen der sozialistischen
Planwirtschaft entschieden. Ein Teil dieser Theorien finden sich auch
in Machiavellis Der Fürst wieder, wenn auch der zweite zentrale
Grundgedanke Adam Smiths fehlt: Das individuell egoistische Interesse
des Einzelnen vom naturrechtlichen Blickpunkt, in welchem das Individuum
durch Vermehrung seines eigenen Wohlstandes zum Wohle aller beiträgt.
Machiavelli kann sich aber, getreu seinem Zeitalter, nichts anderes als
eine Monarchie, verbunden mit einer Feudalherrschaft oder ähnlichen Oligarchien
vorstellen (anders als ein Adam Smith, der einen starken 3. Stand gewohnt
war). Laut Machiavelli sollen Monarch und Bürgertum stark miteinander
verkettet sein. Der Bürger hat sich bedingungslos in die Dienste des Staates
stellen, ebenso wie der Fürst, sollten sich die Bürger verdient machen,
die Dienste des Volkes belohnen soll.
"Daher muss ein kluger Fürst eine Form ausfindig machen,
bei der seine Bürger immer und in jeder Lage den Staat nötig haben;
und sie werden ihm dann immer treu und ergeben sein", Kap.9
"(...); sondern er muss Auszeichnungen für die [Bürger]
bereitstellen, die so etwas tun wollen und auf irgendeine Weise seine
Stadt und den Staat bereichern.", Kap.21
(siehe vorhergehende Zitierung der selben Stelle)
Ist der Fürst intelligent, gutartig und charismatisch
(wovon Machiavelli offenbar nicht viele kannte), so fällt ihm dies leicht.
Ist ein Fürst dies aber nicht, so muss der Fürst auch zu den schlimmen
Mitteln greifen, die Machiavelli beschreibt, um das Wohl des Staates und
der Bürger zu erreichen. Im Gegensatz zu seinem Titel beweist sein Werk
Machiavellis Vorliebe für das Bürgertum. Machiavelli ist zwar der Meinung,
dass nur eine Fürst es schaffen kann, einem Staat zu Ruhe, Ordnung, Sicherheit
und angemessener Gesetzgebung verhelfen kann, dennoch ist der 3. Stand
am wichtigsten. Alle seine Ratschläge, die vordergründig dem Wohle des
Fürsten dienen, dienen ebenso, oder vor allem dem Wohle des Bürgertums.
Zustände wie oben beschrieben, oder der freien wirtschaftlichen Individualität
sollten allerdings erst zwei bis drei Jahrhunderte später zu den Forderungen
des aufstrebenden Bürgertums werden. Machiavelli sah vielleicht voraus,
dass das Bürgertum die Feudalherren irgendwann ablösen würde. Zumindest
möchte er die Gleichstellung des Bürgertums gegenüber den Fürsten erreichen.
Er versucht seine Tendenz zum Bürgertum nicht allzu offensichtlich darzustellen,
läßt sich aber trotzdem ab und zu zu deutlichen Kommentaren hinreißen.
"(...) denn das Ziel des Volkes ist viel sittlicher
als das der Großen: diese wollen unterdrücken und jenes nur nicht unterdrückt
werden.", Kap.9
Er wünschte sich ebenso eine wirtschaftliche wie auch
kulturelle Entfaltung des 3. Standes.
"Ferner muss ein Fürst immer der Tüchtigkeit zugetan
sein und die Hervorragenden jedes Faches belohnen. Er soll seine
Bürger anregen, ruhig ihrer Beschäftigung im Handel, in der Landwirtschaft
und jedem anderen Gewerbe nachzugehen, (...)", Kap.21
Machiavelli zeigt sich außerdem in ganz entschiedenem
Maße geprägt von den geistigen und kulturellen Einflüssen seiner Zeit.
Er ist ein typischer Intelektueller der Renaissance (von rinascimento
= Wiedergeburt), einer geistigen Kulturrevolution des 15. und 16. Jahrhunderts.
In ihr wurde, ausgehend von Italien, die Wiederbelebung der Antike betrieben,
was eine geistige Umformung des Welt- und Menschenbildes mit sich brachte.
Machiavellis starke Beeinflussung durch diese Bewegung, obwohl sie eher
noch an ihrem Beginn stand, zeigt sich allein an der Tatsache, dass er
oft Handlungen und Lebensweise antiker Persönlichkeiten wie Schriftstellern,
Kriegern und Herrschern beschreibt und zitiert. Die Renaissance förderte
auch den menschlichen Drang nach wissentschaftlichen Entdeckungen und
sonstig gearteten neuen Erkenntnissen, entgegen dem Geiste des Mittelalters,
in welchem man technischen, politischen und geistig / theologischen Fortschritt
mit vielen Maßnahmen entgegenwirkte. Stark beeinflußt von der Renaissance
zeigt sich auch ein Shakespeare (1564, 1616) in dessen klassischen Dramen
es oft um die Auflehnung des einzelnen gegen das kulturelle Erbe des Mittelalters
geht. Oft nehmen die Hauptrollen seiner Dramen (z.B. MACBETH ihr Schicksal
in die eigenen Hände (Renaissance) und verstoßen somit gegen die göttliche
Ordnung (mittelalterliches Weltbild). Meistens werden sie ihrehr gerechten
Bestrafung zugeführt. Daraus ergibt sich aber genau das Gedankengut, welches
die Renaissance-Bewegung fördern wollte: die Eigenbestimmung des Individuums,
die Auflehnung gegen vorherbestimmte Schicksale, das Lenken der eigenen
Geschicke, In-Die-Hand-Nahme des eigenen Schicksals. Eine göttliche Ordnung,
in welcher sich jedes Lebewesen in die ihm zugewiesene Stellung oder Position
zu fügen habe, wurde nicht mehr anerkannt. Mit einer Vielzahl von Kommentaren
zeichnet sich Machiavelli als Vereinnahmter und Vorantreiber der Renaissance
aus, z.B. in Kapitel 25, in welchem er beschreibt wie man Fortuna
(oder der göttlichen Vorsehung / Schicksal) entgegenwirken kann, oder
in seinem 26. Kapitel, welches einen feurigen Apell an die Medici enthält,
Italien von den Fremdherren zu befreien und zu vereinigen.
"Daher beugten die Römer immer vor, weil sie Ereignisse
voraussahen, (...). (...) Ihnen mißfiel jenes Wort, dass jeder sagt
und das die weisen Leute unserer Tage im Munde Führen: `Kommt Zeit,kommt
Rat';(...)", Kap. 3
"Ich meine daher, dass es besser sei, stürmisch als
vorsichtig zu sein; denn Fortuna ist ein Weib, und wenn man sie unterwerfen
will, muss man mit ihr streiten und kämpfen. Man weiß, dass sie sich
eher von Stürmischen besiegen läßt als von jenen, die kalt erägend vorgehen.",
Kap. 25
"Seht, wie es Gott bittet, dass er doch jemanden sende,
der es von der Grausamkeit und der Qual der Barbaren befreie. Seht auch,
wie es durchaus bereit und geneigt ist, einem Banner zu folgen, wofern
es nur einer ergriffe.", Kap. 26
- Herrschaftsformen sind Republiken oder Fürstentümer. Fürstenherrschaften
sind entweder erblich oder neu erworben. Die Letzteren sind entweder
völlig neu oder beruhen auf Eroberung. Man erobert sie entweder durch
eigene oder fremde Waffen, entweder durch Glück oder Tüchtigkeit.
-
Erbliche Staaten, die schon lange an das Herrschergeschlecht
gewöhnt sind, sind leichter zu regieren als Neugegründete. Ein Erbfürst
kann seinen Staat nach Verlust beim ersten Fehler des Eroberers zurückerobern.
Denn der Erbfürst hat weniger Notwendigkeit Grausamkeiten zu begehen.
