Enteignet Russland westliche Firmen?

von THOMAS RÖPER (Anti-Spiegel, 06. November 2023)

mit Anmerkungen aus juristischer Sicht von Nikolas Dikigoros

In deutschen Medien findet man immer wieder Geschichten darüber, der russische Staat würde westliche Firmen enteignen, wobei die deutschen Medien immer sehr entsetzt darüber berichten. Was ist an den Geschichten dran ist, zeigt der Fall von Carlsberg.

Das Entsetzen der deutschen Medien, wenn sie berichten, dass der russische Staat diese oder jene westliche Firma enteignet habe, ist nicht nur geheuchelt, sondern auch verlogen. Geheuchelt ist es, weil der Westen es mit seinen Sanktionen vorgemacht hat: Er hat russisches staatliches und privates Eigentum nicht nur gesperrt, sondern er denkt sogar darüber nach, wie er es komplett enteignen und der Ukraine übergeben kann.

Verlogen sind die deutschen Medien, weil in Russland keine westliche Firma enteignet oder sanktioniert wurde. Der russische Staat bleibt offen für Investoren und schützt deren Eigentumsrechte. Wenn der russische Staat aktiv wird, handelt es sich um westliche Firmen, die den russischen Markt verlassen wollen und ihre russischen Tochtergesellschaften de facto stilllegen oder pleite gehen lassen. Dann schreitet der russische Staat ein und stellt die Firmen unter staatliche Zwangsverwaltung, um den Betrieb aufrecht zu erhalten und die Arbeitsplätze zu sichern. Von einer Enteignung kann keine Rede sein, denn die westliche Firma könnte die Leitung ihrer Firma wieder übernehmen, wenn sie ernsthaft daran interessiert ist, die Firma in Russland weiterzuführen.

Aktuell macht das Beispiel Carlsberg Schlagzeilen, weil Carlsberg einst die größte russische Brauerei gekauft hat und es Streit über die Weiterführung der russischen Brauerei gab, wobei es auch darum ging, dass Carlsberg die russischen Markennamen behalten wollte, die russische Brauerei sollte ihr Bier nicht mehr unter dem eigenen Namen verkaufen dürfen.

Das russische Fernsehen hat in seinem wöchentlichen Nachrichtenrückblick über die Geschichte berichtet, und ich habe den russischen Beitrag übersetzt.

Beginn der Übersetzung:

Während Carlsberg still und leise fremdes Eigentum stiehlt, stellt es sich als Opfer dar

Das ist Carlsberg, das 15 Jahre lang das russische Brauereiunternehmen Baltika sowie die erfolgreichen regionalen Marken Arsenalnoye, Don, Samara und Yarpivo besaß und jahrelang Gewinne aus Russland abzog, ohne etwas in die Produktion zu investieren. Die Qualität des Bieres nahm ständig ab; Baltikas Produktion ging um 40% zurück.

Um die negative Entwicklung und sogar die Zerstörung der Branche zu stoppen, führte der russische Präsident Wladimir Putin per Dekret vom 16. Juli die externe Verwaltung von Baltika durch die Föderale Agentur für Vermögensverwaltung ein, ohne Carlsberg das Eigentum zu entziehen. Während dieser ganzen Zeit war Russland bereit, über den Verkauf der Fabriken von Carlsberg in Russland zu verhandeln. Aber die Dänen sabotierten die Verhandlungen und lehnten alle russischen Angebote ab. Und jetzt schreien sie, dass man ihnen ihr Geschäft geklaut habe.

Inzwischen erlebt Baltika, wieder unter russischer Leitung, eine zweite Geburt, wie der Bericht unserer Reporter zeigt.

Baltika arbeitet rund um die Uhr: Sie füllen Bier sowohl in Plastik- als auch in Glasflaschen ab. Tausende von Flaschen Baltika 3 laufen über das Fließband. Das ist das Produkt, das das Unternehmen einst nicht nur in Russland, sondern auch in Europa zu einem führenden Bierbrauer machte. Jetzt wird Baltika 3 nach dem klassischen Rezept gebraut, und man plant, den früheren Absatz wiederherzustellen. Insgesamt ist die Arbeit in vollem Gange, die Mitarbeiter sind beschäftigt, die Rufe aus Kopenhagen sind ihnen egal.

