GISELHER WIRSING

Der maßlose Kontinent

Roosevelts Kampf um
die Weltherrschaft

TEIL V

 

[249] Erziehung zum Krieg

Im Jahre 1915 schrieb Wilsons Staatssekretär Lansing in einein Memorandum: "Die furchtbarste Schwierigkeit, mit der wir es zu tun haben, ist die, daß die Aktion [d. h. der Eintritt in den Krieg] hinaus geschoben werden muß, bis ein allmählicher Prozeß der Erziehung und der Aufklärung erreicht ist." Dies waren die berühmten Worte, mit denen Lansing dem Präsidenten klarzumachen versuchte, daß das amerikanische Volk zum Krieg "erzogen" werden müsse.

Im Jahre 1938 erschien in einer von Liddell Hart herausgegebenen Buchreihe in London ein schmales Bändchen mit dem Titel "Propaganda im nächsten Kriege". Der Verfasser war der Engländer Sidney Rogerson. In ihm hieß es: "Es wird wesentlich schwerer sein, die Vereinigten Staaten davon zu überzeugen, daß sie unsere Partei nehmen. Dazu wird der Glaube an eine ausgesprochene Bedrohung Amerikas notwendig sein, eine Bedrohung, die durch Propaganda jedem einzelnen Bürger nahegebracht werden muß, ehe Amerika nochmals die Waffen zu einem Kriege aufnimmt, der außerhalb der Vereinigten Staaten geführt werden muß." Dieses also war das Rezept für das "Erziehungsprogramm", das die Engländer vor dem Ausbruch des Krieges sogar in Buchform gedruckt hatten. Das Buch von Rogerson war allerdings, als sich die Krise im Jahre 1939 zuzuspitzen begann, in Amerika nirgends mehr zu erhalten. Die englischen Agenten hatten es schleunigst in allen Buchläden aufgekauft und vernichtet. Das Programm stand indes fest.

Ende April 1940 hatte der Rechtsanwalt Frederic R. Coudert in sein Büro in New York achtzehn Herren zu einer Sitzung eingeladen, in der das Programm der Erziehung Amerikas zum Kriege entworfen wurde. Die Einzelheiten sind später durch eine Indiskretion bekannt geworden. Sie wurden sogar dem Senat in aller Ausführlichkeit mitgeteilt1. Die Zusammenkunft in diesem Rechtsanwaltsbüro in Manhattan sollte von großer Bedeutung werden. Hier trafen sich nämlich die maßgebenden Männer der amerikanischen Hochfinanz, der britischen Propaganda und die Verbindungsleute zur amerikanischen Regierung, um das "Commitlee to Defend America by Aiding the Allies" zu gründen, das Komitee zur Verteidigung Amerikas durch Hilfe an die Alliierten, das im Jahre 1940 Millionen von Dollars ausgab, um das amerikanische Volk davon zu überzeugen, daß es seine Neutralität so schnell wie möglich aufgeben müsse.

Frederic R. Coudert, der Einberufer der Sitzung, war während des Weltkrieges der erste Rechtsberater der britischen Botschaft in Washington gewesen. Er hatte damals ungeheure Summen für Agitationszwecke im Auftrage der englischen Botschaft in Amerika verwandt und war ein reicher Mann durch seine Tätigkeit für die Briten geworden. Auch nachdem er 1920 nicht mehr offiziell für die Botschaft tätig war, war er stets unter den intimsten Beratern des jeweiligen Botschafters Seiner Majestät. Mit Lord Lothian, der um jene Zeit dieses Amt innehatte, verband ihn noch dazu eine enge persönliche Freundschaft. Durch die Person des Einberufers dieser Geheimsitzung liegt es also auf der Hand, daß Lothian selbst es war, der die Gründung des Zentrums der Kriegspropaganda in den Vereinigten Staaten angeregt hatte.

Von den achtzehn Anwesenden sind uns die wichtigsten mit Namen bekannt: Thomas W. Lamont, der allmächtige Partner von J. P. Morgan; Henry L. Stimson, der jetzige Kriegsminister;

1 Congressional Record, 15. Juni 1940, S. 12606 ff., siehe auch 20625 ff.

251] Aussöhnung Roosevelts mit der Hochfinanz

Frank L. Polk, ein Rechtsanwalt, dessen Firma zu den ständigen Rechtsberatern des Bankhauses Morgan gehört1; Nicholas M. Butler, der Präsident der Columbia-Universität und der Carnegie-Stiftung; James Conant, Präsident der Harvard-Universität; Clark M. Eichelberger, der Geschäftsführer der britisch beeinflußten League of Nations Association und schließlich der Journalist William Allen White. Wendell Willkie war ebenfalls eingeladen, wie er später zugab2, aber zufällig verhindert. Dies war der neue Generalstab der Kriegspropaganda in den Vereinigten Staaten. Thomas Lamont und Henry Stimson fielen darin die gewichtigsten Rollen zu. Mit der Gründung dieses Komitees (wir nennen es der Kürze halber White-Komitee) war die Aussöhnung zwischen Roosevelt und dem Finanzkapital nun auch offiziell erfolgt. Wir haben in den vorhergehenden Abschnitten gezeigt, wie das Finanzkapital und insbesondere das Haus Morgan Roosevelt ursprünglich scharf bekämpften. Eine erste Annäherung war bereits im Januar 1938 erfolgt, als Roosevelt Thomas Lamont zum erstenmal zu einer langen Aussprache im Weißen Haus empfangen hatte. Die aggressive Außenpolitik des Präsidenten war damals gerade gestartet und die Plattform geschaffen worden, auf der er sich mit dem wichtigsten Exponenten der Hochfinanz, ungeachtet der bisherigen Streitigkeiten, treffen konnte. Um dieselbe Zeit hielten Ickes und Corcoran noch Reden gegen das Finanzkapital. Es wird berichtet, daß Lamont das Weiße Haus nach jener ersten Unterredung in der besten Stimmung verließ. Er wußte schon damals, daß das New Deal künftig keine Gefahr mehr für die Millionäre von Wall Street sein würde. Vorsichtig begann er auch in der Öffentlichkeit für Roosevelt einzutreten.

Stimson, Coudert und Polk hatten bereits aus dem Weltkrieg Erfahrung in der "Erziehung zum Krieg". Diese drei hatten 1916/17 im Mittelwesten und Westen eine große Vortragsreise veranstaltet, in der für den Eintritt der Vereinigten Staaten in den Krieg geworben wurde. Es ist nachweisbar, daß Stimson schon damals zu denjenigen Politikern gehörte, die vom Hause Morgan ausgehalten

1 Polk war 1919/20 Unterstaatssekretär im State Department und damit der Versailler Epoche verbunden.
2 Porter Sargent, a. a. O., S. 356.

252] Henry Stimson

wurden. Seine enge Verbindung mit Felix Frankfurter haben wir bereits erwähnt, ebenso seine begeisterte Zustimmung zu Roosevelts Rede in Chicago. Als Staatssekretär hat sich Stimson bei der Morgan-Bank "königlich" für die ihm früher geleistete Unterstützung erkenntlich zeigen können. Er war es, der 1930 dafür sorgte, daß die deutsche Reparationsanleihe monopolartig durch das Bankhaus Morgan in den Vereinigten Staaten eingeführt wurde. Das Haus Morgan hat an dieser Emission allein Millionen verdient. Schon 1910 hatte das Bankhaus Morgan 25 000 Dollar für eine Kandidatur Stimsons als Governor von New York ausgegeben. Er fiel durch, wurde aber prompt von Präsident Taft (1909-1913) zum Kriegsminister ernannt. Als er schließlich von Hoover zum Staatssekretär erhoben wurde, sollte sich die "Investition" aus dem Jahre 1910 für das Bankhaus Morgan reichlich bezahlt machen. Stimson, humorlos, trocken, 1941 im 75. Lebensjahr, ist der Inbegriff des Dollar-Imperialismus der letzten Jahrzehnte. Als fanatischer Kriegshetzer vor dem Eintritt der USA. in den Weltkrieg, als Leiter einer vom Großkapital geforderten bewaffneten Intervention in Nikaragua 1927, als Generalgouverneur der Philippinen (1927–1928) –stets galt er der Mehrheit des Kongresses als verdächtig, stets war er unbeliebt, galt er als Doktrinär mit beschränktem Horizont. Sein Spitzname Wrong-Horse-Harry - Harry, der immer auf das falsche Pferd setzt - ist dafür bezeichnend.

Das Finanzkapital war also entschlossen, eine das ganze Land erfassende Propaganda für die Beteiligung am Krieg zu entfesseln. 1916 hatte das Bankhaus Morgan an sein Zweighaus Morgan, Grenfell & Co. nach London telegraphiert: "Wir wünschen, daß Sie wissen, daß wir mit Erziehungsarbeit beschäftigt sind, um den Weg für eine neue französische Anleihe zu ebnen." Am selben Punkt war man jetzt wieder angelangt. Die Hochfinanz witterte ein neues ungeheures Geschäft. Man benötigte nur ein durch die dunklen Finanztransaktionen des Weltkrieges nicht kompromittiertes Aushängeschild, und dies glaubte man in dem temperamentvollen Publizisten William Allen White gefunden zu haben. In jener Geheimsitzung in Couderts Büro wurde dieser kleine bewegliche Mann aus dem amerikanischen Mitteiwesten, der sich durch die Aufmerksamkeit so mächtiger Herren zunächst sehr geschmeichelt fühlte, zum Präsidenten des Propagandakomitees gemacht.

William Allen White ist ein seltsamer Fall. Als der Herausgeber einer winzigen Zeitung in der ebenso winzigen Stadt Emporia in Kansas hatte er in Hemdsärmeln und mit offener Weste wie Hunderte andere kleine Editors seine "Emporia Daily Gazette" zusammengeklebt. Mit der Zeit begann er indes in der Republikanischen Parteimaschine von Kansas eine Rolle zu spielen, und schließlich erlangte sein Witz eine Art Berühmtheit im ganzen Lande. Er begann Bücher zu schreiben, darunter eine Verherrlichung von Coolidge - es hieß "Ein Puritaner in Babylon" - und wurde nun in den Salons von New York herum gereicht. Eine hohe Stellung in der Freimaurerei ebnete hier Whits die Wege. Roosevelt nennt ihn vertraulich "Bill", und Frankfurter zählt ihn zu seinen Freunden. Als der Präsident 1939 Frankfurter zum Bundesrichter ernannt hatte, sandte er an White ein Telegramm "I have done it"1 – ein Beweis, daß White zu den unberechenbaren Kräften im Schatten des Weißen Hauses gehört. Lamont, Stimson und die anderen Drahtzieher glaubten in dem leicht geröteten, überall bekannten Apfelgesicht Whites die geeignete Maske zum Beweis der Redlichkeit ihrer Absichten gefunden zu haben.

Es kann gleich vorweg genommen werden, daß sie sich darin täuschten. Der über siebzigjährige Herr aus Emporia hatte nämlich zum Erstaunen der Zyniker in New York tatsächlich noch einen Rest von Gewissen. Anfang Januar 1941 legte er den Vorsitz des Komitees mit der Begründung nieder, "in zwei Unterorganisationen, nämlich in New York und Washington, sei eine Gruppe von Kriegshetzern vorherrschend. Er könne aber nicht Leiter einer Organisation bleiben, die dazu benutzt werde, den Krieg herauf zu beschwören." Diese Kriegshetzer waren niemand anders als die Herren von Wall Street, die die ersten Schecks zur Finanzierung des White-Komitees gegeben hatten. White selbst hatte naiv geglaubt, es bandele sich tatsächlich darum, Amerika aus dem Kriege herauszuhalten und nur England zu unterstützen. Die Episode zeigte jedenfalls, wie stark im Mittelwesten ein Gefühl für die Verwerflichkeit einer amerikanischen Kriegspolitik noch immer vorhanden war. Das Komitee selbst hatte allerdings zu jener Zeit seinen Zweck bereits erfüllt, da nun durch das Leih- und Pachtgesetz die unmittelbare Beteiligung der Vereinigten Staaten am Krieg schnell vorwärtsgetrieben wurde.

Die Geldmittel, die die Hochfinanz bei jener geheimen Zusammenkunft in Couderts Büro zur Verfügung stellte, müssen gewaltig gewesen sein, da die Vereinigten Staaten alsbald durch das White-Komitee mit schreienden deutschfeindlichen Plakaten, ganzseitigen Zeitungsinseraten, Hetzfilmen, Theaterstücken und Vorträgen, die alle von dieser Stelle aus finanziert wurden, vollends überschwemmt wurden. 1916/17 hatten Thomas Lamont und Morgan eine ganz ähnliche Organisation, die sich damals "National Security League" nannte, ins Leben gerufen und finanziert, deren Zweck es ebenfalls gewesen war, das Land auf den Kriegseintritt vorzubereiten. Eine Untersuchungskommission des Repräsentantenhauses hatte später festgestellt, daß Morgan und sein Kreis diese Propagandaorganisation nur deshalb gegründet hatten, um die von ihm aufgelegten englischen, französischen und sonstigen Anleihen besser im Publikum unterzubringen. Diese Untersuchungskommission wollte sogar ein Gerichtsverfahren gegen das Haus Morgan wegen dieser National Security League einleiten, das indes durch die Macht Morgans niedergeschlagen werden konnte (zumal auch Stimson damals bereits an dieser Organisation beteiligt gewesen war).

