Jedwabne - ein anderes Bild der Nachbarn
Professor Tomasz Strzembosz

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[Arbeitsübersetzung aus dem Polnischen - Beata Kubas]

Tageszeitung "Rzeczpospolita" vom 31.März - 1.April 2001

Einführung

Professor Tomasz Strzembosz speziell für "Rzeczpospolita" Jedwabne - ein anderes Bild der Nachbarn

Die entscheidende Rolle bei dem Verbrechen, das gegen die jüdische Bevölkerung in Jedwabne am 10. Juli 1941 begangen wurde, spielten die Deutschen.. Die Zeugen wiesen deutlich auf die Gendarmerie und Gestapo als Anstifter der Verbrennung, Organisatoren und Mittäter hin. Dies behauptet Professor Tomasz Strzembosz, der Dokumente untersuchte, die die Grundlage für das Buch "Nachbarn" von Jan Tomasz Gross waren. Professor Strzembosz ist der Ansicht, dass aus den Ermittlungs- und Prozessdokumenten von 1949 ein grundsätzlich anderes Bild zum Vorschein gebracht wird als das, das von Professor Gross in seinem Buch präsentiert wird.

Ein anderes Bild der Nachbarn Tomasz Strzembosz

Erklärung

Da manche Journalisten, wie Anna Bikont von der "Gazeta Wyborcza", meine Texte so lesen, wie es ihnen bequem ist, erkläre ich, dass dieser Artikel keine Erläuterung der Ereignisse in Jedwabne vom 10. Juli 1941 ist, sondern den Inhalt der spezifischen Quelle -d.h. der Aussagen, die vor Untersuchungsoffizieren, Staatsanwälten und dem Gericht in Lomza 1949 gemacht wurden - betrifft, sowie wie diese Quelle von Prof. Jan T. Gross in seinem Buch "Nachbarn" ("Sasiedzi") interpretiert wurde. Er schreibt darin über etwas, was aus diesen Quellen zu folgen scheint, aus Quellen, die - und das erkläre ich nachdrücklich - für mich keine ausreichende Basis dafür sind, um zu urteilen, was damals passiert war: d.h. wie die Ereignisse abgelaufen waren und unter welchen wichtigsten Umständen. Es kann sein, dass wir es niemals erfahren werden oder dass wir niemals alles darüber erfahren. Ich stimme jedoch mit Prof. Gross überein, dass diese Quelle wichtig ist, und deshalb beeinflusst auch die Art., wie man sie liest, den arbeitsamen Prozess der Annäherung an eine Erklärung: Wer, Wann und Was - also an die Feststellung der Wahrheit.

Geschichte des Problems

Man kann nicht behaupten, dass über das Verbrechen in der Kleinstadt Jedwabne, Region Podlasie, 50 Jahre lang nichts geschrieben wurde. Es gab doch einige Zeitungsartikel und Anmerkungen in Büchern über den Holocaust. Es gab ebenfalls Abhandlungen des Staatsanwaltes Waldemar Monkiewicz, z.B. einen umfangreichen Artikel "Vernichtung jüdischer Siedlungen in der Region Bialystok in den Jahren 1939-1944" ("Zaglada skupisk zydowskich w regionie bialostockim w latach 1939-1944"). In diesem Artikel stellte er die These auf, dass die Juden in der Scheune von einem deutschen Spezialkommando verbrannt wurden, das von dem aus der Okkupation Warschaus bekannten Gestapomann Wolfgang Bürkner angeführt wurde, bei Mithilfe der Gendarmerie und der Ordnungspolizei. Die letzte half lediglich bei der Führung der Opfer zu dem Markt in Jedwabne und bei ihrem Konvoi außerhalb der Stadt, zur Scheune, in der die Deutschen ca. 900 Männer, Frauen und Kinder verbrannten, nachdem sie die Wände mit Benzin begossen hatten. Dabei handelte es sich jedoch um Texte, die entweder in wissenschaftlichen Zeitschriften oder Buchpublikationen erschienen, die von einem größeren Teil der Polen nicht gelesen werden.

So war es bis Prof. Jan. T. Gross 1999 in dem von Dozent Krzysztof Jasiewicz herausgegebenen Sammelband "Europa nicht-provinziell" ("Europa nieprowincjonalna") den Artikel "Sommer 1941 in Jedwabne. Beitrag zu Forschungen über die Beteiligung der lokalen Gesellschaften an der Exterminierung des jüdischen Volkes während des Zweiten Weltkrieges" ( "Lato 1941 w Jedwabnem. Przyczynek do badan nad udzialem spolecznosci lokalnych w eksterminacji narodu zydowskiego w latach II wojny swiatowej") veröffentlichte.

Dieser Artikel beinhaltet als eigenartigen "Kern" und Grundlage für die Bewertung der Ereignisse den Bericht von Szmul Wasersztajn, der sich im Jüdischen Historischen Institut in Warschau befindet (Sammlung "Individuelle Berichte" Nr. 301). Er informiert, dass ein zweiter, kürzerer Bericht noch existiert, in dem manche Details anders beschrieben werden, als in dem weiter zitierten, jedoch nicht das ist das Wichtigste. Laut dem ersten Bericht, überlebten den Krieg von 1200 Juden aus Jedwabne nur drei, laut dem zweiten - von 1600 Juden - sieben; laut dem ersten befahlen die Täter den Juden, ein großes Lenin-Denkmal zu tragen - laut dem zweiten - sein Porträt usw., usf. - jedoch der allgemeine Sinn der beiden Berichte bleibt derselbe.

In seinem Artikel zieht Prof. Gross die Schlussfolgerung: "Auch wenn keine Sicherheit besteht, was die Details betrifft, ist für den Historiker absolut offensichtlich, dass um die Wende Juni/Juli 1941 in Jedwabne eine Gruppe der örtlichen Bevölkerung auf unmenschliche Weise die Mitbürger jüdischer Herkunft quälte". Der Historiker und Soziologe stellt also einer bestimmten Personengruppe einen sehr schweren Vorwurf und basiert dabei auf einem hier zitierten kurzen Bericht, der widersprechende Details in seinen zwei Versionen enthält (wir wissen ja nicht welche früher, und welche später aufgeschrieben wurde!).

Ein Jahr später, im Frühling 2000, veröffentlicht der Verlag Pogranicze in Sejny nicht einen Artikel, sondern bereits ein Buch von Prof. Gross unter dem charakteristischen Titel: "Nachbarn. Geschichte der Vernichtung eines jüdischen Städtchens. In memoriam Szmul Wasersztajns" ("Sasiedzi. Historia zaglady zydowskiego miasteczka. Pamieci Szmula Wasersztajna"). Aus diesem Buch erfahren wir, dass Szmul Wasersztajn am 9. Februar 2000 verstorben ist.

In diesem Buch, das sehr schnell ein starkes Echo fand, wurde eine These aufgestellt, die sehr die Schlußfolgerungen aus "Europa nicht-provinziell" erweitert. Sie könnte folgendermaßen formuliert werden: Juden aus Jedwabne, polnische Staatsbürger, wurden von der polnischen Bevölkerung aus Jedwabne bei Mithilfe der Bewohner der Nachbardörfer ermordet. Sie wurden von ihnen selbst ermordet, ohne Teilnahme des Okkupanten - der Deutschen, die lediglich passive Beobachter waren, bzw. den Mord, der ausschließlich mit polnischen Händen ausgeübt wurde, filmten.

In meinem schon ziemlich langen Leben kenne ich kein historisches Buch, das so ein Echo gefunden und so eine Welle von Aussagen in Medien aller Art hervorgerufen hätte. Vielleicht ist daran nichts Merkwürdiges. Jedoch in diesen hunderten Artikeln und Radio- und Fernsehaussagen fehlen eigentlich Feststellungen über die Tatsache selbst, solche Feststellungen, die diese Sache anhand von denselben oder neuen, wesentlichen Quellen, aufnehmen würden. Fast alle diese Aussagen befassen sich entweder mit den moralischen Aspekten des Mordes, seinen Konsequenzen für das historische Selbstbewusstsein der Polen, den politischen und psychologischen Konsequenzen; oder nehmen eine methodologische Kritik der Arbeit von Gross auf, doch niemand versucht eigentlich die Faktographie grundsätzlich in Frage zu stellen, diese Feststellung, dass eben die polnischen "Nachbarn" ihre jüdischen "Nachbarn" selbst umgebracht hatten, indem sie sie in der Scheune von Bronislaw Sleszynski verbrannten. Mit Billigung der Okkupationsbehörden, aber ohne deutsche Teilnahme.