Doch Kopenhagen lässt nicht locker. Der neue Chef der Carlsberg-Gruppe, Jacob Arup-Andersen, versammelte zunächst dänische Journalisten am Hauptsitz des Unternehmens und sprach dann auf dem amerikanischen Sender CNBC mit der gleichen These:

"Wir haben den Verkauf des Geschäfts in Russland bereits im Juni angekündigt, aber alles hat sich mit dem Präsidialdekret im Juli geändert, als die russische Regierung ein Interimsmanagement einsetzte und unser Geschäft faktisch gestohlen hat." (Anm. Dikigoros: Wer hätte das kaufen sollen? Doch höchsten die Russen selber, und deren Auslandkonten hat man ja gesperrt bzw. die Guthaben "eingefroren" - sie müßten also zum Nulltarif "verkaufen"!)

Der Chef der Carlsberg-Gruppe trägt nicht umsonst den Namen des berühmten dänischen Märchenerzählers. Zunächst wurde ihm vom russischen Finanzministerium höflich geantwortet, dass die Einführung des vorläufigen Managements keine Änderungen in der Eigentümerstruktur nach sich ziehe. Dann erklärte Taimuraz Bollojew, Gründer des Brauereiunternehmens Baltika:

"Die Nachricht ist eine Lüge. Laut dem Firmenregister hält Carlsberg 100% der Baltika Breweries, daran hat sich nichts geändert."

In dem Auszug vom 1. November findet sich in der Rubrik "Informationen über Beteiligte und Gründer" die schwedische juristische Person "Carlsberg" mit einem Anteil von 98,56%, die Tochtergesellschaft "Carlsberg" hat 1,35% und die deutsche Tochter 0,09%. Den Diebstahl, von dem der CEO der dänischen Brauerei spricht, gibt es nicht, und er weiß das auch ganz genau.

Nach dem Start der Militäroperation haben die dänischen Eigentümer ihren Wunsch geäußert, Baltika loszuwerden. Anderthalb Jahre lang befanden sich die mehr als 8.000 Beschäftigten der Brauerei in der Schwebe, bis der Präsident im Juli 2023 ein externes Management unter der Föderalen Agentur für Vermögensverwaltung einführte. Taimuraz Bollojew, der Mann, der Baltika gegründet und zu einem florierenden Unternehmen gemacht hatte, wurde zum Präsidenten ernannt. Unter ihm hatte das Bier viele internationale Auszeichnungen erhalten. Baltika 3 z.B. hatte rund 30 davon, darunter Gold beim European Beer Star in München und Silber bei der International Beer Challenge in London.

Als Carlsberg Baltika übernahm, wurde die Entwicklung gestoppt. Die Dänen quetschten alles Mögliche aus dem Unternehmen heraus. 15 Jahre lang wurde keine einzige technologische Linie ersetzt, drei der elf Brauereien wurden geschlossen. Die Produktion sank um 40%, der Anteil des Unternehmens am Inlandsmarkt und der Export halbierten sich. Carlsberg investierte nichts in Russland und transferierte 100% seiner Gewinne ins Ausland.

Das Team, das die externe Verwaltung von Baltika übernommen hat, hat die Geschäfte von Carlsberg in Russland überprüft. Während der gesamten 15 Jahre war das Geld des Unternehmens nach Dänemark transferiert worden, und zwar das Doppelte des Kaufpreises, insgesamt etwa sechs Milliarden Euro. Carlsberg zog nicht nur jährliche Dividenden ab, sondern zahlte auch Lizenzgebühren an sich selbst als Inhaber der Rechte an ausländischen Biermarken. Das ist der Grund, warum die russischen Brauereien so wenig russisches Bier produzierten: Das wäre für die dänischen Aktionäre nicht rentabel gewesen. Nun hat Carlsberg beschlossen, Baltika die Produktionslizenz zu entziehen, während es selbst, entgegen dem Gesetz, weiterhin Baltika-Marken in der GUS produziert - in Kasachstan, Aserbaidschan und Weißrussland.