Das Erstaunliche an den Vorgängen im Jahre 1940 war nun, daß immerhin das belastende Material aus all diesen Untersuchungskommissionen vorlag, durch das die Rolle des Hauses Morgan während des Weltkrieges aufgedeckt worden war – insbesondere durch die Kommission unter dem Vorsitz des Senators Nye – daß aber dennoch das Volk in den Vereinigten Staaten einer unbekümmerten Wiederholung dieses widerwärtigen Spieles ausgeliefert war, ohne in der Lage zu sein, sich dagegen zu wehren1. Eine Reihe von Senatoren und Abgeordneten unter der Führung von Burton Wheeler, den wir bereits als den Gegenspieler Roosevelts im Kampfe um den Obersten Gerichtshof kennengelernt haben, trat zwar der Kriegspropaganda mit großem Mut und erstaunlicher Unerschrockenheit entgegen. Ihnen gesellten sich Männer hinzu, wie der weltbekannte Ozeanflieger Lindbergh und der katholische Priester Coughlin, der zuerst in seinen Rundfunkansprachen – später wurde ihm von dem Privatkapital, das den Rundfunk beherrscht, diese Möglichkeit genommen – und dann in seiner Zeitschrift unablässig gegen die Kriegshetzer wetterte. Das Bündnis zwischen Roosevelt und der Hochfinanz, das mit der Gründung des White-Komitees auch öffentlich in Erscheinung trat, war indes ein übermächtiger Gegner für diese kleine Schar von Vertretern einer wirklich amerikanischen und dem Volksinteresse entsprechenden Außenpolitik.

Die Hochfinanz stellte nun unbeschränkte Geldmittel für die Kriegsagitation zur Verfügung, während die Regierung über alle staatlichen Zwangsmaßnahmen, einschließlich der Erpressung der Abgeordneten, verfügte, die sich aus der Beherrschung der Staats- und Parteimaschinen ergaben. Dennoch darf der Einfluß in dieser amerikanischen Friedenspartei, die in Lindbergh einen Mann von ungewöhnlich moralischen Qualitäten an der Spitze hat, nicht unterschätzt werden. Die verschiedenen Abstimmungen, die in kurzen Abständen durch das "American Institute of Public Opinion" von Gallup vorgenommen wurden, zeigten, daß die überwältigende Mehrheit der Amerikaner nach wie vor die Beteiligung der USA. am Krieg scharf ablehnte. Die erste dieser Abstimmungen, die nach dem Ausbruch des Krieges in Europa vorgenommen wurde, ergab, daß 94 v. H. des amerikanischen Volkes gegen die Beteiligung am Kriege waren. Im Dezember 1939 erhöhte sich diese Ziffer sogar noch auf 96,5 v. H. Noch Ende Mai 1941 ergab sich, daß 79 v. H. aller Amerikaner gegen den Kriegseintritt waren, eine Ziffer, die auch im Juli, also nach dem Ausbruch des Krieges gegen die Sowjetunion gleichblieb und sich im Herbst 1941 auf 80 v. H. stabilisierte. Es ist hierbei anzumerken, daß die von Gallup angewandten Methoden der Kriegspartei von vornherein günstig sind, so daß diese Ergebnisse das wahre Bild noch nicht einmal getreu widerspiegeln.

Hochfinanz für lange Kriegsdauer

Die Zusammensetzung der Geldgeber des White-Komitees gibt über die Hintergründe der Kriegsagitation den besten Aufschluß. Wir müssen es uns versagen, hier auch nur annähernd vollständig all jene Finanzkreise aufzuführen, die sich am White-Komitee beteiligten. Schon die wichtigsten Namen zeigen indes, wie die Profitinteressen des Finanzkapitals die Vereinigten Staaten nun systematisch in den Krieg hineinhetzen.

Thomas Lamont hat im April 1915 in Philadelphia in kleinem Kreise eine Rede gehalten, in der er offen aussprach, daß die Hochfinanz Interesse daran hätte, daß der europäische Krieg möglichst lang dauere. Er begründete dies damit, daß durch einen länger dauernden Krieg die Vereinigten Staaten (worunter er etwas vereinfacht natürlich das Bankhaus Morgan verstand) aus einer Schuldner- in eine Gläubigernation verwandelt würden. Es war das die Zeit, in der das Haus Morgan die erste große französische Anleihe von 500 Millionen Dollar vorbereitete, mit der im Oktober 1915 das große Anleihegeschäft in Gang kam. Zu seiner völligen Ausnutzung mußte aber der Krieg so lange wie möglich dauern. Dieses Geständnis Lamonts – wir verdanken es Lundberg – ist höchst bedeutsam.

Das Haus Morgan war übrigens während des Burenkrieges bereits den Engländern beigesprungen und hatte durch drei Anleihen von zusammen 143 Millionen Dollar im Jahre 1901 ein Fünftel der Kosten des Burenkrieges gedeckt. Nichts mag besser die Hohlheit aller humanitären Phrasen illustrieren, als daß Lamont später erklärt hat, "das Haus Morgan war nie einen Augenblick neutral, seitdem das kleine Belgien überrannt worden war. Trotzdem Wilson auf Unparteilichkeit sogar in Gedanken drängte, nahmen wir uns vor, alles zu tun, was in unserer Macht lag, um den Alliierten so rasch wie möglich zum Sieg zu verhelfen."1 (Man beachte übrigens die fast wörtliche Übereinstimmung dieser Äußerung Lamonts mit der Erklärung Roosevelts nach dem Kriegsausbruch am 3. September 1939). Das Haus Morgan wurde jedenfalls kurz nach dem Ausbruch des Weltkrieges zum Einkaufsagenten der englischen und französischen Regierungen ernannt. Edward Stettinius sen., der als Zentraleinkäufer für das Haus Morgan arbeitete, gab später an, daß er für etwa 1,8 Milliarden Dollar Waren, Munition, Lebensmittel usw. im britischen Auftrage gekauft hatte. Sein Sohn bekleidet jetzt denselben Posten. Es gibt also in Amerika bereits "Erbhöfe des Kriegsgewinns".

Das Bankhaus Morgan hat nach den Feststellungen des Nye-Untersuchungsausschusses von den insgesamt 2,1 Milliarden, die die Alliierten in Amerika ausgaben, fünf Sechstel umgesetzt. Daneben ging das eigentliche Anleihegeschäft. Bis zum Kriegseintritt Amerikas hatten die Alliierten für 2,5 Milliarden Dollar Anleihen erhalten, die fast völlig unter der Führung des Hauses Morgan untergebracht wurden. Wie groß die Profite eigentlich gewesen sind, die Morgan, Lamont, Morrow, Davison und die anderen Morgan-Partner aus dem Weltkrieg gezogen haben, ist als Endsumme nicht bekannt. Für Morgan persönlich sind sie auf mindestens 100 Millionen beziffert worden, wobei der eigentliche "große Profit" nicht einmal durch die Anleihen und die direkten Verkäufe an die Alliierten gemacht wurde, sondern durch die ungeheuren Rüstungsgewinne der Riesengesellschaften, die praktisch vom Hause Morgan kontrolliert wurden. Die ünited States Steel Corporation z. B., die vom Hause Morgan beherrscht wird, wies auf Grund der ihr durch Morgan zugeteilten Kriegsaufträge im Jahre 1916 einen Nettogewinn von 271 Millionen Dollar aus. Diese eine Gesellschaft zahlte zwischen 1915 und 1919 355 Millionen Dollar Dividende. Ähnlich verhält es sich mit einer großen Anzahl anderer vom Hause Morgan beherrschter Konzerne und Trusts. Die Kriegsanleihen im engeren Sinne brachten dem Hause Morgan einen Reingewinn von 30 Millionen Dollar. Diese Kreise also waren die eigentlichen Gewinner auf den Schlachtfeldern Europas un Weltkrieg. Der amerikanische Botschafter in London während des Weltkrieges, W. H. Page, hat im März 1917 an Wilson ein Telegramm gesandt – es wurde im Dezember 1934 durch den Nye-Ausschuß veröffentlicht – in dem dies in offenen Worten zum Ausdruck kam. Er kabelte an den Präsidenten:

"Ich bin sicher, daß der Druck der heraufkommenden Krise nunmehr über die finanziellen Hilfsmöglichkeiten des Hauses Morgan für die britische und französische Regierung hinaus gewachsen ist. Höchstwahrscheinlich ist der einzige Weg, unsere augenblickliche beherrschende Handelsposition aufrecht zu erhalten und eine Panik zu vermeiden, der, Deutschland den Krieg zu erklären. Wenn die Vereinigten Staaten den Krieg gegen Deutschland erklären, so könnte England und den Alliierten durch eine Anleihe die größte Hilfe gegeben werden … Wir können unseren Handel aufrecht erhalten und ihn ausweiten, bis der Krieg zu Ende ist. Und nach dem Kriege würde Europa Nahrungsmittel und ungeheure Mengen von Material benötigen, um seine Friedensindustrien neu aufzubauen. Auf diese Weise würden wir den Profit eines ununterbrochenen und wahrscheinlich sich noch erweiternden Handels auf lange Jahre hinaus ernten."

Dahin also hatte im Weltkrieg das Haus Morgan das amerikanische Volk geführt! Als nun Thomas Lamont, der im Weltkrieg bei WIlson schließlich zu zentralem Einfluß gelangt war, im Weißen Haus wieder auftrat und als bekannt wurde, daß er für das Committee to Defend America by Aiding the Allies den ersten großen Scheck beigesteuert hatte, mußte jedermann wissen, wohin der Kurs ging. Und dies um so mehr, als Lamont in der Zwischenzeit einen so übermächtigen Einfluß auf die gesamte amerikanische Presse erlangt hatte, daß es ihm z. B. möglich war, das oben wiedergegebene Telegramm von Page an Wilson, das ganz kraß die Gründe zeigt, die die Vereinigten Staaten 1917 in den Krieg führten, fast in der gesamten amerikanischen Presse zu unterdrücken. Wie sagte doch Präsident Roosevelt so einleuchtend? "Die Vereinigten Staaten müssen vor allem für die Pressefreiheit einstehen und ein sicherer Zufluchtsort für die Wahrheit sein." Nun, bereits 1934 wurde dem amerikanischen Volk dieses vielleicht wichtigste Dokument der Weltkriegsgeschichte durch einen Machtspruch aus dem Hause Morgan vorenthalten. Dafür sehen wir alsbald einflußreichste amerikanische Verleger, voran den Juden Sulzberger von der "New York Times" und Henry Luce, den Verleger von "Life", "Time" und "Fortune" im White-Komitee als Geldgeber auftauchen. Die Hochfinanz hatte die so genannte Pressefreiheit schon längst abgeschafft und nur eine Freiheit der Beschimpfung anderer Länder übriggelassen. "Lamont ist buchstäblich überall in der amerikanischen Presse zu finden. Wo seine geheime Macht über den amerikanischen Journalismus beginnt und wo sie endet, könnte nur durch eine Regierungsuntersuchung festgestellt werden." Lundberg, der dies schreibt, berichtet zudem, daß sowohl bekannte Journalisten, wie Lippmann, Dorothy Tompson u. a., wie auch die Zeitschriften "Life", "Time" und "Fortune" finanziell von ihm abhängig seien.

Lamont selbst ist erst geraume Zeit nach der Gründung des White-Komitees - am 28. Januar 1941 - unverhüllt mit der Forderung hervor getreten, die Vereinigten Staaten sollten in den p Krieg eintreten. Es war dies die Zeit des Kampfes um das Leih- und Pachtgesetz, in dem er sich nun offen mit Roosevelt identifizierte: "Ich tue alles", sagte er damals, "was in meiner Kraft steht, um der gegenwärtigen Regierung zu helfen. Ich fordere die nationale Einheit in der Unterstützung des Präsidenten und seiner Pläne, England zu helfen. Wir Geschäftsleute sind die Todfeinde einer Befriedung, da eine Befriedung nichts anderes bedeuten würde, als die vollständige Aufgabe unserer Interessen."