In Antwort auf die Vorwürfe zahlreicher Historiker (den Autor dieses Textes inbegriffen), dass der Bericht Wasersztajns zu wenig wäre, sagte Prof. Gross vielmals, sowohl während der Diskussion in der Redaktion der Zeitung "Rzeczpospolita", als auch während der unlängst stattfindenden Diskussion in Bialystok: Ja, der Bericht Wasersztajns sei zu wenig, aber er hätte in seiner Arbeit noch andere, wirklich grundlegende Materialien verwendet; Strzembosz hätte 5 Berichte zur Verfügung, die 60 Jahre nach dem Krieg aufgeschrieben wurden, er hätte 36 Aussagen, die bereits 1949 vor dem Gericht in Lomza und den Untersuchungsoffizieren gemacht wurden.

Nach dieser Erklärung sollten die Diskutierenden verstummen. Warum? Eben deshalb, weil Prof. Gross zu einem Zeitpunkt, an dem die Akten der ehem. Hauptkommission zur Untersuchung der NS-Verbrechen am polnischen Volke (in Auflösung) auch für ihre Mitarbeiter völlig unzugänglich waren, Zugang zu den Akten des Prozesses gegen Boleslaw Ramotowski und 21 andere Personen hatte - und sich eben auf diese Akten berief. Er - wusste, kannte, hatte in der Hand - er verfügte über das "Geheimwissen", wir - waren darauf angewiesen, was - in raren Fällen - früher offen gelegt wurde, sowie darauf, was in einer turbulenten Diskussion zum Vorschein kam und von Natur aus irgendwie mit ihr verbunden war, also verzerrt sein konnte.

Erst vor kurzer Zeit, als Staatsanwalt Ignatiew diese Akten nicht mehr brauchte, wurden dank der Höflichkeit des Instituts für Nationales Gedenken (IPN) die Untersuchungs- und Gerichtsdokumente von 1949 den Historikern zur Verfügung gestellt. Noch mehr. Ich weiß, dass sie kopiert wurden, und die Kopie allen wirklich Interessierten zur Verfügung gestellt wird. Sie werden endlich veröffentlicht.

Was sind das für Dokumente? Wie wir in der Anklageschrift vom 31.03.1949 lesen können, übersandt das Jüdische Historische Institut in Polen dem Justizministerium (das die staatsanwaltliche Aufsicht führt) "Beweismaterial über die verbrecherische Tätigkeit bei der Ermordung von Personen jüdischer Nationalität durch die Einwohner von Jedwabne. Nach Aussagen des Zeugen Szmul Wasersztajn, der das Judenpogrom beobachtete, Haupttäter dieses Verbrechens waren (...)". So kam in die Gerichtsakte derselbe Bericht Wasersztajns, der von Prof. Gross zitiert wird (längere Version) und eben dieser Bericht war die Ermittlungsgrundlage. Der Ermittlung folgte ein Prozess vor dem Bezirksgericht in Lomza am 16. und 17. Mai 1949. Das Gerichtsurteil wurde anschließend vom Berufungsgericht und vom Obersten Gericht geprüft.

In einem dicken Band findet man also Dokumente verschiedener Art:

Aussagen der Beschuldigten und Zeugen, die vor den Funktionären des Kreisamtes für öffentliche Sicherheit in Lomza - als Untersuchungsoffizieren gemacht wurden;

die vor den Staatsanwälten des Bezirksgerichtes in Lomza gemachten Aussagen der Beschuldigten und Zeugen;

die während der Gerichtsverhandlung gemachten Aussagen der Angeklagten und Zeugen;

die Anklageschrift und das Gerichtsurteil samt Begründung, angefertigt von den Richtern des Bezirksgerichtes in Lomza,

Schreiben der Angeklagten an verschiedene Instanzen der staatlichen Behörden,

Akten des Berufungsgerichtes und des Obersten Gerichtes in Warschau.

Also handelt es sich hier um die Quelle, auf die J.T. Gross sich ständig beruft.

Überraschung

Ich las das alles. Noch mehr: Mit der Hand habe ich die für die Mordsache grundlegenden Dokumente abgeschrieben, mit strenger Einhaltung ihres Stils und ihrer Rechtschreibung - übrigens waren beide sehr charakteristisch. Ich muss gestehen, je mehr ich in diesen Akten las, desto mehr perplex war ich. Wenn man diese Akten komplex und ernst nimmt, folgt aus ihnen etwas ganz anderes als Prof. Gross behauptet. Zwar stützt er sich nicht nur darauf, aber hauptsächlich doch. Prof. Gross, der immer wieder unterstrich, dass er durch die Tatsache, dass er auf einer so reichen und glaubwürdigen Quelle basiert, sich ermächtigt fühlt, autoritative Feststellungen zu formulieren, denen andere lediglich Berichte entgegenstellen können - und zwar solche, die erst nach Jahren aufgeschrieben wurden.

Es ist unmöglich, in einem Zeitungsartikel all das zu beschreiben, was aus der Lektüre dieser Dokumente folgt. Ebenfalls ist es unmöglich, auf deren Grundlage, und nur auf deren Grundlage, eine maßgebende Version der Ereignisse zu präsentieren. Letztendlich kann sie ja anders sein als das, was aus den Aussagen der Angeklagten und der Zeugen zum Vorschein gebracht wird, schließlich befanden sie sich ja in einer sehr konkreten und sehr besonderen Situation, deshalb sagten sie, was sie sagten - nicht unbedingt die volle Wahrheit und nur die Wahrheit. Ich kann jedoch einige Feststellungen übermitteln, die expressis verbis aus Dokumenten folgen, die Prof. Gross für so wesentlich für den Prozess der Wahrheitssuche hält.

Sie werden betreffen:

Die Anzahl der wegen der Teilnahme am Mord der polnischen Bürger jüdischer Nationalität in der Stadt Jedwabne angeklagten Personen. Es wird hier ausschließlich die Rede sein von den Einwohnern dieser Kleinstadt, da die Täter von außerhalb der Stadt in den Dokumenten zu allgemein und anonym vorkommen, um eine Identifizierung zu erlauben.

Die Beteiligung der Deutschen am Mord, d.h. der uniformierten und bewaffneten Mitglieder der Polizeiformationen. In diesem Fall werde ich möglichst breit entsprechende Quellenfragmente zitieren, um Vorwürfen zu entgehen, dass ich beurteile, ohne mich auf Quellen zu stützen. Die Leser selbst sollen bewerten, ob diese ausreichend zahlreich und ausreichend überzeugend sind, um über die Beteiligung der Deutschen an den einzelnen Mordphasen zu sprechen. Der Mord bestand nämlich aus drei Etappen: zuerst wurden polnische Bürger jüdischer Herkunft aus ihren Wohnungen gezerrt und auf dem Marktplatz in Jedwabne versammelt; später wurden sie durch die Stadt und dann durch Felder in die Scheune von Bronislaw Sleszynski getrieben und schließlich in dieser Scheune verbrannt.

Ich kann hier gleich hinzufügen, dass wir über die erste und dritte Phase am wenigsten wissen. Die meisten der Beschuldigten gestanden, sie hätten die Juden auf dem Marktplatz beaufsichtigt, weniger Beschuldigte gestanden, sie hätten sie dorthin gebracht, fast niemand dagegen gestand, dass er neben der Scheune zum Zeitpunkt der Anzündung gewesen sei - dieses Geständnis könnte nämlich von einer Teilnahme an dem schlimmsten der Verbrechen zeugen. Hier also besteht der größte Spielraum für Vermutungen.