Macht er sich nicht durch ungewöhnliche Missetaten verhasst, so wird
er naturgemäß gern akzeptiert. Das Alter und die Tradition seiner
Herrschaft ersticken das Verlangen nach Erneuerung.
"(...); denn eine Veränderung gibt immer Anlaß
zu weiteren."
-
Kolonien (Schlüsselpositionen): Ureinwohner, die
für Kolonien enteignet wurden, müssen arm und hilflos bleiben. Nicht
enteignete Bürger werden fügsamer aus Angst vor Enteignung.
"Menschen sind entweder liebenswürdig zu behandeln,
oder unschädlich zu machen."
Desweiteren sind Kolonien billiger als Besetzung.
-
Für den Erhalt einer neuen Provinz muss man Oberhaupt
und Verteidiger der umliegenden Provinzen sein. Gegner im Inneren
des eroberten Gebietes rufen nämlich grundsätzlich Gegner von Außerhalb
ins Land. Die vormals Mächtigen müssen mittelmäßig klein gehalten
werden. Als Beispiel: Die Römer erschufen Kolonien, verpflichteten
die weniger Starken, ohne deren Macht zu mehren, hielten die Mächtigen
klein und ließen fremde Herren keinen Einfluß gewinnen.
-
Grundsatz: Was man weit voraussieht, läßt sich leichter
vermeiden.
"[Die Krankheit] ist im Anfangsstadium leicht zu
heilen und schwer zu erkennen, (...), dann ist es [später] leicht
sie zu sehen und schwer sie zu heilen."
Als Beispiel: Die Römer nahmen Ereignisse vorweg
und ließen es nicht darauf ankommen, Probleme entstehen zu lassen,
um einen Krieg zu vermeiden. Dieser würde nur zugunsten des Gegners
aufgeschoben werden. Der Fürst sollte nicht nach der Maxime leben:
Kommt Zeit, kommt Rat.
"(...) Die Zeit jagt alles vor sich her und kann
Gutes und Schlechtes mit sich führen."
-
"Eroberungslust ist durchaus der Menschennatur
entsprechend (...)."
Die sechs Fehler Ludwigs XII. in Italien:
-
Vernichtung der minder Starken
-
vermehrte die Macht der ohnehin Starken (Kirche
/ Papst)
-
stattete einem weiteren Landesfremden mit Macht
aus (König vom Spanien)
-
er schlug seine Residenz nicht in Italien auf
-
er errichtete keine Kolonien
-
er enteignete die Venetianer.
"Wer die Ursache dazu ist, dass ein anderer mächtig
wird, der gräbt sich selbst das Grab."
- a)
-
Ein Fürstenstaat mit absolutem Monarchen ist schwer
zu erobern, weil sie staatsbürgerliche Loyalität sich auf einen Mann
konzentriert. Bei einer erfolgreichen Eroberung muss man allerdings
nur das Herrschergeschlecht vernichten, um die Eroberung zu sichern.
Als Beispiel: Herrschaftsstruktur des Osmanischen Reiches.
- b)
-
In Fürstenstaaten mit Teilfürstentümern bestehen
getrennte Loyalitäten (Monarch / Regionalfürst). Man kann leicht in
diesen Fürstenstaat eindringen (unzufriedener Regionalfürst), allerdings
Schwierigkeiten bei der Niederhaltung der verschiedenen Regionalfürsten,
auch nach der Vernichtung des Herrschergeschlechtes. Als Beispiel:
Frankreich (König / Adel)
-
-
-
Regionen, die gewohnt waren in Freiheit und nach
eigenen Gesetzen zu leben erhält man am besten, indem man ausgesuchte
einheimische Bürger als Regierung einsetzt (Oder man liefert das eroberte
Gebiet der völligen Zerstörung aus. Dies wäre die sicherste Methode.).
"Aber in Republiken herrscht mehr Lebensgeist,
stärkerer Hass und mehr Sehnsucht nach Rache."
"(...), so ist es das bessere Mittel, die Republiken
zu zerstören, oder in ihnen zu residieren."
-
Kann der Fürst aus eigener Kraft heraus Maßnahmen
durchsetzen, so ist er mächtig. muss er sich dabei auf andere verlassen,
so hat er eine schwache Position.
"Daher siegen alle bewaffneten Propheten, und die
nicht bewaffneten gehen zugrunde."
Auch der Wankelmut des Volkes mag die Regentschaft
eines Fürsten beenden.
"Darum muss man es so einrichten, dass man [das
Volk] mit Gewalt zum Glauben zwingt, wenn es nicht mehr glauben
will."
-
Als Beispiel: Cesare Borgia; dieser führte die gegnerische
Partei (die Familie Orsini) unter einem Höflichkeitsvorwand zusammen
und ließ sie ermorden. Die daraufhin eingenommene Romagna wurde von
unfähigen Fürsten regiert und Gesetzlosigkeit war Dauerzustand. CB
setzte Ramiro von Orco als Regenten ein. Dieser war ebenso zielstrebig
wie gnadenlos und regierte mit harter Hand. So brachte er wieder Ordnung
in die Romagna. CB setzte dann RvO ab, da dieser von der Bevölkerung
aufgrund seiner Grausamkeiten gehasst wurde. RvO wurde in Cesena von
CB öffentlich hingerichtet. Mit dem Tod des Tyrannen befriedigt CB
die Rachegelüste der Bevölkerung und verängstigt sie gleichzeitig.
-
CB versucht Frankreich und Spanien gegeneinander
auszuspielen. Auch gegen die Gefahr eines neuen Papstes (der regierende
Papst Alexander XI. war sein Vater) konnte er etwas unternehmen:
-
Ausrottung aller Geschlechter, denen er die
Herrschaft raubte, damit ein neuer Papst keine Möglichkeit zum
Eingreifen mehr hat.
-
Alle Edelleute Roms für sich gewinnen, um den
Papst im Zaum zu halten.
-
Das Kardinalskolegium für sich gewinnen
-
Vor dem Tode seines Vaters genügend Macht zusammenraffen
um einem Angriff widerstehen zu können.
CB hatte die ersten drei Punkte erledigt und den
vierten nahezu (Eroberungen). CB scheiterte letztlich am frühen Tode
seines Vaters, an Frankreich und Spaniens Heeren, vor allem aber an
seiner eigenen schweren Krankheit.
"Denn die Menschen befehden einander aus Hass oder
Furcht."
Es erfolgte die unglückliche Papstwahl von Julius
II
"Wer glaubt, dass bei großen Männern neue Wohltaten
altes Unrecht vergessen macht, irrt sich."
-
Beispiel: Agathokles von Syrakus (circa 300 v.Chr.),
Sohn eines Töpfers, der zeitlebens einen verbrecherischen Charakter
hatte. Trotzdem durchlief er alle militärischen Offiziersränge und
beschloß dann, die Fürstenwürde an sich zu reißen. Er rief Volk und
Senat von Syrakus zu "Beratungen" zusammen und ließ Senat und reiche
Bürger von seinen Soldaten erschlagen. Dadurch wurde er unangefochtener
Herrscher.
"Man kann das freilich keine besondere Tugend nennen,
seine Mitbürger niederzuschlagen, die Freunde zu verraten, und ohne
Treue, Ehrfurcht und Religion dahinzulegen."
Trotz seiner Leistungen kann man ihn aufgrund seiner
Würdelosigkeit nicht mit den großen Männern vergleichen.
-
Ein verbrecherischer Herrscher behauptet sich nur
durch den richtigen Gebrauch der Grausamkeit. Gute Grausamkeiten sind
die, die einmalig und möglichst zu Nutzen des Volkes geschehen. Schlecht
sind ständige Grausamkeiten. Beim Raub eines Staates muss man sich
also alle nötigen Schandtaten vorher überlegen und auf einen Schlag
ausführen, um sie nicht mehr wiederholen zu müssen. Durch Wohltaten
kann er dann versuchen das Volk für sich zu gewinnen.