Diese Solidaritätserklärung Lamonts mit dem Präsidenten war gleichzeitig das öffentliche Todesurteil über die angeblichen Bell atrebungen des New Deal, den übermächtigen Einfluß der Hochfinanz in den Vereinigten Staaten zu brechen. Von etwa 1900 ab bis zur Periode Hoovers hatte das Bankhaus Morgan und die mit ihm verbündeten Kräfte die Vereinigten Staaten beherrscht. Nun war der Versuch Roosevelts, die Grundlagen für einen anderen Gesellschaftsaufbau in den Vereinigten Staaten zu legen, schon längst zur unwesentlichen Episode geworden. Er war vergessen und mehr als dies, der Präsident war zur Marionette der Hochfinanz geworden, wie seine Vorgänger seit 1897 dies mehr oder minder ausgeprägt alle gewesen waren. Denn daran läßt die Finanzgeschichte der USA. keinen Zweifel: Wenn Morgan oder Lamont einen Präsidenten lobten oder versprachen, mit ihm durch dick und dünn zu gehen, dann war der Präsident in der Tat ihr Mann. Dabei muß man sich daran erinnern, daß es nur wenige Jahre her war, seit die Roosevelt-Regierung in den ersten stürmischen Monaten nach ihrem Amtsantritt aufgedeckt hatte, daß weder das Bankhaus noch Morgan und Lamont persönlich zwischen 1929 und 1933 auch nur einen Cent Steuern bezahlt hatten, und zwar mit der Begründung, daß sie in diesen Jahren nichts verdient hätten! Man muß sich daran erinnern, daß der Kongreß in der Hauptsache dadurch zur Neutralitätsgesetzgebung veranlaßt wurde, daß die düstere Rolle des Hauses Morgan im Weltkrieg durch den Nye-Ausschuß aufgedeckt worden war und es nun geschichtlich feststand, daß die Vereinigten Staaten niemals in den Krieg eingetreten wären, wenn die Anleihepolitik des Hauses Morgan nicht voraus gegangen wäre.

Verzweifelt versuchten einige Senatoren zusammen mit Lindbergh das amerikanische Volk daran zu mahnen, daß die 125 000 amerikanischen Jungen, die auf den Schlachtfeldern Flanderns und Frankreichs geblieben waren, ein Blutopfer für die Hochfinanz darstellten, die aus dem Weltkrieg ihre Millionengewinne geschöpft hatte. Der Propagandaapparat des White-Komitees übertönte diese warnenden Stimmen. In jenen Monaten wurde man an eine merkwürdige Erscheinung erinnert, die die weißen Kolonialpioniere in den Prärien des amerikanischen Westens zu ihrem Schrecken kennengelernt hatten. Es kommt dort vor, daß sich plötzlich der großen Herden eine merkwürdige und unerklärbare Unruhe bemächtigt. Die Tiere drängen sich nervös zusammen, dann bricht die Herde mit donnerndem Hufschlag über alle Koppeln und Zäune und rast wie von einer wilden Angst befallen zu Hunderten, ja manchmal zu Tausenden über die weite, von den sengenden Strahlen der Sonne durchglühte Ebene, bis sie irgendwo auf einen Abgrund trifft, in den die Tiere dann brüllend und von einem dumpfen Schicksal getrieben hineinspringen. Die Farmer des Westens nennen diese rätselhafte Erscheinung Stampede. Riesige Vermögen sind auf diese Weise oft innerhalb einer Stunde verloren worden. Die Massenpsychose, die nun in den Vereinigten Staaten einsetzte, mag wohl später als ein politisches Stampede erscheinen. Während aber draußen in den Prärien unerklärbare Einflüsse des Klimas die Herde aufscheuchen, lassen sich auf dem politischen Felde die Ursachen nur zu genau ergründen. Die Verwandlung der • Seele des Weißen Mannes auf amerikanischem Boden durch die % Einwirkungen von Klima und Natur dürfte allerdings viel größer sein, als dies dem oberflächlichen Blick erscheint, der nur die zivilisatorische Ähnlichkeit mit Europa zu sehen vermag. Jede Art von Propaganda in Amerika rechnet daher mit der besonderen Disposition zur Massenpsychose in diesem Kontinent.

Die Liste der Geldgeber des "Committee to Defend America by Aiding the Allies" ist im Frühjahr 1941 veröffentlicht worden. Die Summen, die dabei als Beiträge zugegeben wurden, stimmten natürlich nicht. Immerhin war die Namenliste aufschlußreich genug. Neben Morgan und Lamont fanden sich noch einige andere Morgan-Partner sowie aus der Hochfinanz Felix M. und James F. Warburg, Frank Altschul, der Vertreter der großen jüdischen Pariser Bank Lazard Freres in New York, der als Ritter der Ehrenlegion eine hervorragende Rolle in der Verbindung zwischen den amerikanischen und französischen Logen gespielt hatte. Die Liste bestand etwa zur Hälfte aus jüdischen Namen. Sie enthielt zum Beispiel zehn verschiedene Abarten von Levy (Levee, Levitt, Levisohn und andere). Namen wie Untermyer, Gottesman, Goldsmith, Goodman, Kahn, Marx, Israel Matz, Mossman, Samuel Schneiderson, Stein, hardt, Strauß, Wertheim, Guggenheim, Goldwyn waren unter vielen anderen hierfür typisch. Die Hochfinanz war ferner durch Winthrop W. Aldrich, den Generaldirektor der Chase National Bank, einen der größten Finanzgewaltigen von Wall Street neben Morgan, vertreten. Die Rüstungsindustrie unter anderem durch die Mitglieder des Bankhauses Lehman Brothers. [Es handelt sich um das selbe Bankhaus, dessen betrügerischer Bankrott im Jahre 2008 zur Weltfinanzkrise führen sollte, Anm. Dikigoros.]

Die Interessen dieses Bankhauses geben noch einen besonders typischen Einblick in die Zusammenhänge von Kriegshetze und Rüstungsindustrie, die sich nun in den Vereinigten Staaten erneut zu entwickeln begannen. Das Bankhaus Lehman ist eine Macht für sich. Bereits in den zwanziger Jahren wurde das Vermögen der gesamten Lehman-Familie als das sechzehntgrößte in den USA. mit 130 Millionen Dollar angegeben. Durch Heirat eines Mitgliedes der Lehman-Familie ist sie zudem mit den Inhabern des großen französischen Bankhauses Lazard Freres verbunden, das vor 1939 die Kriegspropaganda in Frankreich finanzierte, durch die das französische Volk ins Unglück gestürzt worden ist. Seit 1937 etwa begann sich nun das Bankhaus Lehman auf riesige Millionen-Investierungen in der amerikanischen Flugzeugindustrie zu spezialisieren. Die große Öffentlichkeit auch in New York hatte wohl keine Ahnung, daß die Kriegsreden des Governors Herbert Lehman in unmittelbarstem Zusammenhang mit den Flugzeugwerken standen, die gleichzeitig durch die Lehman-Bank in Kalifornien und den Südweststaaten finanziert wurden. Ähnlich verhält es sich mit dem Bankhaus Warburg, dessen Schecks ebenfalls dem White-Komitee zuflössen, und vielen anderen.

So war der Zusammenhang zwischen der Kriegsagitation und der Hochfinanz ähnlich wie während des Weltkrieges vollkommen wiederhergestellt. Das Haus Morgan hatte zwar das Einkaufsmonopol von England diesmal nicht erhalten, weil man sich denn doch scheute, die Wiederholung so offen in Szene zu setzen. Immerhin hatte sich die Morgan-Bank 1940 entsprechend dem neuen amerikanischen Bankgesetz, das eine Scheidung zwischen Depositen- und Effektenbanken vorschreibt, in eine Trustkompanie umgewandelt, d. h. in eine Effektenbank, deren alleinige Besitzer John P. Morgan und Th. Lamont sind. Der Grund für diese Umwandlung war eine neue ungeheuere Finanztransaktion, die Millionengewinne versprach. Im Frühjahr 1941 beauftragte das britische Schatzamt Morgan & Co. fast monopolartig mit dem Verkauf der englischen Wertpapiere in den Vereinigten Staaten. Hierzu mußte aber die entsprechende Stimmung geschaffen werden. Dieses ungeheuere Geschäft bildete also den eigentlichen Hintergrund für das Interesse, das das Haus Morgan wieder an der "Erziehung" des amerikanischen Volkes zum Kriege nahm. Thomas Lamont, inzwischen schon 73 Jahre alt, wurde mit Recht erneut als die "mächtigste Persönlichkeit der westlichen Hemisphäre" angesprochen. Der englische König hatte ihn und Morgan, als er 1939 in New York geweilt hatte, mit seinem Besuch beehrt. Als dann im Herbst 1940 England zum täglichen Ziel der großen deutschen Luftangriffe wurde, stellte Morgan mit fürstlicher Geste dem englischen Königspaar seinen Landsitz in den Midlands zur Verfügung, offenbar in der Annahme, daß dies ein sicherer Ort sei als Sandringham oder der Buckingham Palace. Sein Schloß in Aldenham trägt den bemerkenswerten Namen "Wall Hall". Diese Walhalla der Plutokratie, unter deren 22 Badezimmern sich Georg VI. nun das geeignete aussuchen darf, ist eine sinnige Apotheose für Wall Street!

Vrir erwähnten, daß an der geheimen Sitzung im April 1940 im Büro von Coudert, auf der das White Committee gegründet wurde, auch die Präsidenten der Harvard- und der Columbia-Universitäten teilgenommen haben. In der Tat waren es gerade einige amerikanische Universitäten, die nun in der geistigen Kriegshetze eine besondere Rolle zu spielen begannen. Für den Plan des Generalstabes der Kriegstreiber war dies von erheblicher Bedeutung, da die Äußerung eines Professors dem Volke immer als ein gewissermaßen objektives, wissenschaftliches Zeugnis erscheint, das gewiß nicht mit irgendwelchen Kapital- und Profitinteressen in Zusammenhang gebracht wird. Dr. James Conant, der Präsident der Harvard-Universität, erklärt denn auch in einer durch das White-Komitee organisierten Rundfunkrede1, "England müsse nicht nur Hilfe 'short of war' gegeben werden, sondern diese Hilfe müsse durch unmittelbaren Beistand der amerikanischen Marine und, Armee erweitert werden, wenn dies notwendig sei". Als einer der ersten setzte sich damit also der Leiter einer der größten wissenschaftlichen Institutionen in den Vereinigten Staaten offen für den Kriegseintritt Amerikas ein. In den Zeitungen wurde dies nicht als politische Äußerung, sondern als das Ergebnis " wissenschaftlicher" Überlegungen behandelt und entsprechend ausgewertet. Ganz ähnlich verhielt sich Nicholas M. Butler, der Präsident der Columbia-Universität, der uns als Verwalter des "Carnegie Endowment for International Peace" bereits als eine der mächtigsten Säulen des englischen Einflusses in den Vereinigten Staaten begegnet ist.

1 Daily Telegraph, 21. 11. 1940.

 

264] Universitäten von Hochfinanz abhängig

Die Hintergründe dieser Rolle der wichtigsten amerikanischen Universitäten würde unverständlich bleiben, wüßte man nicht, daß sie sich in Wirklichkeit vollständig in Händen des Finanzkapitals befinden, das unter den Treuhändern der großen Universitäten die ausschlaggebende Rolle spielt. Die Hochfinanz sah in der Beeinflussung der Universitäten von jeher eines der wichtigsten Mittel, um die amerikanische öffentliche Meinung in dem wichtigen Sektor der Heranbildung der akademischen Jugend ganz in ihrem Sinne zu lenken. Da die Universitäten im wesentlichen auf private Stiftungen angewiesen sind und entsprechend dem amerikanischen Mythos der Staat auch auf diesem Gebiete möglichst wenig öffentliche Gelder in die Hochburgen der amerikanischen Erziehung investiert, war es den Finanzmagnaten überaus einfach, sich hier auf dem Umweg über große Geldzuwendungen, Stipendien, Erbauung von Universitätshäusern usw. einen schlechthin beherrschenden Einfluß zu sichern. Von den 33 Treuhändern, die z. B. das Vermögen der Harvard-Universität verwalten, sind nicht weniger als zwölf Mitglieder der Hochfinanz (Bankkapital), sechs kommen aus dem Großhandel, vier aus den großen Eisenbahngesellschaften usw. Prof. J. Davis hat ausgerechnet, daß in den 27 wichtigsten amerikanischen Universitäten unter insgesamt 659 Treuhändern sich nicht weniger als 254 Bankiers befinden, während der Rest durch das Großhandels-, Eisenbahn-, Elektrizitäts- und sonstige Kapital gestellt wird. So kommt es, daß in den vier wichtigsten Universitäten der Einfluß der verschiedenen Gruppen der Hochfinanz sich folgendermaßen verteilt: In der Harvard-Universität besitzt das Bankhaus Morgan den ausschlaggebenden Einfluß - Thomas Lamont war dort jahrelang der Präsident der Treuhänder. In der Yale-Universität teilen sich die Morgan- und die Rockefeller-Gruppen in die Vormachtstellung. In der Columbia-Universität ist die New York National City Bank, die ebenfalls zur Morgan-Gruppe gehört, maßgebend, während die Universität von Chicago durch die Rockefeller-Gruppe beherrscht wird.