Ich werde mit der Rolle der Deutschen und Polen an den Ereignissen beginnen, die am 10. Juli 1941 in Jedwabne stattgefunden hatten. Die Zeugen machten ihre Aussagen der Reihe nach: vor den Untersuchungsoffizieren, Staatsanwälten und während der Gerichtsverhandlung, ich werde versuchen, ihre Aussagen ebenfalls in dieser Reihenfolge darzustellen und damit zeigen, ob und inwieweit sich die Aussagen je nach Person des Vernehmenden änderten. Ich werde sie in extenso zitieren, so wie sie gemacht wurden, jedoch nur die Fragmente, die die Relation zwischen Polen und Deutschen betreffen. Sollte ich die Gesamtheit der Aussagen zitieren, würde im Endeffekt daraus ein Buch und kein Presseartikel entstehen.

Aussagen

Ich werde hier nur die Aussagen der Beschuldigten/Angeklagten berücksichtigen, von denen letztendlich 22 Personen am 16. und 17. Mai 1949 vor Gericht gestanden hatten. Ich behalte dabei die Reihenfolge aus dem Prozess, der genannt wurde "Prozess gegen Boleslaw Ramotowski und 21 andere".

Boleslaw Ramotowski - geb. 1911, ohne Beruf, aktuell Pförtner in der Volksschule, Bildung: eine Volksschulklasse, verheiratet, vier Kinder (ich werde nur das Wichtigste angeben, was die Beschuldigten charakterisiert, alle waren römische Katholiken und wohnten in Jedwabne).

Aussage vor dem Untersuchungsoffizier vom 8.01.1949 (ich werde mich nicht mit dem Thema beschäftigen, wer Untersuchungsoffizier [manchmal Unteroffizier] gewesen war, denn das ist ein gesonderte und sehr interessante Frage):

"Ja, ich nahm aktiv an dem Treiben dieser Juden in die Scheune teil, wer sie in Brand setzte habe ich nicht gesehen, ich weiß nur, dass wir Polen ungefähr 1500 Juden (in vielen Aussagen finden wir diese Zahl, sie scheint entweder vom Untersuchungsoffizier suggeriert oder eingetragen zu sein) dort zusammengetrieben haben und die erw.[ähnten] Juden wurden verbrannt. Wer der Brandstifter war, weiß ich nicht.

Frage : Sagen Sie, wer beteiligte sich noch mit Ihnen aktiv an dem Zusammentreiben dieser Juden, die in Jedwabne verbrannt wurden.

Antwort: Das waren folgende Personen (...)" (Über die Anzahl der Beschuldigten, die in den Aussagen vorkommen, werde ich noch später schreiben, hier möchte ich nur signalisieren, dass es sich um Personen handelt, die vom Untersuchungsoffizier genannt wurden. Im Falle Ramotowskis geht es sogar um 41 Personen).

Vor dem Staatsanwalt gemachte Aussage (15.01.1949):

"Ja, ich gestehe meine Schuld ein, dass ich 1941 im Sommer in Jedwabne mich den Behörden des deutschen Staates gefällig zeigte und infolge der Anordnung des Bürgermeisters und der deutschen Gendarmerie aktiv an der Bewachung der jüdischen Bevölkerung, die auf den Marktplatz zusammengetrieben wurde, teilnahm. Meine Aufgabe war zu überwachen, dass keiner der Juden entgeht. An der Bewachung der Juden auf dem Markt nahmen ebenfalls teil: (...)"

Vor Gericht gemachte Aussage (16.05.1949):

"Ich war auf dem Marktplatz ungefähr 2 Stunden lang, denn ich wurde von den Deutschen gezwungen, die Juden zu beaufsichtigen. Als die Deutschen die Juden in die Scheune trieben, floh ich nach Hause. (...)

Das Gericht verliest die Aussagen des Angeklagten, die während der Erm.[ittlung], S. 74, gemacht wurden. Der Angeklagte fügt hinzu:

Während der Vernehmung wurde ich gezwungen, auch gegen andere Personen zu sprechen, denn ich wurde sehr geschlagen. (...)"

Stanislaw Zejer - geb. 1893, eine Volksschulklasse, Landwirt, 4 ha Land, verheiratet.

Vor dem Untersuchungsoffizier gemachte Aussage (11.01.1949):

"Ich wurde festgenommen, weil ich auf Befehl des Bürgermeisters Karolak an dem Zusammentreiben der Juden zum Marktplatz teilnahm. (...) Das war 1941 im Monat Juli, zu mir kam auf Befehl des Bürgermeisters der Pförtner und sagte, dass ich kommen soll, die Juden zum Markt zu treiben und ich kam sie zu vertreiben. Als wir sie vertrieben hatten, fingen die Gendarmen an, sie schrecklich zu schlagen zusammen mit Polen. (...) Den zusammengetriebenen Juden befahlen die Deutschen, das Lenin-Denkmal zu nehmen und mit ihm singend durch die Stadt zu gehen. Ich war dann nicht mehr dabei, denn der Bürgermeister der Stadt schickte mich, Klee zu holen. Ich nahm diesen Klee eine Stunde lang. Als ich zurückkam, war die Scheune mit den Juden bereits verbrannt, in diese Scheune wurden ungefähr 1000 Juden eingetrieben."

Vor dem Staatsanwalt gemachte Aussage (15.01.1949):

"Ja, ich gestehe meine Schuld ein, dass ich 1941 im Sommer in Jedwabne mich den Behörden des deutschen Staates gefällig zeigte (Diese Formel wird ständig verwendet, denn in diesem Fall wurde die Anklage gemäß des sog. Augustdekrets vom August 1944 gestellt), und infolge der Anordnung des Bürgermeisters Karolak und der Gestapo zwei Personen jüdischer Nationalität zum Bestimmungsort zu dem Marktplatz führte, nachdem ich diese zwei Juden zum Markt geführt hatte sah ich dort viele bereits zusammengetriebene Juden. Von dort aus ging ich sofort nach Haus und ich weiß nicht, was weiter geschah, was die Deutschen mit den zusammengetriebenen Juden machten. Ob andere Einwohner von Jedwabne Juden dort hingeführt hatten, habe ich nicht gesehen. (...)"

Vor Gericht gemachte Aussage (16.05.1949):

"Stanislaw Zejer gesteht seine Schuld nicht ein und erklärt: Als ich im Magistrat war, befahl mir der Bürgermeister, Juden zu versammeln aber ich wollte es nicht, als ich wieder auf der Straße war, befahl mir ein Gestapomann, zwei Juden zu führen, aber ich habe sie freigelassen, weil der Gestapomann in dieser Zeit zur Bäckerei gegangen ist. (...)

Das Gericht verliest die Aussage des Angeklagten, die während der Erm.[ittlung], S. 33 und 75, gemacht wurde. Der Angeklagte fügt hinzu:

Ich sah Jerzy Laudanski, wie er hinter den Juden ging, als sie zum Marktplatz getrieben wurden, hinter Laudanski ging die Gestapo. Von den Mitangeklagten habe ich niemanden mehr gesehen. Die Juden wurden von der Gestapo geführt und geschlagen. Ich bin Analphabet. Ich bin nicht selbst dorthin gegangen, die Deutschen haben mich gezwungen".

3. Czeslaw Lipinski - geb. 1920, Landwirt, 5 Volksschulklassen, ledig, 3 ha Land mit Gebäuden.

Vor dem Untersuchungsoffizier gemachte Aussage (11.01.1949):

"Frage: Haben Sie an der Ermordung der Juden 1941 im Monat Juli teilgenommen?

Antwort: Ich habe nicht an der Ermordung der Juden teilgenommen, zu mir kamen nur Kalinowski Eugeniusz, Laudanski Jurek und ein Deutscher und ich [ging] mit ihnen zum Markt und trieb dorthin einen Juden und zwei kleine Jüdinnen [sic!]. Als wir zusammen mit den Deutschen die o.g. Juden trieben (...), führten wir zum Marktplatz die o.g. Juden und dann stellten mich die Deutschen an der Straße Stary Rynek auf [ und] befahlen mir, zu beaufsichtigen, dass die Juden nicht vom Markt fliehen. Ich saß mit diesem Stock ungefähr 15 Minuten, aber ich konnte nicht mehr zusehen wie sie sie ermordeten ich ging nach Haus und auf dem Weg schmiss ich den Stock weg (...)."