"(...), und das Gute, was du tust, hilft dir nicht;
denn es gilt als erzwungen und rechnet es dir nicht zum Dank an."
Zum Volksfürsten wird man durch die Volksgunst
oder die Gunst der Großen.
"Es ist immer so, dass das Volk nicht von den Großen
beherrscht und unterdrückt zu werden wünscht und dass die großen Herren
über dem Volk seien und es knechten wollen. Aus dem Kampf dieser Richtungen
entstehen in einer Stadt Alleinherrschaft, Freiheit oder Zügellosigkeit."
Die Großen erheben dann einen Fürsten aus ihrer Mitte,
wenn es gilt, das Volk besser kontrollieren zu können. So ein Fürst kann
sich aber nicht leicht halten. Ein Volksfürst vermag Loyalität
anzuziehen und außerdem das Volk besser zufriedenzustellen.
"Außerdem kann man die Großen nicht in Ehren, und ohne
den anderen Unrecht zu tun, zufriedenstellen, wohl aber das Volk; denn
das Ziel des Volkes ist viel sittlicher als das der Großen: diese wollen
unterdrücken, und jenes nicht nur unterdrückt werden."
Der Fürst kann ohne die Großen regieren, da er alle Tage
welche dazu machen kann. Die Großen muss man auf zwei Arten behandeln,
unter dem Gesichtspunkt, ob sie für oder gegen dich sind. Die, die gegen
dich sind, muss man nach Möglichkeit benutzen oder, wenn sie aus Ehrgeiz
gegen dich handeln, als Feinde betrachten. Ein Volksfürst muss Freundschaft
mit dem Volk halten. Ein Fürst der Großen muss sich die Freundschaft des
Volkes erschleichen. Gute Maßnahmen machen denjenigen, von dem man im
vorhinein Schlechtes erwartet hat (von den Großen oktrohierter Fürst),
populär.
"Ich komme nun zu dem Schluß, dass ein Fürst mit seinem
Volk befreundet sein muss; sonst hat er keine Hilfe im Unglück."
-
Diejenigen Staaten, die aufgrund ihres Menschen-
und Geldüberflusses ein zweckmäßiges Heer auszurüsten imstande sind,
sind unabhängig. Andere müssen ihre Stadt so gut als möglich befestigen
und ihr Volk so behandeln, wie schon beschrieben und im Folgenden.
Angreifer lieben Unternehmungen nicht, bei denen es Schwierigkeiten
geben wird und ein vom Volke anerkannter Fürst, in einer gut befestigten
Stadt, stellt eine Menge solcher Schwierigkeiten dar.
- Wenn das Volk aufsässig wird, da sein Besitz außerhalb der Stadt
gebrandschatzt wird, kann ein mutiger Fürst durch geschicktes Handeln
jedes Revoltieren vermeiden. Er muss dem Volk Hoffnung machen, ihm Angst
vor der Grausamkeit des Feindes machen und sich unauffällig der Rädelsführer
bemächtigen. Nach einiger Zeit wird das Volk glauben, ihre Besitzungen
wären der Preis für ihren Schutz. Somit werden sie dem Fürsten Dankbarkeit
zeigen.
Kirchenstaaten halten sich aufgrund von Tradition und
Gottesfurcht ewig und unantastbar.
Ein Fürst muss gute Grundlagen haben. Fundament alter,
wie neuer Staaten, sind gute Gesetze und fähige Truppen. Das eine setzt
das andere voraus. Söldner sind als Truppe gefährlich und lockern das
Staatsfundament.
"(...), denn sie sind uneinig, ehrgeizig, disziplinlos
und untreu, überheblich den Freunden und feig dem Feind gegenüber; sie
sind ohne Furcht vor Gott und ohne Treue gegen die Menschen."
"Du schiebst deinen Untergang so lange auf, wie du
den Angriff aufschiebst; im Frieden wirst du von ihnen ausgeplündert
und im Kriege von deinem Feinde."
Söldner wollen nur des Soldes wegen deine Soldaten sein
und sind nur im Frieden treu.
"Rom und Sparta sind viele Jahrhunderte durch ihre
[Volks]heere freigeblieben."
Ehrgeizige, erfolgreiche Söldnerführer trachten auch
danach, die Herrschaft an sich zu reißen. Venedig z.B. verlor durch Söldnerheere
an einem Tag, wofür man achthundert Jahre gekämpft hatte.
-
Auch Hilfstruppen sind dem Fürsten nicht nützlich.
Ihre Niederlage zerstört dich, ihr Sieg liefert dich ihnen aus. Da
Hilfstruppen eine Einheit sind, sind sie noch gefährlicher als Söldner.
Folglich ist bei Söldnern die Feigheit und bei Hilfstruppen die Tapferkeit
gefährlicher.
"Kurz, fremde Waffen fallen von dir ab, erdrücken
oder erdrosseln dich"
- Insgesamt kann man sagen, wer in einer Herrschaft die Übel an ihrer
Wurzel nicht erkennt, der ist nicht wirklich weise, was ja nur wenigen
gegeben ist. Als Beispiel: Der Anfang des römischen Untergangs begann
mit den gotischen Hilfs- / Söldnertruppen.
Die Kriegsführung ist die einzige Kunst, die man von
Befehlenden (Fürsten) erwartet. So ist es auch zu erklären, wie andere,
die diese Kunst beherrschen und keine Geburtsfürsten sind, Fürsten werden,
und Geburtsfürsten, die die Kunst nicht beherrschen, ihren Thron verlieren
können. Erster Grund für den Verlust eines Landes ist die Vernachlässigung
der Kriegskunst, erste Voraussetzung für den Neuerwerb eines Landes ist
die Perfektion der Kriegskunst.
"Weil Francesco Sforza gerüstet war, wurde er, der
Privatmann, zum Herzog von Mailand; seine Söhne, die Herzöge waren,
wurden Privatleute, weil sie Waffenübungen scheuten"
Ein unbewaffneter Fürst wird von Nachbarstaaten verachtet
und kann sich niemals sicher fühlen. Denn auf der einen Seite besteht
Mißtrauen, auf der anderen Verachtung. Ein Fürst, der von der Kriegsführung
nichts versteht, wird zudem von den eigenen Soldaten verachtet.
"Aber da es meine Absicht ist, etwas nützliches für
den zu schreiben, der es versteht, scheint es mir angemessener, der
wirklichen Wahrheit der Tatsachen nachzugehen, als den Warngebilden
jener Leute."
Wer das Leben nicht so sieht, wie es ist, sondern wie
es sein sollte, arbeitet auf seinen eigenen Ruin hin. Ein ausschließlich
guter Mensch wird inmitten der großen Überzahl schlechter Menschen untergehen.
Ein Fürst, der sich halten will, muss lernen, schlecht zu sein und davon,
je nach Bedarf, gebrauch machen.
-
"Ich übergehe also die Dinge, die einem Fürsten
angedichtet werden, und setze mich nur mit der Wirklichkeit auseinander."
Aufgrund des menschlichen Charakters vereinigt auch
ein jeder Fürst ebenso gute wie schlechte Eigenschaften in sich. Der
Fürst muss deshalb so klug sein, üble Nachrede über seine schlechten
Eigenschaften zu vermeiden, vor allem, wenn das Gerede seine Staatsgeschäfte
beeinträchtigen könnte. Tut er dies aber nicht, kann er sich in dieser
schlechten Eigenschaft um so mehr gehen lassen. Außerdem sollte man
manche schlechte Eigenschaft nicht unbedingt als solche ansehen und
bei Notwendigkeit eventuell ausleben.