Die Folge dieser Machtstellung der Hochfinanz im amerikanischen Wissenschaftsleben ist eine unbemerkte Zensur der Professoren und hier insbesondere der sozialwissenschaftlichen, soziologischen und juristischen Fakultäten. Kritiker der Auswüchse des Finanzkapitalismus wurden durch die Einflüsse der Hochfinanz stets nach kurzer Zeit unter irgendwelchen Vorwänden entfernt, wie z. B. Thorstein Veblen, der bekannte Sozialwissenschaftler, dem die Chicago-Universität wegen einer angeblichen Liebesaffäre den Stuhl vor die Türe setzte. In Wirklichkeit war er der Rockefeller-Gruppe unangenehm aufgefallen. Bereits während des Weltkrieges waren infolgedessen die amerikanischen Universitäten Brutstätten der Hetzpropaganda gewesen, für die sich viele amerikanische Professoren, als sie später wieder nach Deutschland kamen, verlegen entschuldigten. Am schlimmsten aber hatte sich die Carnegie-Stiftung für Internationalen Frieden benommen. Butler saß im Ausschuß dieser Stiftung schon damals mit großen amerikanischen Waffenfabrikanten und an der Rüstungsindustrie interessierten Bankiers zusammen. Die Carnegie-Stiftung erklärte infolgedessen im April 1917: "Die aussichtsreichste Methode, um einen dauerhaften internationalen Frieden zu erreichen, ist, einen Krieg gegen Deutschland mit dem Ziel eines Endsieges der Demokratien zu führen." Ein Kritiker jener Periode schreibt:

"Man hätte glauben müssen, daß die Carnegie-Stiftung durch • die Einkünfte aus zehn Millionen Dollar die Unabhängigkeit ihrer Meinung verstärkt hätte, in Wirklichkeit hatte dies den gegenteiligen Effekt. Tatsächlich glaubte sie nicht ernstlich an ihre eigene Propaganda. Verbunden mit Big Business, wie sie war, identifizierte sich die Carnegie-Stiftung mit dem Erfolg der Alliierten. Die großen Gelder, die sie zur Verfügung hatte, machten sie nicht weniger, sondern mehr abhängig als die weniger reich bedachten Universitäten. Der Enthusiasmus der Treuhänder für den Krieg war so groß, daß sie im November 1917 ihre haßerfüllten Resolutionen gegen Deutschland noch einmal wiederholten." Die Carnegie-Stiftung hat denn auch sofort dem White-Komitee größere Summen zur Verfügung gestellt, nachdem schon vorher der Generalsekretär von White, der Jude Clark Eichelberger, als Vorsitzender der "League of Nations Association" von Butler unterstützt worden war1.

1 Rechenschaftsbericht der Carnegie Endowment für 1936.

 

 

266] Freiheit – zum Kriegsgewinn

Thomas Lamont selbst ist im übrigen als Präsident des Verwaltungsrates der "Carnegie Endowment" an dieser Entwicklung ebenso unmittelbar beteiligt wie Morgan, dessen Sohn Henry S. Morgan jetzt die ausschlaggebende Rolle im Verwaltungsrat der Harvard-Universität spielt.

Kaum war im Schaltwerk der Hochfinanz der Entschluß gefallen, die Kriegspolitik Roosevelts zu unterstützen und ein politisches Stampede im amerikanischen Volk durch eine planmäßige "Erziehung" vorzubereiten, als man nur auf die verschiedenen Knöpfe zu drücken brauchte, um die entsprechenden kriegslüsternen Resolutionen der verschiedenen Universitäten zu erhalten. Ein ungeheurer Apparat setzte sich in Bewegung, der, vom White-Komitee geleitet, dem kleinen Kreis der Mitglieder der Hochfinanz zur Beeinflussung der öffentlichen Meinung zur Verfügung stand. Dahinter zeichneten sich in großen Linien bereits die Möglichkeiten für neue Kriegsgewinne ab, die, wie man hoffte, die Millionenprofite des Weltkrieges noch weit in den Schatten stellen würden. Roosevelt wäre es wohl kaum möglich gewesen, den beständig opponierenden Kongreß und das, wie aus den Gallup-Abstimmungen hervorgeht, den Frieden wünschende Volk auf die abschüssige Bahn seiner Kriegspolitik zu ziehen, wenn er nicht durch den Friedensschluß mit dem Finanzkapital wieder jene Mächte für sich gehabt hätte, die schon Wilson auf seinem Weg in den Krieg vorangegangen waren. Es ist ein sehr düsteres Bild der Weltgeschichte, das sich hier enthüllt. Hinter den moralischen Phrasen taucht die Fratze der Kriegsgewinne auf. Immer häufiger wird der Anspruch erhoben, daß Amerika der Welt ein neues Moralstatut des "allgemeinen Friedens" geben müsse, während gleichzeitig die Banken und die Kriegsindustrie sich daran machen, ihren Apparat in Gang zu setzen, mit dem sie die blutige Ernte der Schlachtfelder in schäbiges Gold umzusetzen hoffen.

Jener 29. April 1940, an dem die Prokonsuln der Hochfinanz den Beschluß faßten, die Kriegspropaganda in den Vereinigten Staaten zu finanzieren, ist ein Datum, das nicht übersehen werden darf, wenn man die moralischen Kräfte, die sich in diesem Krieg gegenüberstehen, gegeneinander abwägt. Präsident Conant von der Harvard-Universität erklärte während des Kampfes um das Leih- und Pachtgesetz, es handle sich jetzt nicht um einen imperialistischen, sondern um einen religiösen Krieg! Unmittelbar vorher aber hatte sein Treuhänder und Geldgeber Lamont, den wir als den Neugründer des ausbeuterischen China-Konsortiums bereits 1920 im Fernen Osten tätig sahen, offen ausgesprochen: Japan müsse ein für allemal die Idee einer neuen Ordnung in Asien aufgeben. "Die einzig mögliche Antwort der Vereinigten Staaten auf die Drohung im Fernen Osten ist eine stetig wachsende Hilfe für Europa und eine zusätzliche Hilfe für China1." Dies also waren die "religiösen" Unterströmungen der sich in Amerika rasch entfaltenden Kriegspropaganda. Was niemand für möglich gehallen hatte, wurde wahr: der Zynismus, mit dem im Weltkrieg das amerikanische Volk auf die Schlachtfelder gejagt worden ist, konnte sogar noch übertroffen werden. Blickt man von diesem dunklen Hintergrunde aus auf den Krieg, den Deutschland und seine Verbündeten führen, so erscheint er allerdings in noch viel tieferem Sinn als ein Revolutionskrieg.

Soll also Park Avenue die Welt beherrschen? Und zu welchen Zielen? Für das Jahr 1927 hatte man ausgerechnet, daß die viertausend Familien, die in Park Avenue lebten, zusammen ein Jahresbudget von 280 Millionen Dollar verbrauchten. Hiervon haben die viertausend Frauen und ihre Töchter allein 85 Millionen für ihre Kleider ausgegeben, d. h. 21 000 Dollar für jede Mutter und jeweils eine Tochter. Das Essen für diese viertausend Familien belief sich auf 32 Millionen Dollar, die jährlichen Anschaffungen an Juwelen auf 20 Millionen, an Autos auf 16 Millionen, an Privatjachten auf 7 Millionen und die Ausgaben schließlich für Blumen, "kleine Geschenke" und Süßigkeiten auf 10 Millionen Dollar2. Dies also wäre die Kultur, für die es zu kämpfen gilt! Und für die sie alle sterben sollen, die Soldaten Chinas, Indiens, Australiens und Englands, Südafrikas, Kanadas und Ägyptens. Nennen wir hier also die Dinge doch endlich beim richtigen Namen! Sprechen wir aus, was der Sinn des Krieges für diese Schicht ist, die nach dem Bündnis zwischen Lamont und Roosevelt die Kriegs-

1 Associated Press, 13. 11. 1940.
2 The New Republic, 25. Mai 1927.

 

268] Schicksalschwerer Mai 19-10

Propaganda zu finanzieren begann. Um welche Freiheit handelt es sich eigentlich? Doch nur um die, daß der Park Avenue aus allen Ländern der Erde weiterhin Milliarden als Tribut zufließen – und wenn es sein muß – als Profit aus einem Krieg. Es handelt sich um die Freiheit zum Kriegsgewinn.

Am 10. Mai 1940 begann die große Offensive des deutschen Westheeres gegen die Aufmarschstellung der Franzosen und Engländer in Holland, Belgien und Nordfrankreich. In Paris und London erklärte man, es sei zu begrüßen, daß der Sitzkrieg beendet sei. Roosevelt ließ in seinem Arbeitszimmer eine riesige Karte der Westfront aufstellen. Aus dem Kriegsministerium wurde ein General beordert, der sie ständig auf dem laufenden halten sollte. Nicht zweimal wie bisher, sondern sechs- und achtmal telefonierte Roosevelt nun täglich mit Bullitt in Paris, der ihm die letzten Informationen, die er jeweils erlangen konnte, durchsagen mußte. Am 14. Mai hatte Holland kapituliert, und in der Nacht vom 15. auf den 16. Mai gab Bullitt die Hiobsbotschaft durch, daß die berühmte Maginotlinie in einer Breite von 100 Kilometern südlich Maubeuge durchbrochen sei. Die Wirkung im Weißen Haus war geradezu unbeschreiblich. Wie ein Kartenhaus brachen alle Berechnungen über den voraussichtlichen Verlauf des europäischen Krieges von einer Nacht auf die andere zusammen. Berle, der Verfasser der außenpolitischen Reden des Präsidenten, und sein Lehrmeister Frankfurter, Welles und Hull, sowie der Chef des Generalstabes General Marshall wurden eilends herbeigeholt. Der Präsident befand sich in einem Zustand schwer depressiver Hysterie. Es war erst ein Jahr vergangen, seit er den Senatoren angedeutet hatte, der Rhein sei die Grenze Amerikas. Was also sollte er nun sagen? In aller Eile wurde in jener Nacht eine Sonderbotschaft zurechtgezimmert, die der Präsident am nächsten Tage persönlich dem Kongreß vorlesen wollte. Roosevelt glaubte, die Stunde sei gekommen, zu der man dem amerikanischen Volk endlich vorgaukeln konnte, daß es von den Deutschen, die eben siegreich die Maginotlinie durchstießen, bedroht sei. Da man keine Zeit hatte und ein zureichendes militärisches Gutachten nicht vorlag, rechnete Berle auf Grund eines Flugplanes der amerikanischen und europäischen Verkehrsfluggesellschaften einfach die Flugstunden aus, in denen das Gebiet der Vereinigten Staaten von verschiedenen vorgeschobenen Punkten des Atlantik aus zu erreichen ist. Auf diese primitive Weise entstand Roosevelts sogenannte Geographierede vor dem Kongreß am 16. Mai:

Er forderte 1182 Millionen Dollar für militärische Zwecke, "um jeder Blitzoffensive die Stirn bieten zu können". Er verlangte den Ausbau der amerikanischen Flugzeugindustrie bis zu einer Kapazität von 50 000 Flugzeugen jährlich. Und dies wurde mit den von Berle in einer halben Stunde zusammengeschriebenen Flugentfernungen einzelner Punkte im Atlantik begründet. "Von den Fjorden Grönlands sind es nur vier Stunden Flug bis Neufundland und nur sechs Stunden bis nach Neu-England. Von den Azoren sind es ebenso nur sechs Stunden bis nach Neu-England. Wenn die Bermudas in die Hand des Feindes fielen, benötigten moderne Bomber nur noch drei Stunden, um unsere Küsten zu erreichen. Von einem Stützpunkt auf den Antillen könnte Florida in 200 Minuten erreicht werden. Die an den Westküsten Afrikas gelegenen Inseln sind nur 1500 Meilen von Brasilien entfernt. Moderne Flugzeuge, die von den Kap-Verdischen Inseln abfliegen, können in sieben Stunden in Brasilien sein. Brasilien ist nur vier Stunden Flug von Carracas in Venezuela entfernt und zweieinhalb Stunden von der Zone des Panamakanals. Die Panamakanalzone ist nur zweieinviertel Stunden von Tampico in Mexiko entfernt und Tampico selbst nur zweieinviertel Stunden von St. Louis, Kansas-City und Omaha."

Also sprach der Präsident. Das amerikanische Volk war fassungslos. Auch der kleinste Lehrer an einem College in Omaha oder St. Louis konnte nicht begreifen, daß seine mehr als tausend Meilen vom Atlantik und fast einen halben Erdumfang von Europa entfernte Stadt nun plötzlich von einem "Blitzangrifi" bedroht sein sollte. Schließlich wußte auch der blutigste militärische Laie, daß durch die Unmöglichkeit, eine Bodenorganisation in den von Roosevelt erwähnten Gebieten zu errichten, von daher den Vereinigten Staaten niemals eine Gefahr drohen konnte. Die "Geographierede", dieses Produkt einer hysterischen Nacht, in der Bullitt halbstündlich mit Roosevelt telefoniert hatte, war an Dilettantismus nicht mehr zu überbieten. Aber der Kongreß beugte sich und bewilligte. Er hatte damals keine Ahnung, auf welche leichtfertige Weise die Argumente des Präsidenten zusammen gescharrt worden waren.