"Wir, das Team, das Baltika leitet, glauben, dass die Einführung des externen Managements zum richtigen Zeitpunkt erfolgte. Wir haben uns die Situation nach dem Audit angesehen und wissen, was zu tun ist", sagt Bollojew.

Der Prüfbericht wurde der Regierung übermittelt. Der externe Manager kann kein Eigentum verkaufen oder übertragen, aber er ist für alle Entscheidungen über die Entwicklung des Unternehmens zuständig.

Der Präsidialerlass sieht vor, dass Russland die Verwaltung von Unternehmen oder beweglichem Eigentum sowie von Wertpapieren übernimmt, wenn ein unfreundliches Land unser Land, ein Unternehmen oder einen russischen Bürger seines Eigentums beraubt oder Handlungen gegen die nationale, wirtschaftliche oder Energiesicherheit Russlands vornimmt. Übernehmen der Leitung, nicht ein Wegnehmen, wie in Dänemark. Carlsberg stiehlt selbst von Baltika, aber aus irgendeinem Grund schweigt Jacob Arup-Andersen dazu.

"Wir haben eine Mitteilung erhalten, dass die Vermögenswerte von Baltika im Wert von einer Milliarde Dollar auf dem Territorium Dänemarks gelöscht und an Carlsberg übertragen werden. Ohne jede Erklärung, ohne jede Untersuchung, ohne jedes Gerichtsurteil. Wir wurden einfach benachrichtigt", sagte Bollojew.

Die dänische Behörde schrieb lediglich: "Es hat sich etwas geändert, Sie haben aufgehört, Eigentümers zu sein. Mit freundlichen Grüßen." Auf der letzten Seite findet sich eine Erläuterung: Es geht um das Unternehmen Carlsberg Finance, es heißt, dass der dänische Anteil daran jetzt 100% beträgt, der russische Anteil von 64% wurde gestrichen.

Die Aneignung von russischen Vermögenswerten durch die dänische Seite ist Raub.
(Anm.: Nein, Untreue. Dikigoros war von Anfang an skeptisch, was die neue Rechtsform der so genannten "Joint ventures" über Staatsgrenzen hinweg anging - er hat ihre Entstehung seinerzeit hautnah mit erlebt und sich gefragt, wie das im Ernstfall bei politisch bedingten "Leistungsstörungen" ausgehen soll. Der Dumme ist im Zweifel immer derjenige, der seine Produktionsmittel ins Ausland verlagert hat - wie so viele deutsche Betriebe nach Rotchina - oder dortselbst welche erworben hat, auf die er de facto keinen Zugriff hat. Wie kann man nur glauben, man könne den Joint-Venture-Vertrag einfach zerreißen und vom Ausland - hier Dänemark - aus mit einem Federstrich verfügen, daß zu 100% im Ausland - hier Rußland - gelegene Produktionsstätten plötzlich nicht einmal mehr anteilig dem ausländischen Partner gehören, der sie betreibt?!? Dadurch provoziert man doch geradezu eine Beschlagnahme und de-facto-Enteignung als Retourkutsche! Umgekehrt ist es ebenso leichtsinnig von einem "übernommenen" Unternehmen, sich den Kaufpreis - ganz oder teilweise - in "Shares [Anteilen/Aktien]" des neuen Mutterkonzerns "bezahlen" zu lassen, denn die können, wie man hier sieht, in der Tat mit einem Federstrich gelöscht werden - auch contra legem!)

Es wurde keine Erklärung gegeben, und Carlsberg hat auf die Anfrage von Baltika nicht geantwortet. Während der dänische Konzern still und leise fremdes Eigentum stiehlt, stellt er sich selbst als Opfer dar.

Mehrere Monate lang wurden zivilisierte Verhandlungen über die Bedingungen des Verkaufs der Anlagen und Marken geführt, die jedoch scheiterten. Die Dänen haben sabotiert und machten keine Gegenvorschläge, sondern griffen an. Kopenhagen schreit was von Diebstahl und Respekt vor Privateigentum, obwohl es selbst russische Vermögenswerte einfriert und beschlagnahmt, Moskau nicht erlaubt, die Explosion bei Nord Streams zu untersuchen, und seine gesamte Artillerie zur Unterstützung an die ukrainischen Streitkräfte geschickt hat.

Ende der Übersetzung


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