"Denn betrachtet man das Ganze, so wird man finden,
dass es scheinbare Tugenden gibt, bei deren Ausübung man zugrunde
geht, und scheinbare Laster, bei denen Sicherheit und Besitz gewährleistet
sind."
-
Es ist prinzipiell gut, als freigiebig zu gelten.
Großzügigkeiten, die nicht anerkannt werden, sind schädlich. Um den
Ruf von Freigiebigkeit zu erhalten, muss ein Fürst jede erdenkbare
Ausgabe auf sich nehmen. Diese werden ihn früher oder später zur Erlassung
höherer Steuern zwingen. Dadurch wird er bei seinen Untertanen verhasst
und gerät selbst in Armut. So beleidigt Freigiebigkeit viele und erfreut
nur wenige. Wenn er dann nicht mehr freigiebig ist, wird der Fürst
bald als geizig gelten. Da man also offensichtlich nicht uneingeschränkt
freigiebig sein kann, soll der Fürst sich nicht scheuen, als geizig
zu gelten. Denn im Laufe der Zeit wird er doch als freigiebig gelten,
wenn das Volk bemerkt, dass seine Sparsamkeit in bestimmten Situationen
dem Volke nutzt.
"(...), dass er sich im Kriege verteidigen und
angreifen kann, ohne sein Volk zu belasten."
So hat der Fürst denen gegenüber als freigiebig zu
gelten, denen er nichts nimmt. In unserer Zeit gibt es viele Beispiele,
großer knauseriger Männer.
"Der jetzige König von Frankreich hat so viele
Kriege geführt, ohne seinem Land einen Pfennig außerordentlicher
Abgabe aufzuerlegen; denn alle außergewöhnlichen Kosten hatte er
durch seine lange Sparsamkeit im voraus gedeckt."
-
Ein Fürst sollte den Ruf als Knauserer nicht meiden,
solange er dafür seine Untertanen nicht belastet, sich verteidigen
kann, nicht verarmt und nicht zum Ausbeuter zu werden braucht. Geiz
mag eines der Laster sein, welches seine Herrschaft erhält.
Vor allem sollte man schon in der Position des Fürsten sein, wenn
man geizig ist. Ist man auf dem Weg zur Fürstenwürde, ist ein freigiebiger
Ruf von Vorteil. Es gibt Fürsten, die mit ihren Heeren großes vollbrachten
und dennoch freigiebig waren. Dies hängt aber davon ab, ob der Fürst
sein eigenes Geld, das der Untertanen oder das Fremder ausgibt. Im
ersten Falle darf er nur wenig ausgeben, im zweiten und im dritten
Falle muss er freigiebig sein, sonst würden ihm seine Soldaten nicht
folgen. Vermögen, welches nicht ihm gehört, darf er ausgeben, ohne
dass es ihm schadet. Eigenes Geld ausgeben kann nur Schaden ausrichten.
"(...), denn indem du [Freigiebigkeit] übst, verlierst
du die Kraft dazu; du wirst entweder arm oder verachtet, oder, um
der Armut zu entgehen, räuberisch und verhasst. Aber vor allem muss
sich ein Fürst hüten, verachtet und verhasst zu werden; und die
Freigiebigkeit führt zu beidem."
Es ist also klüger, als geizig zu gelten, denn dies
führt zu Murren, aber nicht zu Hass.
-
Jeder Fürst sollte für mitleidig und nicht für grausam
gehalten werden. Dennoch muss dieses Mitleid vorsichtig angewendet
werden. Als Beispiel Cesare Borgia (s.o., Kap.7), der als grausam
galt, und dennoch Romagna wiederherstellen konnte. Ein Fürst braucht
sich nicht vor der Nachrede der Grausamkeit schützten, wenn er dadurch
seine Untertanen eint und treu macht. Denn wenn man durch wenige Grausamkeiten
Ordnung hält, ist dies besser, als wenn man durch sein Mitleid Mord
und Gesetzlosigkeit hervorruft.
-
Der Fürst, der einem neuerworbenen Staat vorsteht,
kann der Grausamkeit kaum ausweichen. Aeneis I, 563-564:
"Hierzu zwingt mich die Not und die Jugend des
geschaffenen Reiches, seine weiten Grenzen zu schützen, mit bewaffneter
Wehr."
Dennoch muss ein Fürst mit aller gebotenen Vorsicht
und Menschlichkeit vorgehen.
-
Ein Fürst sollte ebenso geliebt wie gefürchtet werden.
Da sich dies aber kaum vereinen läßt, ist es für ihn sicherer, gehasst
zu werden, wenn er schon auf eines von beiden verzichten muss. Dies
ist so, weil man von den Menschen im allgemeinen sagen kann, sie sind
undankbar, wankelmütig, heuchlerisch, feige und gierig. Sie dienen
dir ohne Wenn und Aber, doch nur, solange die Not fern ist. Ist die
Not aber erst da, so wird der Fürst, der sich auf ihr Wort verlassen
hat, untergehen. Denn Treue, die nicht durch Persönlichkeit oder Charakter
entstanden ist (also nur auf vager Zuneigung basiert), existiert zwar,
bewährt sich aber nie. Die Menschen haben weniger Angst davor, einen
Fürsten anzugreifen, der beliebt ist. Liebe ist an die Dankbarkeit
gebunden, die in der Not aber leicht verschwindet. Grausamkeit aber
ist ein Ruf, der sich lange erhält.
"(...); denn die Liebe wird von der Fessel der
Dankbarkeit zusammengehalten, die, wie die Menschen leider sind,
sofort zerbricht, wenn der Eigennutz im Spiele ist; aber die Furcht
erhält sich durch die Angst bestraft zu werden, die niemals aufhört."
Allerdings sollte der Fürst versuchen, dem Hass zu
entgehen. Gefürchtet zu werden, ohne Hass hervorzurufen, ist ideal.
Hass entsteht, wenn man sich am Eigentum oder den Weibern der Bürger
vergreift. Grausamkeiten dürfen nur im Schutze des Gesetzes stattfinden.
Vor allem muss der Besitz anderer unangetastet bleiben.
"(...), denn die Menschen vergessen schneller den
Tod ihres Vaters, als den Verlust des väterlichen Erbes."
Wer von Ausbeutung lebt, wird allerdings oft die
Gelegenheit dazu finden. Blutvergießen, welches dadurch hervorgerufen
wird, gibt es aber vergleichsweise seltener.
-
Auch im Krieg kann der Fürst als grausam gelten,
sonst könnte sein Heer meutern oder desertieren. Als Beispiel Hannibal,
der seine großen Taten mit seinem aus etlichen Völkern gemischtem
Heer nicht hätte verbringen können, hätte er bei seinen Soldaten nicht
als grausam gegolten.
"Unüberlegte Schriftsteller bewundern einerseits
diese [großartigen] Tatsachen und tadeln andererseits ihre Hauptursache
[die Grausamkeit]."
- Ein Fürst muss ein solch großes Maß an Liebe zu seiner Person erschaffen,
wie es ihm möglich ist. Da er sich nicht auf andere verlassen kann,
darf er aber auch den Ruf der Grausamkeit, wenn er dazu gezwungen ist,
nicht schrecken. Vor allem muss ein Fürst sich davor hüten, gehasst
zu werden.
-
Es ist lobenswert, wenn ein Fürst sein Wort hält.
Dennoch haben viele Fürsten durch Wortbruch viel vollbracht.
-
Für den Fürsten gibt es zwei Vorgehensweisen: durch
das Gesetz oder durch die Gewalt. Das Erste sollte
eigentlich dem Menschen zukommen, das Zweite den Tieren. Wenn das
Erste aber unwirksam ist, muss man zum Zweiten greifen.
"Daher muss der Fürst gut verstehen, Mensch oder
Tier zu spielen."
"(...), eines ohne das andere birgt keine Dauer."
