BERTRAND  RUSSELL

(18.5.1872 - 2.2.1970)

[Bertrand Russell - Vorbild für Loriot?]

Tabellarischer Lebenslauf
zusammengestellt von
Nikolas Dikigoros

1872
18. Mai: Bertrand Arthur William Russell wird in Trellech (Wales) als drittes Kind eines Politikers geboren.

[Das ist die Frage aller Fragen...] [Der Oberlügner - Karikatur von Ben Garrison]

1876
Januar: Nach dem Tod seiner Eltern wächst Russell bei seinen Großeltern väterlicherseits in Richmond auf. (Sein Großvater John, der erste Earl Russell, war Mitte des 19. Jahrhunderts Premierminister für die Whigs gewesen.)

1878
Nachdem auch Russells Großvater stirbt, bleibt seine Erziehung weitgehend der Großmutter und seinem sieben Jahre älteren Bruder Frank sowie wechselnden Privatlehrern überlassen. Er beschäftigt sich frühzeitig mit Mathematik.

1890
Wiewohl ohne formellen Schulabschluß erhält Russell ein Stipendium für ein Mathematikstudium am renommierten Trinity College in Cambridge.


1893
Russell schließt sein Studium mit einem B.A. [Bachelor of Arts] ab.

1894
Dezember: Russell heiratet die Amerikanerin Alys Pearsall Smith. Sie ist Quäkerin und als solche notwendigerweise Pazifistin.

1895
Russell wird Fellow (Lektor) für Mathematik am Trinity College.

1896
Russell veröffentlicht eine Studie über die - damals noch als pazifistisch geltende - deutsche Sozialdemokratie und erhält danach auch einen Lehrauftrag an der Londoner School of Economics.

1897
Russell veröffentlicht einen Aufsatz über die Grundlagen der Geometrie. (Als er später erkennt, daß er damit in diametralem Gegensatz zu der Raum-Zeit-Theorie Albert Einsteins steht, widerruft er seine Thesen und gewinnt damit Einsteins Freundschaft. Später freundet sich Russell auch mit Ludwig Wittgenstein an, dessen großkotziges Gehabe - er ist der Sohn eines schwerreichen jüdischen Unternehmers - den Grundstein für den Anti-Semitismus und Anti-Plutokratismus seines Mitschülers Adolf Hitler legt.)


1902
Russell trennt sich von seiner Frau.

1903
Russell veröffentlicht "Prinzipien der Mathematik". Er gießt darin den Satz: "Alle Kreter lügen, sagt der Kreter"* in eine mathematische Formel um, die später als "Russell's Paradox" bezeichnet wird.

1908
Russell wird Mitglied der Royal Society.

1910
Russell veröffentlicht das Buch "Principia Mathematica". (Zwei Fortsetzungen folgen in späteren Jahren.)

1914
1. August: Bei Ausbruch des Ersten Weltkriegs bekennt sich Russell zum Pazifismus und spricht sich insbesondere gegen die Einführung der Wehrpflicht aus.


1916
Russell veröffentlicht "Gerechtigkeit in Kriegszeiten". (Das Buch erscheint in Chicago, das damals noch eine überwiegend deutsche Stadt ist - die USA sind offiziell noch neutral und werden das amerikanische Deutschtum erst nach ihrem Kriegseintritt 1917 ausrotten.)
Juli: Russell wird aufgrund des "Defense of the Realm Act [Wehrpflichtgesetz]" wegen Wehrkraftzersetzung verurteilt und verliert seine Stellung am Trinity College. Weitere Verurteilungen folgen; Russell verbringt einen Teil der restlichen Kriegszeit im Gefängnis.

1920
Russell unternimmt eine Reise in die Sowjet-Union, auf der er die Kommunistin Dora Black kennen lernt. Er geht mit ihr nach China, wo er an der Universität Peking zwei Semester als Lektor für mathematische Philosophie arbeitet.