Vor dem Staatsanwalt gemachte Aussage (15.01.1949):

"Ich gestehe meine Schuld nicht ein, dass ich im Juli 1941 an der Verbrennung der Juden in Jedwabne teilgenommen habe und erkläre, dass ich an dem kritischen Tag in meinem Hof stand als ein Deutscher auf mich zukam und mich zum Markt mitnahm, um Juden zu beaufsichtigen, die dort zusammengetrieben wurden. Als nur der Deutsche von mir weggegangen war, floh ich sofort vom Marktplatz nach Hause. Auf dem Marktplatz stand ich kurz vielleicht 10-15 Minuten, da ich von dem was passierte entsetzt war, erinnere ich mich überhaupt nicht daran, wer von der zivilen Bevölkerung an der Ermordung der Juden teilnahm. Nachdem ich nach Hause gekommen war, versteckte ich mich im Stroh (wenn er sich versteckte, dann vor Deutschen und nicht vor Polen) und ich weiß nicht, was mit den Juden passierte."

Vor Gericht gemachte Aussage:

"Ich habe keine Juden zum Markt geführt. Das Gericht verlas die Aussagen des Angeklagten, die während der Ermittlung, S. 35 und 76, gemacht worden waren. Ich sagte bei der Vernehmung, was von mir verlangt wurde, weil man mich sehr geschlagen hatte. Ich war überhaupt nicht auf dem Marktplatz und ich weiß nicht, was dort passierte". (Diese Aussage stellt die Gesamtheit der vorangehenden Aussagen in Frage. Welche ist nun wahr? Auf jeden Fall werden die Aussagen über die Teilnahme der Deutschen am Zusammentreiben der Juden und über die Manipulation der Polen weder vom Untersuchungsoffizier noch vom Staatsanwalt in Frage gestellt, sie nehmen es als etwas Offensichtliches an.)

Wladyslaw D±browski - geb. 1890, Schuster, Analphabet, verheiratet.

Vor dem Untersuchungsoffizier gemachte Aussage (11.01.1949):

" Frage: Sagen Sie, haben Sie an der Ermordung der Juden während der deutschen Okkupation 1941 im Monat Juli teilgenommen?

Antwort: Ich habe nicht an der Ermordung der Juden teilgenommen, ich nahm nur an der Beaufsichtigung auf dem Marktplatz teil, wo es über 1500 waren von der polnischen Bevölkerung dorthin getrieben. (...) Meine Aufgabe war zu beaufsichtigen, dass kein einziger Jude die Linie überschreitet was ich auch gemacht habe, diesen Befehl bekam ich von Karolak, Sobota und einen Deutschen, ob während meiner Beaufsichtigung jemand Juden geschlagen hatte, sah ich nicht (...)".

Vor dem Staatsanwalt gemachte Aussage (15.01.1949):

"Ich gestehe meine Schuld nicht ein und erkläre: An dem kritischen Tag war ich zu Hause als in meine Wohnung ein Gendarm mit dem Bürgermeister von Jedwabne Karolak kam und mir befahl, zum Markt zu gehen und Juden zu überwachen. Ich wollte nicht gehen und versuchte zu fliehen, der Deutsche schlug also mit seinem Gewehr in meinen Kopf (bestätigt durch Aussagen mehrerer Zeugen), mit der Hand ins Gesicht und schlug mir einen Zahn aus. Dann stand ich ungefähr zwei Stunden. Als der Deutsche von mir nur weggegangen war, floh ich vom Marktplatz nach Hause. (...)"

Vor Gericht gemachte Aussage:

"(...) Er gesteht seine Schuld nicht ein und erklärt: Am kritischen Tag arbeitete ich neben der Kirche und habe an nichts teilgenommen. Das Gericht verlas die Aussagen des Angeklagten, die während der Erm.[ittlung], S. 38 und 78, gemacht worden waren. Der Angeklagte setzte fort: Ich sagte das bei der Vernehmung, weil man mich geschlagen und ich Angst vor weiteren Schlägen hatte. Ich hatte keinen Mitangeklagten mehr gesehen. Ich wurde auf schreckliche Art und Weise geschlagen" (die während der Ermittlung und vor dem Staatsanwalt gemachten Aussagen mussten jedoch teilweise wahr sein, denn die Tatsache, dass er von einem Deutschen geschlagen wurde, wurde sowohl von der Familie als auch von Fremden bestätigt).

Feliks Tarnacki - geb. 1907, ausgebildeter Schlosser, Beruf - Landwirt, 4 Volksschulklassen, Witwer.

Vor dem Untersuchungsoffizier gemachte Aussage (11.01.1949):

" Frage: Haben Sie an der Razzia auf die jüdische Bevölkerung im Monat Juli 1941 teilgenommen, wer noch hat sich daran beteiligt?

Antwort: An dem Tag, an dem die Razzia auf die jüdische Bevölkerung stattfand, kamen zu mir Bürgermeister Karolak Marian und der Sekretär vom Magistrat Wasilewski, den Vornamen kenne ich nicht zusammen mit einem Gestapomann und trieben mich zum Markt, wo sich bereits viele versammelt befanden, aus der Stadt Jedwabne und anderen Ortschaften, mir bekannt waren: (...) Ich befand mich auf dem Marktplatz ungefähr 15 Minuten und dann, nachdem ich vom Marktplatz geflohen war, nahm ich von zu Hause mein Fahrrad und fuhr ins Dorf Kaimy, Gemeinde Jedwabne, wo ich bei Bürger Przestrzelski Feliks ungefähr 10 Minuten verbrachte, nachdem ich ein Glas Wodka getrunken hatte, fuhr ich Richtung Lomza. (...) Danach kam ich zu Fuß nach Haus, d.h. nach Jedwabne, über der Stadt war schon der Rauch von der verbrannten Scheune. Nachdem ich in meine Wohnung gekommen war, versteckte ich mich. Ich blieb im Versteck die ganze Nacht".

Vor dem Staatsanwalt gemachte Aussage (15.01.1949):

"Ich gestehe meine Schuld nicht ein, dass ich im Juli 1941 an der Ermordung der Juden in Jedwabne teilgenommen habe, und erkläre, dass ich am kritischen Tag zu Hause war. An diesem Tag kam zu mir nach Hause der Bürgermeister der Stadt Jedwabne Marian Karolak mit einem Gestapomann und sie nahmen mich zum Marktplatz, wo Juden zusammengetrieben wurden. Nachdem der Gestapomann von mir weggegangen war floh ich nach Hause und fuhr mit dem Fahrrad nach Lomza (...)"

Vor Gericht gemachte Aussage:

"(...) ich war auf dem Markt vielleicht 10 - 15 Minuten auf Befehl des Gestapomannes, aber ich bin gleich geflohen.

Das Gericht verlas die Aussagen von der Erm.[ittlung], S. 40 und 79. Der Angeklagte setzte fort:

ich habe niemanden von den Angeklagten gesehen. Mein Bruder heißt Jerzy Tarnacki."

Józef Chrzanowski - geb. 1889, Landwirt, wurde zu Hause unterrichtet, verheiratet, 3 ha Land mit Gebäuden

Vor dem Untersuchungsoffizier gemachte Aussage (11.01.1949):

"(...) 1941 als das Heer des deutschen Okkupanten nach Jedwabne kam, begann die örtliche Bevölkerung mit der Ermordung der Juden, zuerst zusammentreiben auf dem Markt, ich gehe die Przytulska-Straße hier trafen mich Wasilewski Jozef und Sobota Einwohner der Stadt Jedwabne und sagten mir, ich soll auf den Marktplatz gehen ich ging also widerstandslos mit. Nachdem ich auf den Marktplatz gekommen war sagten sie mir, du sollst deine Scheune für die Verbrennung der Juden geben, dann fing ich an sie zu bitten, dass sie meine Scheune nicht niederbrennen, sie stimmten dem zu und ließen meine Scheune in Ruhe, sie sagten mir nur, dass ich helfen soll, die Juden in die Scheune von Bronislaw Sleszynski zusammenzutreiben, die Juden wurden in Viererreihen aufgestellt (zwar werden hier von dem Vernommenen die Deutschen nicht direkt genannt, jedoch geht es um sie, ähnlich, wenn er von der Anzündung spricht) und wir Polen standen von einer und anderer Seite damit die Juden nicht fliehen, als wir sie zur Scheune getrieben hatten, befahlen sie allen Juden hineinzugehen, und wir überwachten weiter, dass alle Juden dort hineingehen, sie zündeten die Scheune an und die Juden wurden verbrannt, ich ging dann heim, ich hatte keinen Befehl von den Deutschen, Juden zu treiben. (...)"