Ein Fürst muss wortbrüchig werden, wenn sein Versprechen
für ihn ein Nachteil ist und wenn die Gründe, warum er es gegeben
hat, wegfallen.
"Wenn alle Menschen Engel wären, wäre dieser Vorschlag
nicht gut; aber sie sind es leider nicht und würden dir nicht Wort
halten; daher brauchst du es ihnen auch nicht halten."
Außerdem findet ein Fürst immer viele Gründe, Vertragsbruch
zu rechtfertigen. Ein Fürst braucht nicht alle guten Eigenschaften
zu haben, er sollte sie bloß vortäuschen können. Alle guten Eigenschaften
sind schädlich, wenn man sich streng an sie hält. Also sollte man
sie solange praktizieren, bis die Not schlecht Eigenschaften fordert.
Diese müssen in Notzeiten vorhanden und anwendbar sein. Ein Fürst
muss, vor allem in neugegründeten Staaten, oft gegen die Menschlichkeit,
Milde, Treue, Aufrichtigkeit und Frömmigkeit verstoßen, um den Staat
am Leben zu erhalten.
"Daher muss er [der Fürst] einen Geist besitzen,
der sich nach dem Wind und nach dem Wechsel des Schicksals drehen
kann, und der, falls es möglich ist, nicht vom Wege des Guten abweicht,
aber in Zwanglagen auch das Böse zu tun vermag."
- Menschen urteilen meist eher nach ihren Augen als nach ihren Gefühlen.
Deshalb muss der Fürst den Anschein der absoluten Tugendhaftigkeit erwecken.
Nur Wenige werden dein wahres Ich erkennen, und jene werden nicht handeln
können, da sie nicht gegen die Masse antreten werden wollen. Beurteilt
wird ein Fürst nur nach seinen Endergebnissen: ob er siegreich war,
ob er den Staat erhalten konnte. Denn jede schlechte Tat wird scheinbar
gut, wenn der Pöbel die Tat als Erfolg bewertet. Die klugen Leute kommen
nur dann zur Geltung, wenn der Pöbel ratlos ist und die Klugen um Hilfe
bittet.
-
Der Fürst muss alle Dinge meiden, die ihn verhasst
und verachtet machen. Verhasst macht er sich durch den Zugriff auf
Besitz und die Frauen seiner Bürger. Wenn er dies vermeidet, so wird
er nur mit einigen wenigen Ehrgeizigen zu kämpfen haben. Verachtet
wird jemand, der als verweichlicht, leichtsinnig, kleinherzig und
unentschlossen gilt. Deshalb muss der Fürst dafür sorgen, dass seine
Taten Größe, Mut, Ernsthaftigkeit und Tapferkeit widerspiegeln. Seine
Beschlüsse müssen als unwiderruflich gelten, damit kein Bürger versuchen
kann, ihn zu betrügen.
-
Der Fürst hat zwei Arten von Gegnern: die innerhalb
und die außerhalb des Landes. Gegen äußere Feinde hilft eine gute
Truppe und ein oder mehrere gute Bündnispartner. Ist die auswärtige
Lage gesichert, so wird es auch im Inland zu weniger Unruhen kommen.
Gibt es Krieg, wir der Fürst, der sich wie im vorherigen beschrieben
benommen hat, jedem Angriff standhalten. Bei Frieden sind nur geheime
Verschwörungen zu fürchten, denen der Fürst vorbeugt, indem er Hass
und Verachtung vermeidet und das Volk zufriedenstellt. Hass muss vor
allem vermieden werden, da ein Verschwörer zumeist glaubt, dem Volk
einen Gefallen zu erweisen, wenn er den Fürsten beseitigt. Wird es
durch dessen Tod aber erbost, so schadet der Verschwörer sich selbst.
Deshalb nehmen auch eher weniger Verschwörungen ein gutes Ende, da
sie sich nur auf die Basis der eventuell Unzufriedenen stützen.
Eine standfeste Herrschaft, pragmatische Gesetzgebung,
Truppen, Bündnispartner und das Wohlwollen des Volkes nehmen jeder
Verschwörung die Grundvoraussetzungen.
-
Als Beispiel: Die Canni erschlugen Messer Hannibal
Bentivoglio, den Fürsten von Bologna. Aufgrund des Wohlwollens gegenüber
dem Ermordeten, erschlug das Volk daraufhin alle Canni und schickte
sogar bis nach Florenz, für ein Familienmitglied der Bentivoglios,
welches für den unmündigen Erben die Regentschaft übernahm.
-
Ein Fürst braucht nicht viel zu fürchten, ist ihm
das Volk wohlgesonnen. Hasst es ihn aber, so muss er jeden Menschen
fürchten. So haben wohlgeordnete Staaten und kluge Fürsten darauf
geachtet, die Mächtigen nicht zur Verzweiflung zu bringen und das
Volk zufriedenzustellen. Als Beispiel: In Frankreich wurden die Parlamente
(Gerichtshöfe) eingerichtet, damit sie den Ehrgeiz des Adels und des
Großbürgertums beschränkten und die weniger Mächtigen stützten. Sie
haben sich als eine wichtige Stütze des Königs erwiesen. Auf eine
einfache Formel gebracht bedeutet dies:
"Ein Fürst muss auf die Großen achten, aber darf
sich nicht beim Volk verhasst machen."
-
Die Gegenbeispiele, die römische Kaiser geliefert
haben mögen, können widerlegt werden. Im römischen Staatsgebilde kamen
zu dem Mächtigen und Schwachen auch noch die Soldaten. Das Volk bevorzugte
gemäßigte Kaiser, während die Soldaten einen verbrecherischen und
räuberischen Kaiser wollten, über den die ihren Sold und ihre Beute
auf Kosten des Volkes vergrößern konnten. Die Kaiser, die keine starke
Persönlichkeit hatten und keine Taten vollbrachten, die Heer und Volk
gebändigt hätten, gingen unter. Solche Kaiser bevorzugten es, sich
an die Armee, als die stärkere beider Parteien, anzubiedern. Dies
gelang ihnen, oder nicht, je nachdem, wie sie mit ihren Soldaten umsprangen.
"So ist, (...), ein Fürst, der den Staat erhalten
will, häufig gezwungen, nicht gut zu handeln, denn wenn jene Partei,
mag es das Volk, die Soldaten oder die Großen sein, die du deiner
Meinung nach zur Erhaltung nötig hast, verdorben ist, so musst du
wohl ihrer Laune folgen, um sie zu befriedigen, und dann wären dir
gute Handlungen schädlich."
-
(...)
-
(...)
-
(...)
-
(...)
-
(...)
-
(...)
-
(...)
- Fürsten unserer Zeit haben weniger Mühe, Soldaten zufriedenzustellen,
da die Heere weniger mit den Regierungen und den Provinzialverwaltungen
verflochten sind, als im alten Rom. Früher musste man eher das Heer,
heute eher das Volk zufriedenstellen.
-
(...)
-
Ein Fürst sollt neu erobertes Gebiet nicht völlig
entwaffnen. Dieser Vertrauensbeweis macht die neue hinzugewonnene
Bevölkerung zu Parteigängern. Entwaffnet man sie, ruft dieses Mißtrauen
und die Verletzung des Ergefühls, Hass und Mißgunst hervor. Eine entwaffnete
Neuerwerbung müßte von Söldnern bewacht werden. Diese aber sind absolut
unzuverlässig (siehe oben).
"Ein neuer Fürst hat immer in seinem neuen Lande
ein Heer aufgestellt. Er sollte aber nur diejenigen bewaffnen, die
ihm gut gesonnen sind und auch diese schwach halten. Seine eigene
Armee darf sich nur aus Truppen des Mutterlandes rekrutieren."
