*In den meisten Biografien sowie auf seiner "offiziellen Webseite" (man fragt sich, wie ein Toter eine "offizielle" Webseite haben kann :-) wird behauptet, daß Saint-Exupéry Berufsoffizier hätte werden können und wollen, darauf jedoch wegen Bedenken seiner Verlobten Louise de Vilmorin bzw. deren Familie verzichtet habe. Dies ist indes wenig glaubhaft. Von seiner schweren Verletzung ganz abgesehen, hatte Saint-Exupéry bereits in jungen Jahren ausgiebig unter Beweis gestellt, daß er als Pilot nichts taugte - was auch seinen Vorgesetzten schwerlich entgangen sein dürfte. Man wird ihm wohl am ehesten gerecht, wenn man ihn als Mischung aus Gabriele d'Annunzio und Felix Graf Luckner betrachtet, d.h. einen fantasiebegabten Schriftsteller, der sich auch als Soldat versuchte bzw. einen Soldaten, der seine Heldentaten mehr mit der Feder als mit der Waffe in der Hand vollbrachte. Nur äußerlich ähnelte er Ernst Udet, der ganz im Gegensatz zu ihm ein ausgezeichneter Pilot, aber am Schreibtisch ein völliger Versager war. Die Verlobung mit Louise de Vilmorin ging noch im selben Jahr in die Brüche, hätte ihn also an einer Karriere als Berufsoffizier nicht gehindert.
**Hinter "Jacques" verbirgt sich Saint-Exupéry selber, hinter "Geneviève" seine Ex-Verlobte Louise de Vilmorin.
***Saint-Exupéry ist in dieser Hinsicht kein Einzelfall. In der Zwischenkriegszeit gelten Flugzeugpiloten als die zivilen Helden schlechthin. Auch die Erinnerungen von Gunther Plüschow, Charles Lindbergh und Hermann Köhl werden Bestseller.
****Gewisse Kreise in Großbritannien und den USA spielen damals mit dem Gedanken, Saint-Exupéry anstelle des wegen seiner Selbstherrlichkeit unbeliebten
Charles de Gaulle
zur Gaullions-Galions-Figur des "freien Frankreichs" aufzubauen.
*****Nach dem Krieg behaupteten diverse deutsche Wichtigtuer, sie hätten Saint-Exupéry über dem Mittelmeer abgeschossen, zuletzt im März 2008 der Ex-Sportreporter Horst Rippert, der ferner behauptete, er hätte dies selbstverständlich nicht getan, wenn er gewußt hätte, daß sein "Lieblingsautor" in jenem Flugzeug mit französischen Hoheitszeichen saß. Rippert wußte freilich auch nicht, daß Saint-Exupéry damals in einem Flugzeug mit US-amerikanischen Hoheitszeichen saß - und seine später diesbezüglich "korrigierte" Aussage ist schlicht unglaubhaft. Das Wrack jenes Flugzeugs wurde im September 2003 entdeckt und im Folgemonat geborgen. Nach dem offiziellen Untersuchungsbericht vom April 2004 wies es keine Spuren von Feindeinwirkung auf, was wiederum zu der These Anlaß gab, Saint-Exupéry habe Selbstmord begangen. Auch das ist indes unglaubhaft, da es dafür keinerlei Motiv gab. Es gibt nur eine schlüssige Erklärung, nämlich die, daß der Bruchpilot Saint-Exupéry wie schon so oft durch eigenes Verschulden abstürzte - diesmal mit für ihn tödlichen Folgen. Freilich paßt diese simple Wahrheit nicht in die posthume Heldenverehrung und wird deshalb, soweit ersichtlich, nirgends offen vertreten. Man darf allerdings fragen, warum die US-Amerikaner dem als Pilot bekanntermaßen völlig unfähigen Saint-Exupéry ausgerechnet ein Modell anvertrauten, das als besonders schwierig zu fliegen galt, daher für den ernsthaften Kampfeinsatz längst ausrangiert worden war und nur noch für Terror-Angriffe auf Zivilisten, von denen keine Gegenwehr zu befürchten war, verwendet wurde.
******Das Modell Lockheed P-38 "Lightning" war zu Beginn des Zweiten Weltkriegs einer der besten Abfangjäger und als "Gabelschwanzteufel" bzw. "flüsternder Tod" bei Deutschen und Japanern gleichermaßen gefürchtet - allerdings auch bei den eigenen Piloten, an deren fliegerisches Können er relativ hohe Anforderungen stellte. Später wurde er als Jagdbomber eingesetzt, schließlich nur noch als Tiefflieger für Angriffe auf einzelne unbewaffnete Zivilisten, vor allem Frauen und Kinder - ein bei den alliierten Piloten besonders beliebter "Sport"; die Achsenmächte, deren Luftwaffen denen der Alliierten zahlenmäßig mehr als 1:100 unterlegen waren, mußten dem Morden machtlos zusehen. Die Alliierten begannen damit im Sommer 1944 von Korsika aus, wobei ihre ersten Ziele in Norditalien und Südfrankreich lagen. Dafür eingesetzt wurde auch die so genannte "Aufklärungsvariante" der P-38, wie Saint-Exupéry sie flog, die zwar keine Bomben mit sich führte, aber über eine für diesen Zweck mehr als ausreichende Bordbewaffnung verfügte, nämlich eine 3,7-cm-Kanone und 4 Maschinengewehre. Daß man den als völlig unfähigen Piloten bekannten Saint-Exupéry "Aufklärungsflüge" durchführen ließ, ist äußerst unwahrscheinlich; man dürfte ihm gerade noch zugetraut haben, Jagd auf wehrlose Frauen und Kinder zu machen. Auch dies paßt freilich nicht in die amtlich verordnete Heldenverehrung und ist daher offiziell tabu.
*******Nach der höchstrichterlichen Billigung des Satzes "Soldaten sind Mörder" würde dann endlich damit ernst gemacht, jeden militärischen Einsatz eines deutschen Soldaten im Zweiten Weltkrieg - auch (und gerade?) den gegen feindliche Tiefflieger, die unbewaffnete Zivilisten ermordenvon ihrem Nazi-Leben befreien - als "Mord" strafrechtlich zu verfolgen, möglichst unter Wiedereinführung der Todesstrafe. (Originalzitat Cornelia Geissler, BZ vom 17.03.2008: "(...) was bedeutet, daß sein Mörder auch tot sein müßte. Diese gerechte Variante (...) ist (...) gewiß erträglicher."
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