Vor dem Staatsanwalt wiederholt er (15.01.1949) die Aussage über die Verteidigung der eigenen Scheune, gesteht nicht ein, dass er Juden in die Scheune von Sleszynski getrieben hatte.

Vor Gericht gemachte Aussage:

"Er gesteht seine Schuld nicht ein, erklärt: Ich war nicht dabei, als die Juden zusammengetrieben wurden und auch nicht bei dem Treiben (in die Scheune - T. S.).

Das Gericht verlas die Aussagen des Angeklagten von der Erm.[ittlung], S. 42 und 80. Der Angeklagte setzte fort:

Wasilewski und Sobota wandten sich an mich, ich solle meine Scheune für die Verbrennung übergeben, ichwar damit nicht einverstanden. Später kamen Gestapomänner, sie verlangten ebenfalls, dass ich die Scheune übergebe, ich wollte dem nicht zustimmen, ich hatte aber Angst vor ihnen und versteckte mich im Roggen, dort saß ich bis in den Abend. Von den Angeklagten habe ich niemanden gesehen." (anscheinend fragte das Gericht nach anderen Angeklagten oder es kam zurück auf die Aussage, die vor dem Untersuchungsoffizier der Sicherheitsbehörde gemacht wurde).

Roman Górski - geb. 1904, Landwirt, Besitzer von 3 ha Land, 2 Volksschulklassen.

Vor dem Untersuchungsoffizier gemachte Aussage (10.01.1949):

"um 12 Uhr kam zu mir Karolak Marian, der hier Bürgermeister war und ein deutscher Gendarm, der mir einen Fußtritt verpasste, sie nahmen mich auf den Marktplatz der Stadt Jedwabne mit, wo sie mir aufzupassen befahlen, zusammen mit einigen Dorfjungen im Alter von 16 und 17 Jahren (...) Auf dem Marktplatz passte ich auf zwischen 12 und 15 Uhr, von dort aus ging ich dann heim, denn meine Frau lag gerade im Wochenbett und fühlte sich plötzlich schlecht. Ich habe mein Haus ein zweites Mal nicht mehr verlassen. (...)"

Vor dem Staatsanwalt gemachte Aussage (15.01.1949):

"Ja, ich gestehe meine Schuld ein, dass ich 1941 im Juli in Jedwabne mich den Behörden des deutschen Staates gefällig zeigte, der Bürgermeister und die deutsche Gendarmerie drohten mir und befohlen, die zusammengetriebenen Juden auf dem Marktplatz von Jedwabne zu beaufsichtigen. Bürgermeister Karolak und die deutsche Gendarmerie kamen selbst in meine Wohnung und nahmen mich mit, damit ich auf dem Markt auf Juden aufpasse, dass sie nicht fliehen. Außerdem sah ich wie Sobuta und Wasilewski sich über zehn Juden aussuchten, die bereits dort waren, und auf zum Lachen bringende Weise mit ihnen Gymnastikübungen veranstalten. Was weiter mit den Juden passierte, weiß ich nicht da ich nach Haus gegangen war".

Vor Gericht gemachte Aussage:

"In mein Haus kamen Gendarmen und befahlen mir mitzukommen. Als ich Widerstand leistete, schlugen sie mich und führten mit Gewalt auf den Marktplatz, wo ich nur 15 Minuten lang war und ich bin gleich nach Hause geflohen, denn meine Frau, als sie sah wie mich die Deutschen schlugen, krank wurde.

Das Gericht verlas die Aussage des Angeklagten von der Erm.[ittlung], S. 44 und 81

Der Angeklagte sagte weiter:

ich habe auf dem Markt nichts getan. Jerzy Laudanski habe ich nicht gesehen. Bei der Vernehmung hat man mich sehr geschlagen und ich sagte das wegen der Schmerzen".

Antoni Niebrzydowski - geb. 1901, Schlosser, Schule der Sekundarstufe, verheiratet, Hausbesitzer in Jedwabne

Vor dem Untersuchungsoffizier gemachte Aussage (10.01.1949):

"1941 kamen in meine Wohnung Karolak deutscher Bürgermeister und Bardon Karol, sie befahlen mir zum Marktplatz zu gehen und dort Juden zu überwachen, die sie dorthin trieben, ich wusste nicht was los war, so bin ich dem Befehl von Karolak und Bardon gefolgt, ich stand von der Seite der Dworna-Straße, ich hatte nichts in den Händen".

Er gab Petroleum für das Begießen der Scheune, "in die Juden getrieben wurden". Er gab Petroleum auf Befehl von Eugeniusz Kalinowski und Jerzy Niebrzydowski.

Vor dem Staatsanwalt gemachte Aussage (15.01.1949):

"Ja, ich gestehe meine Schuld ein, dass ich 1941 im Juli in Jedwabne mich den Behörden des deutschen Staates infolge der Drohung des Bürgermeisters und Bardon (Bardon hatte Hilfsdienst bei der Gendarmerie und war der einzige Einwohner von Jedwabne, der mit einem Gewehr bewaffnet war) gefällig zeigte, mir wurde befohlen, die auf dem Marktplatz von Jedwabne zusammengetriebenen Juden zu überwachen. Außerdem gab ich aus dem Lager Petroleum an Bardon und Niebrzydowski Jerzy, Kalinowski Eugeniusz heraus, ich weiß nicht wofür sie es gebraucht hatten. Nach gewisser Zeit ging ich nach Haus und ich sah nur wie in dieser Scheune Feuer ausbrach (...)"

Vor Gericht wiederholt er seine Version und fügt hinzu:

"Später erzählten die Leute, dass das von mir herausgegebene Petroleum zur Anzündung der Scheune von Szlesinski diente" (dies ist eine wichtige Ergänzung, aus der folgt, dass er, als er das Petroleum aus dem Lager herausgab, vielleicht nicht wusste, wozu es dienen sollte).

Wladyslaw Miciura - geb. 1902, Schreiner, eine Volksschulklasse, verheiratet, 6 Kinder im Alter von 6 bis 15 Jahren, 0,5 ha Land.

Vor dem Untersuchungsoffizier gemachte Aussage (10.01.1949):

"Drei oder vier Tage vor der Juden-Razzia wurde ich gezwungen, im Gendarmerierevier als Schreiner zu arbeiten. Im Monat Juli 1941, an das genaue Datum kann ich mich nicht mehr erinnern, kamen einige Gestapo-Taxis (die Landbevölkerung nannte damals alle Personenkraftwagen Taxi) und sie machten eine Juden-Razzia, sie wurden auf dem Marktplatz zusammengetrieben. Mich selbst sandten die Gendarmen nach Hause frühstücken, als ich zur Arbeit nach einer Stunde zurückkam, kam ein Gendarm und befahl mir zum Markt zu gehen und Juden zu bewachen, dass sie nicht fliehen. Ich überwachte sie zwischen 12 bis 16 Uhr, nachher ging ich zurück zur Arbeit, aber sie befahlen mir nicht zu arbeiten, sondern Juden in die Scheune zu treiben, das habe ich auch gemacht und ich war dort bis zu dem Zeitpunkt, an dem diese Scheune mit Juden angezündet wurde. (...)