Zwistigkeiten stiften selten etwas gutes, da die
unterlegene Partei sich immer an fremde Eindringlinge wendet, um Hilfe
zu erlangen. Zwistigkeiten können im Frieden nutzen, da die sich uneinigen
Parteien sich nicht gegen den Fürsten verbünden. In Kriegszeiten können
sie allerdings auch den Fall des Fürsten verursachen.
"(...); denn niemals fehlt es dem Volk, wenn es
einmal die Waffen ergriffen hat, an Fremden, die ihnen helfen."
-
Fürsten erlangen Größe, wenn sich großen Widerstand
überwinden. Deshalb gibt es einige, die meinen, ein Fürst sollte sich
gewisse Feindschaften erhalten, um durch deren Überwindung Größe zu
erlangen. Dies wechselt aber je nach den Umständen. Diejenigen Gegner,
die ohne Unterstützung ihre oppositionelle Position nicht aufrecht
erhalten können, sind leicht zu besiegen. Diese müssen dem Fürsten
dann umso treuer dienen, um ihre vorherige Gegnerschaft zu verwischen.
Von diesen kann der Fürst mehr Nutzen haben, als von jenen, die ihm
von Anfang an wohlgesonnen waren. Desweiteren muss ein Fürst erkennen,
warum ihn die Einwohner eines neuerworbenen Staates zu Hilfe gerufen
haben. Geschah dies, weil die Bevölkerung mit den früheren Zuständen
unzufrieden war, wird er sie nur schwer zufriedenstellen können. Dies
kommt daher, dass man sich die, die mit dem alten Staat zufrieden
waren, wie oben beschrieben, eher zunutze machen kann, als die, die
unzufrieden waren und in der Regel in der Überzahl sind.
-
Festungen sind je nach Umständen nützlich, oder
nicht. Wenn sie gut für die eine Seite sind, sind sie schlecht für
die andere. Feststellen läßt sich folgendes: Hat man mehr Angst vor
dem eigenen Volk, sollte man Festungen bauen. Hat man mehr Angst vor
Fremden, braucht man sie nicht.
"Die beste Festung ist die, nicht vom Volk gehasst
zu werden."
Die besten Festungen helfen dir nicht gegen das eigene
Volk, denn dieses wird in einem Aufstand immer Hilfe von Außen erhalten.
"(...), so will ich den loben, der Festungen baut,
und den, der keine baut, aber den tadeln, der im Vertrauen auf sie
es für nichts erachtet, beim Volk verhasst zu sein."
-
Ehre erwirbt sich der Fürst durch große Unternehmungen
und Beweise seines Mutes. Als Beispiel Ferdinand von Aragonien, dem
es durch seinen Krieg gegen die Mauren (1492, Granada) gelang, Aragonien
und Kastilien unter seiner Krone zu vereinigen. Er finanzierte den
Krieg durch Gelder der Kirche und des Volkes. Unter religiösem Vorwand
plünderte und vertrieb er die Marranos (Juden), griff Afrika, Italien
und Frankreich an und war erfolgreich. Auch im Inland muss man als
großzügiger und bedeutender Mensch gelten (z.B. durch Belohnung strebsamer
Bürger).
-
Ein ehrenvoller Fürst gilt als echter Freund oder
ehrlicher Feind. In einem Konflikt zweier weiterer Staaten ist es
besser, sich offen zu einer der Parteien zu bekennen und einen ehrlichen
Krieg zu führen, als neutral zu bleiben. Sonst könnte der jeweilige
Sieger, wahrscheinlich mit dem Wohlwollen des Besiegten, deinen Staat
als weitere Beute einheimsen. Niemand wird dir dann zur Hilfe eilen,
da der Sieger keine verdächtigen Neutralen in seiner Nähe haben will,
und der Besiegte hilft ihm nicht, da du ihm zuvor auch nicht geholfen
hast.
"Und so wird dich immer derjenige, der es nicht
gut mit dir meint, um Neutralität bitten, und der dir wirklich wohl
will, wird immer wieder Unterstützung und Waffenhilfe verlangen."
Unentschlossene Fürsten, die die Neutralität bevorzugen,
gehen deshalb oft zugrunde. Schlägst du dich aber auf die Seite des
Siegers, so ist dir dieser zu Dank verpflichtet, egal wie mächtig
er ist. Unterliegt dein Bündnispartner aber, so wird er dir dennoch
weiterhin beistehen, solange er kann, vielleicht, bis das Blatt sich
wieder wendet. Hast du dich vor dem Sieger nicht zu fürchten, solltest
du um so eher Partei für ihn ergreifen, denn der Sieg ist mit deiner
Hilfe ganz sicher, und Sieger und Besiegter geraten in deine Abhängigkeit.
-
Ein Fürst sollte niemals mit einem mächtigerem Staat
zusammenarbeiten, wenn ihn nicht die Notwendigkeit dazu zwingt. Im
Falle des Sieges, wärst du dem Größeren ausgeliefert, und ein Fürst
muss es vermeiden, von anderen abhängig zu sein. Der Fürst muss sich
vor seiner Entscheidung, ob er Partei für die eine oder andere Nation
ergreift oder neutral bleibt, darüber im Klaren sein, dass keine seiner
Entscheidungen totale Sicherheit gewährleistet.
"Denn es liegt nun einmal im Lauf der Welt, dass
man einer Unbequemlichkeit zu entgehen sucht und wieder in eine
andere fällt; aber die Klugheit besteht darin, die Größe der Unbequemlichkeiten
zu erkennen und das kleinere Übel zu wählen."
-
Ein Fürst muss jede Art von Tüchtigkeit belohnen.
Jeder Bürger muss seinen Geschäften ungestört nachgehen dürfen und
sollte niemals zu befürchten haben, dass ihm seinen Gewinne vom Staate
in unangemessener Weise geschmälert werden könnten. Der Fürst muss
vielmehr die belohnen, die in irgend einer Weise zum Wohle des Staates
beitragen.
Außerdem sollte der Fürst Feste und Feiern fördern,
um den Bürgern Wohlbefinden zu ermöglichen. Er sollte Bürger-, Gilden-
und Zunftversammlungen bei Gelegenheit beiwohnen und dort, ohne würdelos
zu wirken, als menschenfreundlich und freigiebig auftreten.
-
Die Ministerwahl hängt von der Klugheit des Fürsten
ab, denn sie sind nützlich, oder wertlos. Bildet man sich ein Urteil
über einen Fürsten, betrachtet man zuerst diejenigen, mit denen er
sich umgibt. Sind sie kompetent und treu, so wird über den Fürsten
wahrscheinlich das selbe Urteil gesprochen, denn schließlich hat er
die Tüchtigen erwählt und kann sie loyal halten. Wenn er aber schlechte
Minister gewählt hat, so kann man kein gutes Urteil über ihn fällen,
denn schließlich hat er seinen ersten Fehler schon mit der Wahl seiner
Minister begangen.
Der Fürst kann über drei Arten von Intelligenz verfügen.
Er versteht alles von sich aus, er erkennt, was andere zu begreifen
vermögen oder aber er erkennt, weder von sich aus, noch mit Hilfe
anderer, irgendetwas.
"Die erste ist die bedeutendste, die zweite ist
gut und die dritte unbrauchbar."
Verfügt ein Fürst nur über die zweite Intelligenz,
so vermag er immerhin, das gute und das schlechte einer Tat zu bewerten,
auch wenn sie nicht von ihm ist. Er kann seine Minister durchschauen,
sie entsprechend loben oder tadeln, und diese werden nicht versuchen,
ihn zu betrügen.
- Wie sind Minister zu bewerten? Sind sie egoistisch, so können sie
sich nie als brauchbare Minister erweisen. Wer Staatsgeschäfte führt,
darf nie an sich denken, sondern nur an das Wohl seines Fürsten. Der
Fürst seinerseits muss, um die Loyalität seines Ministers zu würdigen,
an ihn denken, ihm Ehre erweisen, ihn reich machen und alle erdenklichen
Reichtümer und Ämter zukommen lassen, sodass er nicht nach mehr streben
kann und jede Änderung der Verhältnisse fürchten muss. Stehen Fürst
und Minister so zusammen, dann können sie einander trauen. Ist es nicht
so, wird der eine oder der andere schlimm enden.