Hanson W. Baldwin, der ständige strategische Sachbearbeiter der "New York Times", derjenigen Zeitung also, die politisch den Unsinn der angeblichen Bedrohung Amerikas im Sinne des Präsidenten am rücksichtslosesten vertritt, hat in seinem im Juni 1941 erschienenen Buche "United We Stand" über diese ganze Methode der künstlichen Panikmache ein vernichtendes Urteil gefällt. Er schreibt:

"Der Autor kennt nicht einen einzigen verantwortlichen Offizier der Armee oder der Marine und ebensowenig einen Beamten, der glaubte, daß die Vereinigten Staaten auch in dem Falle, daß Deutschland den Krieg gewinnt, durch eine direkte Invasion bedroht seien. Man braucht nur die Schwierigkeiten zu erwägen:

Keine etwa feindliche europäische oder asiatische Macht besitzt in der westlichen Hemisphäre territorialen Besitz oder Stützpunkte. Der Atlantik erstreckt sich über mindestens 3000 Meilen. Zwischen 4000 und 7000 Meilen liegt der Pazifik zwischen dem amerikanischen Kontinent und Asien. Eine Invasionsarmee könnte dieses Land allein zu Schiff oder mit dem Flugzeug erreichen, da Armeen nicht zum Sieg schwimmen können. Keine einzige Macht außer England verfügt über eine Flotte, die gleich stark wie die unsrige ist. Keine zwei anderen Mächte bauen so viele Schlachtschiffe wie wir. Eine Schlachtflotte ist wesentlich schlagkräftiger in der Nähe ihrer eigenen Stützpunkte. Ihre Gefechtskraft nimmt ab, je weiter sie sich von ihren eigenen Stützpunkten entfernt und je näher sie an die feindlichen Basen heran rückt. Die Möglichkeiten für schlagkräftige Operationen liegen für die Schlachtflotten zwischen 1500 und 3000 Meilen."

"Es kommt hinzu, daß die Schlachtflotten nicht in erster Linie darauf eingerichtet sind, Küstenbefestigungen anzugreifen. Sie sind keine Gefahr für einen Kontinent, sondern dazu gebaut, um die Seeverbindungen zu kontrollieren. Unsere eigene Flotte ist voraussichtlich in der Lage, in ihren eigenen Gewässern die vereinigten Flotten von Deutschland, Italien und Japan abzuwehren, über die diese Mächte zur Zeit verfügen … In der Luft ist die Frage noch schwieriger. Wie alle militärischen Beobachter wissen, war Oberst Lindbergh vollkommen im Recht, wenn er sagte, eine Invasion aus der Luft gegen die Vereinigten Staaten sei unmöglich. In seiner berühmten Geographierede gebrauchte Präsident Roosevelt die Luftwaffe offenbar nur als den großen bösen Wolf, um das Land zu erschrecken und die Notwendigkeit der Aufrüstung zu begründen. Seine Vergleiche sollten infolgedessen nicht allzu wörtlich genommen werden; seine Ziffern über die Flugentfernungen wurden falsch ausgelegt. Luftstreitkräfte haben bisher nicht bewiesen, daß sie in der Lage sind, ein Gebiet zu erobern. Die Luftwaffe ist eine furchtbare Vernichtungsmaschine, aber für sich allein könnte sie niemals ein Instrument des Sieges gegen Amerika sein."

"Ungefähr 90 v. H. der in der ganzen Welt zur Zeit verfügbaren Bomber haben einen Radius zwischen 300 und 900 Meilen. Für Massenflüge von Bombern liegt zur Zeit die Grenze bei 1000 Meilen (500 Meilen hin, 500 zurück). Einige wenige Küstenpunkte am Atlantik könnten infolgedessen von Europa aus durch kühne Vorstöße erreicht werden, militärisch würde dies indes wenig bedeuten … Ebensowenig können Fallschirm- oder Luftlandetruppen mit Flugzeugen in solcher Menge transportiert werden, daß sie einen Kontinent erobern könnten. Große Flugzeuge wie unsere Clipper könnten vierzig Mann transportieren, aber es könnte sich hierbei nur um Selbstmordabteilungen handeln, die höchstens für Sabotage eingesetzt werden könnten." Hanson W. Baldwin rechnet dann aus, daß der Transport einer Invasionsarmee nur mit bewaffneten Handelsdampfern möglich wäre und daß auch dies nach Lage der Dinge eine Gefahr für die Vereinigten Staaten nicht darstelle, und kommt dann zu dem Schluß:

"Der Einfluß der Entfernung und der Ozeane auf militärische Operationen ist noch immer so bedeutend und unsere eigene Stärke im Verhältnis auch zu einer starken feindlichen Kombination so groß, daß die Schwierigkeiten einer direkten Invasion so gut wie unüberwindlich sind. Wenn man auch dies als unmöglich ansprechen darf, so liegt eine direkte Invasion der Vereinigten Staaten von Europa oder von Asien innerhalb der nächsten zehn Jahre so nahe bei dem militärisch Unerreichbaren, wie überhaupt nur etwas sein kann." Abschließend erklärt Hanson Baldwin, daß eine Invasion nach den Vereinigten Staaten also unmöglich sei, wenn ein etwaiger Feind nicht über Stützpunkte in der Westlichen Hemisphäre selbst verfüge. Hierin stimmten, so betont er, alle militärischen Fachleute überein.

Dies also ist das Urteil eines der hervorragendsten strategischen Beobachter der Vereinigten Staaten aus dem Sommer 1941. Es könnte schwerlich überzeugender dargelegt werden, wie Roosevelt mit bewußt falschen und dilettantischen Argumenten versucht hat, dem amerikanischen Volk einen tödlichen Schrecken einzujagen und eine Massenhysterie zu erzeugen, wie er sie für seine eigenen Zwecke benötigte. Die Argumente der "Geographierede" kehrten seitdem in den verschiedensten Abwandlungen in allen Reden des Präsidenten wieder. Wir sahen, wie diese Argumente bereits 1937 in Chicago zum erstenmal auftauchten. Sie hatten weder mit Strategie noch mit Verteidigung der Vereinigten Staaten etwas zu tun. Sie waren vielmehr lediglich zu dem Zeitpunkt, zu dem sie zuerst ausgesprochen wurden, dazu bestimmt, Roosevelt die Möglichkeit zu geben, mit der seit Washington bestehenden Tradition, daß kein Präsident länger als acht Jahre im Amt sein durfte, zu brechen. Roosevelt erstrebte die dritte Präsidentschaftsperiode. Diese aber war nur zu erreichen, wenn das Volk der Überzeugung war, daß es ernsthaft bedroht sei. Am 16. Mai hatte er, wie erwähnt, vom Kongreß 1,2 Milliarden für Aufrüstungszwecke verlangt. Am 31. Mai forderte er eine weitere Milliarde und am 10. Juli 1940 schließlich die Riesensumme von 4 Milliarden 848 Millionen Dollar.

 

273] Das Ende einer Freundschaft

Mittlerweile vollzog sich in Europa schnell das Schicksal des ersten Opfers der vagen und niemals einlösbaren Hilfsversprechungen des Präsidenten Roosevelt. Bereits am 3. September 1938 hatte Bullitt in Bordeaux erklärt, die Vereinigten Staaten und Frankreich seien im Frieden wie im Krieg unauflöslich miteinander verbunden. Die Rolle Bullitts in den kritischen Monaten des Sommers 1939 haben wir bereits geschildert. Französische Politiker wie Reynaud sind ohne Zweifel beim Kriegsausbruch der Meinung gewesen, sie hätten die Macht der Vereinigten Staaten hinter sich. Dies war ihnen unzählige Male in unzweideutiger Form durch Bullitt mitgeteilt worden. Nun, da die Katastrophe eintrat, versuchte Bullitt bis zum letzten Augenblick diejenigen Kräfte in Frankreich, die noch an der Fortsetzung des aussichtslosen Kampfes festhielten, zu stärken. Am 9. Juni 1940, als die deutschen Armeen nach der Flandernschlacht schon durch die sogenannte Weygandlinie hindurchbrachen, fuhr er mit einer kleinen Abordnung von französischen Politikern und dem Erzbischof von Paris nach Domremy in Lothringen, dem Geburtsort der Jungfrau von Orleans, um dort ausgerechnet einen Altar einzuweihen. Derselbe Mann, der vordem die Verbindung zwischen den USA. und den Sowjets hergestellt und als erster USA.-Botschafter nach Moskau gegangen war, legte nun am Denkmal der Jungfrau von Orleans im Namen des Präsidenten Roosevelt einen Strauß weißer Rosen nieder und erklärte, das französische Blut, das zur Zeit fließe, werde für die Werte von 2000 Jahren christlicher Zivilisation vergossen! Er sprach von deutscher Grausamkeit und Bestialität und endete mit der Hoffnung auf einen französischen Sieg – dies war fünf Tage vor der Einnahme von Paris.

Als sich dann eine Woche später Reynaud verzweifelt mehrfach an Roosevelt wandte und um die Einlösung des Blankoschecks bat, waren es nichtssagende Redensarten, mit denen er aus Washington abgespeist wurde. Und wieder einige Wochen später, als bei Oran und dann bei Dakar die britische Flotte auf französische Schiffe schoß und Hunderte von französischen Matrosen ums Leben kamen, hatte man in Washington nur noch Hohn, Spott, Verach-

 

274] Das Ende einer Freundschaft

tung und schließlich sogar offene Beschimpfungen für Frankreich übrig. Die weißen Rosen am Denkmal von Domremy waren längst verwelkt. Auch der Marschall Pétain gehörte nun offenbar zu den Führern der "barbarischen Völker". Bullitt war nach Amerika zurückgefahren und sprach in Philadelphia über dasselbe Frankreich, dessen Eintritt in den Krieg er mit allen Mitteln betrieben hatte, als einem morschen Gerüst, das niemals imstande gewesen sei, ernsthaft Widerstand zu leisten. Dies war das klägliche Ende einer Freundschaft, an die die Franzosen geglaubt und auf die vertrauend sie ins Feld gezogen waren. Sie waren kaum besiegt, als die amerikanische Presse Ansprüche auf Dakar zu erheben begann. Der Dank aus Washington kam prompt.

Jchon vom Frühjahr 1940 ab standen alle Schritte des Präsidenten im Zeichen der bevorstehenden Wahl. Es galt für ihn einerseits das amerikanische Volk dauernd im Gefühl des Schreckens, des Ausnahmezustandes, der unmittelbaren Bedrohung zu halten, das allein den Hintergrund für eine dritte Präsidentschaft abgeben konnte, andererseits aber mußte Roosevelt den Eindruck erwecken, als ob er entschlossen sei, eine aktive Teilnahme der Vereinigten Staaten am Kriege zu verhindern. Schritt für Schritt war die "Erziehungsarbeit" des amerikanischen Volkes zum Krieg durch Regierung und Finanzkapital durchgeführt worden. Nun aber bestand große Gefahr. Roosevelt wußte genau, daß die Mehrheit, über die er noch im amerikanischen Volke verfügte, aller Voraussicht nach knapp sein, ja, daß es vielleicht auf nur einige 100000 Stimmen ankommen würde. Und er wußte auch genau, daß nach wie vor sich die überwältigende Mehrheit der Amerikaner trotz aller Schreckens- und Greuelpropaganda sehr wohl darüber klar war, daß die Vereinigten Staaten nicht bedroht waren, daß sie infolgedessen jede Kriegspolitik ablehnte. Nichts lag näher, als daß endlich die systematische Kriegstreiberei des Präsidenten im Wahlkampf von einem überzeugten Manne der Friedenspartei Punkt für Punkt vorgerechnet wurde. Die Senatoren Taft und

 

275] Knox und Stimson im Kabinett

Vandenberg, die auf der Republikanischen Seite zu den Präsidentschaftskandidaten zählten, gehörten, wenn auch nicht sehr ausgeprägt, zu jenem Kreis amerikanischer Politiker, der die Kriegspolitik und Kriegshetze ablehnte. Auch der New-Yorker Staatsanwalt Dewey neigte eher dieser Richtung zu, ihm fehlte allerdings auf außenpolitischem Felde jede Erfahrung. Roosevelt hatte sich durch seine aggressive Außenpolitik unzählige Angriffsflächen selbst geschaffen. Die Niederlage Frankreichs und die schmähliche Behandlung, die er der Vichyregierun widerfahren ließ, kamen hinzu. Schon wies die Opposition auf die Mitschuld Roosevelts an der europäischen Katastrophe immer deutlicher hin.