Vor dem Staatsanwalt gemachte Aussage (15.01.1949):

"Ja, ich gestehe meine Schuld ein, dass ich 1941 in Jedwabne mich auf Befehl der deutschen Gendarmerie und Gestapo den Behörden des deutschen Staates gefällig zeigte und gezwungen wurde Juden auf dem Marktplatz zu überwachen, dass sie nicht fliehen, ich habe an dem Treiben der Juden in die Scheune von Sleszynski nicht teilgenommen. (...)"

Vor Gericht:

er bekennt sich nicht schuldig und erklärt: "Ich nahm an dem Zusammentreiben der Juden nicht teil". Während der Vernehmung wies er auf die Angeklagten hin, weil man ihn geschlagen hatte. Er sagte: "Ich war überhaupt nicht auf dem Marktplatz, ich arbeitete nur im Gendarmeriegebäude den ganzen Tag lang." (Diese Aussage ist auch charakteristisch für andere. Vor dem Untersuchungsoffizier bekennt er sich zu allem, vor dem Staatsanwalt verleugnet er das Heikelste - die Beteiligung an der Zusammentreibung der Juden in die Scheune von Sleszynski, vor Gericht sagt er, dass er überhaupt nicht am Mord beteiligt war. Vor allem sind die Aussagen gegen die Nachbarn falsch und erzwungen [in diesem Text nicht zitiert]. Die Verleugnung der Teilnahme am Mord bedeutet nicht, dass er keine Gestapoautos und Gendarmerieaktion gesehen hatte.

Józef Zyluk - geb. 1910, ohne Beruf, Analphabet, arbeitet gelegentlich als Händler, verheiratet, 5 Kinder.

Vor dem Untersuchungsoffizier gemachte Aussage (9.01.1949):

"Ich wurde von Funktionären der Bürgermiliz aus Jedwabne am 8.01.49 festgenommen, deswegen, weil ich angeblich Juden in Gestapohände 1941 ausgeliefert hatte." In einer weiteren Aussage sagt er, dass er bei der Heuernte unterbrochen wurde und zusammen mit Bürgermeister Karolak einen Juden aus der Mühle in Jedwabne zum Markt führte, ihn jedoch in der Lomzynska-Straße freiließ.

Vor dem Staatsanwalt (15.01.1949) sagt er aus:

"am kritischen Tag, als ich die Wiese mähte, kam zu mir der Bürgermeister der Stadt Jedwabne und forderte mich auf, mit ihm in die Stadt zu gehen. Weil ich nicht gehen wollte, sagte mir Karolak, dass ich, wenn nicht gehe, eine Kugel durch den Kopf bekomme, deshalb ging ich mit ihm." Weiter erzählte er noch einmal das, was er schon während der Ermittlung ausgesagt hatte. (In seinem Schreiben an das Oberste Gericht vom 28.07.1949 behauptet er, dass er später 8 Juden gerettet und dafür Zeugen hätte.)

Vor Gericht sagt er aus:

"(...) ich führte einen Juden auf Karolaks Befehl, aber nur etwa 15 Schritte dann floh ich nach Hause und ich weiß nichts mehr".

Das Gericht verlas die Aussagen des Angeklagten von S. 49 und 84.

Der Angeklagte setzte fort:

"Dieser Jude, den ich geführt habe, hieß Zdrojowicz" (er überlebte tatsächlich und sagte während des Prozesses aus).

Ich glaube, es reicht die zehn aufeinanderfolgenden Aussagen zu zitieren, um sich eine ziemlich glaubwürdige Meinung über die Rolle der Deutschen bei der Liquidierung polnischer Staatsbürger jüdischer Herkunft in Jedwabne am 10. Juli 1941 zu erstellen.

Also - Deutsche!

Wie viele waren es? Wir wissen das nicht. Vielleicht sagte die Wahrheit die Köchin von dem Gendarmerierevier in Jedwabne Julia Sokolowska, die während der Verhandlung am 17. Mai aussagte: "Am kritischen Tag waren 68 Gestapo, denn für sie bereitete ich das Mittagessen vor, es gab sehr viel Gendarmerie, weil sie aus verschiedenen Revieren gekommen waren".

Auf ähnliche Weise unterscheiden andere Einwohner von Jedwabne die Gestapo von der Gendarmerie, manche begründen das mit den Details ihrer Uniformen. Beispielsweise sagte Natalia G±siorowska (erst im November 1950) vor dem Staatsanwalt: "Ich weiß genau, dass es Gestapomänner waren, denn sie hatten Totenschädel auf ihren Mützen", die an demselben Tag und vor demselben Staatsanwalt aussagende Marianna Supraska, sagte über die Teilnahme von Zygmunt Laudanski, dass sie gesehen habe, wie er von Gestapomännern getrieben wurde, die "auf den Ärmeln Totenschädel hatten".

Es ist aber auch nicht das Wichtigste, wie viele es gewesen waren, obwohl einer von meinen Berichterstattern, Dr. Stefan Boczkowski, im Brief vom November 2000 schrieb, dass alles "grün" in Jedwabne gewesen war. Von Bedeutung ist, dass sie die ganze Zeit ein Element des Zwanges darstellten und die Okkupationsmacht repräsentierten, die hier seit drei Wochen über alles entschied.

In den Aussagen sehen wir, wie sie die hiesigen Männer aus den Wohnungen zerren und sie auf den Markt treiben oder zum Juden "zusammentreiben" verwenden.

In anderen, hier nicht zitierten Aussagen, ist die Rede von Gendarmen und der Gestapo, die die Juden die Cmentarna-Straße entlang zur Scheune von Sleszynski "trieben". Nirgendwo aber wird über ihre Rolle bei der Anzündung der Scheune ausgesagt. Wie ich bereits geschrieben habe, wird dieser Moment sorgfältig in den Aussagen umgangen. Nur ein Zeuge nennt einen konkreten Brandstifter - einen Polen (gemeint wird Jozef Kobrzeniecki). Es ist jedoch wenig wahrscheinlich, dass die Deutschen, die alle Mordvorbereitungen kontrolliert hatten, den Polen letztendlich seine Verübung überließen.

Offen bleibt noch die Frage, ob Jedwabne an jenem Tag von Wachen umringt war und wer diese Wachen waren? In einer Aussage ist die Rede davon, dass die Deutschen den Beschuldigten, mit einem Stock bewaffnet, in seinem eigenen am Rande der Stadt liegenden Hof aufstellten - übrigens behauptet er, dass er die im auferlegte Aufgabe nicht ausgeführt und fliehende Juden durchgelassen hätte. Andere Aussagen jedoch, und zwar sowohl der Beschuldigten als auch der Zeugen, scheinen zu widersprechen, dass ein fester Kordon von Wächtern gebildet wurde. Einige Beschuldigte fliehen vom Markt in Jedwabne und verstecken sich im Getreide außerhalb der Stadt, und niemand stört sie dabei; ein Beschuldigter verlässt die Stadt mit dem Fahrrad und fährt Richtung Lomza, erst neben dieser Stadt trifft er Gendarmen, die sein Fahrrad beschlagnahmen. Im übrigen bräuchte man viele Kräfte und das nicht nur in den Ausfahrtstraßen und Wegen, um das Städtchen mit seinen Gärten, mit direktem Zugang zu den Feldern, die zu jener Zeit mit hohen Getreide bewachsen waren, dicht zu isolieren.

Anzahl der am Verbrechen teilnehmenden Polen

Um die Anzahl der Polen aufgrund des behandelten Quellenmaterials festzustellen, müssen wir folgende Zusammenstellungen analysieren:

Das Verzeichnis der Beschuldigten (und danach Angeklagten), die vor das Bezirksgericht in Lomza gestellt wurden, gemindert um Personen, die entweder sofort am 17.05.1949 oder im späteren Prozess vor dem Berufungsgericht, von den Vorwürfen befreit wurden,

Personen, die als "sich versteckend" bezeichnet werden, also Personen die nicht verhaftet wurden und am Gerichtsverfahren nicht teilgenommen haben,

Vor Anfang 1949 verstorbene und ebenfalls für schuldig befundene Personen,

Personen, die Szmul Wasersztajn in seinem Bericht nennt, aber auch sie müssen durch das "Sieb" der gerichtlichen Aussagen betrachtet werden.