-
Unter den Höflingen findet sich eine Vielzahl von
Schmeichlern. Selbstgefällige Menschen hüten sich vor dieser Pest
nicht und laufen somit Gefahr, verachtet zu werden. Das einzige Mittel,
Schmeicheleien zu verhindern, ist, den Leuten klarzumachen, dass sie
ungestraft die Wahrheit sagen können. Sagt dir aber jeder die Wahrheit,
so büßt du an Ansehen ein. Also muss der Fürst die klügstem Männer
erwählen und darf nur ihnen erlauben, ihm die Wahrheit zu sagen, und
zwar nur in Dingen, nach denen er fragt. Er sollte jedoch möglichst
viel fragen und dann entsprechende Entscheidungen treffen. Seine Berater
sollten demnach umso angesehener sein, je offener sie sprechen, und
nur auf diese soll er hören. Gefaßte Beschlüsse müssen unanfechtbar
sein, denn wer aufgrund von Schmeichlern zu oft seine Beschlüsse ändert,
wird verachtet.
-
Ein Fürst soll sich nur dann beraten lassen, wenn
er es wünscht, und niemals sonst. Es sollte ihm auch niemand ungefragt
einen Rat erteilen, er soll jedoch häufig fragen, Antworten geduldig
abwarten und verärgert reagieren, sollt man ihm Antworten vorenthalten,
da ihn die Wahrheit wütend machen könnte.
"Ein Fürst, der nicht von sich aus klug ist, kann
niemals gut beraten werden, es sei denn, er verläßt sich auf einen
einzelnen sehr gescheiten Mann, der ihn völlig leitet."
Dann jedoch besteht die Gefahr, dass dieser Mann
ihm die Krone entreißt. Ein unkluger Fürst wird seine Ratgeber niemals
zu einem Entschluß bringen können, wenn sie uneins sind, da diese
immer an ihren Vorteil denken.
"Andere wird man nie finden; denn die Menschen
sind traurige Gesellen, wenn sie nicht die Not zwingt, gut zu sein."
"Daher schließe ich: gute Ratschläge, (...), müssen
durch die Klugheit des Fürsten zustande kommen und nicht die Klugheit
des Fürsten durch gute Ratschläge."
-
Ein neuer Fürst wird in seiner Handlungsweise viel
mehr beobachtet, als ein alteingesessener Erbfürst. Sind seine Taten
von Größe geprägt, so kommt er zu größerem Ruhm als ein Erbfürst,
denn Menschen lassen sich eher durch die Gegenwart als durch die Vergangenheit
bestimmen.
"(...) und wenn sie heute das Glück finden, dann
freuen sie sich daran und suchen nichts anderes; sie werden in jeder
Weise zu seinem Schutze für ihn [den Fürsten] eintreten, falls er
es nur einerseits an allem übrigen nicht fehlen läßt."
"So wird er doppelten Ruhm erwerben, weil er einer
neuen Herrschaft den Fürsten gegeben, sie durch seine guten Gesetze
zu Ehren gebracht und durch ein tüchtiges Heer und bedeutende Taten
bestärkt hat. Doch den trifft doppelte Schande, der, obwohl Fürst
von Abstammung, sie durch seine Torheit verloren hat."
-
(...)
-
So sollen auch Erbfürsten in Zeiten der Ruhe keinen
Aufwand und keine Aufgabe scheuen.
"(Es ist ein allgemeiner Fehler der Menschen, nicht
in den Zeiten der Meeresstille mit dem Sturm zu rechnen.)"
Auf das Volk sollte man sich nicht verlassen, denn
dann steht es nicht in deiner Macht, ob du im Amt bleibst oder nicht,
oder ob du in den Amt zurückgeholt wirst oder nicht.
"Nur der Selbstschutz ist brauchbar, zuverlässig,
dauerhaft und ist von dir persönlich und deiner Tüchtigkeit abhängig."
-
Zweifellos gibt es Schicksale und Abläufe, an denen
wir nichts ändern können. Unser freier Wille aber bleibt immer bestehen.
Also gleicht sich Schicksal und Selbstbestimmung aus. Dies läßt sich
vergleichen mit den Urgewalten einer Überschwemmung, die jeden Menschen
in die Flucht schlägt. Dennoch können diese in ruhigeren Zeiten Deiche
und Gräben bauen um die Fluten aufzuhalten.
"Ähnlich steht es mit dem Schicksal; es zeigt seine
Macht, wo keine Kraft zum Widerstand bereitgestellt ist, und es
wälzt dorthin seine Macht, wo keine Dämme und Deiche da sind, es
aufzuhalten."
-
Der Fürst, der sich nur auf das Glück verläßt, geht
unter, sobald sich das Glück abmeldet. Derjenige wird glücklich leben,
der sich dem Zeitgeist anpaßt und versucht, zukünftigen Schicksalsschlägen
nach Möglichkeit in der Gegenwart vorzubeugen.
Es gibt verschiedene Arten, zur Macht zu kommen
und diese zu halten: Vorsicht, Gewalt, Geschick und Ungestüm. Welches
von den letzteren gerade angebracht ist um eine Herrschaft zu halten,
hängt von dem entsprechenden Zeitgeist ab. Dabei kommt auch das Glück
ins Spiel: Der eine hat Erfolg mit einer bestimmten Methode. Wechselt
der Zeitgeist, hat der nächste, der diese Methode anwendet, keinen
Erfolg. Dennoch kann man schlecht seine Natur wandeln, und wenn einem
auf einem bestimmten Wege immer Glück beschieden war, ist es schwer,
den Weg zu verlassen. Also wird ein vorsichtiger Mann untergehen.
-
Es scheint daher besser zu sein, stürmisch zu sein,
denn so kann man das Schicksal vielleicht in jene Bahnen zwingen,
in denen man es haben will.
"Denn Fortuna ist ein Weib, und wenn man sie unterwerfen
will, muss man mit ihr streiten und kämpfen."
"Daher ist das Schicksal wie das Weib der Jugend
hold, weil sie ihm weniger vorsichtig, wilder und kühner ihren Willen
aufzwingt."
-
Italien ist zur Befreiung bereit. Es liegt brach
für ein großes Geschlecht oder einen großen Mann, der es befreien
will. Seine Sache wäre ebenso gerecht und genauso leicht (oder schwer),
wie die anderer großer Männer, doch handelt es sich zweifellos um
eine gerechte Sache.
"Gerecht ist der Krieg in der Not, und gesegnet
sind die Waffen, wenn sie die einzige Hoffnung sind."
"Gott will nicht alles tun, um uns nicht den freien
Willen und den Teil des Ruhms zu nehmen, der uns gebührt."
Als letztes rufe ich die Medici zur Errichtung eines
Heeres und zur Befreiung Italiens auf.
Der größte Fehler, den wir Machiavelli antun können,
ist, ihn, und seinen Text, nicht im Kontext seiner Zeit zu betrachten.
Immer wieder wurde sein DER FÜRST für zumeist verbrecherische Absichten
mißbraucht, wenn Regime und Diktaturen sich auf ihn beriefen, ohne die
volle Größe und Reichweite seines Werkes zu beachten (siehe Vorwort),
und ohne die Zeit zu beachten, in der er DER FÜRST schrieb.