1921
Russell kehrt nach England zurück, läßt sich nunmehr auch offiziell von seiner Frau Alys scheiden und heiratet Dora Black. Aus der Ehe gehen zwei geisteskranke Kinder und drei geisteskranke Enkel[innen] hervor. (Dora bekommt noch zwei weitere, normale Kinder, die wahrscheinlich von dem Journalisten Griffin Barry stammen. Obwohl Russell für eine "offene Ehe" plädiert, nimmt er ihr dies äußerst übel.)

1925
Russell beginnt ein Verhältnis mit der Lektorin Edith Finch.

1927
Russell und seine Frau Dora gründen die so genannte Beacon Hill Schule.

1930
Russell stellt die Studentin Patricia Spence als Kindermädchen ein.

1931
Nach dem Tode seines älteren Bruders Frank erbt Russell den Titel eines Earl.

1936
Russell läßt sich von Dora scheiden und heiratet in 3. Ehe Patricia Spence. (Aus der Ehe geht ein Sohn hervor.)

1939
März: Russell übersiedelt nach Santa Monica (USA) und wird Lektor an der später berühmt-berüchtigten UCLA (University of California at Los Angeles).
Eine Berufung Russells als Professor an das New Yorker City College scheitert an der Klage eines Studenten, der ihn für inkompetent hält - die Gerichte geben dem Kläger Recht.

[Russell inkompetent]

1940
Russell sagt sich einstweilen vom Pazifismus los und erklärt, daß "Hitler-Deutschland" vernichtet werden müsse.

1944
Russell kehrt nach England zurück und wird wieder Lektor in Cambridge.

1945
Russell veröffentlicht eine "Geschichte der westlichen Philosophie", durch die er weltweit bekannt wird.

1948
Völlig überraschend sagt sich Russell auch von seiner bisher ablehnenden Haltung gegenüber Atomwaffen los und befürwortet in einer öffentlichen Rede in Westminster einen nuklearen Erstschlag gegen die Sowjetunion, da nur die Weltherrschaft der USA den Weltfrieden erhalten könne.

1950
Russell wird der Literatur-Nobelpreis für 1949 verliehen - nicht für ein bestimmtes Werk, sondern für seine "verschiedenen Schriften über Humanität und Gedankenfreiheit".
(Zur selben Zeit sitzen andere Träger dieses Preises, wie Ezra Pound und Knut Hamsun, in wenig humanitären Gefängnissen bzw. Irrenanstalten, weil sie ihre Gedanken für den Geschmack der Alliierten im Krieg etwas zu frei geäußert haben.)

1952
Russell läßt sich von seiner Frau Patricia scheiden und heiratet in 4. (und letzter) Ehe Edith Finch.

1955
Russell ändert seine Meinung über Atomwaffen erneut, wird wieder zum "Pazifisten" und veröffentlicht ein (auch von Einstein u.a. "Pazifisten" unterzeichnetes) Manifest, in dem er die nukleare Abrüstung fordert.

1958
Russell wird Präsident der im Vorjahr gegründeten "Campaign for Nuclear Disarmament [Kampagne für atomare Abrüstung]" (CND).
In England finden erstmals "Ostermärsche" gegen die zivile Nutzung der Kernenergie statt. (Diese Veranstaltungen greifen zwei Jahre später auf den Kontinent über, wo sie auch "Friedensmärsche" genannt werden.)

1959
Russell begrüßt die Machtergreifung Fidel Castros in Cuba; er wird dessen gern gesehener Gast und besäuft sich regelmäßig in den einst auch von dem Kindermörder Ernest Hemingway frequentierten Kneipen La Habanas.

1960
Russell, dem die CND nicht mehr radikal genug ist, gründet das "Komitee der 100", das nach "zivilem Ungehorsam" à la Gandhi aufruft. Seine KomplizenMitstreiter sind u.a. der Schweizer Dramatiker Friedrich Dürrenmatt und dessen Landsmann, der anti-christliche un-christliche a-christliche "Theologe" und Stalinist Stalin-fan Karl Barth.

1961
Russell wird wegen Nötigung (gewaltsame Demonstrationen vor dem Verteidigungsministerium) verurteilt und landet wieder im Gefängnis. Nach seiner Entlassung beginnt er, gegen den Vietnamkrieg zu agitieren.