Aus allen diesen Gründen machte daher der Präsident um die gleiche Zeit, da er auf so exaltierte Weise die gar nicht vorhandenen Bedrohungen Amerikas an die Wand malte, einen verzweifelten Versuch: Er suchte zu erreichen, daß die Wahlen überhaupt abgesagt und daß er als "Notpräsident" von Demokraten und Republikanern gemeinsam nominiert würde. In der zweiten Junihälfte entließ er daher plötzlich seine bisherigen Marine- und Kriegsminister und holte sich den Verleger der "Chicago Daily News", Frank Knox, in das Marineamt und Stimson in das Kriegsministerium. Beide hatten in der Republikanischen Partei eine hervorragende Rolle gespielt. Knox war bei der Wahl von 1936 Republikanischer Kandidat für die Vizepräsidentschaft gewesen. Seine Zeitung, an der das jüdische Bankhaus Kühn, Loeb & Co. finanziell interessiert ist, war eines der einflußreichsten Republikanischen Organe. Stimsons Vergangenheit, seine Verbindung mit dem Hause Morgan und seine Neigung zu fortwährenden Interventionen in Asien und Europa haben wir ebenso wie seine enge Freundschaft mit Felix Frankfurter bereits geschildert.

Roosevelt hegte die Hoffnung, daß durch diese Ernennungen die Republikanische Partei bewogen würde, sich auf ihn als Einheitskandidaten zu einigen. Kurz bevor Harry Woodring, Stimsons Vorgänger im Kriegsministerium, ausgebootet wurde, hatte er in der Öffentlichkeit erklärt: "Es gibt eine verhältnismäßig kleine Clique von internationalen Finanzleuten, die wünschen, daß die Vereinigten Staaten den Krieg erklären und sich mit allem, was

 

276] Laniont entdeckt Willkie

wir besitzen, einschließlich unserer Männer, in den europäischen Wirrwarr stürzen sollen. Diese Leute lieben mich nicht, weil ich dagegen bin, daß unsere eigene Verteidigungskraft zu dem Zweck geschwächt wird, um 3000 Meilen von uns entfernt Hitler in den Arm zu fallen. Allenfalls aber werden diese Leute mich zwingen zurückzutreten." So war es denn auch gekommen. Mit der Ausbootung Woodrings wurde einer der letzten Widerstände in der näheren Umgebung Roosevelts gegen die offene Kriegspolitik beseitigt. Dieses Zeugnis von Roosevelts Kriegsminister, im Juni 1940 abgegeben; bewies jedenfalls, wie man selbst in diesen Kreisen die neue Allianz zwischen dem Präsidenten und der Hochfinanz beurteilte. Das taktische Ziel, das der Präsident mit der Ernennung von Stimson und Knox verfolgte, wurde jedoch nicht erreicht. Die Republikaner lehnten den Gedanken der Einheitskandidatur ab.

Dies wurde nun der Anlaß für den vielleicht ungeheuerlichsten Wahlbetrug, den die an Zwischenfällen reiche Geschichte der USA. kennt. Nach dem Fehlschlag der Stimson-Knox-Ernennung brandete die Gefahr, die Außenpolitik des Präsidenten könnte in den Mittelpunkt des Wahlkampfes gestellt werden, immer bedrohlicher an das Wfeiße Haus heran. Mit allen Mitteln versuchte daher Roosevelt zu erreichen, daß als Republikanischer Gegenkandidat ein Mann aufgestellt wurde, der sich von vornherein festlegte, dem Volke die eigentlichen Absichten des Präsidenten, den Eintritt in den Krieg, nicht zu enthüllen. Im anderen Falle war damals Roosevelts Niederlage sicher, da er sofort Millionen von Frauenstimmen verloren hätte. Hier nun trat die neue Allianz mit Wall-Street zum erstenmal auch innerpolitisch in Erscheinung, Thomas Lamont (Morgan) und der Jude Frank Altschul (Lazard Freres) fuhren heimlich nach Philadelphia zum Republikanischen Parteikonvent und leiteten ungesehen von einem verborgenen Hotelzimmer aus den Kampf um die Ernennung des Republikanischen Präsidentschaftskandidaten. Ihr Mann aber hieß Wendell Willkie, der Präsident der mächtigen Elektrizitätsgesellschaft Commonwealth & Southern.

Die von dem Hause Morgan finanziell abhängige große Zeitschrift "Fortune" hatte im Frühjahr für den im weiteren Publikum bis dahin völlig unbekannten Willkie zum erstenmal die Trommel gerührt. Noch bei Beginn des Parteikonvents in Philadelphia schien er kaum irgendwelche Chancen zu besitzen. Für ihn sprach lediglich, daß er aus dem Mittelwesten stammte (Jahrgang 1892) und sich aus verhältnismäßig kleinen Anfängen emporgearbeitet hatte. Gegen ihn aber fiel stark ins Gewicht, daß er nicht nur selbst vielfacher Millionär ist, sondern daß er als Mitglied des Aufsichtsrates der First National Bank, die von der Morgan-Bank kontrolliert wird, zum engeren Umkreis von Wall Street Nr. 23 gehörte. Dazu kam, daß er ursprünglich der Demokratischen Partei angehörte und daß er erst nach 1936 zu den Republikanern hinübergewechselt war. Wir haben ihn bereits als den heftigsten Gegner des TVA kennengelernt und jenes überaus seltsame Geschäft erwähnt, mit dem 1938 der Kampf zwischen Privatkapital und TVA durch Willkie entschieden worden ist. Daß Thomas Lamont es war, der seine Nominierung in Philadelphia schließlich durchsetzte, steht ohne Zweifel fest. Die Verbindungen waren vielgestaltig. Nach der Wahl stellte sich z. B. heraus, daß Stimson, der von Beruf Rechtsanwalt ist, durch die ihm gehörende Rechtsanwaltsfirma Putnam & Roberts ständig durch riesige Finanztransaktionen mit Willkies Gesellschaft Commonwealth & Southern verbunden war. Robert McCormick, der Besitzer der mächtigen "Chicago Tribune", die Willkies Kandidatur uneingeschränkt unterstützt hatte, schrieb unmittelbar nach der Wahl:

"Willkie mag nicht imstande oder vielleicht auch nicht willens sein, seine durch und durch ehrlose Rolle zu erklären, die er während des Wahlkampfes gespielt hat. Das Land hat indes ein Recht darauf, hierüber etwas zu erfahren. Wer organisierte das Netzwerk der Konspiration während des Konvents in Philadelphia? Es war ein unglaublicher Betrug." Und Philipp LaFollette sprach von einem "von vornherein verabredeten Kampf, in dem der Präsident und Willkie beide ihre Friedensliebe ausdrückten, während sie in Wirklichkeit gemeinsam auf der Straße gehen wollten, die zum Krieg führt, wenn einmal die Wahl vorbei sein würde."

So ereignete sich denn das seltsame Schauspiel eines Wahlkampfes, in dem Roosevelts Gegner dasjenige Gebiet sorgfältig

 

278] "Ein unglaublicher Betrug"

aussparte, auf dem allein er einen entscheidenden Erfolg hätte erringen können, nämlich die Außenpolitik. Die Hochfinanz hinter dem William-Allen-White-Komitee hatte dies mit Aufbietung aller ihr zur Verfügung stehenden Macht- und Geldmittel erreicht, während Roosevelt dafür die bindende Zusage gegeben hatte, daß er künftig Angriffe aus seinen eigenen Reihen gegen Wall-Street nicht mehr zulassen werde. Tatsächlich sind sie von diesem Zeitpunkt ab auch vollständig unterblieben. Millionen von Stimmen, die Willkie bei der Wahl erhielt, wurden ihm gegeben, weil die Wähler damit ihren Protest gegen die Außenpolitik Roosevelts ausdrücken wollten. Sie ahnten nicht, daß sie schon vor dem Wähltag in jedem Falle betrogen waren. Die Rolle, die Willkie dann nach dem November 1940 spielen sollte, seine Reise als Agent des Präsidenten nach London, und die führende Stellung, die er alsbald im Kreise der Kriegspartei einnahm, zeugten im übrigen dafür, daß die Konspiration zwischen Roosevelt und der Hochfinanz bis in alle Einzelheiten vorbereitet gewesen ist. Der Ausgang des Wahlkampfes ergab eine ziemlich geringe Mehrheit für Roosevelt. Der Präsident erhielt 27,2 Millionen, Willkie 22,3 Millionen Stimmen.

Der Wahlkampf war aber auch in anderer Hinsicht ein Betrug von ungewöhnlichem Ausmaß. In den letzten Tagen vor der Wähl trat der Präsident mit einer Reihe von Reden vor das Volk, die alle darin gipfelten, daß er für Amerika den Frieden erhalten wolle. Diese Äußerungen sind so wichtig, daß wir sie hier im Wortlaut anführen wollen. Roosevelt erklärte am 30. Oktober 1940 in Boston: "Wir bewaffnen uns nicht zu dem Zweck eines Kampfes oder einer Intervention in einen fremden Streit. Ich wiederhole nochmals, wir stehen zu dem Programm unserer Partei, wir werden uns nicht an fremden Kriegen beteiligen, noch werden wir unsere Armee oder unsere Marine zum Kampf in fremde Länder außerhalb Amerikas senden, es sei denn im Falle eines Angriffs. Da ich zu euch Vätern und Müttern rede, gebe ich nochmals diese Versicherung. Ich habe dies schon öfters gesagt, aber ich wiederhole: Unsere Jungens werden nicht in einen fremden Krieg geschickt werden."

Genau sechs Monate später drang Roosevelt indes nach Grönland vor, und dreiviertel Jahr später wurde Island, das doch zweifellos zu den "fremden Ländern außerhalb Amerikas" gehört, von diesen selben "amerikanischen Jungens" auf Befehl des Präsidenten besetzt.

Am 28. Oktober 1940 erklärte Roosevelt in New York: "Die Regierung hat es unternommen, alle die Zufälle auszuschalten, die in der Vergangenheit zum Krieg geführt haben. Wir haben es klar gesagt, daß Schiffe unter amerikanischer Flagge nicht Munition in kriegführende Länder bringen können und daß sie sich außerhalb der Kriegszone halten müssen."

Schon im April 1941, zu dem Zeitpunkt also, an dem Libyen von General Rommel bereits wieder erobert wurde, erließ Roosevelt eine Verordnung, daß das Rote Meer nicht zur Kriegszone rechne und daß infolgedessen dorthin amerikanische Transportschiffe mit Kriegsmaterial fahren dürfen. Das Rote Meer befand sich aber zu dieser Zeit ständig unter der Einwirkung der deutschen Luftwaffe. Und im Sommer und Herbst 1941 gab Roosevelt den Befehl, daß amerikanische Schiffe unmittelbar in die Kriegszone um England fahren sollten. Dies also warder Sinn der Versprechungen des Präsidenten vor der Wahl, die am 3. November 1940 in einer Rede in Brooklyn mit folgendem Satze abgeschlossen wurde:

"Ich kämpfe, um dieser Nation den Wohlstand und den Frieden zu erhalten. Ich kämpfe, um unser Volk aus dem Kriege herauszuhalten und um fremde Regierungsauffassungen den USA. fernzuhalten."

Längst vor der Wähl schon war in Amerika selbst immer wieder darauf hingewiesen worden, daß Wilson 1916 seinen Wahlkampf ebenfalls mit dem Versprechen der Erhaltung des Friedens geführt hatte. Längst vor dem war es allen Einsichtigen klar, daß der Präsident nun offen dem Kriege zustrebte. Der gewaltige Propagandaapparat, mit dem Regierung und Hochfinanz während der Wahlmonate das ganze Land erfüllten, und der Wahlbetrug, der bei der Aufstellung Wendell Willkies von vornherein in Szene gesetzt worden war, hatten indes genügt, um das amerikanische Volk völlig mit Blindheit zu schlagen. Was hätte es im übrigen auch tun sollen, nachdem der eine Kandidat ebenso wie der andere im geheimen Einverständnis miteinander von Frieden sprach und Krieg meinte? Das Volk hatte in Wirklichkeit gar keine Wahl. Diesmal aber sollte sich die Fiktion der Demokratie nicht nur verhältnismäßig harmlos dadurch rächen, daß irgendeine Partei an der Futterkrippe blieb. Diesmal ging es um grausamere und furchtbarere Dinge. Als das amerikanische Volk im November 1940 zur Wahlurne schritt und damit glaubte, entsprechend der demokratischen Überlieferung, sein Schicksal selbst zu gestalten, war es das willenlose Werkzeug jener unsichtbaren kleinen Gruppe im Hintergrunde, die den Wahlkampf und in gewissem Sinne auch den Wahlausgang längst vorher festgelegt hatte.