So ist es unmöglich, Machiavellis Vorstellungen auf die heutige Zeit in
irgendeiner Form zu übertragen, außer man pickt sich einzelne Standpunkte
heraus (und dabei natürlich diejenigen, die einem am dienlichsten sind),
und vergißt alles darüberhinausgehende. (Näheres siehe Vorwort)
Durch alle Zeiten hindurch haben Könige, Königinnen
und andere Monarchen und Regierungssysteme Machiavelli bewusst oder unbewusst
angewendet, was beweist, dass DER FÜRST teilweise nur eine Tatsachenbeschreibung
von Regierungsmethodik ist. So zeigt sich, dass besonders allgemein als
"groß" bezeichnete Monarchen gezwungen waren, Machiavellismus anzuwenden.
Ein Beispiel wäre Königin Elisabeth I. von England (1533 -- 1603). Diese
belog und betrog König Phillip von Spanien. Jener war zuvor mit Elisabeths
Schwester bis zu deren Tod verheiratet ( "Bloody"-- Mary), und war somit
daran interessiert, auch Elisabeth zu heiraten, um sich wieder König von
England nennen zu können. Elisabeth hielt ihren Umwerber mit geschickten
Hinhaltetaktiken von sich fern. Sie heuchelte zwar Interesse, vertröstete
Phillip aber immer wieder auf spätere Zeitpunkte. Währenddessen schickte
sie ihre berühmten Freibeuter (aus spanischer Sicht Piraten) aus, auf
das sie die Reichtümer Spaniens in Übersee plünderten. Zu dieser Zeit
war England nicht an einer offenen Konfrontation mit Spanien interessiert,
und hätte sie wohl auch kaum überlebt. Deshalb musste Elisabeth Phillip
betrügen, um auf seine Kosten England zu Größe zu verhelfen. Elisabeths
berühmtester "Pirat" war Francis Drake, der, nachdem er die spanischen
Kolonien an der amerikanischen Westküste ausgeplündert hatte, und die
Welt umsegelt hatte, bei seiner Rückkehr nicht wie von Spanien gefordert
enthauptet, sondern in den Adelsstand erhoben wurde. Phillip übertrug
seinem General Medina Sidonia den Befehl über die Armada, welche
den Auftrag hatte, England zu erobern. Elisabeth vergab das Oberkommando
über ihre Flotte aber nicht dem Rang nach, sondern der Befähigung nach,
und hielt sich somit wiederrum an Machiavellis Denkweisen. Die englische
Flotte siegte (1588) über die zahlenmäßig haushoch überlegene Armada,
da sowohl die englischen Offiziere qualifizierter waren, wie auch ihre
Flotte wesentlich moderner als die spanische war (ebenfalls Machiavellinismus).
Ein weiteres Beispiel liefert uns König Ludwig XIV.
von Frankreich ( Sonnenkönig, (1638 --1715). Dessen absolutistisches
Herrschaftssystem verwirklicht wohl am besten Machiavellis Vorstellung
von einem Fürsten, der die entscheidenden Zügel seines Landes fest in
der Hand halten soll, und dessen Entscheidungsgewalt unanfechtbar sein
soll. Dafür standen Ludwig beratend der Ministerrat und die Notablenversammlung
zur Seite. Die Gerichte, die bürgerlich geprägt waren, hatten Möglichkeiten
königliche Beschlüße abzulehnen, oder sie zumindest zu verzögern. Ludwigs
Entmachtug des Adels zeigt seine Orientierung in Richtung Bürgertum, ähnlich
wie es Machiavelli vorschwebte. Das unter Ludwig praktizierte Handelssystem
des Merkantilismus stellt allerdings eher das Gegenteil zum Machiavellismus
dar, welcher ja eher in Richtung freie Marktwirtschaft, wenn auch
in abgeänderter Form, tendiert. Der Merkantilismus sollte im 19.
Jahrhundert durch eben diese abgelöst werden. Sogar Herrscher, die sich
offen gegen Machiavelli ausgesprachen, wendeten ihn später an. So zum
Beispiel Friedrich II. von Preussen ( Der Große), der in seiner
Jugendzeit einen Anti-Machiavelli verfasste, aber ohne die Anwendung
des Machiavellismus (vor allem im Sieben Jährigen Krieg) heute wohl kaum
Der Große genannt werden würde.
Sogar seinen scheinbar heftigsten Gegnern kann man vorwerfen,
sich an Machiavelli gehalten zu haben, wenn die Not es von ihnen verlangte.
So stimmte zum Beispiel die SPD 1914 dem sogenannten Burgfrieden
zu, also einer Budgeterhöhung im Reichstag, welche den ersten Weltkrieg
ermöglichte. Man beugte der von konservativer Seite geschürten Kriegs-Euphorie,
und der daraus resultierenden Stimmung im Volke wider besseren Wissens,
weil eine unpopulärere Entscheidung die SPD, die zu der Zeit ohnehin an
Profilverlust litt, vielleicht eine Unmenge von Wählerstimmen gekostet
hätte. Um dies zu kommentieren, zitiere ich einfach Machiavelli:
"(...), denn wenn jene Partei, mag es das Volk,
die die Armee, oder die Großen sein, die du deiner Meinung nach
zur Erhaltung nötig hast, verdorben ist, so musst du wohl ihrer Laune
folgen, um sie zu befriedigen, und dann wären dir gute Handlungen schädlich"
(Kap.19)
Machiavelli beschreibt unvermeidliche politische Tatsachen,
an welchen keine Monarchie, Oligarchie oder demokratische Regierungsform
vorbeikommt. Machiavelli will, im Gegensatz zu weitläufigen (und uninformierten)
Meinungen, nicht das Wohle einzelner (der Fürsten) fördern, sondern das
Wohle aller, und dabei besonders das des Bürgertums. Er stuppst in allen
Kapiteln und Passagen in denen es es darum geht "nicht verhasst zu werden"
den Fürsten mit der Nase darauf, dass sein Wohl und Wehe vom Volke abhängt.
Wer Machiavelli komplett liest, wird ihn nicht andersherum interpretieren
können. Um das Wohl des Volkes zu erreichen muss ein Fürst ab und an auch
unpopuläre Entscheidungen fällen. Solche müssen aber auch demokratischen
Abgeordnete (wie zum Beispiel die der Bundesrepublik) fällen können. Daher
wurde ein freies Mandat für Abgeordnete gesetzlich festgelegt,
damit sie jederzeit die Möglichkeit haben, den wahren Volkswillen
herauszufinden (auch wenn dieser nicht der aktuellen Meinung im Volke
entsprechen sollte, und danach zu entscheiden, auch wenn die Entscheidung
absolut unpopulär sein sollte.
Machiavellis erstaunliche und nahezu nihilistische Einsicht
in die Schlechtigkeit der Menschheit, beruht, womit sich der Kreis schließt
und ich wieder auf den Ausgangspunkt zurückkomme, auf dem Bild, welches
die Menschheit in seiner Zeit abgab. Dieses war sicherlich ein ziemlich
trauriges (siehe auch Vorwort). Sicherlich treffen manche von Machiavellis
Aussagen nichtsdestotrotz heute noch zu, denn auch heute kann man nicht
behaupten, die Menschheit wäre durch und durch gut. Schlechte
Menschen gab es damals, wie heute, und es wird sie immer geben.
Vieles hat sich aber doch verändert, und so sollte man
aus der Lektüre Machiavellis lernen, sich kopfschüttelnd bedanken
dass man in unserer Zeit leben darf (jedenfalls politisch gesehen), und
nicht versuchen ihn wortgetreu auf heute zu übertragen.
1) Niccolò Machiavelli, DER FÜRST, 1980 VMA-Verlag Wiesbaden.
2) Niccolò Machiavelli, PRINCIPELE, Bucuresti 1960.
3) Niccolò Machiavelli, DER FÜRST, Meiners philosophische Bibliothek,
1924 Leipzig
4) HERDERS BILDUNGSBUCH, Der Mensch in seiner Welt, 1953 Verlag Herder
Freiburg
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