1963
Russell gründet gemeinsam mit dem französischen Kommunisten (und späteren Nobelpreisträger) Jean-Paul Sartre ein "Tribunal", das später nach ihm "Russell-Tribunal" genannt wird. Es macht sich zum Sprachrohr aller pseudo-pazifistischen Bestrebungen, die sich einseitig gegen den "Militarismus" des Westens richten, tatsächlich aber nur Handlanger der Kommunisten sind - der Sowjet-Imperialismus wird nie ernsthaft kritisiert, geschweige denn bekämpft. So macht er z.B. keinen Hehl daraus, daß er nicht gegen den Vietnamkrieg an sich ist, sondern nur dagegen, daß die Anti-Kommunisten ihn gewinnen. Sein erklärtes Idol wird - neben Ho Chi Minh - der argentinische Kommunist und Kuba-Revoluzzer Ernesto "Che" Guevara.

1967-69
Russell veröffentlicht seine Autobiografie in drei Bänden.


1970
2. Februar: Bertrand Russell stirbt in Plas Penrhyn (Wales).


* * * * *

1972
Die Republik Indien gibt zu Russells 100. Geburtstag eine Briefmarke zu 1,45 Rupyen heraus.


1975-1981
Die umfangreichen biografischen Arbeiten des Einstein-Biografen Ronald Clark über Russell erscheinen.


2001
Die Palau-Inseln gedenken Russells mit einer Briefmarke zu 2 $.
Die vernichtende Russell-Biografie des Wittgenstein-Biografen Ray Monk ("The Ghost of Madness") erscheint.
Langsam aber sicher wird "Bertie, die Pfeife" zur Witzfigur, für die sich hauptsächlich Karikaturisten interessieren.


2005
11. Juli: In einer Sendung des Bayerischen Rundfunks über Russell erscheint es dem Reporter am bemerkenswertesten, daß er wie König Heinrich VIII von England - mit dem er angeblich entfernt verwandt war - viele Frauen und eine Abneigung gegen die Kirche hatte.


*Russell und seine - insbesondere deutschen - Nachäffer ignorieren zweierlei: Erstens stammt dieser Satz gar nicht von einem Kreter (was freilich schon der Fälscher des "Paulus-Briefs an Titus", durch den er bekannt wurde, nicht mehr zu wissen schien), erst recht nicht von dem Kreter Epimenides, dem er meist untergeschobenzugeschrieben wird, sondern von Kallímachos, einem in der Kyrenaika geborenen und in Ägypten wirkenden Griechen, der Kreta nie betreten hat. Zweitens ist dieser Satz nur in primitivenmodernen Sprachen, wie dem Englischen oder Deutschen, paradox. In klassischen Sprachen - oder solchen, deren Verben mehrere Aspekte bewahrt haben, wie z.B. dem Indischen, würden "lügen" und "sagt" gar nicht im selben Aspekt stehen - der Satz würde allenfalls als unklar empfunden und eine Rückfrage heraus fordern, etwa wie die Frage: "Sprechen Sie Hindī?", die eindeutig formuliert werden müßte als: "Sprechen Sie für gewöhnlich Hindī?", "Können Sie Hindī sprechen?" oder "Sprechen Sie gerade Hindī?" (wobei letzteres keinen Sinn machen würde, da der Rückfragende das ja hört :-) Die Rückfrage würde also dahin gehen, ob alle Kreter für gewöhnlich lügen oder (bisweilen) lügen können; der Aspekt, daß Kreter impliziert immer lügen - und nur der macht den Satz ja zum Paradoxon - existiert in diesen Sprachen gar nicht - das müßte ausdrücklich durch das Wort "immer" angezeigt werden, das eben nicht vorkommt. Auch die o.a. Übertragung des Satzes auf SaurierPolitiker ist kein echtes Paradoxon, denn der Redner meint ja eigentlich: "Alle anderen Politiker lügen [ich aber nicht]!"


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