Im 8. Abschnitt des l. Artikels der Verfassung der Vereinigten Staaten ist vorgesehen, daß der Kongreß allein das Recht besitzt, Krieg zu erklären. Im 2. Abschnitt des Artikels 2 wird dem Präsidenten indes die Befugnis des Oberbefehls über die Armee und die Flotte der Vereinigten Staaten zuerkannt. Der Präsident kann also selbst den Kriegszustand nicht erklären, er kann aber als Oberbefehlshaber der Wehrmacht, wenn er will, eine Lage schaffen, die den Krieg unvermeidlich macht. Dies geschah im April 1846. Seit Jahren bestanden zwischen den Vereinigten Staaten und Mexiko Streitigkeiten um die Grenze von Texas und Neumexiko. Der Kongreß wollte keinen Krieg, Präsident Polk aber wollte ihn. Er entsandte infolgedessen den General Taylor mit einer Armee an die mexikanische Grenze und ließ gegenüber der mexikanischen Stadt Matamoros Schießübungen abhalten und eine Blockade einrichten, durch die die mexikanischen Truppen jenseits des Rio Grande von der Nahrungsmittelzufuhr abgesperrt wurden. Die Mexikaner versuchten alles, um den bewaffneten Konflikt zu vermeiden. Schließlich aber gingen sie mit einer kleinen Abteilung gegen die ungerechtfertigte Blockade der nordamerikanischen Armee vor. Polk erklärte hierauf in einer Botschaft an den Kongreß:

"Der Krieg ist ungeachtet unserer Anstrengungen, ihn zu vermeiden, durch einen Angriffsakt von Mexiko ausgebrochen." Dem Kongreß blieb nichts anderes übrig, als sich der von Polk geschaffenen Lage zu beugen und auch formell den Krieg zu erklären. Bei der Abstimmung erhob sich zwar ein Abgeordneter aus dem Mittelwesten und erklärte, dieser Krieg sei "unheilig, ungerechtfertigt und verdammungswürdig", aber dies half nichts mehr. Durch seine Befugnisse als Oberbefehlshaber der Wehrmacht hatte der Präsident gegen den Willen fast des gesamten Landes den Ausbruch des Krieges erzwungen.

Man braucht nur statt Polk Franklin Roosevelt einzusetzen und man hat das Bild, das sich ab Mai 1940 entrollte. Bis dahin war der Präsident nur daran interessiert gewesen, daß andere Länder Krieg führten und er infolgedessen den "Notstand" erklären könnte. Von nun ab wollte er sich selbst unter allen Umständen an diesem Kriege beteiligen. Er glich nun einem Mann, der gegen alle Widerstände ein schweres Faß auf den Kamm eines Hügels in der sicheren Hoffnung hinaufwälzt, daß es, oben angelangt, auf der anderen Seite von selbst herabrollen werde. Die Methoden, mit denen Roosevelt die Vereinigten Staaten Schritt für Schritt überlegt und planmäßig in den Krieg hineintreibt, der die amerikanischen Interessen nicht berührt und an dem sich das amerikanische Volk nicht beteiligen wollte, zeugen gewiß von taktischem Geschick. Dies ist allerdings für die schlechteste Sache angewandt worden, die es in der Welt gibt: für die minuziöse Vorbereitung eines unprovozierten Angriffskrieges. Eine Übersicht der Etappen, in denen Roosevelt seinen vorgefaßten Plan abrollen ließ, ergibt von Mai 1940 bis Ende 1941 folgende Phasen:

l. Die machtmäßigen Grundlagen für eine aggressive Außenpolitik waren im Frühjahr 1940 noch nicht vorhanden. Roosevelt setzte infolgedessen gegen alle Widerstände die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht durch, obwohl die Opposition mit Recht hervorhob, daß eine große amerikanische Armee überhaupt nur einen Sinn haben könne, wenn sie als Expeditionsarmee gedacht sei. Während in allen anderen Ländern der Welt die allgemeine Wehrpflicht in der Tat eine Verteidigungsmaßnahme ist, konnte sie angesichts der Unangreifbarkeit der USA. nur als Vorbereitung zum Angriff aufgefaßt werden. Das Gesetz wurde vom Präsidenten nach dreimonatigem Kampf mit dem Kongreß am 16. September 1940 unterzeichnet. Gleichzeitig war auch die Flottenrüstung, deren Ursprünge bereits in das Jahr 1938 reichen, in einem aggressiven Sinne erweitert worden. Der Beschluß, eine Zweiozeanflotte bis 1946/47 zu erbauen, umfaßte vor allem den Bau schwerer Schlachtschiffe, die nur in einer ausgesprochenen Angriffsflotte sinngemäße Verwendung finden können.

2. Am 2. September 1940 wurden durch einen Notenwechsel zwischen dem britischen Botschafter Lord Lothian und Staatssekretär Hull 50 ältere Zerstörer an England abgetreten. Dafür erklärte sich Großbritannien bereit, den Vereinigten Staaten auf 99 Jahre militärische Stutzpunkte auf Neufundland, den Bermudainseln, den Bahamainseln, Jamaika, Santa Lucia, Trinidad, Antigua und Britisch-Guayana "umsonst und ohne Vorbehalt" zu verpachten. Die Übertragung der Zerstörer bedeutete den ersten offenen Bruch des geltenden Völkerrechts, nach dem die Übertragung von Kriegsmaterial aus dem Besitz der Wehrmacht eines neutralen Landes an ein kriegführendes Land als unneutraler Akt gilt.

3. Am 10. Januar 1941 wurde durch die amerikanische Regierung im Kongreß das Leih- und Pachtgesetz (Lend- and Lease Bill) eingebracht, auf Grund dessen sich künftig die Englandhilfe entwickeln sollte. Das Gesetz forderte Vollmachten für den Präsidenten, "jedes für die USA. wichtige Rüstungsmaierial herstellen zu lassen, es an die Regierungen, die für die Verteidigung der USA. wichtig sind, zu verkaufen, zu übertragen, auszutauschen, zu verleihen, zu verpachten oder irgendwie abzutreten. Jedes Rüstungsmaterial zu reparieren oder instand zu setzen, den in Frage kommenden Regierungen Informationen über Rüstungsmaterial zu geben und die Ausfuhr solchen Rüstungsmaterials freizustellen".

Das Leih- und Pachtgesetz widersprach ebenso wie vorher die Übertragung der Zerstörer der Haager Friedenskonvention, der alleinigen Grundlage des geltenden Völkerrechts. Einer der hervorragendsten Völkerrechtslehrer der Vereinigten Staaten, H. W. Briggs, der Mitherausgeber des "American Journal of International Law" hatte im Oktoberheft 1940 dieser Zeitschrift geschrieben: "Die Zerstörer sind nun übertragen. Aber niemand möge sagen, daß das rechtmäßig geschehen sei. Die Auslieferung dieser Schiffe durch die Regierung der Vereinigten Staaten an eine kriegführende Macht ist eine Verletzung unserer Neutralität, eine Verletzung unseres nationalen Rechts und eine Verletzung des Völkerrechts."

Diese Worte gelten sinngemäß erst recht für das Leih- und Pachtgesetz. Die Cash-Klausel, durch die bis dahin fremde Regierungen gezwungen waren, Rüstungslieferungen in bar zu bezahlen, wurde nun außer Kraft gesetzt. Von der Kriegspartei wurde nach der Unterzeichnung des Gesetzes – sie erfolgte am 11. März 1941 – triumphierend erklärt, die Vereinigten Staaten seien nun das Kriegsarsenal Englands. Sie bezeichnete das Leih- und Pachtgesetz als den Wendepunkt der amerikanischen Außenpolitik von der Isolierung zum offenen Interventionismus. Gleichzeitig hatte der Präsident diktatorische Vollmachten erhalten und damit den Senat, bisher das wichtigste Regierungsinstrument der USA., in jene Lage versetzt, die an die Rolle des Senats der spätrömischen Zeit erinnert. Der Opposition gelang es lediglich durchzusetzen, daß ausdrücklich in dem Gesetz festgestellt wurde, daß nach wie vor die amerikanische Marine nicht zum Konvoi für amerikanische Handelsfahrzeuge berechtigt sei und daß die Handelsschiffe entsprechend dem Neutralitätsgesetz nicht in die Kriegszone fahren dürften. Dies aber störte Roosevelt in keiner Weise. Nachdem ihm die Durchbruchsschlacht gegen die Friedensmehrheit im amerikanischen Volke mit dem Leih- und Pachtgesetz gelungen war, kam es für ihn lediglich darauf an, seine Vollmachten als Oberster Befehlshaber gegen den erklärten Volkswillen auszunutzen.

4. Im März und April 1941 wiederholten Roosevelt und Hull das zynische Spiel der Aufhetzung eines europäischen Staates, das sie bereits einmal mit Frankreich mit Erfolg durchgeführt hatten. Auf das Betreiben Roosevelts hin schloß sich Jugoslawien einer der Achse feindlichen Konstellation an, was zu seinem Untergang führen mußte.

5. Im April 1941 beginnt dann die neue Phase, in der der Präsident Maßnahmen trifft, die geeignet sind, Zwischenfälle und Zusammenstöße hervorzurufen und die nur dem einen Zweck dienen, Vorwände zu schaffen, um die Vereinigten Staaten nun aktiv nach dem Muster des Präsidenten Polk in den Krieg zu verwickeln. Dieses frivole Spiel beginnt am 7. April mit einer Note Hulls an den dänischen Gesandten in Washington von Kauffmann, in der die Einrichtung von militärischen Stützpunkten der USA. auf Grönland gefordert wird, da dieses innerhalb der Westlichen Hemisphäre liege. Kauffmann stimmt dem ohne Rechtsgrundlage am 9. April zu, obwohl die dänische Regierung sofort erklärte, daß sie das Abkommen als ungültig und rechtswidrig ansehe.

Am 11. April erklärt Roosevelt, das Rote Meer gelte nicht mehr als Kriegszone und könne von Schiffen der Vereinigten Staaten befahren werden, obwohl das Rote Meer beständig im Bereich deutscher Flugzeuge liegt. Hier wird also zum erstenmal räumlich, eigens zu dem Zweck, um Zwischenfälle zu schaffen, in die Kriegszone vorgestoßen.

Am 24. April wird in Washington offiziell mitgeteilt, daß die Patrouillenfahrten der amerikanischen Kriegsschiffe und die Flüge der amerikanischen Luftwaffe über die 300-Meilen-Zone im Atlantik auf mindestens 1000 Meilen nach Osten ausgedehnt werden. Es wird hierbei kein Zweifel gelassen, daß diese Patrouillenfahrten dazu dienen, etwaige deutsche Kriegsschiffe, die von der amerikanischen Marine und Luftwaffe in diesem Gebiet angetroffen werden, der englischen Flotte zu signalisieren. Wahrend der Kongreß zu diesem Zeitpunkt ein offenes Bündnis mit England aller Voraussicht nach noch immer abgelehnt hätte, benutzt der Präsident seine Vollmachten als Oberster Befehlshaber, um das militärische Zusammenwirken der amerikanischen Wehrmacht mit der britischen von sich aus in Gang zu setzen. Die Ausdehnung dieser sogenannten Patrouillentätigkeit ist völkerrechtlich bereits nicht mehr nur ein unneutraler Akt, sondern der unverschleierte Auftakt eines offenen Angriffs.

 

285] Der Angriffsplan rollt ab

6. Am 4. Mai 1941 erklärt Roosevelt, "die USA. seien bereit, für die Erhaltung der Demokratie in der ganzen Welt zu kämpfen." Am 27. Mai proklamiert er den unbegrenzten nationalen Notstand und erklärt, "die Vereinigten Staaten würden sich jedem deutschen Versuch, die Meere zu beherrschen, widersetzen und Großbritannien jede nur mögliche Hilfe gewähren".

Am 28. Mai weist Roosevelt ausdrücklich darauf hin, daß er den Patrouillendienst in die Gebiete ausgedehnt habe, in denen Deutschland Handelskrieg führe. Entsprechend seiner Taktik "Schritt für Schritt" erklärt er aber, es sei nicht beabsichtigt, die Neutralitätsgesetzgebung abzuschaffen. Am 29. Mai schließlich wird endgültig ein Gesetz angenommen, durch das praktisch die Schiffe sämtlicher europäischer Staaten in nordamerikanischen Häfen beschlagnahmt werden.

Erst ab Ende Mai kommt also Roosevelt offiziell auf das Schlagwort der "Freiheit der Meere" zurück. Die Neutralitätsgesetzgebung des Kongresses war gerade zu dem Zwecke erlassen, um die im Weltkrieg aus dem Begriff der "Freiheit der Meere" entstandenen Schwierigkeiten endgültig auszuschalten und von vornherein eine Verwicklung der amerikanischen Handels- und Kriegsschiffahrt in einen Konflikt auf dem Atlantik durch entsprechend scharfe Bestimmungen unmöglich zu machen. Dieser erklärte Wille des Volkes wird nun durch Roosevelt eigenmächtig außer Kraft gesetzt.