Ein gesondertes Problem stellen die Einwohner des Städtchens dar, die während der Vernehmungen Funktionären der Sicherheitsbehörden genannt werden. Und das deswegen, weil diese Aussagen allgemein im Gerichtssaal widerrufen wurden, weil sie durch Foltern erzwungen wurden. Es lohnt sich an dieser Stelle hinzuzufügen, dass sich die Untersuchungsoffiziere der Sicherheitsbehörden nicht für Deutsche interessierten, erstens deshalb, weil ihre Anwesenheit in Jedwabne am 10. Juli für offensichtlich gehalten wurde (ebenso die Staatsanwälte und Richter), zweitens, weil zu ihnen kein Zugang war und nicht sie, sondern Polen Gegenstand der Ermittlung waren. Sichtbar, sogar sehr sichtbar, ist die Tendenz, den Beschuldigtenkreis zu erweitern, sowohl um Personen, die sich bereits in den Händen der Sicherheitsbehörde befanden, als auch um andere, die noch nicht verhaftet wurden. Durch erzwingen der Aussagen während der Ermittlung, sammelte man Beweismaterial gegen diese Personen, ähnlich wie es im Falle der bereits verhafteten war. Janek soll gegen Piotrek aussagen, Piotrek gegen Jurek, Jurek gegen Janek usw., usf., auf diese Weise stützt sich die Anklageschrift nicht auf einer sondern auf vielen Aussagen. Es kommt dabei zu paradoxen Erscheinungen. Boleslaw Ramotowski nennt in seinen Aussagen vor der Sicherheitsbehörde 41 "Mittäter", die er auf dem Markt in Jedwabne und später gesehen habe, noch mehr: Er sagt aus, wer mit einem Stock und wer mit Gummi bewaffnet war. So viele Personen kann man nicht im Chaos der Ereignisse bemerken, und das wenn man noch selbst - gemäß des Aussagenden - aktiv daran teilnimmt. Es wundert also nicht, dass er während der Gerichtsverhandlung diesen Teil seiner Aussage widerruft, und behauptet, er habe auf dem Markt nur eine Person gesehen. Ebenso Julia Sokolowska, Köchin des Gendarmeriereviers, das direkt am Markt gelegen war, hatte doch eine konkrete Aufgabe (Mittagessen kochen), sie behauptete in der Ermittlung, sie hätte über 30 Polen gesehen, die Juden aktiv versammelten und bewachten. Es stellt sich also die Frage: Können die im Ermittlungsverfahren genannten Personen für tatsächlich engagiert in die Vorbereitung und Realisierung des Verbrechens in Jedwabne erklärt werden?

Kommen wir jetzt zu den Rechnungen:

In der Anklageschrift werden 22 Personen erwähnt, die wegen der Beteiligung am Verbrechen angeklagt werden, 10 davon werden von der Schuld befreit und freigelassen. (In "der Hauptverhandlung" am 16. und 17.05.1949 wurden verurteilt: Karol Bardon zur Todesstrafe [begnadigt durch Bierut, bekam 15 Jahre Freiheitsstrafe], Jerzy Laudanski 15 Jahre Freiheitsstrafe, Zygmunt Laudanski, Wladyslaw Miciura und Boleslaw Ramotowski 12 Jahre Freiheitsstrafe, Stanislaw Zejer und Czeslaw Lipinski 10 Jahre Freiheitsstrafe, Wladyslaw D±browski, Feliks Tarnacki, Roman Górski, Antoni Niebrzydowski und Józef Zyluk 8 Jahre Freiheitsstrafe. Freigesprochen wurden: Józef Chrzanowski, Marian Zyluk, Czeslaw Laudanski, Wincenty Goscicki, Roman Zawadzki, Jan Zawadzki, Aleksander Lojewski, Franciszek Lojewski, Eugeniusz Sliwecki und Stanislaw Sielawa. Dieses Urteil zeugt von einer ziemlich großen Unabhängigkeit des Gerichtes, das manche vor der Sicherheitsbehörde gemachten Aussagen für unzureichend im Hinblick auf die späteren Zeugenaussagen erklärte, besonders, wenn sich die Beschuldigten bereits in dem Ermittlungsverfahren für unschuldig befanden. Es wurden also nur 12 Personen schuldig befunden. Das Berufungsgericht in Bialystok hat zwei Personen, die im Mai 1949 verurteilt wurden, während seiner Sitzung in Lomza am 13.06.1950 freigesprochen, die Liste der Verurteilten beschränkt sich hiermit auf 10 Personen.

Die Liste der sich versteckenden Personen (diese Bezeichnung bedeutet aber nicht, dass die hier genannten Personen sich tatsächlich versteckten, sondern nur, dass sie nicht in der Woiwodschaft Lomza wohnten und zeitweilig unerreichbar waren. Es war auch wirklich so, dass viele Einwohner von Lomza nach dem Krieg - aus verschiedenen Gründen - in die wiedergewonnen Gebiete, vor allem Richtung Masuren gefahren sind), also vorübergehend unerreichbar, zählt 8 des Verbrechens beschuldigte Personen (das sind: Jerzy Tarnacki [bei Wasersztajn kommt er als Jurek Tarnoczek vor], Julian Schmidt, Marian Karolak, Jozef Wasilewski, Jerzy Niebrzydowski, Michal Trzaska, Waclaw Borowski und Mieczyslaw Borowski), darunter werden 5 auch auf der Liste von Szmul Wasersztajn genannt. Insgesamt würde es sich also um lediglich 3 Personen handeln.

Die Liste der Personen, die wegen der Teilnahme am Verbrechen beschuldigt werden und 1949 bereits verstorben waren, zählt 9 Personen (auf der Verstorbenenliste befinden sich: Jozef Sobuta, Eugeniusz Kalinowski, Jozef Kobrzeniecki, Stanislaw Sokolowski, Boleslaw Rogalski, Wladyslaw Modzelewski, Bronislaw Sleszynski, Jarmutowski und Aleksander Janowski), drei davon (Boleslaw Rogalski, Jarmutowski und Bronislaw Sleszynski) kommen auch auf der Wasersztajn-Liste vor, es würden also nur 6 bleiben. Unter diesen 6 Personen befindet sich auch Jozef Sobuta, der später in einer Psychiatrieklinik gefunden und wegen seines gesundheitlichen Zustands entlassen wurde; sicherlich handelte es sich jedoch dabei um einen der am meisten beschuldigten Täter des Massakers.

Die Liste der Personen, die von Szmul Wasersztajn für besonders verbrecherisch gehalten wurden, zählt 14 Einwohner von Jedwabne (Bronislaw Sleszynski, Marian Karolak, Mieczyslaw Borowski, Waclaw Borowski, Jarmulowski (wird unter den Verstorbenen als Jarmutowski erwähnt), Boleslaw Ramotowski, Boleslaw Rogalski, Stanislaw Sielawa, Franciszek Sielawa, Eugeniusz Kozlowski, Trzaska, Jerzy Tarnoczek (Tarnawski), Jerzy Laudanski und Czeslaw Laciecz (sic!).

Wenn man sich diese Liste näher anschaut, können verschiedene Zweifel entstehen. Wir finden unter Personen, die besondere Grausamkeit erwiesen hatten - wie Wasersztajn schreibt - den freigesprochenen Stanislaw Sielawa, den schwer Ruhrkranken Bronislaw Sleszynski, dessen Schuld darauf beruht, dass er auf Befehl Karolaks, der mit einen Gendarmen zu ihm gekommen war, ihnen die Schlüssel zu seiner Scheune gegeben hatte, sowie die Borowski-Brüder, die angeblich schreckliche Taten noch vor dem 10. Juli begangen hatten. Taten, die von niemanden bestätigt wurden. Die Liste überlappt sich teilweise mit den anderen. Auf ihr stehen Personen von der Verstorbenenliste: Bronislaw Sleszynski, Boleslaw Rogalski und Jarmulowski (oder Jarmutowski); sich versteckende Personen: Jerzy Tarnacki, Michal Trzaska, Marian Karolak, Waclaw Borowski und Mieczyslaw Borowski; Personen von der Verurteiltenliste: Boleslaw Ramotowski und Jerzy Laudanski, letztendlich Stanislaw Sielawa, den das Gericht für nicht schuldig befand, also nicht in Betracht gezogen werden kann. Auf diese Weise beschränkt sich die Liste auf 3 Personen, die in anderen Quellen nicht vorkommen.

