Eiszeit
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Vor ungefähr 20.000 Jahren erreichten die Gletscher der letzten großen Eiszeit, die in Süddeutschland nach einem Voralpenfluß - der Würm - benannt wurde, ihre maximale Ausdehnung.
Es existieren sehr viele Mutmaßungen über die Ursachen dieser und der vorangegangen Kälteperioden. So nennen die Anhänger astronomischer Theorien eine Verringerung der Solarkonstanten (Strahlungsmenge an der Atmosphären-Obergrenze) durch interstellare Materie ("Dunkelwolken") oder Sonnenflecken als Gründe; ebenso werden Polwanderungen (Verschiebungen im Magnetfeld der Erde) angeführt. Auch durch Schwankungen der Erdachsenneigung auf der Sonnenumlaufbahn infolge der periodischen Taumel- und Kippbewegungen unseres Heimatplaneten könnten Klimaänderungen ausgelöst worden sein.
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Da sich im Winter ständig mehr Eis bildete, als im Sommer abtauen konnte, wuchsen die Gletscher in Nordeuropa und den Hochgebirgen an. Das Inlandeis, welches während der Würm-Eiszeit große Teile von Europa bedeckte, war in seiner mächtigsten Ausprägung - über dem bottnischen Meerbusen - bis zu drei Kilometer dick. Es reichte vor 20.000 Jahren über ganz Skandinavien einschließlich des Baltikums sowie den größten Teil von Dänemark und Norddeutschland hinweg und drückte mit seinem Gewicht das Festland in die Tiefe. Nach Westen hin bedeckte die Eisplatte das Gebiet der heutigen Nordsee sowie Großbritannien mit Ausnahme des Südostens von England und Irland - beide Gebiete waren damals noch Bestandteile des europäischen Festlandes. Die Nordsee selbst gab es nicht, denn der Meeresspiegel lag etwa 130 m unter seinem heutigen Niveau.
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Bis in das Gebiet des heutigen Bodensees, weit nach Oberschwaben hinein und über die Münchner Schotterebene hinweg erstreckten sich die Alpengletscher. Durch den Druck und die Reibung ihrer Frachten entstanden Täler und Senken. Die Geschiebe selber lagerten sich am Gletschergrund und im Gletscherumfeld als Moräne ab. An den Rändern der Eismassen traten unter hohem Druck die Schmelzwässer aus und flossen quer zum Gletscher ab. Auf diese Weise bildeten sich viele der europäischen Urstromtäler (z. B. Donau und Elbe). In den an das Vereisungsgebiet angrenzenden Flächen (Periglazial) verursachte der Dauerfrostboden, welcher auch in der warmen Jahreszeit nur wenige Zentimeter tief auftaute, einen fortwährenden Wasserstau. Zahllose Tümpel und Weiher bedeckten im Sommer den morastigen Grund. Himmelverfinsternde Staubstürme fegten über das Land und lagerten fruchtbaren Löß in unserer Heimat ab - ein Abbauprodukt der Kalkalpen.
Die mittleren Temperaturen lagen während der Würm-Eiszeit etwa 5 -10 Grad Celsius unter den heutigen (im Winter war es allerdings um 10 - 25 Grad kälter). In unseren Breiten hat schon ein Rückgang um durchschnittlich ein Grad zur Folge, daß sich die Vegetationsperiode um etwa drei Wochen verkürzt.
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In jedem eiszeitlichen Abschnitt des europäischen Quartärs wurden alle Pflanzen und Tiere - einschließlich unserer menschenähnlichen Vorfahren - nach Süden zurückgedrängt. Im Süden von Europa jedoch liegen die Alpen wie ein Riegel vor möglichen Rückzugsgebieten. Und dann folgt das Mittelmeer, sich über ein Gebiet erstreckend, welches gleichfalls als Ausweichgebiet für die bedrohten Arten hätte zugänglich sein sollen. Das gesamte europäische Tertiär (bis 2 Mio. v. Chr.) gilt als Zeitalter üppiger, subtropischer Vegetation und großer Artenfülle. Im Quartär wurden die Spezies mit dem Rücken an die Wand - sprich: das Gebirge oder Meer - gedrängt und vielfach für immer zum Aussterben verurteilt.
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Während der Eiszeit hat es hierzulande Tierarten gegeben, die mit dem Ende jener Epoche für immer vom Antlitz der Erde verschwunden sind, so etwa das Mammut (Mammuthus primigenius), das Wollnashorn (Coleodonta antiquitatis), den Steppenwisent (Bison priscus) und den Riesenhirsch (Megaloceros giganteus).
Höhlenhyäne (Crocuta spelaea), Höhlenbär (Ursus spelaeus) und Höhlenlöwe (Panthera spelaea) übertrafen an Größe die heute vorkommenden Arten um mindestens ein Drittel.
Im Verlauf der letzten Kaltzeit erschien auch der moderne Mensch (Homo sapiens sapiens) in Europa. Woher er kam, ist nicht bekannt. Ostafrika gilt als ein mögliches Herkunftsgebiet. Hochgewachsene, feingliedrige Menschen vom Typus Cro-Magnon (nach einer Fundstelle im Perigord/Frankreich) verdrängten auch in unseren Breiten den eher untersetzt gebauten Neandertaler (Homo sapiens neandertalensis), unseren oft verkannten Vetter mit dem dicken Überaugenwulst, der mit beispielloser Zähigkeit die gesamte Würmeiszeit - eine Viertelmillion Jahre! - in Europa überdauert hatte.
Die Form dieser Ablösung bleibt erneut weitgehend Ansichtssache. Horrorszenarien eines gnadenlosen Ausrottungskrieges scheinen schon aufgrund der geringen Anzahl von Angehörigen beider Rassen übertrieben. Eher wahrscheinlich ist, das die "neuen" Menschen dem Neandertaler in mancher Hinsicht überlegen waren; eventuell verfügten sie über eine viel ausdifferenziertere Sprache als Kommunikationsmöglichkeit.
Das Erscheinen des Homo sapiens sapiens im eiszeitlichen Europa ist von einem regelrechten Kulturschock begleitet.
Gleichsam aus dem Nichts entstehen aufwendige Kunstwerke wie verzierte Speerschleudern, Elfenbeinskulpturen und farbenprächtige Höhlenmalereien als Zeugnisse einer hochkomplexen geistigen Welt.
Diese Menschen waren Rulamans Vorfahren.
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