Tschernischewsky erlebte das Aufkommen eines neuen Typus »neuer Menschen« in Rußland -- eines Revolutionärs. Er begrüßte mit Freuden das Auftreten eines solchen Typus und konnte sich nicht das Vergnügen versagen, dessen wenn auch unklares Profil zu zeichnen. Dabei sah er mit Wehmuth voraus, wie viel Mühsale und Leiden ein russischer Revolutionär zu erleben haben wird, wie sein Leben ein Leben voll rauher Kämpfe und schwerer Selbstaufopferung wird sein müssen. Und nun führt Tschernischewsky in demselben Roman »Was thun?« einen wahren Asketen vor, den Rachmetow.
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Anderseits steht es aber fest, daß die von Tschernischewsky in seinem berühmten Roman dargelegte Ansicht über den praktischen Weg zur Verwirklichung der sozialistischen Ideen als eine selbst für jene Zeit rückständige bezeichnet werden muß. Es ist eine sehr merkwürdige historische Thatsache, daß die Propaganda von Produktivgenossenschaften gleichzeitig in Rußland und Deutschland betrieben wurde. Im Jahre 1863 erschien Tschernischewsky's Roman. In demselben Jahre empfahl Lassalle den deutschen Arbeitern die Produktivgenossenschaften als das einzige Mittel, ihre Lage wenigstens einigermaßen zu heben. Aber welch' ein Unterschied in der Stellung dieser Frage in Rußland und in Deutschland! In Tschernischewsky's Roman befassen sich einzelne humane und gebildete Personen mit der Einrichtung von Genossenschaften: Wjera Pawlowna und ihre Freunde. Zu dieser Sache wird sogar ein »aufgeklärter« Priester, Merzalow, hinzugezogen, der, wie er selbst von sich sagt, dabei die Rolle eines »Schildes« (natürlich den argwöhnischen Behörden gegenüber!) zu spielen hat. Von der politischen Selbstthätigkeit der Arbeiterklasse wird im Roman mit keinem Worte gesprochen. Davon sprachen auch jene »Menschen der sechziger Jahre« kein Wort, welche das von Tschernischewsky vorgeschlagene Programm zu verwirklichen suchten. Dagegen war das erste Wort der Lassalle'schen Agitation eben der Hinweis auf die Nothwendigkeit einer politischen Aktion von Seiten der Arbeiter. In Lassalle's Vorschlag trägt die Gründung von Produktivgenossenschaften einen umfassenden allgemein-staatlichen Charakter, -- während dies bei Tschernischewsky Sache von Privatpersonen bleibt. Lassalle würde Tschernischewsky für einen Anhänger von Schulze-Delitzsch gehalten haben. Der Unterschied in den praktischen Plänen beider Männer zeigt so recht, wie groß der Unterschied zwischen den inneren Verhältnissen Deutschlands und Rußlands war. -- Damit soll natürlich nicht gesagt sein, daß Lassalle's Pläne, wie auch noch älteren Pläne von Louis Blanc keine Utopie waren.
Im Roman »Was thun?« wird, gegen Tschernischewsky's Gewohnheit, sehr viel von der Liebe gesprochen, welche die Menschheit erlösen soll. Darin macht sich deutlich Feuerbach's Einfluß geltend.
Tschernischewsky erlebte das Aufkommen eines neuen Typus »neuer Menschen« in Rußland -- eines Revolutionärs. Er begrüßte mit Freuden das Auftreten eines solchen Typus und konnte sich nicht das Vergnügen versagen, dessen wenn auch unklares Profil zu zeichnen. Dabei sah er mit Wehmuth voraus, wie viel Mühsale und Leiden ein russischer Revolutionär zu erleben haben wird, wie sein Leben ein Leben voll rauher Kämpfe und schwerer Selbstaufopferung wird sein müssen. Und nun führt Tschernischewsky in demselben Roman »Was thun?« einen wahren Asketen vor, den Rachmetow. Dieser kasteit sich buchstäblich. Er ist vollkommen »ohne Erbarmen für sich«, wie sich seine Zimmerwirthin ausdrückt. Er entschließt sich sogar, zu versuchen, ob er die Tortur würde ertragen können, und liegt zu diesem Zweck die ganze Nacht auf einer mit Nägeln bespickten Decke. Viele sahen darin nichts als eine Sonderlichkeit. Wir geben nun zwar zu, daß einige Einzelheiten in Rachmetow's Charakter anders geschildert werden konnten. Aber der Charakter als Ganzes ist doch der Wirklichkeit vollkommen getreu. In jedem hervorragenden russischen Revolutionär steckte ein großes Stück »Rachmetowschtschina« (»Rachmetowismus«).
Jetzt hat der Revolutionär aus der »Intelligenz« seine Rolle so gut wie ausgespielt. Er ist nicht mehr originell, nicht mehr neu, er hat sich verflacht. Ihn werden und müssen Revolutionäre aus der Arbeiterklasse ablösen, diese wahren »Kinder des Volkes«. Doch hatte jener Revolutionär seine eigene ruhmvolle Geschichte, und daher kann man sich nicht genug über Tschernischewsky's Feingefühl wundern, der es verstanden hat, wenigstens die Hauptzüge des damals erst entstehenden Typus so gut zu erfassen und so richtig zu schildern.