Wenn wir diese Daten zusammenfassen, folgt daraus, dass (wenn wir annehmen, dass alle sich versteckende und verstorbene Personen schuldig waren) an irgendeiner Phase der verbrecherischen Tat am 10. Juli 1941 23 Personen von der polnischen Bevölkerung beteiligt waren. Diese Zahl ist ziemlich plausibel, denn ähnliche Zahlen werden von Berichterstattern - Augenzeugen (u.a. Stefan Boczkowski) erwähnt. Wir haben es also nicht mit der "Bevölkerung" von Jedwabne zu tun, sondern mit einer Gruppe von Dutzenden Männern. Der Meistschuldige unter ihnen - Karol Bardon - kann nur schwer als Vertreter des Polentums gehalten werden (geboren in Schlesien in der Nähe von Teschen, deutscher Soldat im Ersten Weltkrieg, verlässlich, denn seit Okkupationsanfang in der Gendarmerie), die zwei weiteren sind ein in der Stadt bekannter Säufer und Krawallmacher und ein Bandit.

Unter den Teilnehmern der Ereignisse vom 10. Juli waren unbestrittene Hauptverbrecher: Marian Karolak (kommissarischer Bürgermeister) und Karol Bardon, der vielmals mit Deutschen in den Berichten vorkommt - sie waren diejenigen, die andere gezwungen hatten.

In den Zeugenaussagen kommen wiederholt auch nicht identifizierte Jugendliche aus den Nachbardörfern und einfache Zuschauer vor, die die Ereignisse begleiten und wahrscheinlich dessen nicht bewusst sind, womit sie enden werden. Ähnlich war es (meines Erachtens) auch im Falle der meisten direkten polnischen Teilnehmer, außer dem genannten Bardon und Karolak und vielleicht ein paar Mitarbeitern des Magistrats in Jedwabne.

Selektion des Materials

Fassen wir zusammen: Die entscheidende Rolle spielen die Deutschen - als Anstifter der Tat, Organisatoren und Mittäter - und Dutzende Polen, darunter dazu gezwungene; das Gericht unterstrich sehr deutlich in der Urteilsbegründung von 1949, dass die Angeklagten unter dem deutschen Terror gehandelt hatten. Und gleichzeitig die Haltung der anderen Personen, die sich im Getreide bzw. zu Hause versteckten, oder solche wie Jozef Zyluk, der sich um die vom Massaker verschonten Mitbürger kümmerte. Jozef Zyluk wurde gezwungen, zwei Juden aus der Mühle, die sich am Stadtrand von Jedwabne befand, zum Markt zu führen, er ließ sie jedoch frei und rettete somit ihr Leben. Einer von ihnen mit dem Namen Zdrojewicz überlebte den Krieg. Ähnlich schrieb Zofia Górska in ihrem Schreiben vom 2. März 1949 an das Bezirksgericht in Lomza in Sachen ihres verhafteten Ehemanns Roman, dass bereits nach dem Massenmord in Jedwabne das Ehepaar Górski in seinem Haus zwei Nachbarn jüdischer Herkunft versteckte, Patryjer Serwetarz und seinen Bruder (da ich lediglich 10 Aussagen der Beschuldigten zitierte und dabei Dutzende andere Aussagen, darunter von wichtigen Zeugen, ausgelassen habe, fehlen hier wichtige Informationen).

Wie wir bereits wissen, sind mehr von den zum Tode verurteilten und am Leben geblieben als die 7 Personen, die sich bei der polnischen Familie Wyrzykowski in Janczewek versteckten. Viele überlebten in Jedwabne selbst bis zum Herbst 1942, einige blieben am Leben bis 1945.

Dieses Bild unterscheidet sich grundsätzlich von dem von Prof. Jan Gross in "Nachbarn" beschriebenen Bild. Woher kommt also dieser Unterschied? Jan Tomasz Gross hat Dutzende Aussagen verschiedener Personen - Zeugen, Angeklagten usw. außer acht gelassen, in denen von der Rolle der Deutschen als Anstifter die Rede war, Gross zitierte nur die Aussagen, die die Teilnahme der Polen beschrieben. Er basierte u.a. auf der ersten, später widerrufenen Aussage der Köchin Julia Sokolowska, sowie auf den Schreiben des deutschen Gendarmen Karol Bardon, der zur Todesstrafe verurteilt wurde und versuchte, seine Verantwortung zu vertuschen, indem er die Schuld den Stadteinwohnern zuschrieb. Gross erklärt an keiner Stelle, warum er das Material so selektiert hatte. Er erklärt nicht, warum er einige Dokumente berücksichtigt und andere zurückweist.

Man sollte auch die Aufmerksamkeit darauf lenken, dass der Bericht des vom Gericht nicht vernommenen Szmul Wasersztajn, sowie die Aussagen der Anklagezeugen Abram Boruszczak und Eljasz Gr±dowski faktisch missbilligt wurden. Es stellte sich nämlich aus den Aussagen der Einwohner von Jedwabne heraus, und ganz besonders aus der Aussage des polnischen Staatsbürgers jüdischer Herkunft Jozef Gr±dowski, dass Abram Gr±dowski nie in Jedwabne wohnhaft gewesen war, und Eljasz Gr±dowski wegen Diebstahl von der sowjetischen Macht zur Gefängnisstrafe verurteilt und noch 1940 weit in die UdSSR verschleppt wurde. Er kam erst 1945 nach Polen zurück, sah also nichts. Jozef Gr±dowski sagte auch, dass er dank der Hilfe eines ihm nicht näher bekannten Polen aus deutschen Händen am Tag des Mordes fliehen konnte.

Alle drei Ankläger wurden von dem Gericht wie Personen behandelt, die über etwas gehört hatten, aber keine Augenzeugen waren. Im Kassationsantrag an das Oberste Gericht wiesen die Verteidiger der Verurteilten darauf hin, dass Szmul Wasersztajn weder von den Funktionären der Sicherheitsbehörde, noch von den Staatsanwälten, noch während der Gerichtsverhandlung vernommen wurde. Das Oberste Gerichte erwiderte auf diesen Vorwurf, dass es eine erhebliche Pflichtverletzung gewesen war, jedoch hätte das Gericht bei der Prüfung der Sache nicht auf dem Bericht von Wasersztajn, sondern den Berichten der Augenzeugen basiert, insofern hätte diese Verfehlung keine größere Bedeutung. Und eben von Szmul Wasersztajn stammen die drastischsten Fragmente des Buches von Prof. Gross. Tatsachen, die so sehr die Phantasie beflügeln, finden keine Bestätigung in allen anderen Quellen.

Dem Leser seien alle Kommentare überlassen.

Tomasz Strzembosz (geb. 1930), Historiker, Professor an der Katholischen Universität Lublin und im Institut der Politischen Studien bei der Polnischen Akademie der Wissenschaften (PAN). Autor von Werken über die Militärkonspiration in Warschau: "Akcje zbrojne podziemnej Warszawy 1939 - 1945", "Oddzialy szturmowe konspiracyjnej Warszawy 1939 - 1945", "Odbijanie i uwalnianie wiê¼niów w Warszawie 1939 - 1944". Befasst sich seit fast zwanzig Jahren mit der Geschichte der polnischen Konspiration in den nordöstlichen Gebieten der Republik Polen unter der sowjetischen Okkupation. Er schreibt jetzt ein Buch darüber. Er bereitet ebenfalls eine Arbeit über das sowjetische Okkupationssystem in polnischen Gebieten 1939-1941. Letztens gab er die "Rzeczpospolita podziemna" heraus .


Ad. Ü. - In der deutschen Übersetzung konnte die polnische Rechtschreibung aus verständlichen Gründen nicht beibehalten werden. Im Rahmen des Möglichen wurden aber die Aussagen stilgetreu übersetzt.

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