7. Am 5. Juni erklärt Hull, die deutsch-französische Zusammenarbeit laufe den Interessen der Vereinigten Staaten zuwider, und am 8. Juni, die französische Insel Martinique und Guadeloupe ständen unter der Kontrolle der Vereinigten Staaten. Dies entspricht den bereits in Roosevelts Rede vom 27. Mai ausgesprochenen Drohungen gegen Portugal. Der Präsident hatte unzweideutig seine Absicht eines Angriffes auf die Azoren angekündigt, was zu einem scharfen Protest der portugiesischen Regierung in Washington geführt hatte.

Am 14. und 15. Juni 1941 werden, nachdem die Guthaben aller anderen europäischen Staaten bereits eingefroren sind, auch die deutschen und italienischen Guthaben in den Vereinigten Staaten beschlagnahmt und das Deutsche Reich aufgefordert, seine Konsulate sowie die Deutsche Informationsbibliothek in New York bis zum 10. Juli zu schließen. Hierfür wird keinerlei zureichende Begründung gegeben. Deutschland und Italien treffen die entsprechenden Gegenmaßnahmen.

Bereits am 30. Juni erklärt dann Marineminister Knox, "die USA. müßten ihre Flotte einsetzen, die Stunde des Losschlagens sei gekommen". Trotz aller dieser sich vom unneutralen und unfreundlichen Akt zu offenen Angriffshandlungen steigernden Maßnahmen der USA. bewahren indes Deutschland und Italien ihre friedliche Haltung und geben deutlich zu erkennen, daß sie dem Plan des Präsidenten, der die Achsenmächte systematisch zu provozieren versucht, nicht in die Hände arbeiten werden.

8. Infolgedessen geht Roosevelt am 7. Juli 1941 wieder einen Schritt weiter und läßt Island durch USA.-Truppen besetzen. Die Insel liegt inmitten der offiziell bekanntgegebenen deutschen Seekriegszone und ist nur 965 Kilometer von den deutschen Stützpunkten in Norwegen entfernt. Roosevelt weist gleichzeitig die Flotte an, "alles Notwendige zu tun, um die Sicherheit des Verbindungsweges zwischen Island und USA. zu garantieren". Mit anderen Worten: Roosevelt gibt den Befehl an die amerikanische Flotte, auf deutsche Kriegsschiffe, die in den Gewässern von Island angetroffen werden, zu schießen. Entsprechend der Verschleierungstaktik gegenüber dem amerikanischen Volk wird dies allerdings nicht ausdrücklich, sondern nur indirekt mitgeteilt. Kurz darauf wird bekannt, daß auf Island ebenso wie bereits in Nordirland große amerikanische Flugstützpunkte eingerichtet werden, von denen ununterbrochen Aufklärungsflüge gestartet werden sollen.

9. Am 18. Juli 1941 gibt die USA.-Regierung eine Schwarze Liste von 1800 Personen und Handelshäusern Südamerikas heraus, die mit den Achsenmächten Handel treiben, und verfügt den Boykott gegen sie und die Einfrierung ihrer Guthaben in USA. Gleichzeitig wird gegen Japan der vollkommene Boykott erklärt und der japanisch-amerikanische Handel praktisch unterbunden, da jeder einzelne Kauf von der Erteilung einer Lizenz abhängig gemacht wird.

10. Im August 1941 findet das Atlantiktreffen zwischen Churchill und Roosevelt statt, durch das die Vereinigten Staaten endgültig auf ein Bündnis mit England festgelegt werden.

11. Als im September 1941 trotz aller im Atlantik und im Roten Meer sorgfältig vorbereiteten Maßnahmen noch immer kein Zwischenfall zwischen der amerikanischen und deutschen Marine eingetreten ist, wird am 5. September ein solcher Zwischenfall mit dem amerikanischen Zerstörer "Creer" und einem deutschen U-Boot künstlich konstruiert. Am 11. September teilt Roosevelt daraufhin mit, daß er nun an die amerikanische Flotte "innerhalb einer amerikanischen Sicherheitszone Befehl zum Schießen auf deutsche Kriegsschiffe gegeben habe". Am darauffolgenden Tag lehnt Hull eine nähere Erklärung über den Umfang dieser sogenannten Sicherheitszone schon mit der Absicht ab, Verwicklungen unter allen Umständen eintreten zu lassen. Die amerikanische Presse erklärt, diese Sicherheitszone reiche bis nach Irland und England einerseits, bis nach Suez und Burma andererseits. Unmittelbar darauf erklären Roosevelt, Hull und Knox. das Neutralitätsgesetz müsse aufgehoben werden.

12. Mitte Oktober ereignet sich ein weiterer Zwischenfall mit dem USA.-Zerstörer Kearney im Atlantik. Obwohl der Bericht der amerikanischen Admiralität zugibt, daß dieser Zerstörer zuerst mit Wasserbomben gemeinsam mit britischen Seestreitkräften Jagd auf ein deutsches U-Boot gemacht habe, und dann hierbei torpediert wurde, hält Roosevelt in einer Rede am 28. Oktober an der falschen Behauptung fest, "Kearney" sei angegriffen worden. In der gleichen Rede behauptet er, er sei im Besitz einer amtlichen deutschen Karte, in der eine Neuaufteilung Südamerikas nach deutschen Wünschen eingetragen sei. Auf Befragen weigert er sich jedoch am darauf folgenden Tage, diese Karte vorzuzeigen. Die Reichsregierung antwortet hierauf mit einer Zirkularnote an alle neutralen Regierungen, in der festgestellt wird, daß es sich bei dieser angeblichen Südamerika-Karte um eine Fälschung handelte. Roosevelt ist nicht in der Lage, das Gegenteil zu beweisen.

13. Am 10. Oktober bringt der Präsident im Kongreß ein Abänderungsgesetz ein, durch das das Neutralitätsgesetz praktisch aufgehoben werden soll. Die Klauseln, die die Bewaffnung amerikanischer Handelsschiffe und das Befahren der Kriegszone verbieten, sollen gestrichen werden. Dieser Abänderungsvorschlag wird vom Senat mit 50 gegen 37 Stimmen, vom Repräsentantenhaus mit 212 gegen 194 Stimmen - also nur mit 18 Stimmen Mehrheit - angenommen und von Roosevelt am 17. November 1941 unterzeichnet. Damit sind die letzten Hemmungen, die das Neutralitätsgesetz bis dahin noch der Kriegspolitik des Präsidenten entgegensetzte, gefallen. "Die Verabschiedung der Revision des Neutralitätsgesetzes war überhaupt nur durch nie dagewesene Gewaltmethoden der Regierung gegen einzelne Abgeordnete möglich1." Der Demokratische Senator Tydings erklärte im Plenum des Senats, dieser Akt sei dazu angetan, die Vereinigten Staaten unter allen Umständen in den Krieg zu führen. Er erklärte gleichzeitig, die Geheimberichte der Bundesmarine über die Fälle "Greer" und "Kearney" hätten erwiesen, "daß die Vereinigten Staaten, ganz gleich, ob mit Recht oder mit Unrecht, in diesen Fällen die Angreifer gewesen seien".

14. Ende November 1941 gibt das State Department bekannt, Niederländisch-Guayana sei von nordamerikanischen Truppeneinheiten nach einer Vereinbarung mit der niederländischen "Regierung" in London besetzt worden. Selbstverständlich hatte man die in England im Exil lebenden holländischen "Minister" dazu gezwungen, ihre Zustimmung zu geben. Holländisch-Guayana besitzt reiche Bauxitlager, die Roosevelt durch die Besetzung an sich bringen wollte.

15. Bei den Verhandlungen mit Japan lehnen Roosevelt und Hull Anfang Dezember 1941 die Möglichkeit eines gütlichen Übereinkommens endgültig ab. Sie stellen Japan ein Ultimatum, daß es mit den Achsenmächten brechen und sich aus Indochina und China zurück ziehen solle. Damit wird der Krieg im Fernen Osten heraufbeschworen. Der Krieg bricht am 8. Dezember morgens aus. Am 11. Dezember schließen sich das Deutsche Reich und Italien unter Hinweis auf die lange Kette zahlloser Provokationen und Angriffsakte der USA. Japan an und erklären den Kriegszustand mit den Vereinigten Staaten.

1 New York Journal American, 15. November 19.11.

 

289] Mißachtung des Volkswillens

Diese nüchterne Zusammenstellung enthält nur die wichtigsten Etappen der Aggressionspolitik "Schritt für Schritt", mit der Roosevelt und seine Gefolgsleute zwischen Mai 1940 und Dezember 1941 die Vereinigten Staaten planmäßig in den Krieg führten. Dutzende von Reden, Erklärungen, kriegsmäßigen Vorbereitungen und Handlungen wären in diese Übersicht einzufügen, wenn sie auch nur annähernd vollständig sein sollte. Schon in dieser gedrängten Form zeigt sie indes, wie der Präsident in einer fortlaufenden Kette von Wortbrüchen, Verleumdungen und offensichtlichen Angriffshandlungen das Volk der USA. Meter um Meter näher an den Abgrund heranzerrt, bis schließlich die Lawine allein in den Schlund hinunterrollen wird. Keine einzige dieser Reden und Handlungen konnte auch nur den Schatten eines Beweises erbringen, daß von Europa oder Asien aus irgendeine Angriffshandlung, ja auch nur eine Einwirkung auf die Vereinigten Staaten oder auf den mittel- und südamerikanischen Kontinent geplant, geschweige denn vorbereitet gewesen wäre. Für keinen einzigen dieser unneutralen Akte und keine der späteren Angriffshandlungen konnte eine nur irgend zureichende Begründung gegeben werden. Gleichzeitig war das amerikanische Volk, wie wir auf Grund der Gallup-Abstimmungen schon bewiesen, diesem von Roosevelt provozierten Angriffskrieg in seiner überwältigenden Mehrheit abgeneigt.

Es stellt sich indes heraus, daß in diesem amerikanischen System der Demokratie der Wille des Volkes keine Rolle spielt, ja daß es insbesondere nach dem Wahlbetrug des Jahres 1940 nicht einmal die Möglichkeit hatte, seinen Willen zu äußern. Diese Übersicht gibt also gleichzeitig den erdrückenden Beweis, daß in den Vereinigten Staaten "Demokratie" in Wirklichkeit gar nicht mehr besteht. Die herrschende Schicht ist vielmehr in der Lage, unter vollständiger Mißachtung des Volkswillens einen Angriffskrieg entsprechend ihren eigenen Wünschen auf Machterweiterung und Kriegsgewinne vom Zaun zu brechen. Lange noch wurde das amerikanische Volk durch sich immer wiederholende Versprechen – typisch hierfür ist z. B. die noch im Mai 1941 gegebene Zusicherung, das Neutralitätsgesetz solle unberührt bleiben, die dann im September widerrufen wurde – in der Illusion gehalten, es handle sich noch immer um Maßnahmen "short of war", durch die Amerika dennoch nicht in den Krieg aktiv hereingezogen und die Entsendung der amerikanischen Jungen als Soldaten keineswegs nötig würde. Es gehörte zu diesem System, diese Illusion dem Volke auch dann noch zu lassen, als in Wirklichkeit die Angriffshandlungen den Weg zum Krieg bereits unvermeidlich gemacht hatten. Die Außen- und Kriegspolitik, die hier getrieben wurde, vollzog sich auf dem Hintergrund eines fortdauernden Betruges nach innen. Erst im letzten Moment, so beabsichtigte man, sollte der Schleier fallen gelassen werden. Das amerikanische Volk, auf die Nachrichtengebung seiner Presse und seines Rundfunks angewiesen, war sich denn auch noch im Frühjahr und Sommer 1941 keineswegs, so erstaunlich dies ist, über die einzig mögliche Konsequenz klar, zu der die Politik des Präsidenten führen mußte. Charles Lindbergh, der Bezwinger der Ozeane, erhob vergeblich seine warnende Stimme. Vom Präsidenten mit einem Schmähwort aus dem Bürgerkrieg als "Copperhead", als gefährliche Giftschlange, verleumdet und beschimpft, erging es ihm und allen aufrechten Amerikanern, die sich auf dem Weg zum Krieg entgegenzustellen wagten, so wie dies Mark Twain in seinem "Mysteriösen Fremden" um die Jahrhundertwende prophetisch vorausgeahnt halte:

"Einige anständige Männer werden mit Argumenten in Wort und Schrift gegen den Krieg opponieren. Erst wird man ihnen zuhören und ihnen sogar Beifall spenden, aber dies wird nicht lange dauern; die anderen werden lauter schreien, und bald werden die Redner mit Steinen beworfen, und das freie Wort wird unterdrückt werden, und zwar mit Hilfe der Massen, die im Herzen dem Redner recht geben. Aber sie werden nicht wagen, das öffentlich zu sagen, und dann nimmt die ganze Nation den Kriegsruf, der vom Katheder und von der Kanzel erschallt, auf, und die gegen den Krieg reden, müssen schweigen." Im Herbst 1941 war es soweit.

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